Mit dem Schlammbeiser durch die Geschichte Gießens Schlammbeiser Meilinger hat sich das historische Wissen zu seinen Führungen selber angelesen Es ist ein heißer Sonntag im Juni, trotzdem steht ein Mann mit schwarzer Kappe und rotem Halstuch auf dem Kirchenplatz. Eine bunt gemischte Gruppe aus Studenten, Familien und Senioren hat sich um ihn herum versammelt. Die Teilnehmer der Gießener Stadttour richten all ihre Aufmerksamkeit auf Peter Meilinger, den Schlammbeiser. Es ist nicht Karneval, sondern der Beginn einer historischen Stadtführung. Meilinger hat sich, trotz der Hitze, ganz in Schlammbeiser Art gekleidet: Mit einem roten Halstuch, einem weißen Hemd und darüber eine braune Weste. Bei sich trägt er einen Eimer. Neben ihm steht das Denkmal seines historischen Vorbildes Wilhelm Westbrock, der in den Händen eine Eisenstange zum Leeren der mittelalterlichen Aborte hält.
Neben ihm steht ebenfalls ein Eimer für die schmutzigen Abfälle. Braunes Häufchen Von den Straßen Gießens geht es hoch hinaus über die Dächer der Stadt und die 172 In Gießen gibt es mehr zu entdecken als man denkt, Meilinger beantwortet gerne alle Fragen Stufen der ehemaligen Wasserburg hinauf. Der Schlammbeiser stapft mit großen, schwarzen Stiefeln voran. Oben angekommen sind Jung und Alt aus der Puste, aber es hat sich gelohnt. An die Michaeliskapelle angeschlossen war der Wehrturm des mittelalterlichen Gießens. Eine schnelle Einsatztruppe war in der Burg stationiert, um die Stadt vor den wiederkehrenden Angriffen von Räuberbanden zu schützen. Alle lauschen gebannt diesen spannenden Erzählungen. Da holt Meilinger plötzlich ein braunes Häufchen aus seinem Blecheimer und verkündet, dass die Stadt zu
dieser Zeit zum Himmel gestunken habe, sein anschauliches Beispiel erzeugt schallendes Gelächter, das an den Wänden der Kirche wiederhallt. Heute kann man allerdings ohne Angst auf den Turm steigen und die schöne Aussicht auf Gießen kann so schön sein von oben Gießen genießen. Von hier oben sieht man die jüdische Synagoge, das alte Zeughaus und gleich daneben den botanischen Garten, der der Älteste in Deutschland ist. Rauf und Runter Nach dem Abstieg folgt die sommerlich gekleidete Gruppe, auf der Spur des ursprünglichen Gießener Stadtwappens, Meilinger in die kühlen Gewölbe des Leib schen Hauses hinunter. In dem schwach beleuchteten Raum ist in einer Ecke das Wappen mit einem geflügelten Löwen zu sehen. Eigentlich gehört das Wappen an unser Rathaus und nicht in ein Museum, findet der Stadtführer. Zustimmendes Gemurmel ist im dicht gedrängten Publikum zu hören. Viele bekannte Persönlichkeiten Als die Teilnehmer blinzelnd ins grelle Sonnenlicht hinaus treten, scheinen sie erleichtert. Über eingelassene
Stolpersteine im Boden, die an prominente Aidstote erinnern sollen, geht es zum alten Hotel Zum Einhorn. Da wo heute eine moderne Bank ist, war im 19 Jahrhundert ein glamouröses Hotel. Hier stiegen bis zum zweiten Weltkrieg viele bekannte Persönlichkeiten der Geschichte ab. Hier sind berühmte Leute wie Wilhelm von Preußen, Theodor Heuß oder Justus Liebig gewesen, erklärt Meilinger und stülpt seine Daumen zufrieden in die Knopflöcher seiner Jacke. Der Original- Schlammbeiser Wilhelm Westbrock in seiner Arbeitskleidung und mit Holzkarren Als das kleine Grüppchen sich schließlich vor einem unscheinbaren Hauseingang hinter der Schlammbeiserstatur versammelt, deutet Meilinger auf ein kleines Schild über der Tür. Anstatt eines Denkmals hat Elias Metschikof, der Nobelpreisträger für Immunbiologie, nur das kleine Schild hier bekommen, bedauert der Schlammbeiser. Sein Publikum jedoch, das bis zuletzt fast vollzählig geblieben ist, hat Meilinger nicht enttäuscht. Ringsherum
schauen ihn lächelnde Gesichter an und interessierte Nachfragen gibt es bis zum Schluss. Ich fand die Stimmung die ganze Zeit sehr schön, weil Herr Meilinger jede unserer Fragen beantworten konnte und die Tour an so vielen interessanten Orten war, freut sich die 21 jährige Studentin Pia aus Bad Hersfeld. Für Stadtführer Meilinger heißt es jetzt raus aus den warmen Stiefeln und erst einmal den Durst löschen, denn sein Mund ist durch das viele Erzählen ganz trocken geworden. Interessiert an Gießener Geschichte dann schaut mal hier. Artikel und Fotos: Kim Melina Hornickel