Newsletter 23 / Januar 2015. Das ist kein Karton. Über äussere zu inneren Bildern finden und umgekehrt



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Transkript:

LeseanimatorInnen SIKJM Ideen und Impulse für Literaturvermittlung und literale Förderung im Früh- und Vorschulbereich www.leseanimation.ch Newsletter 23 / Januar 2015 Das ist kein Karton Über äussere zu inneren Bildern finden und umgekehrt Beispiel einer Leseanimation, durchgeführt im Rahmen des Projektes «Schenk mir eine Geschichte SMEG». Family Literacy ein Leseförderungsprojekt für Familien mit Kindern, hier im Alter von zwei bis vier Jahren, des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien SIKJM. Idee von Karin Brunner Broder, Logopädin, Leseanimatorin SIKJM, karinbrunner@shinternet.ch Angaben zu Medien Das ist kein Karton, Antoinette Portis, ISBN 978-3-446-20909-1, Hanser Verlag Mein Kamishibai, Helga Gruschka, Susanne Brandt, ISBN 978-3-7698-1957-1, Don Bosco Kinder & Kunst Was Erwachsene wissen sollten, C. Kirchner, ISBN 978-37800-8028-8, Klett, Kallmeyer LeseanimatorInnen SIKJM / Newsletter 23 13. Januar 2015 1/5

Zum Bilderbuchinhalt Für grosse Hasen ist ein Karton ein Karton. Für kleine Hasen und für Kinder kann er alles sein. Sie haben noch Phantasie. Ein Buch zum Mit- und Weiterspielen. Ablauf der Leseanimation Der Einstieg erfolgt mittels einer Zeichengeschichte ein überraschender Türöffner für Geschichten, um die Aufmerksamkeit der Kinder zu wecken. Charakteristisch für Zeichengeschichten ist das unmittelbare Neben- oder Nacheinander von gesprochenem Wort und Bildentstehung: Während in kleinen Abschnitten erzählt wird, entwickelt sich nahezu gleichzeitig ein Bild oft aus ganz einfachen Formen. Dabei unterstützen die Bewegung der Hand und die Einfachheit des entstehenden Bildes ähnlich wie bei Fingerspielen das Textverständnis und regen die inneren Bilder der Kinder an (siehe in «Mein Kamishibai»). Der Schlüssel (ursprünglich dänisches Volksgut, ins Deutsche übertragen von S. Brandt, von K. Brunner neu erzählt) 1. Es war einmal ein kleiner Hase, der wohnte in einem Schloss. 2. Manchmal, wenn der Hase ein bisschen allein sein wollte, machte er einen langen Spaziergang. 3. Der Weg führte direkt zu einem kleinen See. 4. Und in der Mitte des Sees gab es eine kleine Insel. Es war nicht schwer, dorthin zu schwimmen. Die Insel war unbewohnt und der Hase konnte hier ungestört Löwenzahn knabbern und den Wolken am Himmel zuschauen, bis es Abend wurde. 5. Der Weg zurück führte durch den Wald mit vielen Wurzeln und Steinen. «Holper, Stolper» schon lag der kleine Hase auf der Nase! Er musste wirklich gut aufpassen, um den Weg zu erkennen. 6. Endlich hatte er es geschafft! Er stand wieder vor dem Schloss und suchte den Schlüssel. Aber der war weg! Er musste ihn wohl unterwegs im Dunkeln verloren haben. Also ging er nochmals den langen Weg zurück (mit dem Finger auf der gemalten Linie entlangfahren) Und da: ein Glitzern zwischen Moos und Blättern! Da war er ja, der Schlüssel! Nun dauerte es nicht mehr lange, und das Schlosstor öffnete sich quietschend. Was der Hase darauf im Schloss drin spielt, erzähle ich euch heute! LeseanimatorInnen SIKJM / Newsletter 23 13. Januar 2015 2/5

Bilderbuchbetrachtung Weil jeweils sehr viele Familien kommen, habe ich das Buch kopiert und die Vergrösserungen auf Flipchart-Blätter geklebt (Bild 1). Das Geschichtenschema ist auf dem Frage-Antwort-Spiel aufgebaut: «Warum sitzt du in einem Karton?», «Was machst du da oben auf dem Karton?» Und jedes Mal antwortet der kleine Hase mit: «Das ist kein Karton!» Natürlich wird dieses wiederkehrende Element mit Freude aufgenommen, und wir üben uns lustvoll im Gebrauch der Standardsprache! Bereits nach wenigen Seiten beginnen die Kinder zu raten, was sich der kleine Hase wohl als nächstes ausdenken wird. Einfach, mit klaren Strichen wird auf der nächsten Seite gezeigt, was aus dem Karton geworden ist. So wird das Bilderbuch zum Ratebuch, was sehr spassig ist. Die älteren Kinder haben sich selbst zur Aufgabe gemacht, den ursprünglichen, schwarz gezeichneten Karton im erweiterten Bild zu suchen. Verse und Lieder mit denen wir uns, passend zu einigen Bildseiten, vergnügen. Rennauto (Vers): Brum brum brum, es Auto fahrt ringsum, zerscht links, dänn rechts, dänn grad kei Benzin meh schad! Hasengipfel (Lied, Melodie von «de Röbeli mit em Rucksack» nach Gerda Bächli): Es Häsli mit em Rucksack Feuerwehr-Fingervers (von Lorenz Pauli): De sitzt mit de Badhose am Strand. De seit: He, du häsch de Sunnebrand. De seit: Chumm an Schatte gschwind. De seit: Du häsch en verbrännte Grind. De Chlinscht seit: Verbrännt, aha, dänn lüt ich grad de Füürwehr a! 1 LeseanimatorInnen SIKJM / Newsletter 23 13. Januar 2015 3/5

Vertiefung Auf den letzten Seiten wird im Buch die Frage gestellt «Was ist es dann?» Ich richte die Frage an die Kinder und wecke innere Bilder, bevor sie aus einer Requisitenkiste (Bild 2) ein Accessoire wie zum Beispiel Hut, Brille, Perücke, Schwimmring aussuchen können und der Gruppe ihre Idee von «Kein-Karton» vorstellen (Bilder 3 und 4). Eltern-Kind-Aktivität Der offene Schluss des Buches animiert dazu, selbst zu bauen. Die Kinder geizten nicht mit den tollsten Ideen, was ihre Eltern zum Teil ins Schwitzen brachte. Während der Eltern- Kind-Aktivität, einem Bestandteil jeder SMEG, falten die Eltern eine Schachtel aus Packpapier, aus welcher ein «Kein-Karton» entstehen soll. Die Kinder bekommen unterdessen einen Hasen aus Karton und wühlen in der üppig gefüllten Krimskramskiste (Bild 5) nach Brauchbarem, um sich ihren Vorstellungen anzunähern. So sind diese «Kein-Kartons» entstanden, mit dem kleinen Hasen am Steuer, am Ruder, am Schwimmen, am? Haben Sie ein inneres Bild (Bild 6)? 2 3 4 5 6 LeseanimatorInnen SIKJM / Newsletter 23 13. Januar 2015 4/5

Prozessorientiertes Gestalten Das Umsetzen von inneren Bildern ist ja nie einfach auch für Kinder nicht. Immer müssen Kompromisse gemacht werden. Schön ist es, wenn ein Wechsel vom anfänglichen produktezum prozessorientierten Gestalten geschieht. Die Kinder verweilen dann beim Fätzlischneiden, Punktestanzen und Schnurablängen. Gestaltungswünsche werden verworfen, neue Möglichkeiten ausprobiert und entdeckt. Dabei wird das Vorstellungsvermögen angeregt. Innere Bilder sind zentral für die Sprachentwicklung denn nur Begriffe, die mit einem inneren Bild verknüpft sind, stehen wirklich zur Verfügung. Vorstellungsvermögen gründet nicht nur auf visueller Wahrnehmung, sondern auf dem Erleben mit allen Sinnen. Innere Bilder entwickeln sich im handelnden Umgang mit den Dingen unserer Umwelt. (siehe auch Kinder & Kunst) Kinder brauchen vielfältige Erfahrungsmöglichkeiten. Deshalb kommt der Gestaltung der «Erfahrungsumgebung» eine wichtige Rolle zu. Als Erwachsene kann man die Kinder begleiten und beobachten und sie in ihrer Kreativität stärken. Dazu ein paar anregende Fragen zur Beobachtung der Kinder (siehe «Kinder & Kunst» S. 36): Was macht das Kind am liebsten (z.b. zeichnen, bauen, ordnen, lesen)? Welche Farben, Motive mag es? Liebt es Rhythmus, Tanz, Bewegung? Experimentiert das Kind gerne? Arbeitet es schnell, ausdauernd, konzentriert, im Liegen, im Stehen, gemütlich? Hat es Mut das Ergebnis zu präsentieren? Hat es Mut, anders zu denken, etwas anderes zu tun als die anderen? Entwickelt es Ideen? Wobei ist es konzentriert, ausdauernd? Materialvorschläge Krimskramskiste Sammelutensilien (WC-Rollen, Schnüre, Schachteln, Becher, Knöpfe ) Klebstreifen, -bänder, -stoff, Malerband, Draht, Büroklammern Scheren, Tacker, Werkzeuge Papier, Karton Unterlagen, Abdeckmaterial, evtl. alte Hemden als Kleiderschutz Stifte & Farben, Schwämme, Pinsel Knete Naturmaterialien (Blätter, Nussschalen, Eicheln, Stöcke, Samen ) Pailletten, Glimmer, Stoffreste, Wolle LeseanimatorInnen SIKJM / Newsletter 23 13. Januar 2015 5/5