1.527 km im Segelflug! Der bisher weiteste Segelflug in Europa



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Transkript:

Flugsportzeitung, 30.Juni/31. Juli 1998 Segelflug 1.527 km im Segelflug! Der bisher weiteste Segelflug in Europa Von Wiener Neustadt aus und - als Jojo (Flug um drei Wendepunkte> - zur Gänze in Österreich geflogen Am Montag, dem 27. April 1998, schafften die beiden (Nieder-)Österreicher Wolfgang Janowitsch und Dr. Hermann Trimmel im Doppelsitzer einen Flug über eine offiziell gewertete Distanz von 1.527,69 km. Der Flug wurde von der Sektion Segelflug des Österr. Aero-Clubs (Horst Baumann) wenige Tage später ausgewertet und anerkannt. Es ist dies die größte Distanz, die bisher in Europa im reinen Segelflug zurückgelegt wurde. Die bisher weiteste Segelflug in Europa war Hans-Werner Grosses (Deutschland) freier Streckenflug von Lübeck nach Biarritz, 1.460 km, geflogen 1972. Die bisher größte Strecke in den Alpen war der 1.418 km Zielrückkehrflug des Deutschen Klaus Ohlmann, von Serres, Frankreich, aus geflogen, wobei die Flugstrecke die Alpen entlang bis nach Kärnten (Glainach/Ferlach südlich von Klagenfurt) führte und wiederum zurück nach Frankreich (s. dazu den ausführlichen Bericht in,,flugsportzeitung" Nr. 11/1995). Weiters gab es noch einen dritten Flug über 1.400 km, der den Herbaud-Brüdern (Frankreich) von Südfrankreich nach Marokko - mit Überquerung des Mittelmeeres - gelang. In Österreich selbst lagen die bisher größten geflogenen Strecken zwischen 1.000 km und 1.100 km (s. u. a. die österreichische Rekordliste in,,flugsportzeitung" Nr.268). Einer lag allerdings bereits darüber: Der bisher weiteste Flug eines Österreichers stand mit 1.131 km zu Buche, von Edi Supersperger am 28. April 1993 von Micheldorf aus geflogen, ebenfalls zu 90 Prozent im Hangwind (s.,,flugsportzeitung" Nr. 11/1992 vom März/April 1993). Die Daten zum Flug vom 27. April 1998 von Wolfgang Janowitsch und Dr. Hermann Trimmel: Start um 05:32 Uhr (alle Zeiten Lokalzeiten, MEZ-Sommerzeit) am Flugplatz Wiener Neustadt West, Abflug um 06:22 Uhr mit Abflugpunkt Rax/Seilbahn-Talstation - erster Wendepunkt Flirsch am Arlberg (11:30 Uhr) - wieder zurück zur Rax (Rax/Seilbahn- Bergstation, 14:10 Uhr) -dritter Wendepunkt Innsbruck/Flughafen (17:10 Uhr) - Landung um 19:55 Uhr wiederum am Startflugplatz Wiener Neustadt West, Flugdauer/Gesamtflugzeit: 14:23 Stunden, Flugzeit über die gewertete Strecke (dabei nicht berücksichtigt die Zeit zwischen Start und Abflug): 13:33 Stunden. Ein Vergleich: Wie lange würde man mit dem Auto brauchen, um dieselbe Strecke (Wiener Neustadt - Rax - Flirsch - Rax - Innsbruck Flughafen - Wiener Neustadt) zurückzulegen? Vielleicht illustriert dies etwas die hier vorliegende Leistung - und das alles mit dem Segelflugzeug, nur unter Ausnützung natürlicher Wind- (und Sonnen-) Energie! Der Flug war in den Grundzügen schon länger geplant, die Entscheidung für den aktuellen Versuch fiel jedoch erst am Tag zuvor auf Grund der Wetterbeurteilung durch Dr. Hermann Trimmel, Segelflieger und Flugmeteorologe von der Flugwetterwarte Wien/Schwechat. Auch das,,gespann" Janowitsch - Trimmel hatte sich bewußt für dieses Flugvorhaben zusammengefunden: Wolfgang Janowitsch, der exzellente Segelflieger, als Verantwortlicher und den Flug durchführender Pilot, und Dr. Hermann Trimmel, der exzellente Meteorologe, als zweiter Pilot und Meteorologe sowie auch als,,rnentale Stütze" (s. weiter unten) mit im Doppelsitzer-Cockpit - ein Versuch, der in der Praxis sich als vol1er Erfolg erwies; Dr. Trimmel:,,Es war eine perfekte Zusammenarbeit und der Grundstein für den Erfolg. Jeder für sich alleine, nach

eigener Aussage auch Wolfgang Janowitsch, hätte den Flug wahrscheinlich nicht geschafft." Grundlage für das Flugvorhaben war eine großräumige Föhnsituation, welche sich dann auch bestätigte; der Flug wurde nicht in der Thermik, sondern fast ausschließlich im Geradeausflug im Wind geflogen, der Anteil am Kreisen zur Aufwindsuche betrug über den gesamten Flug nur 4,5 Prozent (und dies in wenigen Achterschleifen vorwiegend im Hangwind und teils in der Welle). Damit konnte vor allem auch mit einem Start kurz nach Sonnenaufgang der Tag voll genützt werden, auch wenn der Abflug infolge der frühen Startzeit erst im zweiten Anlauf - dreißig Minuten später - gelang. Sollte eine gleichartige Situation noch einmal bei größerer Tageslänge eintreten, ist damit eine Verbesserung der Streckenleistung (und damit die tausend Meilen ) nach Ansicht der beiden durchaus im Bereich des Möglichen. Gemittelte Geschwindigkeit über den gesamten Flug: 109,51 km/h, wobei die offizielle Distanz nur in direkter Kurslinie gewertet wird, die tatsächlich zurückgelegte Strecke mit landschaftlich und meteorologisch bedingten Umwegen (s. Logger-Aufzeichnung auf Seite 12) liegt daher noch weit höher, das heißt, daß auf einzelnen Teilstrecken die Reisegeschwindigkeit bis zu 200 km/h betrug. Die einzelnen Teilstrecken: Erster Schenkel 410,50 km in 5:08 Std = 79,96 km/h Schnitt, zweiter Schenkel 408,75 km in 2:40 Std. = 153,28 km/h, dritter Schenkel 336,50 km in 3:00 Std. = 112,17 km/h, vierter Schenkel 371,00 km in 2:45 Std. = 134,91 km/h Schnitt. Flugzeug: Hochleistungsdoppelsitzer Nimbus 4DM, mit dem Wettbewerbskennzeichen HA (D-KFHA), Eigentümer Hans Andersen, der den beiden das Flugzeug als echter Fliegerfreund zur Verfügung stellte. Der Pilot: Wolfgang Janowitsch, 35, Flugkapitän bei Austrian Airlines, u. a. Dritter der Segelflug-WM von 1993, mehrfacher österreichischer Staatsmeister im Segelflug und mehrfacher österreichischer Rekordhalter im Segelflug, darunter das einzige bisher in den Alpen geflogene 1.000-km-FAI-Drei-eck und mit diesem Flug auch Barron-Hilton-Cup-Gewinner, geborener Oberösterreicher, jetzt wohnhaft in Niederösterreich. Kopilot: Dr. Hermann Trimmel, 49, erfahrener Leistungssegelflieger, ebenfalls bereits auch Solo- 1000 km-flieger, mehrfacher österreichischer Staatsmeister im Streckensegelflug, Flugmeteorologe der Austro-GmbH am Flughafen Wien- Schwechat, weltweit anerkannter Segelflug-Meteorologe der auch bereits viele Segelflieger bei großen Flugvorhaben meteorologisch beriet und selbst zahlreiche große nationale und internationale Meisterschaften meteorologisch betreute, darunter mehrere Weltmeisterschaften. Geboren und wohnhaft in Niederösterreich Nach diesem Gesamtüberblick im folgenden einige Details. Das Erfolgsrezept: professionelle Vorbereitung und konsequentes Umsetzen Zur Vorbereitung: Dies war ein schon langandauernder (und noch immer weiter laufender), kontinuierlicher Prozeß, mit einschließend die Überlegungen nach den Grenzen des Wetters, der richtigen Wetterlage, der physischen und psychischen Fitneß und - für beide ganz wesentlich - der mentalen Vorbereitung und Einstellung auf einen solchen Flug und während eines solchen Fluges. Doch darüber mehr weiter unten. Das Team Janowitsch Trimmel Ebenso wichtig die gute Übereinstimmung und das positive Zusammenwirken der beiden Partner im Cockpit. Jeder bringt das ein, was er am besten kann, und ergänzt damit den anderen im Teamwork; Motto:,,Gemeinsames verbindet, durch die Unterschiede wachsen wir!" Dazu gehört auch entsprechender Teamgeist, bei dem jeder sein Bestes versucht und dem anderen - auch in kritischen Situationen - vertraut. Wobei wiederum eine sehr gute Voraussetzung dadurch gegeben ist, daß das Sicherheitsverhalten bei beiden weitgehend ident ist: kein unnötiges Risiko, immer mit Überlegung auf der sicheren Seite. Wie schon erwähnt, stellen Wolfgang Janowitsch und Dr. Hermann Trimmel schon seit längerem im gemeinsamen Gedanken - und Erfahrungsaustausch Überlegungen darüber an, wie man große Streckensegelflüge auch in den Alpen, auch von Österreich aus, erfolgreich

durchführen kann. Das 1.000-km-FAI-Dreieck von Wolfgang Janowitsch am 5. Mai 1995 (s. Bericht in,,flugsportzeitung" Nr. 6fl 1994 vom März/April 1995) war bereits ein Ergebnis dieser gemeinsamen Überlegungen und dieser Zusammenarbeit. Auch das Symposium im Jänner 1997 in Innsbruck, zu dem Dr. Hermann Trimmel eingeladen hatte (s. Bericht in,,flugsportzeitung" vom Jänner/März 1997), gehört mit dazu. Die Grundüberlegungen für diesen Flug Südföhnlage, gute Ausgangssituation: 14 (Tageslicht-)Stunden zum Fliegen zur Verfügung, zu rechnen ist mit einem Schnitt von über 100 km/h, damit ist, von den Wettergrenzen dieses Tages her gesehen, ein (ursprünglich ebenfalls ins Auge gefaßter) Zielrückkehrflug zu klein: da die Grenze der Front bei Altdorf (in der Schweiz) lag, wäre dies eine Maximalstrecke von 1.150 km Zielrück gewesen, und damit zuwenig, um die Wettermöglichkeiten voll auszuschöpfen, es wäre - so Dr. Trimmel -,,schade um den Tag" gewesen. Daher Flug um drei Wendepunkte, um den vom Wetter her fliegbaren Bereich voll zu nützen. Die Entscheidung zum Flug Wolfgang Janowitsch hatte drei Tage dienstfrei und damit für ein allfälliges Flugvorhaben zur Verfügung und setzte seinen Partner davon in Kenntnis. Dr. Hermann Trimmel selbst war an diesem Tag in Wien Schwechat im Dienst, beurteilte die Situation durch das Herannahen einer Front von Westen her vorerst als nicht rekordverdächtig und erteilte Wolfgang Janowitsch auf dessen telefonische Anfrage hin auch eine entsprechende Absage. Im Laufe des Sonntags wurde aber klar, daß die besagte Front im Begriff war, in die Schweiz zurückzupendeln. Damit konnten für den Montag Südföhnbedingungen im gesamten Ostalpenraum erwartet werden. Das veränderte die Situation grundlegend. Ein Kollege von Dr. Trimmel willigte sofort zum Diensttausch ein, umgehender Rückruf bei Wolfgang Janowitsch, und die Vorbereitungen für den Flug am nächsten Tage begannen zu laufen. Am Abend rief man sich nochmals zusammen; alles lief planmäßig. Wolfgang Janowitsch kümmerte sich um das Flugzeug und die flugtechnischen Angelegenheiten, Hermann Trimmel ums Wetter und die Streckenplanung. Man kam überein, nicht getrennt jeder im Einsitzer zu fliegen, sondern gemeinsam im Doppelsitzer, den Hans Andersen zur Verfügung stellte, und der den Vorteil hatte, durch seine Eigenstartfähigkeit (Nimbus 4 DM) Schleppflugzeugunabhängig zu sein. Dies ermöglichte später auch die Durchführung eines zweiten Abfluges ohne zeitraubende Rücklandung, was sicherlich auch zum erfolgreichen Gelingen des Fluges beitrug. Hermann Trimmel tüftelte mittels Computer die Strecke genau aus: Abflugpunkt Rax/Seilbahn-Talstation - erster Wendepunkt Flirsch am Arlberg - wieder zurück zur Rax (Rax/Seilbahn-Bergstation) -dritter Wendepunkt Innsbruck(Flughafen - wieder zurück zum Startflugplatz Wiener Neustadt West (LOXN), 1.527 km. Dabei wurden 25 km Reserve für den geplanten Höhenabzug einkalkuliert. Der Wecker wurde auf 3:20 Uhr gestellt, Treffpunkt am Flugplatz Wiener Neustadt West um 4:15 Uhr, Willi Wenger stand einmal mehr auch zur frühen Stunde als Betriebsleiter und Starthelfer zur Verfügung; er war auch schon bei vielen Fehlversuchen ihr treuer Helfer. Kurzes Rekapitulieren des Flugvorhabens. Windprognose (die sich später auch als richtig herausstellte): Wind im gesamten Bereich aus 180 Grad, im Osten mit 40 km/h, im Westen mit 80 km/h. Wolfgang auf die Frage von Hermann, welchen Schnitt er sich unter diesen Voraussetzungen zutraue:,,120 km/h." Darauf Hermann:,,Dann sollten wir noch ein Stück weiter fliegen bei den 14 (Tageslicht-)Stunden, die wir zur Verfügung haben." Schnell einigten sich beide aber, doch auf der sicheren Seite zu bleiben, und Wolfgang programmierte den Zander entsprechend der Planung vom Vorabend auf 1.527 km. Der Flug Warten auf den Sonnenaufgang. Mit Sonnenaufgang Start um 5:32 loc., erster Abflug auf der Rax um 5:58 Uhr, der aber noch nicht gelang, da man sich noch nicht oben halten konnte und unter die Inversionsschicht bei Neuberg an der Mürz geriet. Zurück zum Abflugpunkt, zweiter Abflug um 6:22 Uhr. Im Hangwind vorsichtig die Rax entlang, kleine Welle bei Neuberg an der Mürz, im Mürzund Murtal bis in die Turnauer Gegend so früh am Morgen überall Kaltluftseen in den Tälern, der Föhn hatte noch nicht durchgegriffen. Das nutzbare Band im Hangwind war noch

sehr schmal, etwa 200 m im Kammniveau, ein Absinken unter diese Höhe hätte das Ende des Fluges bedeutet. Im Lee der Veitsch wieder eine kleine Welle, gekennzeichnet durch kleine Rotorfetzen, vorsichtig weiter bis südlich Niederöblarn, dazwischen immer wieder kleine Wellen auf etwa 2.500 m: beim Eisenerzer Reichenstein, im Palten-Liesing-Tal am Schoberpaß. Wolfgang fliegt hier ganz konzentriert und nützt die noch sehr schwachen Aufwinde mit viel Gefühl. Die Steigwerte liegen hier zwischen 0,2 und 0,8 m/s. Südlich Niederöblarn erfolgreicher Versuch, im Lee der Niederen Tauern in die Welle einzusteigen, Steigen mit eineinhalb Metern auf 3.300 m. Ab dieser Höhe wollte man mit Sauerstoffatmung fliegen, doch die Sauerstoffanlage erwies sich als defekt. Sie war eine Woche zuvor überprüft worden, Lehre daraus: sich nicht darauf zu verlassen, sondern sie auch nochmals im Zuge der Flugvorbereitung zu überprüfen. Die beiden kamen überein, aus Sicherheitsgründen und im Interesse der Fitneß - es war immerhin noch ein erhebliches Tagespensum zu leisten - ohne Sauerstoff nicht über 3.500 m zu fliegen, wodurch das Nutzen von Wellen nur bedingt möglich war, und die beiden in der Folge fast ausschließlich nur den Hangwind nutzten. Alles in allem war es ein sehr zäher Beginn, und nach neun Uhr lag man vorerst noch weit hinter dem Flugplan zurück: 120 km in drei Stunden, ist gleich ein Schnitt von 40 km/h. Aber, positiv gesehen, hatte man den Tag schon früh genützt und bereits 120 km hinter sich gebracht. Aber nun, ab etwa halb zehn Uhr, besserten sich die Verhältnisse zusehends. Zunehmend starker Wind, gleichzeitig wurden die Kaltluftseen in den Tälern ausgeräumt, der Hangwindeffekt immer besser, die Arbeitshöhe weitete sich. Weiter zum Hochkönig, guter Hangwind, Steinernes Meer, Leoganger - hier durch Rotorabwinde am Hang zuerst großes Saufen, ein Stück weiter aber konnte der Lift nach oben wieder gefunden werden. Wilder Kaiser, Inntal - im Inntal vorerst besseres Steigen in Rotoren in Talmitte nutzend, erst bei Schwaz Wechsel zur Nordkette. Die Flugsicherung in Innsbruck sehr kooperativ, immerhin mußte sie an diesem Tag der,,hotel Alpha" dreimal die Durch- bzw. Einfluggenehmigung erteilen. Nun problem -, kreislos und schnell über die Mieminger um 11:30 Uhr an der ersten Wende in Flirsch, allerdings bei zunehmender Turbulenz durch den stärkeren Wind und schwache, nicht sinnvoll nutzbare zerrissene Thermik, die aber die aufkommende Turbulenz noch verstärkte - zweimal wurden die vier Trinkflaschen, die zwei Eßsäcke und die Kamera,,schwerelos" im Cockpit. Um 12 Uhr zurück in Innsbruck, fünfhundert Kilometer sind geflogen, tausend Kilometer noch zu fliegen! Eine neue Dimension, an die man sich erst gewöhnen muß! Acht Stunden stehen noch zur Verfügung, die Landung ist für 20 Uhr geplant. Doch die gleiche Route zurück läuft es jetzt hervorragend, obwohl es unter einer 6/8- bis SIS-AItocumulus- Bewölkung eigentlich gar nicht nach Streckenflugwetter aussieht. Doch die Abschattung unterdrückt weitgehend die Thermik und begünstigt den Hangwind. Ein problemloser Flug, nahezu kreislos, nur einige,,sicherheitsachten" im Hangwind, die letztlich hauptsächlich dem Sicherheitskomfort und einem möglichst streßfreien Flug dienen, was wiederum den beiden ermöglicht, den Flug weitgehend entspannt zu genießen und Reserven für ein allfälliges,,engwerden" zu sparen. Um 14:10 Uhr ist die,,ha" zurück an der Rax, jetzt zwanzig Minuten vor dem Zeitplan. Wende zum dritten Schenkel, noch einmal nach Innsbruck. Dritter Schenkel, noch einmal dieselbe Strecke zurück nach Innsbruck. Im Palten-Liesing- Tal wird es vorübergehend feuchter, von Südwesten schiebt sich niedrige und mittelhohe Bewölkung heran. Diese, jetzt schlechtere, Wetteroptik, die fortgeschrittene Tageszeit und das nochmalige Wegfliegen von daheim auf diesem dritten Schenkel lassen Wolfgang das erstemal an dem Vorhaben zweifeln. Mit der Motivation sinkt auch die Konzentration. Ein psychologischer Knackpunkt also. Daher Frage vom hinteren Sitz:,,Weißt du eigentlich, wie weit es noch bis zu Edis Rekorddistanz ist?" Wolfgang lacht, und mit neuer Motivation geht's zielstrebig ab nach Westen. Es geht wieder dieselbe Route nach Innsbruck, bis zur Inntalquerung problemlos, die Rotoren in Inntalmitte sind nicht aktiv, daher sofortiger Wechsel auf die Inntal-Nordseite, hier jedoch starke Abwinde, Höhenverlust und sehr tiefes Ankommen, daher gezwungen, wieder von unten weg in die Rotoren einzusteigen, und wurde dies so zum stressigsten Teil des Fluges. Dr. Trimmel:,,Diese Rotorabwinde genau an den Stellen, wo eigentlich Hangaufwind erwartet wird, sind schon eine sehr heimtückische Sache, Darin liegt zweifellos auch eine der größten Gefahren beim Windfliegen in den Bergen. Die unberechenbaren Turbulenzen erfordern hier große Sicherheitsreserven mit Respektabstand vom Relief." Die Nordkette brachte aber wieder Steigen im Hangwind und ein Erreichen der

Reiseflughöhe über Kammhöhe. Trotz dieses schwierigen Teiles wurde Innsbruck ebenfalls mit einem noch immer zwanzigminütigen Vorsprung auf den Zeitplan erreicht. Dritte Wende. Heimflug problemlos im ruhigen, laminaren Hangwind. Überflug des Endpunktes LOXN in 900 m MSL, wodurch der Abflug in 1.750 m MSL keinen Höhenabzug mit sich bringt! Landung in Wiener Neustadt dreißig Minuten vor Sunset (was noch eine Reserve von weiteren fünfzig Kilometern bedeutet hätte). im Umfeld des Fluges Es gab bei diesem Flug bewußt eher wenig Funkkontakt mit anderen Segelfliegern, um die Konzentration nicht zu stören, obwohl der Tag auch von anderen recht gut genützt wurde - 5. die anschließenden Berichte ab Seite 13. Am meisten vielleicht noch mit anderen Segelfliegern, die beruflich als Linienpiloten unterwegs waren, wie Heimo Demmerer oder Christian Auer, die hier doch gute Informationen in bezug auf den Wetterüberblick geben konnten. Bezeichnend für die Außergewöhnlichkeit des Fluges ist allerdings eine Vierfach - Episode im Funkkontakt mit Reinhard Haggenmüller im Bereich des Flugplatzes St. Johann in Tirol; beim ersten Funkkontakt am späten Vormittag große Skepsis von Reinhard und Unglauben über das Flugvorhaben (,,Wollen die mich pflanzen? Die spinnen wohl" oder so ähnlich.), nach weiterem zweimaligem Passieren beim vierten und letzten Funkkontakt mit St. Johann bereits helle Begeisterung bei Reinhard und eine erste Gratulation an Wolfgang und Hermann von ihm, der nun nicht nur den Flug selbst, sondern auch sein Gelingen nicht mehr bezweifelte. Nach der ~n:<ung<fotos: Dr. Hermann Trimmel) Ausblick Mit diesem Flug wurden die optimistischen,,visionen" des,,symposiums über den Langstreckensegelflug in den Alpen" vom Jänner 1997 schneller Realität, als man eigentlich glaubte. Natürlich bleiben noch genügend,,visionen" offen, aber daß die Basis dieser Vorstellungen, nämlich die 1.500 km (und damit nicht mehr weit davon entfernt die 1.000 Meilen) in den Alpen realisierbar sind, hat der Initiator der damaligen Veranstaltung, Dr. Hermann Trimmel, nunmehr zusammen mit Wolfgang Janowitsch selbst unter Beweis gestellt. Damit sind diese,,visionen" in ihren Grundzügen bereits Realität. Dr. Hermann Trimmel selbst dazu:,,unser Flug vom 27. April 1998 war immer auf der sicheren Seite, wir hätten noch weitere fünfzig Kilometer anhängen können und wären damit auf etwa 1.580 km gekommen. Und dies Ende April bei Südföhn und noch verkürzter Tageszeit, außerdem konnten wir wie erwähnt nur den Hangwind und nicht auch höherreichende Wellen nutzen. Hochgerechnet ergäbe das bei ähnlicher Wetterlage, Wetternutzung und längerer Tageszeit immerhin um die 1.700 km. Allerdings wird dies bei Südföhnlagen schon so ziemlich die Grenze sein, da hier das homogene Wettergebiet naturgemäß durch eine Front im Westen begrenzt ist; wir befinden uns hier in einer,,sackgasse". Die,,tausend Meilen" könnten aber durchaus realistisch sein. Anders verhält es sich mit Nordföhnlagen, wie sie etwa von Federico Blatter oder von Klaus Ohlmann genutzt wurden. Hier gibt,es keine Begrenzung im Westen; wem es gelingt, eine solche Lage zu erkennen und - jetzt nicht nur von Frankreich Richtung Osten, sondern vor allem von Österreich aus Richtung Westen - optimal zu nutzen, den führt der Weg direkt ins (Azoren-)Hoch." Mentales Training Ganz wesentlich für Dr. Hermann Trimmel wie für Wolfgang Janowitsch ist die bereits mehrfach angesprochene mentale Vorbereitung. Dr. Trimmel war vor einigen Jahren davon fasziniert, als er für sich selbst einen Lehrgang für,,neurolinguistisches Programmieren (NLP)" belegte, und beschloß sofort, sich in dieser Richtung weiterzubilden und dies vor allen Dingen auch für den Segelflug zu nutzen. Nachdem er nun eine sechsjährige Ausbildung zum NLP-Trainer abgeschlossen hat, bietet er seit vergangenen Winter selbst entsprechende Kurse unter dem Titel,,persönliche Leistungssteigerung im Segelflug" in Wochenendkursen an. Wolfgang Janowitsch zeigte bald Interesse, gemeinsam mit dem Freund sich auch mit dieser Methode zu beschäftigen, und nahm auch am ersten von Dr. Hermann Trimmel abgehaltenen NLP-Seminar teil. So gehört die permanente Beschäftigung mit NLP nun bereits seit längerem bei beiden auch mit zur Optimierung ihrer fliegerischen Aktivitäten, und ist, so Dr. Trimmel,,,der Erfolg dieses Fluges, bei dem wir beide auch viel von den Theorien des NLP umsetzten, auch ein Bestätigung auf diesem Weg, und trägt damit unsere mentale Vorbereitung der letzten Jahre erste Früchte. Ziel in diesen Seminaren ist es, den Erfolg mit

sicherem Fliegen zu verbinden. Der Pilot soll nicht nur seine eigenen Fähigkeiten entwickeln, sondern zugleich auch seine persönlichen Grenzen kennenlernen. Leitgedanken des Seminars: Mehr Erfolg und weniger Risiko; Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum." Das nächste derartige Seminar,,Persönliche Leistungssteigerung im Segelflug" findet vom 23. - 25. Oktober 1998 in Niederöblarn statt, Anmeldung und Auskunft direkt an der