Predigt am , zu Markus 3,31-35
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- Martin Schulz
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1 Predigt am , zu Markus 3,31-35 Da kommen seine Mutter und seine Geschwister, und sie blieben draußen stehen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn herum, und sie sagen zu ihm: Schau, deine Mutter und deine Brüder und Schwestern sind draußen und suchen dich. Und er entgegnet ihnen: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Geschwister? Und er schaut, die im Kreis um ihn sitzen, einen nach dem andern an und spricht: Das hier ist meine Mutter, und das sind meine Brüder und Schwestern! Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter. Liebe Gemeinde, Paulus schreibt im Römerbrief im 4. Kapitel: Nicht durch das Gesetz wurde die Verheißung, Erbe der Welt zu sein, Abraham und seinen Nachkommen gegeben, sondern durch die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt. So hat die Verheißung für jeden Nachkommen Bestand, nicht allein für die aus dem Gesetz, sondern erst recht für die aus dem Glauben Abrahams. Er ist unser aller Vater, wie geschrieben steht: Zum Vater vieler Völker habe ich dich gemacht. Das, was Paulus hier sagt, beschreibt genau dasselbe, was der Evangelist Markus mit der kleinen Begebenheit vom Besuch seiner Mutter und seiner Geschwister erzählt. 1
2 Beide Texte sind für uns Glaubende aus den Völkern von elementarer Bedeutung. Sie sind nämlich der Grund dafür, dass wir Nicht-Juden überhaupt die Möglichkeit und das Recht haben an denselben Gott zu Glauben wie die Juden Paulus und Jesus und Abraham. Nun ja, heute würde wir sagen: Wir haben doch Religionsfreiheit, jeder kann an den Gott glauben, an den sie glauben möchte. Heute kann jeder Christ werden, wenn er das möchte, heute kann auch jeder Jude werden, wenn er viel Geduld hat. Auch in der Antike konnte man schon zum Judentum wechseln. Man war dann ein sogenannter Proselyt, ein Fremder, der sich in der jüdischen Religion auskannte und darin bewegte. Wollte jemand ganz und gar Jude werden, dann war das allerdings gleichbedeutend mit einem Wechsel der Nationalität, also ein sehr gravierender Schritt. Unabdingbar verbunden war mit dem Judesein die Beschneidung. Und dennoch: auch wenn sich ein Römer beschneiden ließ, die Gesetze und Regeln des jüdischen Lebens befolgte, sich kleidete wie ein Jude und die Sprache lernte, dann war er zwar Jude nach dem rabbinischen Gesetz, doch als echter Jude galt er unter den Juden nicht. Das ist auch heute oft noch so. In den Gemeinden der frühen Kirche gab es nicht nur Juden, die an den Messias Jesus glaubten, sondern, je nachdem, wo 2
3 die Gemeinde sich befand, gab es mehr oder weniger Nicht- Juden, die auch an Jesus glaubten. Die waren aber nicht beschnitten und die jüdischen Reinheits- und Speisevorschriften waren ihnen fremd. Wie konnten sie dann an den Gott von Jesus glauben, der doch die Gebote gegeben hatte und die Beschneidung? Und da sagt Paulus, Abraham bekam nicht die Verheißung wegen der Gebote und der Beschneidung, sondern wegen seines Glaubens. Und Abraham ist älter als die Reinheitsvorschriften. Also, weil Abraham die Verheißung von Gott bekam, weil er auf Gott vertraute, weil er glaubte, deshalb so Paulus gilt die Verheißung für alle, die an den Gott Abrahams glauben, egal welche Nationalität sie haben. Der Evangelist Markus schreibt, ungefähr zur gleichen Zeit, als Paulus den Römerbrief schrieb, vielleicht 10 Jahre später, vermutlich in Rom, das Markusevangelium, und er erzählt darin, dass Jesus gefährdet und mit dem Tod bedroht war durch die Angriffe der religiösen Führer. Da kommt seine Mutter mit ihren weiteren auch erwachsenen Kindern zu Jesus, um ihn in den Schutz der Familie zurückzuholen. Das ist ihr Anliegen, deshalb kommen sie zu ihm, während er beim Tora-Lernen mit seinen Schülern und anderen aus Galiläa und einigen Schriftgelehrten aus Jerusalem zusammensitzt. Sie wollen ihn aus der Schusslinie holen. 3
4 Unser Predigttext aus dem Markusevangelium ist ein messianischer Text. In dieser kurzen Schilderung zeigt Markus seinen Lesern in der römischen Gemeinde, dass Jesus ganz entsprechend der alttestamentlichen Verheißung der Messias für alle Menschen und alle Völker ist. Indem Jesus alle, die den Willen Gottes tun adoptiert, ist er der Messias für diese alle. Und er schaut, die im Kreis um ihn sitzen, einen nach dem andern an und spricht: Das hier ist meine Mutter, und das sind meine Brüder und Schwestern! Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter. Alle, die wie Abraham an Gott glauben, alle, die den Willen dieses Gottes tun, gehören zur Familie von Jesus von Nazareth, sind seine Blutsverwandten per Definition und sind somit Träger der Verheißung die an Abraham ergangen ist und im Laufe der Geschichte immer und immer wieder erneuert wurde. Das schließt natürlich die leiblichen Verwandten Jesu, seine Geschwister und seine Mutter, sowie seine Volksverwandten nicht aus. Es verengt nicht den Kreis, sondern öffnet ihn. Er verweigert zwar, sich von seiner Ursprungsfamilie retten zu lassen, aber er öffnet den Kreis für sie, indem er sie einlädt, zu denen zu gehören, die den Willen Gottes tun und damit zu seinen Blutsverwandten im Glauben zu werden. 4
5 Und wir wissen, dass Jesu Brüder und seine Mutter in der Jerusalemer Urgemeinde aktiv und bekannt waren. Die Gemeinde, die Kirche des ersten Jahrhunderts entsteht aus einer Adoption, einer Adoption in die Vaterschaft Abrahams und in die Familie des Messias Jesus von Nazareth. Was bedeutet das für uns, liebe Familie? Dieses Familiäre der Gemeinde zeigt sich beispielsweise im liturgischen «Du». Im Gottesdienst, in der Liturgie wird niemand mit «Sie» angesprochen. Christi Leib für dich gegeben, Christi Blut für dich vergossen. Beim Abendmahl zeigt sich diese Blutsverwandtschaft am deutlichsten. Wir gelangen in diese Gemeinschaft wie durch eine Geburt, indem wir in den Glauben Abrahams eintreten. Jesus sagt ja auch einmal zu einem jungen eifrigen Schriftgelehrten: Wenn du nicht neu geboren wirst, kannst du nicht dazugehören, und meint damit den Eintritt in den Glauben Abrahams. Gemeinde ist immer die Gemeinschaft der Geschwister Jesu, die sich an einem Ort versammeln, um miteinander ihren Glauben zu leben, Gottesdienst zu feiern, sich auszutauschen, einander beizustehen. Wie diese Gemeinde organisatorisch aufgebaut ist, ist eine Nebensache. Ob die Gemeinde eine Kirche hat und ein Gemeindehaus oder zwei, ob sie aus 2500 Gemeindegliedern besteht wie die Hoffnungskirchengemeinde oder aus
6 wie die neue Kirchengemeinde Tegel-Borsigwalde usw. all das ist nicht konstitutiv. Entscheidend ist, dass wir uns als Gemeinschaft der Geschwister de Jesus von Nazareth sehen und Abraham als unseren Vater des Glaubens begreifen. Entscheidend am Glauben Abrahams war, und das gilt auch für Jesus und Paulus, das Vertrauen in Gott. Abraham vertraute darauf, dass Gott ihn durch sein Leben führt. Manchmal gelang ihm das auch nicht so gut. Als er in Ägypten war und vor dem Pharao seine Frau als seine Schwester ausgab. Aber meistens war er ein Vorbild im Glauben. Dieses Vertrauen in Gott führte ihn weg aus seiner angestammten Heimat in das verheißene Land. Das bedeutete für ihn, dass er alle Sicherheiten verlassen hat. Er war ein wohlhabender Mann, der keine Not hatte. Und dennoch machte er sich auf einen langen abenteuerlichen Weg ins Ungewisse. Wenn wir heute etwas verändern wollen, dann neigen wir nur allzu sehr dazu, am Bestehenden, Vorhandenen, lange Bewährten festzuhalten. Als Kinder Abrahams sollten wir mehr Vertrauen in Gott haben, der uns auch in schwierigen Entscheidungen und Veränderungen zur Seite steht und alles zum Guten führt. Und im persönlichen Leben auch. Manchmal müssen wir Wege gehen, die uns ins Ungewisse führen, vielleicht in eine neue Arbeit, an eine neue Schule, 6
7 in eine neue Lebenspartnerschaft, an einen neuen Wohnort, ins Krankenhaus oder ins Altersheim. Durch den Glauben werden diese Wege nicht einfacher. Abraham hätte es einfacher gehabt, wäre er zu Hause geblieben, Jesus wäre seinem Kreuzestod entgangen, wenn er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Hause in den Schutz der Familie zurückgekehrt wäre. Unser Glaube, unser Vertrauen in die Gegenwart Gottes, in seine Zuwendung zu uns, kann uns auf diesen Wegen tragen. Er gibt uns die Gewissheit nicht allein zu sein und behütet in die Zukunft zu gehen. 7
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