Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie Rehabilitation und Prävention Behandlungsspektrum Psychosenrehabilitation Symptome Bei den Psychoseerkrankungen handelt es sich überwiegend um Erkrankungen aus dem sogenannten schizophrenen Formenkreis. Dieses Erkrankungsbild, in dem episodisch oder kontinuierlich Denk- und Wahrnehmungsstörungen auftreten, stellt sich für die Betroffenen wie folgt dar: Man erlebt sich selbst verändert, verfolgt, hat das Gefühl, dass ständig einer etwas von einem will, mitunter fühlt man sich berufen, Großes zu leisten, fühlt sich jemandem sehr verbunden oder ist der Überzeugung, jemand anderes zu sein. Mitunter hört man Geräusche, die eigentlich nicht sein können oder sieht Bilder, die wie Träume wirken. Mitunter erstarrt man und kann auch körperlich sich kaum bewegen, begleitende affektive Symptome wie niedergedrückte Stimmung, Unzufriedenheit und Gereiztheit kommen hinzu. Meist treten diese Beschwerden und Symptome akut auf, so dass primär eine akut-psychiatrische Behandlung stattfindet. Sollte die akute Erkrankung stabilisiert sein, eine Phase der Krankheitsbewältigung eintreten oder erkrankungsunabhängige Konfliktfelder (Partnerschaft, Umwelt, Beruf etc.) auftauchen oder die Symptome in geringerer Ausprägung vorhanden und therapierbar sein oder rehaspezifische Fragestellungen in den Vordergrund rücken (Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, Berufsbelastungserprobung, psychophysische Leistungsfähigkeit) sollte eine Rehabilitation in Anspruch genommen werden. "Mein" Krankheitsverlauf "Das war schon toll. Ich habe mich ziemlich gut gefühlt. Ich lief durch die Stadt, brauchte gar nicht zu schlafen, konnte alles tun, was ich wollte. So gut war ich lange nicht mehr drauf. Ich trank einiges, rauchte, was man mir anbot. Ich hatte das Gefühl, dass alle mich mögen. Als es wirklich alle waren, wurde es mir zuviel. Ich zog mich zurück, verkroch mich, konnte gar nicht verstehen, was andere von mir wollten. In dieser Zeit bin ich nicht mehr zur Schule gegangen und habe auch meine alten Freunde vernachlässigt. Zu Hause habe ich kaum geschlafen. Irgendwann bin ich aufgegriffen worden und in der Psychiatrie gelandet. Es war erst ganz schrecklich für mich. Mit der Zeit veränderte sich das aber, die Leute waren nett, irgendwie habe ich mich auch verändert. Ich bin zwar nicht mehr der Alte, doch meine Freundin hat mich wieder so angenommen, wie ich bin. Allerdings gibt es da Schwierigkeiten. Sie möchte mehr, als ich im Moment kann. Außerdem beengt sie mich. Ich glaube, sie versteht meine Erkrankung nicht vollständig. Mein Studium musste ich abbrechen. Das Arbeitsamt hat mir gesagt, ich sollte mal schauen, was ich so noch leisten könne". Behandlungsprogramm Das Behandlungsprogramm integriert psychotherapeutische, soziotherapeutische, psychoedukative und psycho-pharmakologische Behandlungsmaßnahmen. Die Rehabilitationsziele sind in der Regel die Lösung sozialtherapeutischer Probleme, die Seite 1 von 3
Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie Rehabilitation und Prävention Verbalisierung von Basisstörungen und insbesondere die Krankheitsbewältigung (Copingstrategien). Das Rehabilitations-Programm wird üblicherweise in drei Phasen unterteilt. Aufnahmephase In der Aufnahmephase steht der Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung zwischen Patient und Therapeut im Vordergrund. Darüber hinaus bestehen regelmäßige Kontakte zur Bezugsschwester und zu weiteren Therapeuten. Parallel dazu können diagnostische Maßnahmen vorbereitet bzw. durchgeführt werden, um z. B. kognitive oder andere Probleme testpsychologisch zu erfassen. Therapeutische Phase In der therapeutischen Phase geht es um die individuellen Anliegen der Betroffenen. Je nach Schwerpunkt werden die Patienten aus dem Basisprogramm weiteren indikativen Gruppen zugeordnet. In dieser Zeit spielen neben den psychothera-peutischen und psychopharmakologischen Elementen auch der körpertherapeutische Bereich mit Bewegungstherapie eine wichtige Rolle. Insbesondere eine indikative Tanztherapiegruppe, in der eindrucksvolle Ergebnisse im Bereich der Nähe-Distanz-Regulation und interpersonellen Kommunikation erzielt werden, steht im Mittelpunkt. Die kreativ-therapeutische Gruppe und die Muskelrelaxation als Entspannungsverfahren ergänzen diesen Bereich. Zentraler Bestandteil ist die psychoedukative Gruppe für Psychosepatienten - eine Therapiegruppe unter ärztlicher und psychologischer Leitung, in der es um die Krankheitsbewältigung geht. Die Betroffenen müssen in dieser Zeit in einem stabilen psychischen Zustand sein, gewissen Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentration entsprechen und eine subjektive Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit ihrer Erkrankung in der Gruppe mitbringen. Die Gruppe basiert auf dem Konzept der psychoedukativen Gruppenarbeit mit schizophren und schizoaffektiv erkrankten Menschen (Pegasus, Wienberg, Hornung 1995 bzw. Alliance-Programm seit 2005). Diagnostische Einordnung, mögliche Auslösebedingungen, Vulnerabilitäts-Stress-Modell, medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlungsstrategien nehmen ebenso ihren Raum in den Seminargesprächen ein. Entlassungsphase In der dritten Phase werden die Voraussetzungen für die ambulanten Weiterbetreuung und das Leben im Alltag erarbeitet. Besonders für Psychoseerkrankte stellt die Abreise als Trennungsoder Übergangsphase eine besondere Belastung dar, so dass alles Erarbeitete in Bezug auf Krankheitskompetenz und Problemlösung in intensiven Einzelgesprächen aktiviert wird, um einen problemlosen Übergang in den heimatlichen Alltagsbereich zu ermöglichen. Musterbehandlungsplan Einen Musterbehandlungsplan finden Sie am Ende dieses Behandlungsschwerpunktes. Wirksamkeit Sämtliche Behandlungsprogramme der Burg-Klinik werden in der Regel einmal im Jahr durch die eigenständige Wissenschafts- und Forschungsabteilung einer Evaluation unterzogen. Seite 2 von 3
Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie Rehabilitation und Prävention Die Ergebnisse des Jahres 2004 zeigen, dass die Mehrzahl der Patienten an schizophrenen Psychosen (43 %) und affektiven Psychosen (43 %) erkrankt sind. Das Durchschnittsalter bewegt sich um 45 Jahre. Stationäre Verlegungen im Sinne einer akuten Krisenintervention waren nicht notwendig. Vor Aufnahme in die Klinik lag die Zahl der Krankenhaustage bei im Durchschnitt pro Patient bei 50/Jahr, im Katamnesejahr bei 28. Diese deutliche Verminderung zeigt die Wirksamkeit der stationären Behandlung. Die sozialmedizinische Beurteilung lässt eine Steigerung der Berufstätigkeit von anfänglich 14 % der Betroffenen auf 21 % erkennen. Der Rückgang der Arbeitsunfähigkeitszeiten ist eindeutig: Waren im Vorjahr Patienten 164,7 Tage krank geschrieben, so waren sie im Katamnesejahr nur noch 48,8 Tage krankgeschrieben. Die allgemeine Zufriedenheit lag bei 76,0 %, die Atmosphäre in der Klinik wurde bei 96 %, die therapeutische Leistungen 80,4 %, die Gruppentherapie von 76,6 % und die Pflegeleistungen von 96,5 % der Patienten positiv eingeschätzt. Weiterhin wird ein klinikinterner Patientenfragebogen erhoben, der kontinuierlich die Zufriedenheit mit der Behandlung, der strukturellen Ausstattung und auch dem Behandlungsergebnis erfragt. Ferner erhält jeder Patient bei Aufnahme und Entlassung eine Beschwerdeliste (nach Zerssen), die den Behandlungsverlauf noch einmal in Bezug auf die Symptomatik dokumentiert. In der indikationsspezifischen Arbeitsgruppe für die Psychosenbehandlung werden je nach Arbeitsschwerpunkt diagnosenspezifische Fragebögen zur Verlaufskontrolle eingesetzt: - SCL-90-R (Anfang) - Frankfurter Befindlichkeitsskala für Schizophrenie (Anfang) - Frankfurter Beschwerdefragebogen - ESI (Eppendorfer Schizophrenie Inventar) - Komplette Leistungsdiagnostik im Einzelfall (inkl. Wisconsin-Card-Sorting-Test) Eine Zusammenstellung ergänzender Literatur finden Sie im Anhang. Nachsorge Weiterbehandelnde Ärzte oder Psychotherapeuten erhalten einen umfassenden Bericht über die erfolgten und empfohlenen Maßnahmen. Unsere Patienten schließen sich auch oft zu Gruppen außerhalb der Klinik zusammen und pflegen einen regelmäßigen und hilfreichen Austausch. Adressen von Selbsthilfegruppen vermitteln wir gerne. Bitte nehmen Sie Kontakt zu uns auf. Dr. Becker Burg-Klinik Burgstraße 19 36457 Stadtlengsfeld Tel.: (03 69 65) 68-0 info.burg-klinik@dbkg.de Seite 3 von 3
Burg-Klinik Mustertherapieplan für das Psychose-Programm 1. Therapien Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Anreisetag Labor 08:30 Aufnahmegespräch bei Bezugstherapeut 09:30 Visite Visite ltd. Arzt Themenvisite 10:00 EKG 10:30 Ärztliche Einführung in die Sportund Physiotherapie 11:30 Begrüßung durch den Chefarzt und Einführung in die psychosomatische Medizin Einführung in die Gestaltungstherapie Bewegungsgruppe f. Psychosepat. 13:30 Schwesterngruppe Besichtigungsfahrten Entspannungsbad Aufnahme durch Schwestern Klinikrundgang Begrüßung durch Verwaltungsdirektorin und ltd. Schwester Information durch Ltr. Sozialtherapie Aufnahmeuntersuchung Orientierungsspaziergang durch Stadtlengsfeld nach Indikation Jugendgruppe / Genußgruppe
2. Therapien Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 08:30 EEG 09:30 Visite Visite ltd. Arzt Themenvisite 10:00 Einführung Jacobson 10:30 Bewegungsgruppe Wirbelsäulengymnastik 11:30 Bewegungsgruppe Massage 13:30 Schwesterngruppe Tanztherapie sozialtherapeut. Schwesterngruppe Besichtigungsfahrten Beratung Oberarzt- Zweitinterview Geführte Wanderung Entspannungsbad nach Indikation Jugendgruppe / Genußgruppe
3. Therapien Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 08:30 Arztsprechstunde 09:30 Visite Visite ltd. Arzt Themenvisite 10:00 10:30 Bewegungsgruppe Massage Bewegungsgruppe 13:30 Schwesterngruppe Tanztherapie Schwesterngruppe Besichtigungsfahrten Geführte Wanderung 11:30 Wirbelsäulengymnastik Entspannungsbad nach Indikation Jugendgruppe / Genußgruppe
4. Therapien Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 08:30 Arztsprechstunde 09:30 Visite Visite ltd. Arzt Themenvisite 10:00 10:30 Bewegungsgruppe Bewegungsgruppe 13:30 Schwesterngruppe Tanztherapie Schwesterngruppe Besichtigungsfahrten Geführte Wanderung 11:30 Wirbelsäulengymnastik sozialtherapeut. Beratung Massage nach Indikation Jugendgruppe / Genußgruppe
5. Therapien Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 08:30 09:30 10:00 10:30 Bewegungsgruppe 11:30 Berufsbelastungserprobung Entspannungsbad 13:30 Tanztherapie Besichtigungsfahrten Geführte Wanderung sozialtherap. Beratung Massage
nach Indikation Jugendgruppe / Genußgruppe 6. Therapien Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 08:30 09:30 10:00 10:30 Bewegungsgruppe 11:30 Berufsbelastungserprobung Entspannungsbad Geführte Wanderung 13:30 Besichtigungsfahrten Gedächtnistrainintraining Tanztherapie Gedächtnis- sozialtherap. Massage Beratung
7. Therapien Montag Dienstag Abreisetag 08:30 Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 09:30 Visite 10:00 10:30 11:30 Abschlußgespräch 13:30 Besichtigungsfahrten Abschlußgespräch mit Angehörigen, OA, Therapeut Feedbackrunde mit Hausdame
Ergänzende Literatur zur Psychosenrehabilitation Brücher, K.: Ein individualisierendes psychoedukatives Therapiekonzept in der Behandlung Schizophrener - Modelle und eigene Erfahrungen. Psychiatrische Praxis 19 (1992) S. 59 65, Thieme-Verlag Stuttgart - New York Hornung, W.P.: Was kann Psychoedukation bei schizophrenen Patienten erreichen? Nervenheilkunde 1996; 15: 141 144 Huber, G : Psychiatrie, 5.Aufl., Stuttgart, New York, Schattauer 1994). Neun, H.: Psychosomatische Einrichtungen. Was sie (anders) machen und wie man sie finden kann. Vandenhoeck und Ruprecht - Göttingen (1994) Plassmann, R.; Färber, K.: Rentenentwicklung bei psychosomatisch Kranken. Zeitschrift: Die Rehabilitation, Heft 1, 1995 Ptischel-Walz, G.: Einfluß auf Wissensstand und Prophylaxe. Nervenheilkunde 1996; 15: 145-150 Süllwold, L.: Manual zum Frankfurter Beschwerde-Fragebogen. Springer-Verlag. Berlin- Heidelberg 1991 Süllwold, L.,Herrlich,J.: Frankfurter-Befindlichkeits-Skala für schizophren Erkrankte. Springer-Verlag. Berlin-Heidelberg 1987. Wienberg, G., Sibum, B., Schünemann-W. S.: Schizophrenie zum Thema machen. Manual und Materialien. Psychiatrie-Verlag. Bonn 1995. Wing, J.K.: Rehabilitation, Soziotherapie und Prävention. In: Kisker, K. P.: Psychiatrie der Gegenwart, Bd. 4, Schizophrenien, Springer 1987, S. 325-356 Pfizer Neuroscience Karlsruhe: Alliance Psychoedukationsprogramm. Ausbildungs- und Evaluationsworkshop unter Leitung von Dr. Pitschel-Walz, Dr. Rummel und Dr. Kissling, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München, Klinikum rechts der Isar, 2005.