Pilotprojekt zum jahrgangsversetzten Spielbetrieb der U10-Juniorinnen im Spielbetrieb der U9-Junioren Zwischenbericht Univ.-Prof. Dr. Heinz Reinders Diplom-Pädagoge 1 Ausgangslage Am 24.02.2017 hat der SC Heuchelhof e.v. beim Verbands-Jugendausschuss des Bayerischen Fußball-Verbands beantragt, ein U10-Juniorinnen-Team jahrgangsversetzt im Spielbetrieb der U9-Junioren einzusetzen. Begründet wurde dieser Antrag gegenüber dem Jugendverbandsausschuss des BFV in dreifacher Weise: Die DFB-Jugendordnung des DFB räumt den Landesverbänden die Möglichkeit des jahrgangsversetzten Spielbetriebs ein. 1 Entsprechend dieser Möglichkeit sehen 16 von 21 Landesverbänden des DFB die Möglichkeit des jahrgangsversetzten Spielbetriebs vor. 2 Die Unterschiede in der körperlichen Entwicklung zwischen Mädchen und Jungen weisen Mädchen in den fußballrelevanten motorischen Bereichen ab einem Alter von ca. acht Jahren als benachteiligt aus. 3 Mit Entscheid vom 05.05.2017 hat der Verbandsjugendausschuss diesem Antrag insofern stattgegeben, als dass dem jüngeren U11-Jahrgang die Mitwirkung an Spielen der U9-Junioren für ein Jahr als Pilotprojekt und deren Einsatz als Einzelspielerinnen oder als gesamtes Mädchenteam gestattet wird. Der SC Heuchelhof hat in der Folge ein U10-Juniorinnen-Team für den Spielbetrieb der U9- Junioren im Kreis Würzburg als F2-Jugend gemeldet (Staffel-ID: 311219). In dieser Staffel haben die U10-Juniorinnen die Hinrunde mit acht Begegnungen absolviert. 2 Zentrale Ergebnisse Dieser Zwischenbericht fasst die Erfahrungen im jahrgangsversetzten Spielbetrieb der U10- Juniorinnen in einer Staffel mit reinen U9-Junioren-Teams aus der Hinrunde der Saison 2017/18 zusammen. Die wesentlichen Erkenntnisse sind: Die U10-Juniorinnen waren im Durchschnitt über alle Spiele hinweg 13 Monate älter als die Spieler der U9-Junioren-Teams. Die U10-Juniorinnen hatten in den Partien einen durchschnittlichen Ballbesitz von 31,3 Prozent der Spielzeit. Die U10-Juniorinnen haben sieben von acht Begegnungen verloren. 1 Quelle: https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/98213-09_jugendordnung.pdf, Stand 15.02.2018 2 Reinders, Heinz (2017). Strukturelle Förderung des Mädchenfußballs. Rechtliche Regelungen zum jahrgangsversetzten Einsatz von Juniorinnen im Junioren-Fußball in den Landesverbänden des DFB. Schriftenreihe des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen, Band 04. Würzburg: Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 3 Reinders, Heinz, Hoos, Olaf, Haubenthal, Gernot (2015). Bedingungen erfolgreicher Förderung von Mädchen im Breiten- und Leistungsfußball. Ein Forschungsüberblick über motorische und psychosoziale Unterschiede bei Mädchen und Jungen ab der frühen Kindheit. Schriftenreihe des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen, Band 01. Würzburg: Julius-Maximilians-Universität Würzburg 1
Im Durchschnitt haben die U10-Juniorinnen pro Spiel 2,25 Tore erzielt, die U9-Junioren- Teams haben durchschnittlich 7,13 Tore erzielt. Bei den U10-Juniorinnen hängen Alter und Torerfolg nicht zusammen, bei den Junioren steigt die Torquote mit dem Altersdurchschnitt eines Teams. Diese Erkenntnisse basieren auf der Auswertung der elektronischen Spielberichtsbögen aller Partien der U10-Juniorinnen gegen die Teams der U9-Junioren sowie vier Videoaufzeichnungen im Spielbetrieb der Hinrunde der Saison 2017/18. 3 Altersstruktur der Begegnungen Die U10-Juniorinnen haben in der Hinrunde der Saison 2017/18 insgesamt acht Begegnungen gegen U9-Junioren-Teams gespielt. Bei diesen Begegnungen waren die Spielerinnen gemäß Angaben im Elektronischen Spielberichtsbogen-System des BFV (ESB) im Durchschnitt 8,07 Jahre alt. Die Spieler der gegnerischen Teams wiesen gemäß ESB ein Durchschnittsalter von 6,92 Jahren auf. Die Spielerinnen des SC Heuchelhof waren damit im Mittel 1,15 Jahre älter als die gegnerischen Jungen. Dies entspricht einem Altersvorsprung der Mädchen von ca. 13 Monaten. Der Blick auf die durchschnittliche prozentuale Häufigkeit der Geburtsjahrgänge zeigt an, dass die Spielerinnen des SC Heuchelhof insgesamt eine um ein Jahr verschobene Altersstruktur aufweisen (vgl. Abbildung 1). 100,0 80,0 79,5 60,0 40,0 44,2 37,9 20,0 0,0 17,9 14,3 6,3 0,0 0,0 2008 2009 2010 2011 Heuchelhof Gegner Abbildung 1: Prozentuale durchschnittliche Häufigkeit der Spielerinnen und Spieler nach Geburtsjahrgängen (Angaben in Prozent) So stammten durchschnittlich über alle acht Spiele hinweg 44,2 Prozent der Heuchelhof- Spielerinnen aus dem Geburtsjahrgang 2008. Die zweitgrößte Gruppe waren die Spielerinnen des Jahrgangs 2010, die mit 37,9 Prozent vertreten waren. Lediglich 17,9 Prozent der Spielerinnen wurden im Jahr 2009 geboren und in keiner der Partien wurde eine Spielerin des Jahrgangs 2011 eingesetzt. 2
Im Vergleich hierzu stammte die überwiegende Zahl der gegnerischen Jungen aus dem Jahrgang 2010 (79,5 Prozent), gefolgt vom Jahrgang 2011 (14,3 Prozent). Lediglich durchschnittliche 6,3 Prozent der Jungen-Spieler wurden im Jahr 2009 geboren und in keinem der Spiele wurden (gemäß der rechtlichen Regelungen für U9-Junioren) Jungen des Jahrgangs 2008 eingesetzt. 4 Erzielte Spielergebnisse Von den acht gespielten Partien konnten die Juniorinnen des SC Heuchelhof nur eine Begegnung gewinnen, sieben Spiele wurden verloren. Bei der gewonnenen Begegnung gegen die Nachbarn des TSV Rottenbauer ist anzumerken, dass dieses Team in der Hinrunde 2017/18 keinen regulären Trainer hatte und der Verein kein regelmäßiges Training für diese U9-Junioren anbieten konnte. Die Ergebnisse der Spiele sind im Einzelnen in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1: Ergebnisse der Partien der U10-Juniorinnen in der Hinrunde der Saison 2017/18 Heuchelhof Waldbrunn 3 : 12 Grombühl Heuchelhof 11 : 0 Heuchelhof Höchberg 1 : 8 Heidingsfeld Heuchelhof 6 : 2 Heuchelhof Zell 0 : 5 ETSV Heuchelhof 3 : 2 Heuchelhof Rottenbauer 7 : 4 Rottendorf Heuchelhof 8 : 3 Durchschnitt Tore U10-Juniorinnen 2,25 Durchschnitt Tore Gegner 7,13 Torverhältnis 18:57 Tordifferenz -39 Gemäß Tordifferenz der Einzelspiele betrug die höchste Niederlage der U10-Juniorinnen 11:0 gegen den TSV Grombühl, die höchste Anzahl gegnerischer Tore ist bei der Partie gegen den SV Waldbrunn zu verzeichnen (3:12). In zwei Begegnungen erzielten die U10-Juniorinnen kein Tor, in einer Partie sieben Tore und insgesamt in 87,5 Prozent der Spiele nicht mehr als drei Tore. Die Tordifferenz beträgt bei 18 geschossenen und 57 erhaltenen Toren insgesamt -39 Tore. Im Durchschnitt konnten die U10-Juniorinnen trotz eines Altersvorsprungs von 13 Monaten im Durchschnitt nur 2,25 Tore, die gegnerischen U9-Junioren pro Spiel im Mittel 7,13 Tore erzielen. 5 Zusammenhang zwischen Alter und Torerfolg Statistisch lässt sich der Zusammenhang zwischen dem Durchschnittsalter eines Teams und der Anzahl geschossener Tore berechnen. Dieser Zusammenhang drückt sich in einem sog. Korrelationswert aus. Dieser Korrelationswert kann von Null (kein Zusammenhang) bis Eins 3
(100-prozentiger Zusammenhang) reichen. Ein negativer Zusammenhang bedeutet, dass mit steigendem Alter die Zahl der geschossenen Tore sinkt, ein positiver Wert heißt, dass mit zunehmendem Alter die erzielten Tore ebenfalls zunehmen. Ein Wert nahe Null zeigt an, dass kein Zusammenhang zwischen beiden Merkmalen besteht. Tabelle 2 zeigt die Korrelationswerte getrennt für die U10-Juniorinnen des SC Heuchelhof und die gegnerischen U9-Junioren. Tabelle 2: Zusammenhang zwischen Durchschnittsalter der Teams pro Spiel und Anzahl geschossener Tore (Korrelationskoeffizient Pearsons R; Signifikanzniveau: 5 Prozent) Korrelation U10-Juniorinnen -0,09 (nicht signifikant) U9-Junioren 0,51 (signifikant) Für die U10-Juniorinnen des SC Heuchelhof ergibt sich mit R = -0,09 kein signifikanter Zusammenhang. Das bedeutet, dass das Durchschnittsalter des Teams für die Anzahl geschossener Tore unbedeutsam ist. Ob das Team mal älter oder jünger in der Zusammensetzung ist, hat keine Auswirkungen auf die erzielten Tore. Im Gegensatz hierzu existiert bei den U9-Jungen ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang. Je älter das spielende Team im Durchschnitt ist, desto häufiger erzielt ein solches Team auch Tore (R = 0,51). Das bedeutet, bei den Jungenteams ist die Altersstruktur für das Ausmaß der spielerischen Überlegenheit entscheidend. Für die U10-Juniorinnen gilt dies nicht. 6 Ballbesitz Zusätzlich zu den Jahrgängen der Spielerinnen und Spieler sowie der Spielergebnisse wurden vier Videoaufzeichnungen zur Dokumentation der Ballbesitz-Zeiten vorgenommen (vgl. Beispiel-Spielsituation in Abbildung 2). Abbildung 2: Screenshot einer Videoaufzeichnung zur Dokumentation der Ballbesitz-Zeiten 4
Die Ballbesitzzeiten der vier Videomitschnitte wurden von zwei unabhängigen Beobachterinnen während der Wiedergabe der Videos gestoppt. Wartezeiten bis zum Anstoß oder Zeiten zum Ball-Holen wurden für keines der Teams als Ballbesitz-Zeiten gewertet, sondern lediglich jene Zeiten, in denen ein Spieler oder eine Spielerin den Ball führt. Tabelle 2 führt die prozentualen Ballbesitzzeiten der vier anonymisierten Videoaufzeichnungen an. Tabelle 3: Durchschnittliche Ballbesitzzeiten bei vier Videoaufzeichnungen in der Hinrunde der Saison 2017/18 Heuchelhof Gegner Video 1 30,5 69,5 Video 2 34,0 66,0 Video 3 23,9 76,1 Video 4 36,9 63,1 Durchschnitt 31,3 68,7 Im Durchschnitt lag der Ballbesitz der U10-Juniorinnen bei 31,3 Prozent der Spielzeit, jener der Jungen-Teams entsprechend bei 68,7 Prozent. Den höchsten Anteil an Ballbesitz haben die U10-Juniorinnen beim vierten Video (36,9 Prozent), den geringsten Ballbesitz-Anteil in Video 3 mit 23,9 Prozent. Das bedeutet, dass die U10-Juniorinnen über ca. ein Drittel Ballbesitz-Zeit kaum hinauskommen. 7 Fazit Die Ergebnisse zur Hinrunde der Saison 2017/18 im Rahmen des Pilotprojekts zum jahrgangsversetzten Spielbetrieb der U10-Juniorinnen gegen U9-Junioren zeigen an, dass das Mädchenteam trotz eines um 13 Monate höheren Altersdurchschnitts lediglich ca. ein Drittel der Spielzeit im Ballbesitz ist, insgesamt sieben von acht Partien verloren hat und im Durchschnitt fast fünf Tore weniger als die Jungen erzielt. Auch zeigt sich, dass mit steigendem Alter der Spielerinnen keine Verbesserung der Torquote einher geht. Somit weisen die U10-Juniorinnen trotz höheren Alters keine Vorteile im Spielbetrieb auf. Sie haben spielerisch gesehen vielmehr immer noch die Nachteile auf ihrer Seite. Diese Unterschiede lassen sich sportsoziologisch mit der bei Jungen häufiger und im Lebensalter früheren einsetzenden Auseinandersetzung mit Bällen als Spielgerät erklären. 4 Ferner bestehen die Unterschiede auch deshalb, weil Jungen den Mädchen ab einem Alter von ca. acht Jahren in den fußballrelevanten sportmotorischen Fähigkeiten deutlich überlegen sind. 4 Reinders, Heinz, Hoos, Olaf, Haubenthal, Gernot (2015). Bedingungen erfolgreicher Förderung von Mädchen im Breiten- und Leistungsfußball. Ein Forschungsüberblick über motorische und psychosoziale Unterschiede bei Mädchen und Jungen ab der frühen Kindheit. Schriftenreihe des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen, Band 01. Würzburg: Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 5
Dies zeigen im Übrigen auch Entwicklungsdaten von Mädchen und Jungen, die der BFV selbst als Beleg angeführt hat. 5 Insgesamt legen die Ergebnisse des Zwischenberichts nahe, den jahrgangsversetzten Spielbetrieb der Juniorinnen gegen Junioren als flächendeckendes Modell für alle Vereine des Bayerischen Fußball-Verbandes zu erlauben, mindestens aber das Pilotprojekt für weitere Erfahrungswerte auszuweiten und zeitlich zu verlängern. 5 Reinders, Heinz (2017). Sportlich-motorische Entwicklung bei Mädchen und Jungen am Beispiel historischer Daten. Wissenschaftliche Expertise zur Begründung des Bayerischen Fußball-Verbands für ein Verbot des altersversetzten Spielbtriebs von Juniorinnen. Schriftenreihe des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen, Band 05. Würzburg: Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 6