Friedrich Nietzsche. Der tanzende Stern. Aphorismen ANACONDA. Ausgewählt und herausgegeben von Kai Kilian

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Transkript:

Friedrich Nietzsche Der tanzende Stern Aphorismen Ausgewählt und herausgegeben von Kai Kilian ANACONDA

Die Texte dieses Bandes folgen der Ausgabe Werke in drei Bänden. Herausgegeben von Karl Schlechta. München 1954 56. Orthografie und Interpunktion wurden der neuen deutschen Rechtschreibung angeglichen. Siglenverzeichnis A: Der Antichrist (1895) EH: Ecce homo (postum 1908) FW: Die fröhliche Wissenschaft (1882) GD: Götzen-Dämmerung (1889) JGB: Jenseits von Gut und Böse (1886) M: Morgenröte (1881) MA: Menschliches, Allzumenschliches (1878/79) UB: Unzeitgemäße Betrachtungen (1873 76) Z: Also sprach Zarathustra (1883 85) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2011 Anaconda Verlag GmbH, Köln Alle Rechte vorbehalten. Umschlagmotiv: Trygve Skogrand,»Pattern of Angels«, 2008 (digital collage), Private Collection / bridgemanart.com Umschlaggestaltung: Druckfrei. Dagmar Herrmann, Köln Satz und Layout: InterMedia, Ratingen Printed in Czech Republic 2011 ISBN 978-3-86647-601-1 www.anacondaverlag.de info@anaconda-verlag.de

Inhalt Der Mensch unter Menschen 7 Glaube und Religion 37 Kunst und Schönheit 57 Wissenschaft und Philosophie 79 Tugend und Moral 103 Liebe und Freundschaft 125 Staat und Gesellschaft 147 Alter und Vergänglichkeit 169 5

DER MENSCH UNTER MENSCHEN

Der Unterleib ist der Grund dafür, dass der Mensch sich nicht so leicht für einen Gott hält. JGB 141 Vielleicht ist das ganze Menschentum nur eine Entwicklungsphase einer bestimmten Tierart von begrenzter Dauer: sodass der Mensch aus dem Affen geworden ist und wieder zum Affen werden wird, während niemand da ist, der an diesem verwunderlichen Komödien-Ausgang irgendein Interesse nehme. Aus: MA I 247 Wenn man erwägt, dass der Mensch manche Hunderttausend Jahre lang ein im höchsten Grade der Furcht zugängliches Tier war und dass alles Plötzliche, Unerwartete ihn kampfbereit, vielleicht todesbereit sein hieß, ja dass selbst später, in sozialen Verhältnissen, alle Sicherheit auf dem Erwarteten, auf dem Herkommen in Meinung und Tätigkeit beruhte, so darf man sich nicht wundern, dass bei allem Plötzlichen, Unerwarteten in Wort und Tat, wenn es ohne Gefahr und Schaden hereinbricht, der Mensch ausgelassen wird, ins Gegenteil der Furcht übergeht: Das vor Angst zitternde, zusammengekrümmte Wesen schnellt empor, entfaltet sich weit der Mensch lacht. Diesen Übergang aus momentaner Angst in kurz dauernden Übermut nennt man das Komische. Aus: MA I 169 9

Ich fürchte, die Tiere betrachten den Menschen als ein Wesen ihresgleichen, das in höchst gefährlicher Weise den gesunden Tierverstand verloren hat als das wahnwitzige Tier, als das lachende Tier, als das weinende Tier, als das unglückselige Tier. FW 224 Wenn der Mensch vor Lachen wiehert, übertrifft er alle Tiere durch seine Gemeinheit. MA I 553 Lachen heißt: schadenfroh sein, aber mit gutem Gewissen. FW 200 Zu den Dingen, welche einen Denker in Verzweifelung bringen können, gehört die Erkenntnis, dass das Unlogische für den Menschen nötig ist und dass aus dem Unlogischen vieles Gute entsteht. Es steckt so fest in den Leidenschaften, in der Sprache, in der Kunst, in der Religion und überhaupt in allem, was dem Leben Wert verleiht, dass man es nicht herausziehen kann, ohne damit diese schönen Dinge heillos zu beschädigen. Es sind nur die allzu naiven Menschen, welche glauben können, dass die Natur des Menschen in eine rein logische verwandelt werden könne; wenn es aber Grade der Annäherung an dieses Ziel geben sollte, was würde da nicht alles auf diesem Wege verloren gehen müssen! Auch der vernünftigste Mensch bedarf von Zeit zu Zeit wieder 10

der Natur, das heißt seiner unlogischen Grundstellung zu allen Dingen. MA I 31 Wie wenig Lust genügt den meisten, um das Leben gut zu finden, wie bescheiden ist der Mensch! MA II, Der Wanderer und sein Schatten 15 Wer viel Freude hat, muss ein guter Mensch sein: Aber vielleicht ist er nicht der klügste, obwohl er gerade das erreicht, was der Klügste mit aller seiner Klugheit erstrebt. MA II, Vermischte Meinungen und Sprüche 48 Die Mutter der Ausschweifung ist nicht die Freude, sondern die Freudlosigkeit. MA II, Vermischte Meinungen und Sprüche 77 Ein einziger freudloser Mensch genügt schon, um einem ganzen Hausstande dauernden Missmut und trüben Himmel zu machen; und nur durch ein Wunder geschieht es, dass dieser eine fehlt! Das Glück ist lange nicht eine so ansteckende Krankheit woher kommt das? FW 239 Der Einwand, der Seitensprung, das fröhliche Misstrauen, die Spottlust sind Anzeichen der Gesundheit: Alles Unbedingte gehört in die Pathologie. JGB 154 11