Predigt am , 13.n.Tr.

Ähnliche Dokumente
Der Fischzug des Petrus (10) Warum war die Menschenmenge zu Jesus gekommen? Der Fischzug des Petrus (11) Wo befand sich Jesus da?

15. SONNTAG IM JAHRESKREIS ( JULI), JAHRGANG C (TIME AFTER PENTECOST: LECTIONARY 15)

Lk 10,25-37 Der barmherzige Samariter

WORTGOTTESDIENST IM JULI 2016 Fest Mariä Heimsuchung ( 2. Juli )

Lukas 10, Leichte Sprache. Ein Gesetzes-Lehrer will Jesus prüfen.

ein Nächster werden Versöhnungsgottesdienst

Predigt des Erzbischofs Friedrich Kardinal Wetter beim Pontifikalgottesdienst zum Weihnachtsfest 2007

HGM Hubert Grass Ministries

Es geht um mehr! Predigt zu Joh 11,1-45 (16. So n Trin, )

Predigt am , zu Markus 3,31-35

Wer ist mir zum Nächsten geworden?

Predigt am Einer dankt Lukas 17,11-19

Familiengottesdienst am Sonntag um 10.30Uhr in Schmiechen

Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter zum Weihnachtsfest 2013 im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in München

Predigt für einen Sonntag in der Trinitatiszeit (13.) Lied vor der Predigt: Bei Gott bin ich geborgen Beiheft zum ELKG 802

Krankenwagen, Krankenhaus, Krankenpflege: Wer fragt, wo das alles her kommt, und wer sich das alles ausgedacht hat, der kommt am Ende irgendwann bei

Alles gegeben Predigt zu Mk 12,41-44 (Okuli, ) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter am Weihnachtstag, 25. Dezember 2015 im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern

Predigt Matthäus 5,8 Glückselig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (Zeichnung von Vivien)

M 5 Verantwortung übernehmen für die Eine Welt

Bibel für Kinder zeigt: Geschichte 36 von 60.

Jesus kommt zur Welt

Die wahre Familie. Wie Jesus unsere Zugehörigkeit neu definiert. Bibel lesen Bibel auslegen

Fürsorge und Selbstsorge als ethische Grundorientierungen der Pflege

Predigt über Johannes 11, am in Altdorf (Pfr. Bernd Rexer)

Es gibt aber auch den umgekehrten Vorgang und die umgekehrte Bewegung, und diese Bewegung ist noch viel mächtiger und stärker: Gott fragt nach dem

Glaube kann man nicht erklären!

Predigt zu Markus 1, Januar 2017, 9.30 Uhr, Dorfkirche

Bibel für Kinder zeigt: Die Geburt Jesu

Wozu das Leid? Jesus und die Geschwister Joh 11

Lernbegleiter im Konfirmandenkurs

Die Entstehung der Gemeinde

Lesung aus dem Alten Testament

Matthäus 28, Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

1 4. Sonntag / Fastenzeit Predigt 2010

1 Lazarus aus Betanien war krank geworden aus dem Dorf, in dem Maria und ihre Schwester Marta wohnten.

16 Jesus sprach zu ihnen:

Bibel für Kinder zeigt: Die Entstehung der Gemeinde

Predigt im Gottesdienst am 26. April 2015 in der ref. Kirche Birmensdorf Jesus Christus der gute Hirte

Predigt zum Sonntag Laetare über Johannes 6, 51 63

Begegnungen mit. Aussenseit. Johannes 4: Die Frau am Brunnen

Gottesdienst für August Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (auch an anderen Sonntagen im August zu gebrauchen)

Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter beim Festgottesdienst zum Patrozinium Fest Kreuzerhöhung am 11. September 2016 in Eichstätt

Bibel für Kinder. zeigt: Die Geburt Jesu

Tützpatz, Altenhagen

Die Entstehung der Gemeinde

Liturgievorschlag für Maria Empfängnis

Evangelische Messe anlässlich der Segnung von N.N. und N.N. am. Zu den mit * gekennzeichneten Teilen des Gottesdienstes steht die Gemeinde

Predigt (1.Joh 4,16-21): Kanzelgruß: Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Gottesdienst für Dezember 2016 Advent

Manch einer denkt vielleicht - was wir jungen Leute an Musik hören - ist nur Krach?!

Lektion Kann Besitz uns von Sünde, Tod und Satan befreien? - Nein. 3. Was geschah mit dem reichen Bauern? - Gott ließ ihn sterben.

Gerda, Ex-Christin, Litauen

Glauben Geschmack am Leben findet, am wahren Leben, das diesen Namen verdient.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Predigt zum des drittletzten Sonntag im Kirchenjahr zum Evangelium (Lk. 17,20-24) das Reich Gottes ist mitten unter euch.

Er verkaufte alles, was er besaß und kaufte sie...

Lichtfeier und Ostergottesdienst im April 2017

Die Würze des Lebens

Predigt am Extra für mich Lukas 2, Szene: Der Evangelist Lukas

Rosenkranz zur Familiensynode 2015

Predigt zu Lukas 14,

Offenbarung hat Folgen Predigt zu Mt 16,13-19 (Pfingsten 2015)

Predigt zu Jesaja 43,1-4a Themengottesdienst am Du bist Gold wert 2015 Wetzlar, Dom 1

Je suis Charlie. Predigt über Matthäus 3, für den 1. Sonntag nach Trinitatis, 11. Jänner Das Predigtwort. Die Predigt

32. Sonntag im Jahreskreis A 9. November 2014

Der schräge Engel. Eine Weihnachts geschichte

Halt Dich fest beim Achterbahnfahren!

Und dennoch ist die Welt nicht gänzlich ein Ort des Elends und der Sorge.

HGM Hubert Grass Ministries

2 Im Evangelium hörten wir, wie ihr der Engel die Botschaft brachte, dass sie die Mutter des Erlösers, des Gottessohnes werden solle. Sie hört, erschr

Gottesdienst im Advent Dezember 2017

Samuel salbte David zum König über Israel Lesung aus dem ersten Buch Samuel

Bibel fuer Kinder zeigt: DIE FRAU AM BRUNNEN

Glaubenslied Ich glaube Gott ist Herr Nr

)Hl. Franz von Assisi) Allgemeines Friedensgebet

Predigt zu Matthäus 5, 14-16

Gnade sei mit euch. Liebe Gemeinde! Immer auf den Stern schauen, alles andere wird sich finden.

Sehen und gesehen werden

Gottes- und Nächstenliebe

Gottesdienstpreis 2011 für die Bruderhaus-Diakonie in Reutlingen - eine Tauferinnerungsfeier mit behinderten Menschen wird ausgezeichnet

Was suchst du? Predigt zu Joh 1,35-42 (GrE, 13. So n Trin, )

Version 8. Juli 2015 Völlige Freude 1. Völlige Freude durch Gehorsam und Bruderliebe

Gottesdienst für Januar 2012 (als Wortgottesdienst oder Hl. Messe) TAUFE DES HERRN oder Tauferneuerung (dann sind einige Änderungen notwendig)

Wo Himmel und Erde sich berühren

Gottesdienst im Januar 2018 Taufe Jesu (7.1.)

Mit Tomas auf dem Weg*

Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.

Download. Jesus erzählt von Gott. Klasse 1-4. Renate Maria Zerbe. Downloadauszug aus dem Originaltitel:

GEISTLICHER IMPULS AM BEGINN EINER SITZUNG DES PFARREIRATS, DES KIRCHENVORSTANDS o. ä.

Luk. 4,18-19 (Jes.61)

Gottesdiensten getan habe. Eine Erzählung hat dabei eine besondere Rolle gespielt. Ich lese aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 10, Verse 25-37:

Vorlage für eine Abschiedsandacht wenn wenig Zeit zur Vorbereitung ist - Idee 1: Wege und Wohnungen -

Kreuzzeichen + Der Osterfriede sei mit euch Pater Alois Besondere Begrüßung der Firmlinge, der Paten und deren Angehörigen

LIFESTYLE - Wie lebe ich Gebet?

Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter beim Gottesdienst zum Weihnachtsfest 2012 im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in München

TRINITATIS IV Mittwoch nach dem 20. Sonntag nach Trinitatis Eröffnung Psalm 119

Inhalt. Hinführung. 2. Woche: Der Barmherzige Vater Unzufrieden Zügellos Alles verschleudert Umkehren Neid überwinden Väterliches Mitleid.

Die Auferstehung Jesu

Predigt zu Johannes 14, 12-31

Transkript:

Predigt am 10.9.17, 13.n.Tr. Text: Markus 3,31-35 Es kamen Jesu Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. Liebe Gemeinde! Wenn wir den Willen Gottes erfüllen wollen, wenn wir Gott lieben wollen von ganzem Herzen und unseren Nächsten wie uns selbst, dann sind wir auf einer Linie mit Jesus. Dann sitzen wir mit ihm zusammen gleichsam in einer großen Runde, in der Jesus uns ringsum anschaut und sagt: Siehe da, du bist mein Bruder! Siehe da, du bist meine Schwester! Das heutige Evangelium ruft uns in den großen Kreis derer, die den Willen Gottes erfüllen wollen. 1

Betrachten wir die Szene aus dem Evangelium etwas genauer. Da sehen wir: Jesus befindet sich irgendwo in Galiläa in einem Haus oder einem Zelt, umgeben von vielen Menschen, denen er vom Reich Gottes erzählt. Er verkündet ihnen, wie Gott in Wahrheit ist, was er uns schenkt und was er von uns will. Er unterweist die Menschen, wie ein Rabbi seine Schüler unterweist. Und da gibt es plötzlich eine Störung von außen. Seine Familie ist gekommen und steht draußen: Maria, seine Mutter und seine leiblichen Brüder und Schwestern. Und ein Bote wird von ihnen hinein geschickt, der soll sagen: Jesus, deine Mutter ist da. Und deine jüngeren Brüder sind da. Sie rufen dich. Sie wollen mit dir reden. Und gemeint ist offenbar: Sie wollen, dass du wieder heimkommst. Sie wollen, dass du hier aufhörst. Und die Leute melden es Jesus, und da sie genau wissen, dass Jesus als frommer Jude das 4.Gebot, das Gebot die eigenen Eltern zu ehren, sehr ernst nehmen wird, sind sie gespannt, wie Jesus reagieren wird. Er aber reagiert auf eine überraschende und souveräne Weise. 2

Er sagt zu dem Boten: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und dann heißt es im Evangelium: Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen. Er schaut seine Zuhörerinnen und Zuhörer in aller Ruhe an. Und dann sagt er: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. Mit diesen Worten, so kann man ohne Übertreibung sagen, hat Jesus damals in einem kleinen Haus oder Zelt in Galiläa ein neues Miteinander unter den Menschen begründet, eine neue, universale, weltumspannende Familie gegründet, eine Gottesfamilie, jenseits aller Blutsverwandtschaft, die für gewöhnlich in der Welt regiert, eine neue Geschwisterlichkeit in Gott - quer durch alle Trennungen der Menschen nach Alter, Geschlecht, Sprache, Kultur, sozialer Stellung Beruf und Hautfarbe. Jesus sagt: Nicht eure Herkunftsfamilie soll mit ihren guten und schlechten Prägungen bewusst oder unbewusst über euer Leben regieren, sondern mein Vater im Himmel, der euch und die anderen gleichermaßen liebt, soll euer Leben regieren. 3

Jesus sagt: Ich fühle mich denen am tiefsten verbunden, die im selben Licht stehen wie ich. Ich fühle mich denen am innigsten verbunden, die vom selben Feuer entzündet sind wie ich. Ich fühle mich denen am stärksten verbunden, die wie ich ihren Eigenwillen losgelassen und sich eingelassen haben auf den großen Willen Gottes, der den Frieden und die Versöhnung, der die Barmherzigkeit und die Gerechtigkeit unter den Menschen will. Ich fühle mich denen am engsten verbunden, die wie ich Gott lieben von ganzem Herzen und ihre Mitmenschen wie sich selbst. Jesus fordert uns auf, den Willen Gottes tun. Doch wie geht das? Wie macht man das? Eine wichtige Antwort finden wir im Evangelium des heutigen Sonntags, im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Der barmherzige Samariter, von dem Jesus in seiner Beispielgeschichte erzählt, hat vier beeindruckende Eigenschaften: Er ist spontan hilfsbereit. Er ist völlig vorurteilsfrei. Er ist zutiefst mitfühlend, und er ist äußerst tatkräftig, was das Retten, Bergen, Pflegen und Versorgen eines in Not geratenen Menschen betrifft. 4

Er ist das Urbild christlicher Diakonie. Ein helles Licht strahlt von ihm aus. Zunächst einmal ist wichtig: Dieser fremde Mann aus Samarien ist spontan hilfsbereit. Er ist vermutlich ein Kaufmann, der von Jerusalem her unterwegs ist mit seinem Esel in die Stadt Jericho, um dort seine Waren zu verkaufen. Natürlich hat er eigentlich anderes zu tun, als sich um Menschen am Wegesrand zu kümmern. Aber er sieht plötzlich auf halbem Wege, da liegt einer schmerzverkrümmt und blutend in der sengenden Hitze am Straßenrand, und spontan durchbricht er den engen Kreis seiner Pläne und Termine. Er sieht: Da ist einer in Gefahr, in Lebensgefahr. Ich kann ihm vielleicht helfen und deshalb muss ich ihm auch helfen und will ich ihm auch helfen. Er ist spontan hilfsbereit, im Unterschied zu dem Priester und dem Leviten, die vorbeigehen, wegschauen und sich abschotten. Und bis heute umgibt den barmherzigen Samariter ein helles Licht, das Licht spontaner Hilfsbereitschaft, zu der Menschen sich durchringen können, während Priester und Levit die dunkle Seite des Menschseins verkörpern, die signalisiert: Mit der Not anderer Menschen will ich nichts zu tun haben. 5

Zweitens ist dieser fremde Mann aus Samarien nicht nur spontan hilfsbereit. Er ist auch völlig vorurteilsfrei. Dazu muss man wissen, dass Juden und Samariter zur Zeit Jesu erbitterte Feinde waren, voller Hass und Vorurteile gegeneinander. Wenn ein Jude zur Zeit Jesu einen Samariter sah, also einen, der einen der nach seiner Meinung einen ketzerischen Glauben hat und zu einer fremden Volksgruppe gehört, dann grüßte er ihn noch nicht einmal und umgekehrt galt dasselbe. Als der Samariter also an der Kleidung des Mannes am Wegesrand erkannte, dass es sich um einen Juden handelt, hätte er normalerweise allen Grund gehabt, verächtlich an ihm vorüber zu gehen. Genau das tut er aber nicht: Er durchbricht die gängigen Feindbilder. Er sieht einfach nur: Da ist ein Mensch, ein bedürftiger Mensch, und wenn ich mich nicht um ihn kümmere, wird er wahrscheinlich sterben. Also muss ich ihm helfen. Er sieht die Not seines Feindes. Er hilft seinem Feind. Er durchbricht den engen Kreis menschlicher Vorurteile und Ressentiments. Das helle Licht echter Nächstenliebe, die sogar den Feind mit einschließt, strahlt von ihm aus. 6

Drittens wird in der Gleichniserzählung Jesu deutlich: Der barmherzige Samariter ist wirklich ein barmherziger Samariter. Er ist zutiefst mitfühlend mit Not und Schmerz eines anderen Menschen. Im Gleichnis heißt es: Und als er ihn sah, jammerte er ihn. Das griechische Wort, das im Urtext steht, besagt: Der mitempfundene Schmerz ging ihm bis in die Eingeweide hinein. Er ist zutiefst mitfühlend. Auch hier wird ein enger Kreis in der menschlichen Seele durchbrochen: die reflexartige Abschottung gegenüber fremdem Leid. Christliche Diakonie ist immer auch eine emotionale Sache: Sie hat mit echtem Mitgefühl, mit echter Anteilnahme an der Not anderer Menschen zu tun. Viertens nun wird in der Geschichte deutlich: Der fremde Kaufmann aus Samarien ist äußerst tatkräftig, was das Retten, Bergen, Pflegen und Versorgen eines in Not geratenen Menschen betrifft. Es heißt: Und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme. 7

Da haben wir sozusagen die Keimzelle christlicher Diakonie bis auf den heutigen Tag. Heute am 13.Sonntag nach Trinitatis, am sog. Diakoniesonntag denken wir besonders daran: Menschen helfen einander umsichtig und tatkräftig, so gut sie es vermögen. Wenn sie an ihre Grenzen kommen, delegieren sie die Hilfe an hauptamtliche Helferinnen und Helfer und sind bereit, für die Kosten aufzukommen. Jesus will mit diesem Teil seiner Erzählung verdeutlichen: Zur sehenden Nächstenliebe gehört immer auch die konkrete Hilfe, die Geld, Einsatz und Tatkraft erfordert. Ja, liebe Gemeinde, kein Wunder, dass der barmherzige Samariter bis auf den heutigen Tag eine Lichtgestalt ist, an der wir uns orientieren sollen. Schauen wir uns seine Eigenschaften noch einmal an: Er ist spontan hilfsbereit. Er ist völlig vorurteilsfrei. Er ist zutiefst mitfühlend, und er ist äußerst umsichtig und tatkräftig. Und das Geheimnis seines Verhaltens ist deutlich: Er durchbricht das enge, geschlossene Gehäuse, in dem wir uns für gewöhnlich befinden. Er durchbricht das enge Gehäuse eigener Pläne und Termine. Er durchbricht das enge Gehäuse des üblichen Freund-Feind-Denkens. 8

Er durchbricht das enge Gehäuse der Abschottung gegen fremdes Leid. Er durchbricht das enge Gehäuse der Angst, selber zu kurz zu kommen. Er durchbricht das Gefängnis egoistischen Planens, Denkens, Fühlens und Handelns. Er hat erkannt, wozu Gott uns geschaffen hat: nicht als geschlossene Systeme, die im fensterlosen Raum der eigenen Wünsche, Sorgen und Ängste letztlich nur für sich selber leben. Er hat erkannt: Gott hat uns geschaffen als offene Systeme, als Gefäße seiner Liebe und Barmherzigkeit. Geschlossene Systeme, das lehren uns schon die Physik und die Biologie, sind dem Tode geweiht. Offene Systeme hingegen können immer wieder neu aufleben. Wer offen ist für Gottes Liebe und Barmherzigkeit und bereit ist, sie sehenden Auges weiterzugeben, der kann immer wieder zusammen mit anderen neu aufleben. Neulich besuchte ich eine alte Frau, die ihren schwerkranken Mann zwei Jahre lang bis zu seinem Tod aufopferungsvoll und bis zur eigenen Erschöpfung gepflegt hat, wofür ihr Mann ihr unendlich dankbar war. 9

Und als ich sie fragte, wie sie das geschafft habe, sagte sie mir: Ach wissen Sie, Herr Pfarrer, meine Mutter war eine wunderbare Frau. Sie hat uns immer gesagt: Sage nie, das kann ich nicht. Vieles kannst du, wills die Pflicht. Alles kannst du, wills die Liebe. Drum dich auch im Schweren übe. Ja, liebe Gemeinde, den Willen Gottes zu tun, das ist nicht so einfach. Manchmal ist es sehr schwer, und es kostet einen ganz schön viel. Jesus aber sagt: Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. Wenn wir offen sind für Gottes Liebe und Barmherzigkeit, dann gehören wir und das ist wunderbar und aller Mühen wert nicht nur zu einer kleinen irdischen Familie, sondern zur großen Gottesfamilie jetzt und in Ewigkeit. Amen. 10