Erlebnisse, Erfahrungen, Erinnerungen Ein Bericht, der zeigt, dass die Zeit sich unaufhaltbar weiterdreht. Nun sitze ich hier, nach sieben Monaten Auslandsaufenthalt und schreibe den Bericht, der meine letzten Monate zusammenfassen soll. Monate, die definitiv mit sehr viel Stress verbunden waren. Das heißt nicht, dass ich sie nicht genossen habe, sie haben einfach nur mehr Kraft gekostet, da sie, obwohl es nach außen hin nach weniger aussieht, durch besondere Ereignisse, Besuche, das Zwischenseminar, Campings und vielem mehr einfach anstrengend waren und nie wirklich Routine aufgekommen ist. Aber erst einmal von Anfang an: Mein letzter Bericht hat mit der Vorschau auf zwei Argentinienbesuche geendet. Ach ja, da war ja was, doch wie lang ist das schon her!? Mendoza und Buenos Aires. Zwei Städte, verschieden wie Welten, die Eine ruhig, (wenn man das für eine Millionenstadt wie Mendoza sagen kann) klein und idyllisch, kulinarisch aber Unsere Truppe mit Mauricio in Mendoza definitiv sehenswert (am Mittagstisch wurde schon einmal diskutiert, wo man abends essen geht Danke, Mauricio). Die Andere riesig, hektisch, bunt, aufregend. An dieser Stelle einen Dank an unsere zwei Argentinien-Korrespondentinnen Meike und Tessa, die uns Unterkunft, Unterhaltung und jede Menge Spaß geboten haben! Zu Silvester waren sie dann dafür bei uns eingeladen :) Die Casa Rosada, der Präsidentenpalast in Buenos Aires
Ebenfalls im November waren wir mit ein paar unserer Jungs der Casa auf dem Gigante, dem Berg vor San Felipe, der immerhin 1000 Höhenmeter über San Felipe liegt. Besonders war, dass sich sogar zwei Jungs aufgerafft haben, um neue Grenzen zu testen und ihre Höhenangst herauszufordern. Und dazu muss man sagen, dass der Berg es echt in sich hatte hinsichtlich Steigung als auch Boden. Respekt an die Jungs, die sich die 10 Stunden Gipfelfoto auf dem Gigante gequält haben;) Der Ausflug in ein Frei-/Naturbad zum Geburtstag der Casa war da dann doch etwas entspannter, und ins eher frische Wasser zu springen kostete niemanden große Überwindung. Alles in allem ein Ausflug, der zusammen mit Ehemaligen, Aktuellen, allen deutschen und chilenischen Mitarbeitern ein tolles Fest werden sollte! Gedeckter Tisch in Vaitea: Ein gelungener Tag mit Tischtennis, Wasserball und selbstgemachten Hamburgern
Im Dezember ist eine Reihe von Ereignissen zu nennen, vor allem aber der Tag, an dem uns unser Chef Mario Londres 38, sowie die Villa Grimaldi gezeigt hat, zwei Orte, die zu der dunklen Vergangenheit Chiles, der Pinochetdiktatur, gehören. Hier wurden Menschen gegen ihren Willen festgehalten, lebten unter unmenschlichen Bedingungen, wurden gefoltert und benutzt, um Informationen zu bekommen. Oben: Gedenktafel in der Villa Grimaldi, rechts: Diskussion über Geschehenes Die Härte und absolute Unmenschlichkeit der hier handelnden Personen, wurde in den persönlichen Erzählungen, sowie in den vielen Berichten, Fotos, Filmen und vielen anderen Dokumenten beim anschließenden Besuch im Menschenrechtsmuseum erschreckend deutlich. Ein Brief, der mich besonders bewegt hat, war der einer Achtjährigen, die Ihrem Vater geschrieben hat. Wann kommst du wieder? Ich habe gute Noten und bin immer brav wie du es wolltest, damit du zurückkommst, ich vermisse dich wahnsinnig, komm bitte bald wieder zurück. Dazu Bilder von Kindern, die malen, wie ihre Väter getrennt sind von der Familie, die hungernde Menschen malen ohne Haus mit der Aufschrift wir und auf der anderen Seite Villen und Die Reichen Freunde von Pinochet. Seit diesem Besuch ist der Respekt vor den Leuten noch einmal deutlich gestiegen, die trotz oder gerade wegen dieser Torturen gekämpft haben, gegen eine Regierung, die vor nichts zurückschreckte, was die eigene Macht stärkte und ihre Feinde schwächte. Das Risiko, sein eigenes
Leben zu riskieren, alles zu verlieren, hat sie nicht eingeschüchtert für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Umso trauriger ist es, dass es heute immer noch viele Pinochet-Befürworter gibt, beziehungsweise Leute, die ihre Augen vor dem, was passiert ist, verschließen. Leider ist auch die Aufklärung über das Geschehene lange nicht so wie zum Beispiel in Deutschland die frühzeitige und in der Schule durchgängige Thematisierung der Nazizeit. Hinzu kommt, dass selbst heute, 37 Jahre nach dem Putsch, gut 20 Jahre nach dem Ende der Diktatur, immer noch nicht alle Geschehnisse bekannt sind und manche Familien noch immer nicht wissen, was mit ihren Verwandten passiert ist. Man kann nur hoffen, dass für die Opfer jeder Stein in Bewegung gesetzt, für die Familien Unterstützung angeboten und für die Zukunft eine Basis geschaffen wird, die es nie wieder zulässt, dass das Land in so eine dunkle Zeit abrutschen kann! Das Menschenrechtsmuseum in Santiago, welches hauptsächlich die Zeit Pinochets thematisiert Eine andere, fröhlichere Geschichte, die den Dezember füllt, war die Fertigstellung des Klettergerüsts für das Pablo VI. Hierbei handelt es sich um die 2 Monate dauernde immer wieder neu geplante, verworfene und schließlich durchgezogene Verwirklichung unseres Klettergerüsts. Ohne irgendein Vorwissen in Sachen Holzverarbeitung oder Gerüstbau, dafür aber mit der Unterstützung eines Freundes, der auch die nötigen Werkzeuge besorgen konnte, entstand somit ein einfaches, aber sehr schönes, kunterbuntes Klettergerüst, auf welchem die Kleinen sehr gerne spielen und auf das Nils und ich sehr stolz sind. Die Idee, dieses noch zu vergrößern und Dinge wie zum Beispiel eine Rutsche oder eine Hängebrücke zu installieren, ist bisher leider am Geld gescheitert, aber vielleicht bekommt ja jemand beim Bericht lesen und Bilder bestaunen
Lust, ein bisschen finanziell zu helfen, damit wir das absolut coolste Klettergerüst der Welt haben;) Nicht immer ging die Farbe nur aufs Holz Dann ging es aber auch schon mit großen Schritten auf Weihnachten zu, was für mich eher schwierig war. Auch wenn wir deutschen Jungs uns zusammengetan haben (die Mädels waren mit ihren Familien im Urlaub), gemeinsam eine Messe besucht haben und in der Nacht bei Empanadas und Bier zusammensaßen, ist es nicht das Gleiche, wenn man genau weiß, wie die traditionelle Abfolge sich gerade ohne einen abspielt, und man sich einfach völlig am falschen Ort fühlt. Und Weihnachtszimtplätzchen schmecken bei 35 und mehr definitiv nicht so gut! Das war für mich echt ein kleiner Tiefpunkt, den ich aber schnell überwunden habe, da nun einmal Silvester vor der Tür stand! Das haben wir alle zusammen in Valparaiso verbracht, wo wir insgesamt mit einer Freiwilligen aus Paraguay, Tessa und Meike (wer aufmerksam gelesen hat weiß: die Argentinierinnen;) ), einer Freiwilligen - der Freundin von Niklas - aus Peru, den Familien von Laura, und Helen, also insgesamt 16 Deutschen und ein paar Chilenen, das größte Feuerwerk Südamerikas gesehen haben. Das mit Worten zu beschreiben ist sowieso nicht möglich, das einzige, was ich euch sagen kann ist: Erlebts auch mal! Ab nach Valpo 2012!;) Die Besucher blieben dann alle noch ein paar Tage, bis sich dann wieder alle an ihren gewohnten Plätzen in den
verschiedensten Ländern eingefunden haben. Diese Tage kommen auf der Unvergesslich-Liste auf jeden Fall auch ganz vorne vor! Im Januar war es dann soweit, 6 Monate Chile sind erreicht. Halbzeit im Auslandsjahr, was für uns hieß, dass es in die Nähe Santiagos in ein kleines, bescheidenes Dorf ging zum Zwischenseminar. Dass dieses nicht in der Stadt, sondern in kompletter Ruhe stattfand, und dazu nur 11 deutsche Freiwillige dabei waren, war im Endeffekt echt gut, da man sich besser kennen gelernt hatte und durch den engen Kontakt viel schneller persönliche Gespräche aufbauen konnte. Dies haben wir auch getan und sprachen dann über verschiedenste Dinge, von eigenen Geschichten einzelner, Strukturen der Projekte, Zufriedenheit mit der Betreuung und vieles mehr. Diese fünf Tage, die wir dort verbrachten, haben mir echt gut getan. Es war schön, mal nicht ratlos dies oder das zu machen, sondern von oben draufzugucken, wie man in welcher
Situation wohl am besten handelt. Hinzu kam dass es echt lustig war, und die Leute, die wir kennen gelernt haben, auch ganz lustige Typen sind. Von der Evangelischen Kirche im Rheinland kam auch noch eine Mitarbeiterin, die uns sogar noch nach San Felipe gefolgt ist, um unsere Projekte und unsere Chefs ein wenig kennen zu lernen, was wohl beide Seiten ganz cool fanden. Was nun kam, beziehungsweise noch vor mir liegt, das ist das Reisen mit meinen Deutschlandbesuchen! Im Februar ist schon mein Bruder gekommen und wir haben uns in Santiago, Viña del Mar und Valparaiso rumgetrieben. Wir waren am Strand, im Stadion auf dem Cerro San Cristobal. Der Besuch hat mir wahnsinnig gut getan, weil ich mit meinem Bruder echt gut auskomme, und er einfach kennenlernen sollte, wie ich lebe und was ich mache. Nur war es ein bisschen komisch, ihn, den man sonst nur am Telefon hat, auf einmal vor sich in seiner Chilewelt stehen zu sehen, obwohl er doch aus der Deutschlandwelt kommt. Noch komischer war es allerdings, ihn nach der coolen Zeit wieder ziehen lassen zu müssen, mit dem Wissen, dass ich ihn erst im August wiedersehe. Nun werde ich im März von meinem besten Freund besucht, mit dem es ein bisschen durch den Norden Chiles in Richtung Atacamawüste geht.
Nebenbei geht hier nun nach den langen Sommerferien die Schule wieder los, und damit kehrt wohl auch langsam der Alltag zurück. (Für mich natürlich erst, wenn ich wieder da bin ) Aber ich bin darüber auch echt froh, weil die Casa in den letzten 2 Monaten eher spärlich gefüllt war und viele der Jungs arbeiten, oder bei ihren Familien oder Freunden waren. Das in diesem Bericht das Pablo VI nicht groß erwähnt wird liegt auch daran, dass ich aufgrund von Seminar und Besuch meinerseits, oder Campings seitens des Heimes noch nicht wirklich wieder viel arbeiten konnte, und ich vermiss die Kleinen langsam echt. Alle werde ich aber nicht wiedersehen, da 12(!) der 33 Kinder nach den Ferien nicht mehr wiederkommen, weil sie wieder bei den Familien wohnen oder von Verwandten adoptiert wurden. Einerseits ist es schon schwer loszulassen, andererseits habe ich mich riesig gefreut, als ich die beiden Zwillinge, die mir mit der Zeit wirklich ans Herz gewachsen sind, mit ihrer Tante auf der Plaza gesehen habe: Beide schick angezogen, ohne zu schlagen, ohne Schimpfwörter (alleine dafür schon Respekt!:) ) und als sie mich erkannt haben, sind sie mir in die Arme gesprungen. Auch die Kinder haben uns also nicht vergessen ;) So, das muss für dieses Mal reichen, im nächsten Bericht gibts dann Bilder vom Norden Chiles und viele neue Geschichten rund um das spannende Leben hier. Auch wenn die Abreise nun näher ist als die Ankunft, noch bleibt Zeit, eine Menge zu erleben!!! Im Februar 2011, Simon