Ein ungewöhnlicher Fang. Konzept



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Ein ungewöhnlicher Fang Konzept

Ein ungewöhnlicher Fang Konzept und Entwurf für einen narrativen Animationsfilm vom 3D-Modeling bis zum Rendering Bachelorarbeit Manuel Preuß Matrikelnummer 723877 Hochschule Niederrhein Kommunikationsdesign Sommersemester 2011 Prof. Silvia Beck Prof. Thorsten Kraus

Inhalt 5 9 11 17 27 29 33 37 41 44 49 63 65 73 74 77 79 83 87 Vorwort Definition Historische Entwicklung des Animationsfilmes Animationsformen Warum CGI? Inspiration/Motivation Typologie des Anglers Charakterentwicklung Stilistik Drehbuch Vertices, Edges, Splines, Polygone und wie daraus Paulchen und Igor werden Lighting Animation Rendering Vertonung Postproduktion Fazit Literatur/Quellenverzeichnis Selbstständigkeitserklärung

Vorwort In erster Linie mache ich keine Filme für Kinder, sondern für das Kind in jedem von uns, egal ob wir sechs oder sechzig Jahre alt sind. (Walt Disney) Animationsfilm = Kinderkram. Mit diesem Vorurteil hatte der Animationsfilm lange Zeit zu kämpfen. Selbst heute noch wird der Realfilm meistens als künstlerisch wertvoller oder erwachsener angesehen, obwohl erfolgreiche Animationsserien wie Die Simpsons beweisen, dass Trickfilme mittlerweile auch in der Welt der Erwachsenen angekommen sind. Selbst zwanzig Jahre nach Beginn der erfolgreichen Serie um Homer, Bart, Marge und Lisa, ist immer noch kein Ende abzusehen. Dass eine Zeichnung anfängt sich zu bewegen, einen eigenen Charakter entwickelt mit dem man sich indentifizieren kann und dabei an keine physikalischen Gesetze gebunden ist, fasziniert Jung und Alt gleichermaßen. Vom einfachen Daumenkino bis hin zum aufwändig generierten, abendfüllenden 3D-Erlebnis bleibt das Prinzip doch immer dasselbe. Durch die schnelle Abfolge unzähliger Einzelbilder lernt die Zeichnung zu laufen und dem Betrachter wird suggeriert er sähe etwas Lebendinges. In dieser Arbeit beschäftige ich mich hauptsächlich mit einer jüngeren Gattung des Trickfilms. Mit Einzug des Computers wurde der Animationsfilm revolutioniert. Spätestens seit Pixars Toy Story 1995 erstmals veröffentlicht wurde, ist CGI (Computer Generated Images) in der Animation aus den Kinos nicht mehr wegzudenken. Dies hatte zur Folge, dass die klassischen Animationstechniken fast vollständig aus der kommerziellen Kinoproduktion verschwunden sind. Dabei beruht die 3D-Animation auf -5- -4-

den gleichen Prinzipien wie die vielen Zeichentrickfilme von Walt Disney. Die Grundsätze der Illusion of life gelten auch für aktuelle Filme, genauso wie für Disneys ersten großen Film Schneewittchen und die sieben Zwerge. Um meinen eigenen 3D- Animationsfilm zu entwickeln war es deshalb unerlässlich die historische Entwicklung des Trickfilms zu analysieren. Wie haben die Altmeister der Animation gearbeitet, welche Techniken wurden verwendet, und was lässt sich davon auf die heutige 3D-Technik übertragen? Wie hat der Computer umgekehrt die Animation allgemein beeinflusst? Um diese Antworten zu beantworten habe ich mich der Herausforderung gestellt einen computergenerierten Film selbst zu erstellen und dabei meine Erkenntnisse anzuwenden. In dieser Arbeit dokumentiere ich meinen Konzeptions-, Entwurfs- und Produktionsprozess in allen Schritten gemäß des Themas Konzept und Entwurf eines narrativen Animationsfilmes vom 3D-Modeling bis zum Rendering. Walt Disney -7-

1 definition Animation (von lat. animare, zum Leben erwecken ; animus, Geist, Seele ) ist im engeren Sinne jede Technik, bei der durch das Erstellen und Anzeigen von Einzelbildern für den Betrachter ein bewegtes Bild geschaffen wird. Die Einzelbilder können gezeichnet, im Computer berechnet, oder sie können fotografische Aufnahmen sein. -9-

Historische Entwicklung des 2 Animationsfilmes 2.1 Erste Schritte Die frühesten Ansätze Bilder zum Leben zu erwecken gehen bereits bis ins Jahr 1645 zurück. Lange vor Erfindung des Films erdachte der Jesuitenpriester Athanasius Kirchner eine kastenähnliche Vorrichtung, die auf Glas gepinselte Bilder mittels einer Lichtquelle an die Wand warf 1. Ein paar Jahrzehnte später wurde die Laterna Magica weiterentwickelt. Johannes Zahn montierte die Glasscheiben auf eine drehbare Scheibe, was die Illusion von Bewegung erzeugte. Um das Jahr 1824 erkannte der Brite Peter Mark Roget das Prinzip der Illusion der Bewegung. Laut Roget sorgt die Trägheit der Netzhaut dafür, dass ab einer bestimmten Frequenz nicht mehr die singulären statischen Bilder wahrgenommen werden, sondern der Eindruck eines kontinuierlichen dynamischen Bewegungsablaufs entsteht 2. Alle Apparaturen, die nach diesem Prinzip funktionierten, hatten eines gemeinsam. Sie arbeiteten mit gezeichneten oder gemalten Darstellungen. Die Verwendung von Fotos zur Darstellung von Bewegungsabläufen etablierte erst 1873 Eadweard Muybridge. 1 Basgier, Thomas: Pioniere des Animationsfilms. In: Filmgenres Animtionsfilm. Hg. Andreas Friedrich. Stuttgart: Reclam 2007. S.26 2 ebd. -11- -10-

2.1 Technische Weiterentwicklungen Im Laufe des 19. Jahrhunderts gibt es eine Reihe von weiteren Erfindungen und Verbesserungen zur Darstellung von Bewegung. 1826 entwickelt John Ayrton das sogenannte Thaumatrop. Dieses besteht aus einer runden Scheibe mit zwei unterschiedlichen Bildseiten. (z.b. ein Vogel und ein Käfig) Durch die Rotation der Scheibe gegen die eigene Achse verschmelzen beide Bilder zu einem. Weitere Erfindungen sind das Phenakistoskop und das Daedalum. Dabei wird auch zum ersten Mal der Bildstreifen entwickelt, der beliebig ausgetauscht werden und in das Daedalum eingesetzt werden kann. 1868 taucht das Daumenkino auf, damals Kineograph genannt. 1888 realisiert Thomas Alva Edision das Mutoskop, im Prinzip ein riesiges Daumenkino. Die Bilder werden auf eine Rolle montiert, die von einer Kurbel angetrieben wird. Statt des Daumens wurde ein nadelförmiger Stopper verwendet, der die Bildrolle auffächert und jede Einzelfotografie kurz arretiert 3. 3 Basgier, Thomas: Pioniere des Animationsfilms. In: Filmgenres Animtionsfilm. Hg. Andreas Friedrich. Stuttgart: Reclam 2007. S.29 Weitere Entwicklungsstufen sind das Bioskop der Brüder Skladanowsky und das Praxinoskop kurz bevor die eigentliche Kinotechnik entsteht. Zu dieser Zeit verdrängen die fotografischen Aufnahmen mehr und mehr die gemalten Bilder. 1895 entdeckt Alfred Clark, dass die Kurbel einer Filmkamera angehalten und später neu gestartet werden kann. In der Zwischenzeit kann das Bild vor der Linse beliebig manipuliert werden, was später bei der Projektion ungewöhnliche Effekte erzeugt. Das war der Beginn jeglicher Special Effects und zugleich die Grundlage des Stop-Motion-Verfahrens. Dieser Begriff wird meistens bei der Darstellung von dreidimensionalen Objekten verwendet, während sich im 2-D-Bereich der Begriff Frame by Frame durchgesetzt hat 4. Kurz darauf enstand die erste Animation für einen Werbespot. Darin ließ Georges Méliès die Buchstaben des Alphabets animeren. 1899 folgte der erste reine Animationsfilm mit 4 siehe ebd., S.33 dem Namen Matches: An Appeal des Engländers Arthur Melbourne- Cooper. Dieser Film arbeitete mit Streichhölzern, die sich zu Figuren formten und sollte die Spendenbereitschaft zur Unterstützung britischer Soldaten im Burenkrieg erhöhen 5. Der erste deutsche Trickfilm entstand unter Guido Seeber im Jahr 1910 und hieß Die geheimnisvolle Streichholzschachtel. 2.1 Experimentierfreude In den folgenden Jahren gab es viele verschiedene Experimente. Real- und Animationsfilm wurden kombiniert, echte Schauspieler auf der Bühne interagierten mit Charakteren auf der Leinwand, und die ersten Clay- Filme (1897 wurde das Plastilin erfunden) wurden produziert. Willis O Brien (später verantwortlich für die Animation von King Kong) entwickelte ein Metallskelett um die Figuren zu stabilisieren. 5 siehe ebd., S.37-13- -12-

Ein weiterer Name, der für die Puppen- bzw. Figurenanimation bedeutend ist, ist Ladislaw Starewich. Der Naturwissenschaftler wollte ursprünglich nur die Lebensweise von Insekten abfilmen, was jedoch daran scheiterte, dass die Tiere unter der Hitze der Kameralampen eingingen. Deshalb modellierte er die Tierchen aus Plastillin nach und animiette sie Bild für Bild. Desweiteren konservierte er echte Insekten und stabilisierte sie mit Drähten. Aus der ursprünglich naturwissenschaftlichen Dokumentation entwickelten sich zwei völlig fiktionale Geschichten. In The Beautiful Leukanida (1910) geht es um zwei männliche Käfer, die um die Gunst einer Käferdame kämpfen. In The Cameraman s Revenge (1912) geht es ebenfalls um ein Liebes- und Eifersuchtsdrama unter Käfern. Gleichzeitig reflektiert er über das Filmemachen ansich 6. (Filmgenres, Animation, S.39) Durch die Experimentierfreudigkeit in dieser Zeit entwickelt sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Animationsformen, die die Grundlage aller modernen Animationstechniken sind und im nächsten Kapitel vorgestellt werden. 6 siehe ebd., S.39-15- -14- The Cameraman s Revenge

3 Animationsformen 3.1 ObjektanimatioN Puppentrickfilm Die Puppen bestehen meistens aus Holz, Papiermaché, Hartgips oder Kunststoff. Um sie in verschiedene Posen zu bringen, werden sie durch ein Metallskelett mit Drehgelenken zusammengehalten. Alternativ werden auch Drahtskelette verwendet. Um die Mimik der Figuren zu gewährleisten, müssen Augen- und Mundpartie austauschbar sein. In manchen Fällen wird einfach der gesamte Kopf ausgetauscht. Um die Standfestigkeit der Charaktere zu gewährleisten werden sie oft mit Schrauben auf dem Untergrund fixiert. Von jeder winzigen Veränderung der Pose wird ein Foto gemacht, die hintereinander abgespielt eine flüssige Bewegung ergeben. Vorreiter dieser Animationsform ist Ladislaw Starewich. Der bekannteste Puppentrickfilm in Deutschland ist das DDR-Sandmännchen. Großen Erfolg hatte auch Tim Burton s Nightmare before Christmas von 1993. Nicht zu verwechseln ist Puppentrickfilm mit Marionettenfilmen, da diese in Realgeschwindigkeit und nicht per StopMotion aufgenommen werden. Claymation Knetfigurentrickfilm funktioniert ähnlich wie der Puppentrickfilm, jedoch bestehen die Figuren ausschließlich aus Plastilin oder ähnlichen Materialien. Für jede Bewegung wird die Figur ansich verändert. Das hat den Vorteil, dass interessante Morphanimationen möglich werden. Ein großer Nachteil ist jedoch, dass bei einem Fehler in der Produktion die gesamte Szene neu animiert -17- -16- Das Sandmännchen

werden muss. Bis in die 1990er Jahre hinein wurde Claymation deshalb hauptsächlich in Kurzfilmen verwendet. Bekannte Beispiel für Knetfigurenanimation sind Wallace und Gromit und Chicken Run von Nick Park. Häufig gibt es auch Mischformen von Puppentrick und Claymation um die Vorteile beider Formen zu kombinieren. Claymation Der Begriff Pixilation wurde höchstwahrscheinlich von Norman McLaren geprägt. Reale Szenerien, Objekte oder Schauspieler werden per Foto aufgenommen und nicht gefilmt. Man kann Objekte ein- und ausblenden, sowie durch die Gegend fliegen lassen. Die Bewegungen der Schauspieler wirken durch die Aufnahmetechnik leicht stockend und zappelig. Norman McLaren produzierte 1952 mit dieser Technik seinen Oscarprämierten Film Neighbours, der von zwei Nachbarn handelt, die sich um eine Blume auf der Grenze ihrer Grundstücke streiten. Der Streit eskaliert, bis beide tot sind. Heute wird die Pixilation häufiger in Musikvideos und Experimentalfilmen angewendet. Brickfilm Brickfilme (von engl.: Brick (Baustein)) werden mit Hilfe von Legobausteinen und Figuren hergestellt. Erste Filme wurden bereits 1980 erstellt. Mit Einführung des öffentlichen Internets und Videoportalen wie Youtube hat sich eine lebendige Szene gebildet, die mit Hilfe von Lego-Studio-Sets Szenen aus berühmten Filmen nachspielt oder eigene Geschichten erfindet. Jährlich gibt es sogar ein Brickfilmfestival. Ein relativ bekannter Brickfilm ist Die Helden von Bern von drei Offenburger Studenten, der 2002 bundesweit in ausgewählten Kinos veröffentlicht wurde. -19- Wallace and Gromit -18-

Die Abenteuer des Prinzen Achmed 3.2 2D-Animation Lege- und Scherenschnittanimation Beim Legetrickfilm werden Formen aus Papier, Pappe o.ä. ausgeschnitten und Frame by Frame zurechtgelegt. Die Scherenschnittanimation ist der Legeanimation sehr ähnlich. Bei ihr sind die Elemente jedoch nur als dunkle Silhouetten wie bei einem Schattenspiel zu sehen. Sand-auf-Glasanimation Bei dieser Form der Animation wird auf einem Leuchttisch Sand verteilt. Dieser erscheint auf dem aufgenommenen Film schwarz. Mit den Händen oder anderen Werkzeugen werden Bilder in den Sand gezeichnet. Mit dieser Technik lassen sich sehr gut Morphings realisieren. Bedingt durch den Sand entstehen sehr weiche Formen. Öl-auf-Glasanimtion Hier wird mit Ölfarbe direkt auf das Glas eines Leuchttischs gemalt. Dadurch, dass die Farbe lange weich bleibt, kann diese immer wieder weggewischt, übermalt oder anderweitig bearbeitet werden. Nadelbrettanimation Wie der Name schon sagt wird ein Brett mit einer Vielzahl von Nadeln bestückt. Das Brett wird von der Seite mit einer Lampe beleuchtet. Durch die Verschiebung der einzelnen Nadeln entsteht durch die Schatten ein Bild, das mit der Kamera aufgenommen wird. Entwickelt wurde diese Technik von Alexandre Alexeieff. Zeichnen oder Kratzen auf Film Hierbei wird das Filmmaterial direkt bearbeitet. Mit Folienstift wird direkt auf den Film gezeichnet, alternativ auch mit einer Nadel hineingekratzt. Wie man sich vorstellen kann sind die Ergebnisse dieser Technik sehr grob. -21- -20-

Rotoskopie Um den Zeichenaufwand komplizierter Bewegungsabläufe zu verringern und eine realistischere Darstellung zu erzeugen, entwickelte Max Fleischer das Rotoskopieverfahren. Hierbei werden die Filmszenen zuerst normal mit einer Filmkamera aufgenommen. Die Einzelbilder werden von hinten auf ein mattes Glas projiziert. Der Zeichner zeichnet jedes Bild einzeln ab (Durchpausen). Heute wird statt der Projektion meist der Computer zum Abzeichnen genutzt. Halbautomatische Verfahren erleichtern und beschleunigen den Zeichenprozess. Zeichentrickanimation Die Zeichentrickanimation ist wohl die bekannteste und lange Zeit verbreitetste Trickfilmtechnik. Jedes Bild wird von Hand einzeln gezeichnet und später auf Film kopiert. Kaum eine andere Animationform wurde im Laufe der Jahrzehnte so perfektioniert wie der Zeichentrick. Wegen des enormen Arbeitsaufwandes war man bemüht den Arbeitsprozess möglichst zu vereinfachen und variabel zu halten. Unter Disney wurde die Arbeitsteilung im Zeichentrick eingeführt und perfektioniert. Die Key-Animatoren sind nur für die Schlüsselbilder der Geschichte zuständig, während ein Heer von sogenannten Inbetweenern die Zwischenframes einfügt. Andere Zeichner sind nur für die Hintergründe und Szenerien zuständig. Im Compositing werden die verschiedenen Ebenen zusammengefügt und der Kameramann filmt die Zeichnungen nach genau vorgegebenen Plänen ab. Mit Hilfe der Multi-Plan-Kamera ist es zudem möglich einen räumlichen Eindruck der Szenerie zu erzeugen, indem die einzelnen Zeichnungen auf unterschiedlichen Ebenen angeordnet werden, wodurch sogar einfache Kamarafahrten realisiert werden können. Heute werden die Zeichnungen meist direkt am Computer mit Hilfe eines Grafiktablets produziert. Auch das Compositing wird heute von speziellen Programmen übernommen. Trotzdem bleibt die Zeichentrickanimation nach wie vor ein sehr handwerklicher Prozess, der unglaublich aufwändig ist. -23- Das Dschungelbuch -22-

3.3 Computeranimation Die computergenerierte Animation hat in den letzten zwei Jahrzenten enorm an Popularität gewonnen. Die Möglichkeiten der Computergrafik haben sich enorm weiterentwickelt, sodass sie dem Animator eine Vielzahl von neuen Darstellungsformen der Animation bietet. Die Ästhetik des Filmes ist nicht mehr von der Animationstechnik abhängig. Mit Hilfe des Computers lassen sich Animationsformen wie die des Scherenschnitts genauso simulieren wie Knetfiguren- oder Puppentrickfilm. Selbst Animationen, die nach klassischem 2D-Zeichentrick aussehen, sind zum Teil in 3D-Animationsprogrammen erstellt worden. Viele Aufgaben, für die früher ein Heer von Inbetweenern nötig war, übernimmt jetzt der Rechner, sodass der Animator den eigentlichen Schlüsselszenen der Animation mehr Aufmerksamkeit widmen kann. Die Computeranimation setzt aber keineswegs die Prinzipien der klassischen Animation außer Kraft. Sie greift im Gegenteil sogar viele klassische Begriffe, die von den Pionieren der Animation entwickelt wurden, auf und entwickelt sie weiter. Viele Begriffe wie Keyframing, DopeSheet, Easing etc. wurden in den großen klassischen Trickfilmstudios wie Disney entwickelt und tauchen in den Motion Graphics Programmen von heute auf. 1982 wurden in dem Film Tron erstmals längere computergenerierte Sequenzen in den Realfilm eingebettet. Da zu dieser Zeit aber die Rechenkapazität der Computer noch sehr begrenzt war, dauerte es noch über ein Jahrzent bis mit ToyStory der erste abendfüllende komplett computergenerierte Animationsfilm in die Kinos kam. Seitdem haben die 3Danimerten Filme die anderen Animationsformen weitgehend (zumindest aus der kommerziellen Animation) verdrängt. Animationsstudios wie Pixar, Dreamworks und Blue Sky liefern sich einen harten Wettstreit und übertrumpfen sich in puncto Animationsqualität und technischer Finessen ein ums andere mal 1. 1 Das Kapitel Animationsformen bezieht sich im Wesentlichen auf diese Quelle: www.de.wikipedia.org/wiki/animation Stand: 28.6.2011-25- -24-

4 Warum CGI? Für meinen Animationsfilm habe ich als Werkzeug die Computeranimation gewählt. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einem gibt der Computer die Möglichkeit mit relativ wenig Equipment eine große Szenerie aufzubauen, für die ich beispielsweise in einem Puppentrickfilm viel Platz und Material gebraucht hätte. Im 3-D-Programm verfüge ich dagegen über ein Arsenal an Kameras, Lichtern, Riggingtools etc., die sehr teuer und schwer zu beschaffen wären. Desweiteren lässt sich eine Animation meist in Echtzeit nachvollziehen (je nach Rechnerkapazität) und Timinganpassungen lassen sich durch einfaches Verschieben der entsprechenden Keyframes verwirklichen. Der Hauptgrund liegt für mich jedoch an der Faszination der 3D-Animationsfilme an sich. Mit ToyStory bekamen die Szenerien und Figuren plötzlich eine so große Tiefe und Plastizität wie man sie vorher vom Zeichentrick nicht kannte. Natürlich haben Puppen- und Knetfigurentrickfilme ebenfalls eine starke Dreidimensionalität, jedoch wirken deren Figuren in ihren Bewegungen etwas eingeschränkt. Im Zeichentrick dagegen sind die Bewegungen unglaublich dynamisch, dafür wirken die Figuren relativ flach. Die 3D- Computeranimation vereint die Vorteile beider Animationsformen. Sie kann Tiefe und Plastizität perfekt darstellen und gleichzeitig Bewegungen sehr flüssig erscheinen lassen. -27- -26- Toy Story

5 Inspiration/Motivation Im Sommer 2010 habe ich eine 6-wöchige Wanderung/Trekkingtour entlang der Moldau und Elbe von Prag nach Cuxhaven unternommen. Bedingt durch die langsame Reiseform schärft sich mit der Zeit das Bewusstsein für die unbedeutenden Kleinigkeiten am Wegesrand, die im Alltag kaum auffallen bzw. denen man in den Städten gar nicht begegnet. Eine dieser Kleinigkeiten waren die vielen Angler, die in steter Regelmäßigkeit am Ufer der Elbe saßen und sich den Tag vertrieben. Egal ob bei Regen oder Sonnenschein, saßen in erster Linie Männer in ihren Klappstühlen, mit der Rute vor sich und warteten. Dass mal ein Fisch genau in dem Moment anbiss, indem ich vorbeiwanderte, kam in den ganzen sechs Wochen nicht einmal vor. Es kam mir seltsam vor warum sich ein Mann am frühen Samstagmorgen aus dem Bett quält, sein Equipment zusammenpackt, die Ködermaden aus dem Kühlschrank holt (obwohl seine Frau das höchstwahrscheinlich nicht allzu appetitlich findet) und zum Fluss fährt um dort die meiste Zeit mit Warten und Nichtstun zu verbringen. Zuerst konnte ich darüber nur den Kopf schütteln und mich wundern. Die stetige Wiederholung dieses Bildes von Anglern, mal mit mehr oder weniger aufwändigem Equipment und meist im mittleren Alter, verfestigte sich in meinem Kopf. Obwohl ich mich selber (trotz oder gerade wegen eines zaghaften und kläglich gescheiterten Angelversuches in meiner Kindheit) nie für diesen Sport, wie es manche nennen, begeistern konnte, ließ mir das Thema keine Ruhe. Was treibt einen Menschen zu diesem Hobby, das manche als reine Tierquälerei -29- -28-

betrachten? Warum müssen manche Angler immer den Größten fangen? Und warum bringt man sich um den Schlaf, um nachts in der Kälte auf einem unbequemen Hocker stundenlang am Fluss auszuharren? Mit der Zeit konnte ich unter den Anglern verschiedene Charaktere ausmachen. Da gab es diejenigen, die seelenruhig und dösend, mit auf dem Bauch verschränkten Händen in ihrem Klappstuhl saßen und die Sonne genossen. Andere dagegen standen in ihren wasserdichten Hosen, mit dem Kescher in der Hand, bis zur Hüfte im Wasser ohne der schönen Landschaft um sich herum auch nur einen Augenblick zu schenken. Wieder andere tranken in der Gruppe ihr Bier und die Lautstärke ihrer Unterhaltung musste schon jeden Fisch vertreiben, den sie nicht fangen wollten. Aus diesen Beobachtungen heraus entwickelte sich schon eine vage Geschichte von zwei gegensätzlichen Angelcharakteren, die in meiner Animation aufeinandertreffen sollten. -31- -30-

6 Typologie des Anglers In der Zeit nach der Wanderung, in der sich meine Füße von der Tortur erholten, wurde ich auf ein neu erschienenes Buch mit dem Namen Das Glück am Haken von Christoph Schwennicke aufmerksam. Der renommierte Journalist, der meist über das aktuelle Politikgeschäft in Berlin schreibt, philosophiert in dem Buch über seine Passion, das Angeln. Dabei geht es ihm nicht um die besten Tricks wie man als Angler am erfolgreichsten wird, sondern vielmehr um eine selbstironisch philosophische Betrachtung des Anglers und des Angelns an sich. Dabei zieht er Parallelen zwischen dem Angeln und dem wahren Leben, und warum Angler die besseren Menschen sind. Jeder Angler wartet immer auf den großen Fang, geht aber in den meisten Fällen leer aus - genau wie im richtigen Leben. Aber nur weil wir meistens leer ausgehen, empfinden wir Momente tiefsten Glücks, wenn wir doch mal was erwischen. Angler sind die entspannteren Menschen, da sie sich für mehrere Stunden völlig aus dem hektischen Alltag ausklinken und in die Welt der Fische und anderer Wasserbewohner abtauchen. Schwennicke charakterisiert in seinem Buch eine Reihe von verschiedenen Angelcharakteren, ähnlich wie ich es schon auf meiner Reise beobachtet hatte. Als Insider kann er das natürlich noch viel detaillierter ausführen als ich bei meinen oberflächlichen Beobachtungen vom Wegesrand aus. -33- -32-

6.1 Der Gelegenheitsangler Beginnen wir mit der Urform, dem Archetypus des Anglers, dem Gelegenheitsangler. Er ist ein überaus liebenswerter Geselle. Der Gelegenheitsangler hat sich bei Lidl im Frühjahr mit Angelmaterial eingedeckt, weil es da an den Wühltischen lag und weil der nächstea Urlaub im Sommer endlich dazu genutzt werden soll, es einmal zu versuchen 1. Er hat vom Angeln an sich so gut wie keine Ahnung, macht dieses Unwissen jedoch durch seinen Elan wett. Für jeden noch so banalen Tipp ist er dankbar. Er geht jedoch nicht in erster Linie angeln um große Beute zu machen, sondern um einen gemütlichen Tag am See zu verbringen. Sein Klappstuhl oder Hocker ist immer dabei und er lässt sich die Butterbrote, die ihm seine Frau gemacht hat schmecken. Er entspannt sich, hat Spaß und genießt die Natur. Laut Schwennicke ist er der unverdorbene Angler, in dem die Sehnsucht wohnt, der noch nicht gelangweilt ist von einem Vier-Pfund-Hecht und deshalb auf die Malediven oder nach Mexiko fahren muss. Er ist ein durch und durch leidenschaftlicher Angler 2. 6.2 Der Wettkampffischer Das komplette Gegenteil des Gelegenheitsanglers ist der Wettkampffischer. Ihn interessiert die schöne Landschaft einen Dreck. Fische sind ihm nichts weiter als eine glitzernde Masse, von der er so viel wie möglich in seinen meterlangen Setzkescher stopfen will,[...] 3. Wegen der puren Menge an Fischen, die er fängt, käme er nie auf den Gedanken einen davon zu essen. Stattdessen wirft er sie nach dem Wiegen wieder zurück in den Fluss. Er ist geprägt von äußerstem Ehrgeiz und misst sich regelmäßig in Wettkämpfen mit anderen Anglern. Beim Wettkampf versucht [er] den Platz direkt hinter dem Kühlwassereinlauf des AKW zugeteilt zu bekommen, weil das warme Wasser die großen Fische lockt. Sein ästhetisches Empfinden ist, sagen wir entwicklungsfähig. Zu Hause bei ihm hängen keine Hechtköpfe an der Wand, es stehen Pokale der Wettkämpfe im Schrank 4. Selbstverständlich hat er immer die neueste und teuerste Technik um noch erfolgreicher zu werden. 6.3 Weitere Gattungen Neben den beiden oben genannten Typen gibt es laut Schwennicke noch den industriellen Angler, den Großwildjäger, den Ästhet, den Pragmatiker, den Materialfetischist und den Schwarzfischer. Zwischen allen Arten gibt es natürlich fließende Grenzen und Überschneidungen. So ist der Wettkampffischer oftmals auch Materialfetischist und Großwildjäger, genauso wie der Gelegenheitsangler auch ein Ästhet sein kann, dem das Naturerlebnis beim Angeln wichtiger ist als der Fangerfolg 5. 5 ebd., siehe S. 45 ff. 1 Schwennicke, Christoph: Das Glück am Haken. München: Droemer Verlag, 2010, S.42 2 ebd., S.43 3 ebd., S.43 4 ebd., S.44-35- -34-

7 Charakterentwicklung Aus den vorangegangenen Erkenntnissen habe ich zwei gegensätzliche Charaktere entwickelt. Dazu schienen mir am besten der Gelegenheitsangler und der Wettkampffischer geeignet. Was könnte passieren wenn die beiden aufeinandertreffen? Wie könnten sie aussehen? Welche Kleidung tragen sie, und wie verhalten sie sich? Ist der Gelegenheitsangler sportlich oder doch eher der gemütliche Typ mit Bauchansatz? Welche Fortbewegungsmittel nutzen sie? Was macht Ehrgeiz und Verbissenheit beim Wettkampffischer aus? Diese und ähnliche Fragen habe ich mir im Entwurfsprozess der beiden Charaktere gestellt. Entstanden sind dabei Paulchen und Igor. Paulchen ist im mittleren Alter und eher der gemütliche Typ. Ein gutes Essen wird er kaum verschmähen, was an seinem Bauch nicht zu übersehen ist. Am Wochenende geht er gerne an den See um mit seinem Boot rauszurudern. Von seiner Frau bekommt er immer ein Carepaket mit, das meistens schon leergegessen ist bevor er die Angel ausgeworfen hat. Er ist etwas naiv, aber mit Spaß bei der Sache auch wenn seine Bemühungen meist nicht von Erfolg gekrönt sind. Igor dagegen ist ein drahtiger Typ mit markanten Gesichtsformen. Ihm kann man seinen Ehrgeiz förmlich ansehen. Er fährt, egal bei welchem Wetter, so oft es geht, an den See und hat sich dort auch schon die eine oder andere Nacht um die Ohren geschlagen. Er hat einen ganzen Hänger voll mit Ausrüstung. Ihm ist es eigentlich egal wie die Natur um ihn herum aussieht. Ihn interessieren nur die Fische. Es kommt allerdings nur selten vor, dass ein Fisch in der Bratpfanne landet. Die kleinen Fische wirft Igor alle ins Wasser zurück, ihn interessieren nur die großen Fische. Dafür besorgt er sich die verlockendsten Köder. -37- -36-

-38- Igor Paul -39-

8 Stilistik Vor den Zeiten der Computeranimation war die Stilistik eines Animationsfilmes zu einem großen Teil durch die verwendete Technik vorgegeben. Knetfigurenfilme wie Wallace & Gromit haben den Charme des Handgemachten Fast jede Ecke ist in Wirklichkeit rund, es gibt keine wirklichen Geraden, und ab und zu sieht man noch einen Fingerabdruck auf dem Plastilin. Beim Scherenschnitt oder Legetrick wirkt dagegen alles sehr silhouettenhaft und flach. Räumliche Tiefe darzustellen ist nur bedingt möglich. Zeichentrick wirkt in Bezug auf die Figuren meist sehr stilisiert (zumindest bei Disney), weil der Aufwand der Produktion dazu zwingt, die Figuren auf das Wichtigste zu reduzieren. Die Computeranimation ist in der Hinsicht relativ frei. Mit ihrer Hilfe kann man andere Animationstechniken im Stil nachahmen, aber auch eine neue visuelle Sprache finden. Um für meinen Film eine eigene Stilistik zu finden, habe ich mich von Filmen Pixar s inspirieren lassen. Die Protagonisten in den meisten Animationsfilmen von Pixar haben einen cartoonigen Charakter, ähnlich denen von Disney. Menschliche Figuren werden stilisiert und Tiere vermenschlicht. Die Umgebung dagegen wirkt in den neuesten Produktionen schon fast naturalistisch. Allerdings werden Farb- und Lichtstimmungen zumeist übertrieben, sodass sich schon fast ein hyperrealer Eindruck ergibt. In Filmen wie Oben ist der Himmel blauer als Blau, die Sonnenuntergänge extrem gesättigt und die Landschaften und Urwälder rund um die Paradise Falls sehen perfekter aus als ihre realen Vorbilder. Es ist eine Art Heile-Welt-Romantik -41- -40- Pixar Collection

die Pixar in seinen Bildern zeichnet. Selbst die Wohnungen der Bösen wie in Ich, einfach unverbesserlich haben ihren eigenen Charme. Diesen Stil greife ich in gewisser Weise auf, weil sie zur Geschichte passt. Paulchen der Gelegenheitsangler freut sich an der Natur, er entflieht dem Alltag und genießt. Er ist im Einklang mit der Natur. Deshalb ist das Gras und die Landschaft um ihn herum grüner als Grün, die Vögel zwitschern, Frösche quaken und im Wasser spiegelt sich der klare Sommertagshimmel. Ich greife aber bewusst nicht den Detailreichtum und die annähernd naturalistische Darstellung der Pixarszenerien auf, da der Fokus auf der Handlung der Charaktäre liegen soll. Die ganze Welt um den See wirkt ein wenig künstlich, fast schon wie in einer kleinen Miniaturwelt. Um diesen Effekt zu erreichen benutze ich eine geringe Tiefenschärfe wie es der Betrachter von Nahaufnahmen kleiner Dinge gewohnt ist. Das verniedlicht die gesamte Szenerie. In dieser Welt der beiden Anlger gibt es äußerlich keine Spuren des Verfalls oder von sichtbaren Problemen. Ein Ungleichgewicht liegt allein in der Figur Igors. Sein Ehrgeiz und die Gier nach dem großen Erfolg lassen ihn blind für die Umgebung werden und letztendlich scheitern. Ein weiteres Stilmittel ist der Einsatz einer leicht weitwinkligen Perspektive. Die Ansicht entspricht nicht der eines menschlichen Auges, sondern verzerrt die Figuren und die Szenerie leicht. Dadurch ergibt sich, dass insbesondere Paulchen noch plumper und naiver erscheint. Der Effekt ist jedoch nur dezent angewendet, damit es dem Zuschauer nicht direkt auffällt. -43- Ich Einfach unverbesserlich -42-

9 Drehbuch/Story Rot = Szeneanweisungen AUSSEN-STEG-TAG Igor trifft am Steg ein und baut sein Equipment auf. Close-Up auf eine weibliche Made, die als Köder fungiert. Die Made tanzt in ihrem Glas wie ein Go- Go-Girl. AUSSEN-SEE-RUDERBOOT-TAG PAULCHEN sitzt in seinem Ruderboot mitten auf dem See und schenkt sich einen Tee ein. Nachdem er ihn getrunken hat, nimmt er eine (männliche) Made um sie an den Angelhaken zu hängen. Diese wehrt sich. Es entsteht ein kleiner Kampf aus dem Paulchen letztendlich als Sieger hervorgeht. AUSSEN-IN DER LUFT ÜBER DEM SEE-TAG Beide Angler werfen ihre Köder aus (ohne voneinander zu wissen). Zwischen beiden Maden entwickelt sich eine Liebesgeschichte (Zeitlupe). Beide prallen mit einem lauten Schmatzer zusammen und sind nicht mehr voneinander zu trennen. AUSSEN-STRASSE-TAG Die Kamera fährt auf die andere Seite des Sees zu einer Zufahrtsstraße. IGOR kommt auf seinem Roller dahergefahren. AUSSEN-STRASSE-ROLLER-TAG Die Kamera verfolgt Igors rasendschnelle Fahrt. Igor ist verbissen, voll auf die Straße konzentriert. Er legt sich wie ein Rennfahrer in die Kurve. Alles an Roller und Hänger vibriert. AUSSEN-STEG-BOOT-TAG Igor und Paulchen zerren an ihren Angeln. Paulchen versucht mit seinem Boot hektisch gegenzurudern. Ein Ruck von Igor an der Angel lässt das Boot kentern. Paulchen hängt jedoch noch an der Angel. AUSSEN-STEG-TAG Igors Kampf beginnt. Er zerrt und zerrt an der Angel. Der vermeintliche Fisch lässt sich nicht an Land ziehen. (Im Zeitraffer vergehen Tag und Nacht) -45- -44-

TRAUMSEQUENZ Auf dem Steg sieht Igor eine Angelzeitschrift. Auf dem Cover sieht er sich mit dem größten jemals gefangenen Fisch in den Armen. Der Fisch wächst und wächst. Seine Arme werden immer länger. AUSSEN-HÜGEL-TAG Über den Hügel kommt eine riesige Baumaschine mit einem extrem langen Rüssel gefahren. Darin sitzt Igor. Der Rüssel fährt aus und senkt sich in den See. AUSSEN-STEG-TAG Igor wacht aus seinem Tagtraum auf und stellt erschreckt fest, dass er seine Angel losgelassen hat. Panisch rennt er der in Zeitlupe durch die Luft fliegenden Angel hinterher und fällt ins Wasser. AUSSEN-STEG-TAG Missmutig kommt er mit der Angel aus dem Wasser. Er läuft an der Kamera vorbei. Man hört ein Hämmern und Werkeln. In der nächsten Einstellung sieht man eine seltsame Konstruktion aus Zahnrädern und Flaschenzügen über die das Angelsilk läuft. Das Ende der Schnur ist an der Hinterachse von Igors Mofa befestigt. Igor dreht den Motor auf. Das Mofa fängt an zu ächzen und zu qualmen und explodiert schließlich. Wutentbrannt schleudert Igor das Mofa durch die Gegend. INNEN-BAGGER-TAG Igor drückt einen roten Knopf. Der Pumpvorgang beginnt. AUSSEN-SEE-TAG Aus einer Querschnittansicht durch den See sieht man wie das Wasser ausgepumpt wird. Plötzlich sieht man einen dicken Knubbel im Pumpschlauch. Der Knubbel wandert widerspenstig durch den Schlauch. Am Ende spuckt er Paulchen aus. Aus seinem Kragen krabbeln die Maden, die mittlerweile Nachwuchs bekommen haben. Igor ist verdattert. Wütend donnert er seinen Kopf gegen den Bagger. AUSSEN-STEG-TAG Igor sitzt verzweifelt überlegend auf dem Boden. Plötzlich hat er eine Idee. Er läuft aus dem Bild. -47- -46-

10 Vertices, Edges, Splines, Polygone und wie daraus Paulchen und Igor werden 9.1 Eine kleine Lehrstunde in 3D-Modelling Die gezeichneten Figuren müssen im Modellierprozess in eine dreidimensionale, digitale Form übertragen werden. Dabei dient die Zeichnung als grober Anhaltspunkt für das spätere Aussehen des digitalen Abbildes. Die Arbeit eines Modellers gleicht in etwa der Arbeit eines Bildhauers. Stück für Stück arbeitet er die Figur aus einer Grundform heraus. Die virtuelle Modelliermasse kann dabei sowohl abgebaut, als auch aufgebaut werden. Grundlage eines jeden dreidimensionalen, digitalen Modells ist das sogenannte Mesh. Es ähnelt einem Drahtgittermodell und ist aus einer Vielzahl von Dreiecken oder Vielecken aufgebaut. Diese Vielecke werden auch Polygone genannt und beschreiben eine Fläche im Raum, die durch ihre Eckpunkte (Vertices) begrenzt wird. Grundsätzlich gibt es zwei Herangehensweisen beim Modellieren eines Objektes. Das Boxmodelling geht von einem Grundkörper wie Quader, Zylinder, Prisma, Kugel etc. aus und modifiziert diesen durch Hinzufügen von Polygonen so lange bis die gewünschte Form erreicht ist. Diese Herangehensweise ist vor allem dann sinnvoll, wenn das zu modellierende Objekt ähnlich dem eines Grundobjektes ist. Bei komplizierteren Formen kommt man um die Poly by Poly-Methode nicht herum. Dabei wird jedes Polygon einzeln aufgebaut und mit dem benachbarten Polygon verbunden. Diese Methode ist aufwändiger, lässt -49-

aber individuellere Formen zu. Um Figuren zu modellieren, die später animiert werden sollen, ist es desweiteren wichtig in Loops zu denken. Körperpartien, die später deformiert werden, müssen in Ringen modelliert werden, da sich bei der Animation sonst ungewünschte Verformungen ergeben. Die Kunst dabei ist es, trotzdem keine Polygone zu produzieren, die mehr als vier Ecken haben, da sonst das Smoothing (die glatte Darstellung von runden Oberflächen) nicht korrekt dargestellt wird und auffällige Knicke und Deformationen in der Oberfläche entstehen. Da mehr Polygone auch eine höhere Renderzeit bedeuten und die Animation beeinträchtigen können, gilt es immer so viele Polygone wie nötig, aber so wenig wie möglich zu modellieren. Um die Figuren optimal für das spätere Rigging (Skelettierung für die animation) vorzubereiten, ist es weiterhin wichtig, sie in einer neutralen Pose zu modellieren. Meistens stehen die Figuren in einer aufrechten Haltung mit leicht gespreizten Beinen und ausgestreckten Armen. 9.1 Ästhetik der Modelle Neben diesen technischen Herausforderungen habe ich mir tiefergehende Gedanken über das Aussehen der Figuren und der Szenerie gemacht. Aus dem analogen Entwurfsprozess durch Scribbles hatte ich schon eine grobe Vorstellung, die es galt weiterzuentwickeln. Durch welche äußerlichen Merkmale wird die Persönlichkeit der Protagonisten unterstützt? Da es nicht mein Ziel war eine möglichst realistische Darstellung zu erreichen, habe ich Körpermerkmale bewusst übertrieben oder vergrößert. Paulchen hat deshalb einen großen Bauch, der den plumpen, gemütlichen Charakter unterstützt. Der gesamte Rumpf wirkt zum Rest der Körpers sehr massiv und träge. Insgesamt besteht Paulchen hauptsächlich aus rundlichen Formen. Den Kopf habe ich bewusst sehr groß im Verhältnis zum Körper modelliert um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen, da die Animation des Gesichtes einen großen Einfluss auf die Lebendigkeit des Charakters hat. Das Gleiche gilt für die Hände. Bekleidet ist Paulchen mit einer typischen, einfachen dunklen Anglerhose. Da Paulchen in mittlerem Alter ist trägt er ein kariertes, schlichtes Hemd. Die Kombination von Rot und Gelb lässt ihn freundlicher erscheinen und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Oberkörper und das Gesicht. Desweiteren bildet das Hemd einen hohen Kontrast zur dunklen Hose, sodass der für die Wahrnehmung unwichtige Unterleib von Paul zurücktritt. Dies ist wichtig, da Paulchen meist sitzend zu sehen ist und deshalb nichts vom Oberkörper und Gesicht ablenken soll. Das Gesicht Paulchens hat einen leicht rosigen Ton, wie er bei korpulenteren Personen öfters zu sehen ist. Auch dieses Detail unterstützt den naiv, freundlichen Charakter. Besondere Aufmerksamkeit habe ich auf die Augen gelegt. Sie haben innerhalb des Gesichtes einen großen Anteil auf die Lebendigkeit. In vielen Renderings sieht man Augen, auf die nur eine Iris per Textur zugewiesen wurde. Das wirkt meist nicht sehr lebendig. Deshalb habe ich mir die Mühe gemacht, Iris und Pupille auszumodellieren, sodass durch die Lichtbrechung immer ein gewisser Glanz in der Pupille entsteht und sich die Umgebung darin spiegelt. Auch wenn dieses Detail dem Betrachter nie auffallen würde, trägt es unterbewusst zur Glaubhaftigkeit des Charakters bei. Als Accessoire trägt Paulchen eine Anglermütze. Diese Entscheidung ist hauptsächlich aus einem praktischen Grund gefallen. Haare sind im 3D-Bereich zwar mittlerweile möglich zu erzeugen, erfordern aber einen hohen Rechenaufwand, der nicht gerechtfertigt wäre. -51- -50-

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Igor ist vom Charakter das genaue Gegenteil von Paulchen. Das spiegelt sich auch in seinem Aussehen wieder. Seinen Ehrgeiz habe ich versucht durch die kantigen Formen seines Gesichtes zu verdeutlichen. Sein vorstehendes Kinn, die ausgeprägte Nase und immer leicht angespannten Augenbrauen verdeutlichen seine Entschlossen- und Verbissenheit. Seine Figur ist schlank und drahtig, da er ein sehr beweglicher Typ ist, der nur schwer ruhig bleiben kann. Er ist in seiner ganzen Erscheinung dunkel und in Brauntönen gehalten, um einen Kontrast zu Paulchen zu bilden. Als Detail ist noch der unrasierte Bart zu nennen, der ihm ein etwas ungepflegtes Äußeres gibt, da er kein Typ von Äußerlichkeiten ist. Ihn interressiert der reine Erfolg. Für seine Augen und die Mütze gelten die gleichen Beweggründe wie bei Paulchen. Das Gleiche gilt für die Proportionierung des Kopfes und der Hände zum Rest des Körpers. -55- -54-

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10.3 Nebendarsteller Nebendarsteller in der Geschichte sind zwei Maden, die sich ineinander verlieben. Die männliche Made ist sehr speckig und bekommt durch die verdrehten Augen einen etwas beschränkten Charakter. Sein weibliches Pendant ist ebenfalls sehr speckig, dazu mit ausgeprägt weiblichen Formen ausgestattet. Sie hat zusätzlich ein kurzes, enges Kleid an, das zu ihrer Rolle als Gogotänzerin passt. Insgesamt habe ich darauf geachtet, die Szenerie nicht mit zu vielen dekorierenden Objekten wie Bäumen, Büschen und Blumenfeldern zu überladen, da diese von der eigentlichen Handlung ablenken würden. Dadurch entsteht ein recht steriles, aber dennoch freundliches Bild der Umgebung. Neben der Szenerie gibt es verschiedene Gegenstände, mit denen die Protagonisten interagieren, wie Paulchens Boot, Igors Roller und Anhänger, Angelruten und weiteres Zubehör. 10.3 Szenerie & Props Als Szenerie für die Geschichte habe ich einen See in einer hügeligen Landschaft gewählt. Das Gras hat ein fast schon übertrieben frisches Grün, die Blumen blühen und es ist ein heller freundlicher, sonniger, perfekter Tag zum Angeln. Durch die Szene schlängelt sich eine Straße, die zum See führt. Der Steg, der Igors Stammplatz ist, ist schon etwas älter. Die Holzplanken hängen durch und sind abgenutzt. -59- -58-

Seepanorama -61- -60-

12 Lighting Da die Geschichte an einem sonnigen Tag spielt, ist das Lichtsetup relativ einfach gehalten. Ich habe dazu ein Tageslichtsystem gewählt, das wie der Name schon verrät, realistisches Tageslicht simuliert. Die Farbe des Lichtes habe ich ein wenig angepasst, um die Szenerie in einem etwas wärmeren Licht erscheinen zu lassen. Der Effekt ist aber nur sehr dezent angewendet worden. Der Himmel wurde ebenfalls leicht angepasst um ein gesättigteres Blau zu erreichen. Da die beiden Charaktäre auf den beiden entgegengesetzten Seiten des Sees spielen, wurde die Sonne seitlich zu Ihnen platziert, damit sich nicht eine Person ständig im Schatten befindet. Durch die seitliche Beleuchtung wirken die Personen außerdem plastischer. Da die sonnenabgewande Seite der Gesichter jedoch leicht zu dunkel wirkt, gibt es mehrere Aufhelllichter in der Szene, die den zu starken Schatten kompensieren. Desweitern gibt es für die Augen der beiden Protagonisten jeweils Highlights, die eine Reflexion nur in den Augen erzeugen. -63-

13 Animation 12.1 Wie stellt man Persönlichkeit dar? Die Animation entscheidet darüber wie eine Figur auf den Zuschauer wirkt. Der Animator muss sich vorher Gedanken darüber machen wie er die Eigenschaften des Charakters visualisiert. Er muss gewissermaßen selber in die Rolle der Figur schlüpfen. Wie würde Paulchen laufen? Wie ist seine Körpersprache im Allgemeinen? Da Paul der gemütliche Angler ist, sind seine Bewegungen relativ behäbig. Der dicke Bauch beeinträchtigt ihn in seiner Bewegung, sodass er am liebsten alles im Sitzen macht. Gleichtzeitig ist er aber mit vollem Herzen beim Angeln, weshalb die Gestik seiner Hände durchaus lebendig sein darf. Auch die Mimik seines Gesichtes spiegelt seine Freude am Angeln wieder. Igor dagegen, als leichter Hektiker, bewegt sich schneller und ist nicht so weich in seinen Bewegungen. Sein Schritt ist sehr männlich, ähnlich dem eines Westernhelden, breitbeinig und mit leicht nach vorne gebeugtem Köper. Seine Waffe ist jedoch nicht der Colt, sondern die Angelrute. Er wirkt immer leicht grimmig, selbst in entspanntem Zustand. Wenn er die Angel auswirft geschieht dies ruckartig. Seine physische Kraft ist nur mittelmäßig, was er aber durch vollen Körpereinsatz wettmacht. Die Made hat zwei Wesenszüge. Zum einen ist sie dick und behäbig. Sie hängt träge an Paulchens Fingern. Wenn es jedoch um ihr Leben geht kann sie außerordentlich flink und sogar aggressiv werden. Die weibliche Made dagegen bewegt sich verführerisch tanzend in ihrem Glas. Welcher Madenmann könnte da widerstehen? -65-

12.2 The basic principles of Animation Um die Animation von Charakteren glaubhaft wirken zu lassen gibt es zwölf grundlegende Prinzipien der Animation. Entwickelt wurden sie in den Disney Studios. Ollie Johnston und Frank Thomas, zwei Animatoren und Pioniere bei Disney veröffentlichten 1981 ihre Erkenntnisse in dem Buch The Illusion of Life. Von den insgesamt 12 Prinzipien möchte ich die Wichtigsten vorstellen, die ich auf die Animation der Angler anwenden konnte. 12.2.1 Timing Die zeitliche Einschätzung eines Bewegunsablaufes ist die Grundlage jeder Animation. Wenn das Timing nicht stimmt, wird die Animation nicht stimmig wirken, egal wie gut die anderen Arbeitsschritte aus- geführt wurden. Allein durch das Timing kann man die Persönlichkeit und den Gemütszustand einer Figur schon recht gut darstellen. Die unterschiedliche, variierende Geschwindigkeit der Bewegungen zeigt ob der Charakter aufgeregt, entspannt oder hektisch ist. Paulchens Bewegungen in der Einführungsszene sind zum Beispiel relativ langsam und weich. Längere Moving Holds (Das Verharren in einer bestimmten Position) wie beim Trinken des Tees sorgen dafür, dass Paulchen sehr entspannt wirkt. Als dagegen die Made auf seinem Kopf herumspringt werden die Bewegungen seiner Arme schnell und hektisch. 1 1 siehe Thomas, Frank und Johnston, Ollie, The Illusion of Life, Disney, 1981, S. 64 ff. siehe auch Williams Richard, The Animator s Survival Kit, New York: Faber and Faber, 2001, S.297 ff. -67- -66-

12.2.3 Arcs 12.2.2 Anticipation So gut wie jeder Bewegungsablauf einer Figur braucht eine Gegenbewegung, welche die eigentliche Handlung ankündigt, bevor sie überhaupt ausgeführt wird. Der Zuschauer erwartet diese vorbereitende Bewegung und ist irritiert wenn sie nicht angedeutet wird. Ein Baseballspieler oder Golfer deutet den Schlag mit dem vorhergehenden Ausholen des Schlägers an. Ein Boxer holt vor dem KO-Schlag aus um ihm mehr Wucht zu geben. Selbst beim Aufstehen von einem Stuhl führt der Mensch eine leichte Gegenbewegung nach hinten aus um Schwung zu holen. Die Antizipation lässt Bewegungen natürlicher und lebendiger erscheinen. Ohne sie würden Figuren roboterhaft wirken. Bei Paulchen und Igor ist das deutlichste Beispiel, das Auswerfen ihrer Angelruten. Aber selbst unscheinbare Bewegungen, wie das Bücken, den Kopf drehen oder die Hand heben, wirken durch ein wenig Anticipation wesentlich glaubhafter. 1 1 siehe Thomas, Frank und Johnston, Ollie, The Illusion of Life, Disney, 1981, S. 51 ff. siehe auch Williams Richard, The Animator s Survival Kit, New York: Faber and Faber, 2001, S.273 ff. Fast alle Bewegungen von Menschen und Tieren orientieren sich entlang von Bögen. Wenn wir vorwärts gehen, bewegt sich die Hüfte, von der Seite gesehen, entlang einer imaginären Wellenlinie. Wenn wir mit der Hand auf etwas deuten, bewegt sie sich entlang eines Kreisbogens. Dies ist durch unseren Körperbau bedingt. Sämtliche Bewegungen des Menschen sind Rotationen einzelner Gliedmaßen um ihre Gelenke. Diese Erkenntnis führte bei den ersten Animationsstudios dazu, dass Bewegungen viel natürlicher erschienen, während vorhergehende Animationen meist sehr mechanisch wirkten. Das Bewusstsein um die bogenförmigen Bewegungen ist gerade für die Computeranimation extrem wichtig und hat mir geholfen Paulchen und Igor viel glaubwürdiger zu animieren. Der Computer neigt dazu alle Zwischenbilder linear zu berechnen und nicht in Bögen zu denken, was die Figuren sehr roboterhaft erschei- nen lässt. Als Animator muss ich deshalb darauf achten die Extrempunkte so zu setzen, das der gesamte Bewegungsablauf entlang von Bögen verläuft. 1 1 siehe Thomas, Frank und Johnston, Ollie, The Illusion of Life, Disney, 1981, S. 62 f. siehe auch Williams Richard, The Animator s Survival Kit, New York: Faber and Faber, 2001, S.90 ff. -69- -68-

12.2.4 Straight Ahead & Pose To Pose Es gibt zwei unterschiedliche Herangehensweisen an eine Animation. Bei der Straight-Ahead-Animation hat der Animator eine ungefähre Vorstellung wie die Animation aussehen soll. Er arbeitet sich vom Anfang beginnend durch die verschiedenen Bewegungen. Diese Methode ist sehr spontan und bringt öfters überraschende Animationen hervor, die der Animator vorher selbst nicht vorhergesehen hatte. Sie ist in diesem Sinne kreativer. Der große Nachteil ist jedoch die Unflexibilität dieser Methode. Ein Ergebnis wird erst sichtbar wenn die gesamte Animation inklusiv aller Inbetweens fertig animiert wurde. Wenn die Animation dann nur an wenigen Stellen geändert werden soll muss der Animator wieder bei Null anfangen. Die zweite Methode ist die Pose-to-Pose- Animation. Hier werden zunächst nur die Keyframes einer gesamten Szene festgelegt. Der Charakter wird in die unterschiedlichen Posen gebracht, die für das Verständnis der Szene wichtig sind. Man kann bereits an dieser Stelle den ungefähren Ablauf der Animation erkennen und gegebenenfalls korrigierend eingreifen. Erst dann werden zunächst die Extremes (Extrempunkte zwischen zwei Posen) festgelegt und danach die Inbetweens (Zwischenbilder). Diese Vorgehensweise ist deshalb flexibler, was Korrekturen angeht, und übersichtlicher. Nachteil ist die verlorene Spontaneität und Dynamik der Straight-Ahead-Methode. Pose-to-Pose kann etwas steifer wirken 1. Im Idealfall kombiniert man beide Methoden um die Vorteile beider Methoden nutzen zu können. Diese vier Methoden haben mir am meisten geholfen, die Figuren meiner Geschichte lebendig werden zu lassen. Auch wenn sie mir anfangs sehr theoretisch erschienen, helfen sie in der Praxis enorm um die Qualität der Animation zu verbessern und die visuelle Sprache der Figuren zu verdeutlichen. Daneben gibt es noch einige weitere Methoden der Illusion of life. Allen gemeinsam ist die genaue Beobachtung der Bewegungsabläufe von Lebewesen und Transformation auf die gezeichnete, bzw. modellierte Figur. Dabei sollte die Mimik und Gestik übertrieben werden, damit die Absicht der Animation im Film verstehbar wird. 1 siehe Thomas, Frank und Johnston, Ollie, The Illusion of Life, Disney, 1981, S. 56 ff. Pose to Pose -71- -70-

14 Rendering Das Rendering ist ein sehr technischer Prozess, den ich nur kurz erläutern möchte. Der Computer errechnet aus den vorhanden Informationen über Licht, Geometrie, Materialien und Animationen das finale Bild. Dieser Prozess ist sehr rechen- und zeitintensiv, sodass man immer einen Kompromiss zwischen Renderqualität, vorhandener Rechenleistung und Zeitbudget finden muss. Um den Rechenaufwand zu verdeutlichen ein kurzes Rechen- beispiel. Mein Arbeitsrechner rendert für ein Bild durchschnittlich 15 Minuten. Bei einer Filmlänge von ca. 5 Minuten und damit 7500 Bildern (25 Frames pro Sekunde) ergibt sich eine Renderzeit von 112500 Minuten oder 1875 Stunden oder 78 Tagen ununterbrochener Renderzeit. Darin nicht eingerechnet sind die vielen Testrenderings. Als Renderengine habe ich den in 3D Studio Max ingegrierten Mental Ray Renderer genutzt. -73- -72-