Wie man in einem nationalsozialistischen Untergrund abstimmt

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Transkript:

Thüringer Landtag 6. Wahlperiode Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Fortsetzung der Aufarbeitung der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) sowie der mit ihm kooperierenden Netzwerke zuzuordnenden Straftaten unter Berücksichtigung der Verantwortung der Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden, der zuständiger Ministerien sowie deren politischer Leitung bei der erfolglosen Fahndung nach den untergetauchten Mitgliedern des NSU In der fünften Legislatur des Thüringer Landtags beschäftige sich der Untersuchungsausschuss 5/1 intensiv mit der Aufklärung der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) und ihm verbundener Netzwerke zugerechneten Straftaten sowie der Verantwortung, die den Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden, einschließlich den zuständigen Ministerien und deren politischen Leitungen, zukommt. Trotz umfangreicher Beweiserhebung blieben einige Fragen offen. Zudem lieferten sowohl die NSU-Untersuchungsausschüsse anderer Bundesländer als auch der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München neue Erkenntnisse und warfen weiter Fragen auf. Im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Rechte wird der Thüringer Landtag daher einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 64 Abs.1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Thüringen in Verbindung mit 2 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes und 83 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags einsetzen. Ziel ist es, für die Angehörigen der Opfer und alle Betroffenen sowie für alle Thüringerinnen und Thüringer eine gründliche und größtmögliche Aufklärung zu leisten, die notwendigen Schlüsse zu ziehen und der besonderen Verantwortung, die Thüringen zukommt, gerecht zu werden. Gemäß Artikel 64 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen in Verbindung mit 2 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes und 83 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Druck: Thüringer Landtag, 25. Februar 2015 - Neufassung 18.02.2015

I. Der Untersuchungsausschuss soll aufklären: 1. ob und falls ja in welchem Maße Thüringer Sicherheitsbehörden durch den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und verdeckten Ermittlern Straftaten und Aktivitäten rechtsextremer Gruppierungen und Einzelpersonen in Thüringen, die sich gegen das Grundgesetz richten, duldeten, an diesen beteiligt waren oder diese begünstigten; 2. ob und falls ja in welchem Umfang Thüringer Justiz- und Sicherheitsbehörden und den mit ihnen zusammenarbeitenden Personen (so genannte menschliche Quellen) Erkenntnisse zur Vernetzung rechtsextremer Strukturen in Thüringen mit Strukturen oder Personen der organisierten Kriminalität besaßen und deren Herausbildung durch Fehleinschätzungen der Landesregierung begünstigt wurde; 3. ob und falls ja in welchem Maße Thüringer Justiz- und Sicherheitsbehörden und den mit ihnen zusammenarbeitenden Personen (so genannte menschliche Quellen) Straftaten und Aktivitäten von Gruppierungen und Einzelpersonen in Thüringen, die sich auf den Besitz, Erwerb und Handel mit Waffen und Sprengstoffen richteten, kannten, duldeten, an diesen beteiligt waren oder diese begünstigten; 4. ob und falls ja in welchem Umfang Thüringer Sicherheitsbehörden menschliche Quellen im Bereich der organisierten Kriminalität einsetzten, die über Verbindungen in den Bereich der organisierten extremen Rechten und insbesondere ins Unterstützernetzwerk des "Nationalsozialistischen Untergrundes" verfügten; 5. ob und falls ja in welchem Umfang Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden und die mit ihnen zusammenarbeitenden Personen (so genannte menschliche Quellen) sowie die zuständigen Ministerien die ihnen gesetzlich übertragenen Befugnisse überschritten haben und/oder bei dem Einsatz, beim Führen und Beaufsichtigen von V-Personen bzw. verdeckten Ermittlern oder sonstigen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beobachtung des Grenzbereichs rechtsextremer Strukturen mit Strukturen der organisierten Kriminalität sowie der Verfolgung und Aufklärung von durch diese begangenen Straftaten gegen Rechtsvorschriften verstoßen haben; 6. ob und falls ja inwiefern Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden und die mit ihnen zusammenarbeitenden Personen (so genannte menschliche Quellen) sowie die zuständigen Ministerien rechtsextreme Strukturen und Personen mangelhaft beobachtet und unzureichend strafrechtlich oder im Rahmen der Gefahrenabwehr gegen sie ermittelt haben und ob dadurch die Entstehung des "Nationalsozialistischen Untergrundes" ermöglicht oder begünstigt wurde; 7. ob und falls ja in welchem Maße unter Beachtung der den Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden tatsächlich vorliegenden Erkenntnisse über Aufenthalt, Aktivitäten und Straftaten durch Handeln oder Unterlassen Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden und der mit ihnen zusammenarbeitenden Personen (so genannte menschliche Quellen) Straftaten, die dem "Nationalsozialisti- 2

schen Untergrund" sowie dessen Unterstützern zugerechnet werden, ermöglicht, begünstigt oder erleichtert wurden; 8. ob und falls ja in welchem Maße durch Handeln oder Unterlassen Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden durch mit ihnen zusammenarbeitende Personen (so genannte menschliche Quellen) die Aufklärung und Verfolgung von dem "Nationalsozialistischen Untergrund" sowie dessen Unterstützern und seiner Netzwerke zugerechneten Straftaten ver- oder behindert worden ist; 9. ob alle rechtlichen und tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten und Verpflichtungen zur Aufklärung von Straftaten des "Nationalsozialistischen Untergrundes" insbesondere soweit sie, wie der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter, einen Bezug zu Thüringen aufwiesen, sowie in Bezug auf dessen Unterstützern und seiner Netzwerke zugerechneter Straftaten durch Thüringer Sicherheitsund Justizbehörden in dem erforderlichen Maße umgesetzt wurden; 10.ob und falls ja in welchem Umfang Thüringer Justiz- und Sicherheitsbehörden und den mit ihnen zusammenarbeitenden Personen (so genannte menschliche Quellen) Erkenntnisse zur Herausbildung eines bundesweiten Unterstützernetzwerkes des "Nationalsozialistischen Untergrundes" sowie dessen Verbindung zum "Blood&Honour"-Netzwerkes besaßen; 11. ob und falls ja in welchem Umfang Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden Kenntnis darüber hatten, dass Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Mitgliedern rechtsextremer Strukturen in Thüringen nachrichtendienstlich zusammenarbeiteten oder diese unterstützten und wie durch Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden mit diesen Kenntnissen umgegangen wurde; 12.ob und falls ja inwieweit Unzulänglichkeiten in der rechtlich gebotenen und zulässigen Zusammenarbeit zwischen Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden und Behörden des Bundes und der Länder, einschließlich solcher im Ausland, mit dazu beigetragen haben, dass sich militante und terroristische rechtsextreme Strukturen herausbilden konnten und aus diesem Milieu heraus Straftaten begangen wurden sowie Maßnahmen der Zielfahndung nach Mitgliedern des "Nationalsozialistischen Untergrundes" erfolglos blieben; 13.ob und falls ja in welchem Umfang Thüringer Justiz- und Sicherheitsbehörden und den mit ihnen zusammenarbeitenden Personen (so genannte menschliche Quellen) Erkenntnisse in Bezug auf die Todesumstände der mutmaßlichen Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrundes" Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos besaßen und deren Aufklärung durch Handeln oder Unterlassen ver- oder behindert haben. II. Im Rahmen der vorstehenden Untersuchungskomplexe erachtet der Thüringer Landtag insbesondere die Beantwortung nachstehender Fragen zur Aufklärung im Sinne des Untersuchungsauftrages für erforderlich: 1. Auf wessen Anweisung und zu welchem Zweck erfolgte der unverzügliche Abtransport des abgebrannten Wohnmobils mitsamt 3

den im Inneren aufgefundenen Leichen aus Eisenach Stregda am 4. November 2011 und genügte dieses Vorgehen den besonderen Anforderungen an eine umfassende und fachlich gebotene Spurensicherung beim Auffinden von augenscheinlich gewaltsam zu Tode gekommenen Personen? 2. Wann und durch wen wurden die beiden Toten aus Eisenach Stregda identifiziert und wer wurde zu welchem Zeitpunkt darüber informiert? 3. War den Thüringer Ermittlungsbehörden bekannt, dass in den Lungen beider als Böhnhardt und Mundlos identifizierten Personen keine Rußspuren gefunden worden sein sollen und welche Schlussfolgerungen sind aus diesem Umstand gezogen worden oder hätten bei sach- und fachgerechter Ermittlungsarbeit gezogen werden müssen? 4. Welche Kenntnisse lagen/liegen Thüringer Sicherheitsbehörden über die Beteiligung des späteren Mordopfers Michèle Kiesewetter bei Einsätzen in der rechten Szene und im Milieu der organisierten Kriminalität vor und wurden über diese Einsätze Verbindungen zu Akteuren der rechten Szene in Thüringen hergestellt? 5. Wurden im Zuge der Mordermittlungen zum Tod der Polizistin Michèle Kiesewetter durch Thüringer Sicherheitsbehörden im Rahmen der Zuständigkeit sämtliche gebotenen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere zur Umfeldaufklärung, ergriffen? 6. Welche Informationen lagen Thüringer Sicherheitsbehörden seit den 1990er Jahren über Verstrickungen von thüringischen rechtsextremistischen Strukturen in typischen Tätigkeitsfeldern der organisierten Kriminalität wie Prostitution, Waffen- und Drogenhandel, Autoschieberei vor? 7. Welche Erkenntnisse über V-Leute anderer Dienste in Thüringen lagen bei Thüringer Justiz- und Sicherheitsbehörden in Zusammenhang mit organisierter Kriminalität und deren Verbindungen zu Gruppen und Einzelpersonen der extremen Rechten vor? 8. Welche Kenntnisse lagen Thüringer Sicherheitsbehörden über die Aktivitäten des V-Mannes des Bundesamtes für Verfassungsschutz "Tarif" vor und inwieweit gingen daraus Informationen zum untergetauchten Trio hervor? 9. Welche Erkenntnisse besaßen Thüringer Landesbehörden zur Finanzierung des Lebens im Untergrund von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe durch Straftaten, Unterstützernetzwerke oder weitere Geldquellen? III. Der Untersuchungsausschuss soll gleichfalls Schlussfolgerungen aus den Untersuchungsergebnissen für zukünftige Maßnahmen zur Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft und der Prävention von Rechtsextremismus, die künftige Bekämpfung des Rechtsextremismus, für eine verbesserte demokratische und parlamentarische Kontrolle der handelnden Behörden, für die Neuorganisation der Sicherheitsbehörden in Thüringen unter Beachtung bestehender verfassungsrechtlicher Grenzen ziehen. 4

IV. Zur Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes sind neben den zwingend einzubeziehenden Beweismitteln auch alle Unterlagen, Feststellungen und gewonnenen Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses "Rechtsterrorismus und Behördenhandeln", des 5. Thüringer Landtags, der von der Thüringer Landesregierung eingesetzten Untersuchungskommission (sog. Schäfer-Kommission) sowie der so genannte Gasser-Bericht hinzuzuziehen. Einzubeziehen sind ferner die Berichte, Feststellungen und Erkenntnisse des 2. Untersuchungsausschusses des 17. Deutschen Bundestages, des Untersuchungsausschusses Rechtsterrorismus in Bayern des 16. Bayerischen Landtags, des Untersuchungsausschusses "Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen" des 5. Sächsischen Landtags, des 2. Untersuchungsausschusses des 19. Hessischen Landtags, des Untersuchungsausschusses "Rechtsterrorismus/NSU BW" des 15. Landtags des Landes Baden-Württemberg, des NSU-Untersuchungsausschusses des 16. nordrhein-westfälischen Landtags sowie des Strafprozesses vor dem Oberlandesgericht München gegen Beate Zschäpe u. a. wegen Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und weiteren Straftaten, soweit dies der Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes dienlich ist. Sollten auf Bundes- oder Landesebene weitere Untersuchungsausschüsse oder Gremien mit der Aufklärung des Komplexes um den "Nationalsozialistischen Untergrund" befasst werden, sollen auch deren Berichte, Feststellungen und Erkenntnisse einbezogen werden. V. Die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses wird auf der Grundlage des 4 Abs. 1 und 2 des Untersuchungsausschussgesetzes vorgenommen. Demgemäß sind alle Fraktionen zwingend mit mindestens einem Mitglied im Untersuchungsausschuss vertreten. Zugleich muss die Zusammensetzung dem Kräfteverhältnis des Landtags entsprechen. Der Untersuchungsausschuss besteht aus elf ordentlichen Mitgliedern (4 CDU, 3 DIE LINKE, 2 SPD, 1 AfD, 1 BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN). Jede Fraktion benennt bis zu zwei ständige Ersatzmitglieder. Vl. Die im Einzelplan 01 Kapitel 01 01 in den Hauptgruppen 4, 5 und 6 für die Durchführung dieses Untersuchungsausschusses benötigten zusätzlichen Haushaltsmittel werden auf Antrag der Landtagsverwaltung aus dem Einzelplan 17 durch die Landesregierung überplanmäßig bereitgestellt. Die Landesregierung wird gebeten, die Personalgewinnung für die Arbeit des Untersuchungsausschusses über das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zu unterstützen. VII. Der Untersuchungsausschuss erstattet dem Landtag nach Abschluss der Untersuchung einen schriftlichen Bericht gemäß 28 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes. Begründung: Auch mehr als drei Jahre nachdem im November 2011 ein Wohnmobilbrand in Eisenach den jahrelangen neonazistischen Terror und die Verbrechen einer aus Thüringen stammenden Neonazigruppierung um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Betae Zschäpe öffentlich werden ließ, sind weder alle dadurch aufgeworfenen Fragen beantwortet noch ist dem Anspruch der Opfer nach vollständiger Aufklärung Genüge getan. Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach in ihrer Rede anlässlich der zentralen Gedenkfeier am 23. Februar 2012 in Berlin alles zur Aufklärung 5

der Morde und zur Aufdeckung der Hintermänner und Helfershelfer Nötige zu tun sowie mit allen rechtsstaatlich zu Gebote stehenden Mitteln dafür zu sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholen könne. Ähnlich hatte sich auch die damalige Ministerpräsidentin Thüringens Christine Lieberknecht in ihrer Regierungserklärung im Dezember 2011 geäußert. An der Einlösung dieser Versprechen hat auch der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags "Rechtsterrorismus und Behördenhandeln" im Rahmen seiner mehr als zweijährigen Tätigkeit mitgewirkt. Jedoch stellten die Mitglieder des Untersuchungsausschusses "Rechtsterrorismus und Behördenhandeln" in ihrer Gesamtheit fest, dass die Aufklärung des NSU-Komplexes trotz intensiver Arbeit nicht beendet und ein weiterer Untersuchungsausschuss nötig sei. Seitdem sind neben den bereits im Abschlussbericht benannten offenen oder unzureichend geklärten Fragen weitere hinzugekommen. Aktuelle Entwicklungen im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München, aber auch Veröffentlichungen investigativer Journalisten stellen die Notwendigkeit eines neuen Untersuchungsausschusses in Thüringen heraus. So erscheint weiterhin unklar, was Thüringer Sicherheitsbehörden über das offenbar weit verzweigte und gut vernetzte Unterstützernetzwerk des so genannten Kerntrios an Erkenntnissen besaßen. Auch tauchen weiterhin immer neue Informationen zu V-Personen im Umfeld von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe sowie ihren Unterstützern auf, die Fragen nach den durch diese gewonnenen Informationen bei Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder sowie deren Weitergabe an Thüringer Behörden aufwerfen. Erinnert sei hierbei an das Auftauchen einer "NSU/ NSDAP-CD", welche VM Corelli dem Bundesamt für Verfassungsschutz bereits im Jahr 2005 übergeben haben soll. Im Zusammenhang mit der Fahndung nach Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe aufgrund des Fundes von Sprengstoff in einer Jenaer Garage tauchen im Rahmen des Prozesses in München immer wieder neue Informationen auf, welche die offizielle und von Zeugen im Untersuchungsausschuss geschilderte Version des Fahndungsverlaufs in Frage stellen. So schilderte beispielsweise ein ehemaliger Helfer detailliert, er sei von Thüringer Beamten mit Fotos einer Übergabe von Gegenständen für die Untergetauchten konfrontiert worden. Weder diese Bilder noch Informationen zu einer erfolgreichen Observation waren dem Untersuchungsauschuss bekannt geworden. Insofern scheint auch ein erneuter Blick auf die damaligen Fahndungsmaßnahmen der Thüringer Behörden dringend geboten. Unter anderem durch Zeugenaussagen im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München wird versucht, den Weg der Waffe, mit welcher mutmaßlich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mehrere Morde begingen, nachzuvollziehen. Durch bisherige Ermittlungen ist bekannt, dass in den Kauf und Verkauf der Waffe mehrere Thüringer, welche dem Umfeld der "Organisierten Kriminalität" zugerechnet werden können, involviert waren. Hinzu kommen personelle Überschneidungen zwischen diversen Neonazi-Gruppierungen, wie beispielsweise dem Thüringer Heimatschutz und Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität, welche es notwendig machen, alle diesbezüglichen in Thüringer Sicherheitsbehörden vorliegenden Akten zum Bereich der organisierten Kriminalität beizuziehen und auf mögliche Verbindungen zu den Taten und Unterstützernetzwerken des NSU zu untersuchen. Beispielhaft sei verwiesen auf den Überfall auf einen Geldtransporter im Jahr 1999 in Pößneck, an welchem u.a. Neonazis die dem Thüringer Heimatschutz angehörten, 6

beteiligt waren und welchen Verbindungen zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nachgewiesen werden können. Aufgrund der Fülle an zur Verfügung gestellten Akten war es dem Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus und Behördenhandeln" nicht möglich, sämtliches Material zu sichten und zu bewerten. Bereits stichprobenartige Einsichtnahme in die beim Thüringer Staatsarchiv lagernden Akten offenbarten erhebliche Abweichungen zu bisherigen Erkenntnissen des Ausschusses, die Organisation und Vorgehensweise Thüringer Sicherheitsbehörden betreffend, aber auch in Bezug auf den Informationsaustausch mit Sicherheitsbehörden des Bundes und anderer Länder und die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse zur extremen Rechten, so dass es erforderlich ist, unter Einbeziehung der bislang nicht gesichteten Akten das Bild der Thüringer Sicherheitsbehörden in Bezug auf ihren Umgang mit rechtsterroristischen Strukturen und deren Umfeld, die zu diesem Zweck geschaffenen organisatorischen Strukturen sowie den Austausch mit Behörden des Bundes und der Länder hierzu im Rahmen einer weiterführenden Untersuchung zu vervollständigen. Hinsichtlich der Verbrechen des NSU während ihrer Zeit im Untergrund selbst sowie den Erkenntnissen, die in Thüringen dazu vorlagen, konnte der Untersuchungsausschuss in der 5. Legislaturperiode allenfalls in Ansätzen Aufklärung leisten. Gerade auch mit Blick auf den Mord an Michéle Kiesewetter konnte die Rolle Thüringer Behörden in den Ermittlungen und dabei eventuell begangenen Fehlern und Versäumnissen nicht nachgegangen werden. Ähnlich unvollständig ist das Bild in Bezug auf die Geschehnisse um den Tod der beiden Rechtsterroristen Böhnhardt und Mundlos in Eisenach im November 2011 und die dazu durchgeführten Ermittlungen der Thüringer Polizei und Staatsanwaltschaften. Der Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus und Behördenhandeln" vermochte auch hier nur Ungereimtheiten aufzulisten und einer weiteren Aufklärung anzuempfehlen. Es obliegt daher dem Parlament der 6. Legislatur aufzuklären, ob Thüringer Ermittlungsbehörden in der ersten Phase nach dem Auffliegen des NSU rechtsstaatlich, gewissenhaft und vollständig ermittelt haben. Auch aufgrund der positiven Erfahrungen des letzten Untersuchungsausschusses mit der Umsetzung als dringend erachteter Reformen erscheint es erforderlich, dass der neu einzusetzende Untersuchungsausschuss aus seinen gewonnenen Erkenntnissen Schlussfolgerungen zieht und diese dem Thüringer Landtag und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Für die Fraktion der CDU: Für die Fraktion DIE LINKE: Für die Fraktion Für die Fraktion der SPD: BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Emde Blechschmidt Hey Adams 7