Technische Sauberkeit Seite 1 Partikelarten Bereits kleinste Partikel können die kleinen Bohrungen von Automobilkomponenten (z.b. Bremssysteme, Einspritzsysteme) dicht setzen und somit zu einem Bauteildefekt führen. Kritische Partikelarten: harte Partikel (metallische bzw. abrasive; z.b. Sand, Korund, Quarz, Metallspäne, Glasfasern etc.) Unkritische Partikelarten (sollten nach Möglichkeit dennoch reduziert werden): weiche Partikel, Flusen, Fasern, Faseragglomerate Typisch im Kunststoff-Spritzguss: kleinste Kunststoffpartikel aufgrund von Abrieb, Hinterschnitten, Anguss- Selbstabschneidern etc.; besonders bei harten / glasfaserverstärkten Materialien zählen diese zu den kritischen Partikeln Bei der Festlegung zulässiger Partikelarten, -größen und mengen ist die jeweilige Anwendung des Bauteiles zu betrachten und das Risiko, das von einer möglichen Verschmutzung ausgeht. Seite 2
Sauberkeitsforderungen Kritische Partikelgrößen In der Automobilindustrie gelten je nach Anwendung unterschiedliche Grenzwerte für kritische Partikelgrößen. Nach heutigem Stand (2010) gelten folgende Richtwerte für schädigende (metallische/harte) Partikel: Motor, Klimaanlage < 400 600µm Getriebe < 250 500µm Lenksystem, Fahrwerkssystem < 250 400µm Bremssystem < 100 250µm Kraftstoff-Einspitzsystem < 100 200µm (Quelle: Vortrag: Hydac International GmbH: Optimierung von Produktionsprozessen, 1.Fachtagung Technische Sauberkeit in Montage- und Produktionsprozesse, Juni 2010) Textilfasern sollten auf eine Länge von maximal 3000µm begrenzt sein. Seite 3 Sauberkeitsforderungen Andere Sauberkeitsforderungen: Zusätzlich zu den Forderungen basierend auf der maximal zulässigen Partikelgröße existieren folgende Spezifikationen: Anzahl der Partikel pro Größenklasse (z.b. 10 zulässige Partikel in Klasse H) Neuerdings wird die Tendenz beobachtet, dass nur noch der größte Partikel betrachtet wird, z.b. kein harter Partikel >300µm und keine Faser >3000ym Rückstandsgewicht (Gravimetrie) pro Bauteil oder pro 1000cm² Bauteiloberfläche verliert an Bedeutung, da das Gewicht keine Aussage über die einzelnen Größen und Arten der Partikel und damit deren Schädigungspotential zulässt! Seite 4
Besonderheiten im Spritzgießprozess Kunststoff-Spritzgießteile können im Gegensatz zu metallischen Bauteilen nachträglich nicht gewaschen werden! Deshalb müssen diese Teile stets sauber produziert werden und es darf während der Weiterverarbeitung nur so wenig Schmutz wie möglich hinzukommen. Ein geeignetes Reinigungsverfahren wäre z.b. das Abblasen des Restschmutzes durch ionisierte, gefilterte Luft. Es sollte von Beginn an auf eine sauberkeitsgerechte Teile- und Werkzeugkonstruktion geachtet werden (z.b. keine Hinterschnitte) und Materialwahl (GF, TPE s), um die Anzahl der entstehenden Kunststoff-Partikel (durch Reibung) zu verringern. Seite 5 Sauberkeitsgerechte Produktion Saubere Fertigung Keine Kontrolle der Umgebungsluft vorzugsweise Kapselung der Maschinen Auf Sauberkeit der Maschinen und der Umgebung besonders achten weniger Schmutzpartikel als in der normalen Produktion bedingt geeignet für technisch-saubere Fertigung! Sauberraum Abgeschlossener, räumlich getrennter Bereich für die Produktion. Spezielle Kleidung Gefilterte Zuluft und Überdruck Gezieltere Einhaltung der Sauberkeit als bei sauberer Fertigung wenig Schmutzpartikel (Staub, Fasern) besonders geeignet für technisch-saubere Fertigung! Reinraum Abgeschlossener, räumlich getrennter Bereich für die Produktion. Material- und Personenschleusen Spezielle Kleidung Gefilterte Zuluft und Überdruck (qualifiziert in Reinraumklassen, z.b. ISO 5) wenig Keime, Partikel <5µm kontrolliert wirtschaftlich nicht notwendig für technischsaubere Fertigung! (zu teuer) Seite 6
Sauberkeitsgerechte Produktion Teileentnahme und Ablegen mit Handling Um die Sauberkeit der Teile nach dem Auswerfen zu erhalten, sollten die Teile nicht werkzeugfallend produziert werden, sondern stets mit einem Handling abgelegt werden. Abb.2: Abriebpartikel (ca. 1600µm) Abb.1: Partikelfalle auf dem Ausfallschacht unterhalb einer Maschine Seite 7 Sauberkeitsgerechte Weiterverarbeitung/ Montage Weiterverarbeitung Jeder einzelne Weiterverarbeitungsschritt (z.b. Tempern, Konditionieren, Sichtkontrolle) verschlechtert die Technische Sauberkeit. Die Sauberkeit der Umgebung ist dabei nicht immer kontrollierbar (z.b. externe Weiterverarbeitung). Weiterverarbeitung / Montage Partikelhäufigkeit (alle Partikel) 10000 1000 100 10 1 0,1 139,6 170,0 429,8 7081,2 29,8 43,2 76,4 1772,8 7,3 9,7 12,7 341,4 1,1 1,3 1,4 47,2 0,8 0,5 0,7 16,8 0,1 0,3 50-100 100-200 200-400 400-600 600-1000 > 1000 Größenklassen [µm] nach der Produktion nach dem Konditionieren nach der 100%- Sichtkontrolle nach der O-Ring-Montage (vollautomatisch) 0,2 8,4 Seite 8
Sauberkeitsgerechte Weiterverarbeitung/ Montage Zukaufteile Auf die Sauberkeit von Zukaufteilen und deren Verpackung ist in besonderem Maße zu achten, da durch diese die kritischen Partikel (z.b. Metallspäne) eingebracht werden können. Evtl. sind gereinigte Zukaufteile zu beziehen. Abb.3: Buchsen Abb.4: Buchse Abb.5: Partikel der Beschichtung keine Folienverpackung Beschichtung sammelt sich der Buchse bei der Analyse Seite 9 Sauberkeitsgerechte Weiterverarbeitung/ Montage Zukaufteile O-Ringe sind nicht für technisch-saubere Bauteile geeignet! Abb.6: Partikel vom O-Ring Gummi-Partikel, ca. 1100µm Abb.7: O-Ring-Zuführung der Montage-Station schmierige Beschichtung der O-Ringe sammelt sich Seite 10
Erreichbare Sauberkeitswerte Für Kunststoff-Spritzgießteile können folgende Werte zuverlässig eingehalten werden. (Richtwerte für die Sauberraumproduktion ohne Einlegeteile) 150 µm für metallische Partikel 300 µm für alle anderen Partikel (Staub, Kunststoff, etc.) 2000 µm für textile Fasern Sobald Zukaufteile verwendet werden (Einlegeteile, O-Ringe) hängt die Technische Sauberkeit stark von der Sauberkeit der Zukaufteile ab. Pauschale Sauberkeitsforderungen sind ebenso wenig sinnvoll wie unnötig überhöhte Forderungen, die auch mit einem erheblichen Aufwand nicht mehr prozesssicher erreicht werden können. Für jedes Bauteil sollte eine speziell angepasste Sauberkeitsforderung bestehen! Seite 11 Ermittlung der Technischen Sauberkeit 1. Abreinigen des Restschmutzes vom Bauteil - Ultraschall (siehe Abb.8) - Spritzen 2. Analysieren der erstellten Analysefilter - Gravimetrisch ( Wiegen ) - Mikroskopisch (siehe Abb.9) Abb.8: Reinigungskammer mit Ultraschallbad Abb.9: Stereomikroskop von Zeiss Seite 12
Ermittlung der Technischen Sauberkeit Aufwand für die Sauberkeitsanalyse: Erstellung Blindwert: ca. 60min Dauer Waschung: ca. 15min pro Analyse Dauer Auswertung: ca. 20min pro Analyse (zzgl. Wartezeiten für die Trocknung der Filter (je 30min)) Kosten Equipment: ca. 30.000 Des Weiteren sollten nur qualifizierte Mitarbeiter die Sauberkeitsanalyse durchführen, da die Ergebnisse stark von der Sorgfalt der Waschung und den Einstellungen des Mikroskops (z.b. Schwellwerte ) abhängen. Seite 13 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Seite 14