5.2.3 Halten ohne Angst... 150 5.2.4 Das Nonverbale... 151 5.3 Gruppentherapie... 152 5.4 Positionierung zur Psychiatrie... 153 5.4.



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Transkript:

Inhalt Inhalt 1. Einleitung...10 1.1 Wahl des Themas...10 1.2 Zur Frage der störungsspezifischen klientenzentrierten Therapie....13 1.3 Begriffe...15 1.4 Thema und Aufbau der Buches...15 2. Begriffe, Phänomene und Störungsbilder...18 2.1 Begriffsklärung...18 2.1.1 Etymologie und Sprachgebrauch...18 2.1.2 Paranoia als Störung....18 2.1.3 Alltägliche Paranoia...20 2.1.4 Gesunde Paranoia...21 2.2 Einzelne Störungsbilder nach ICD-10 anhand eigener Fallbeispiele....22 2.2.1 Paranoid wahnhafte Störung F22.0...22 2.2.2 Paranoide Schizophrenie F20.0...27 2.2.3 Paranoide Persönlichkeitsstörung F60.0...29 2.2.4 Demenz F00-F03...31 2.2.5 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie...31 2.3 Typische Inhalte des paranoiden Erlebens...33 3. Modelle und Konzepte...37 3.1 Historische Perspektive...37 3.1.1 Daniel Schreber und Sigmund Freud...37 3.1.2 Melanie Klein die böse Brust...41 3.1.3 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie...43 3.2 Psychiatrische Perspektive...44 3.2.1 Deskriptiv-beobachtender Ansatz...44 3.2.2 Phänomenologisch-einfühlender Ansatz...46 3.2.3 Die Frage der Organizität und die Schichtenregel...47 3.2.4 Aktuelle Diagnosekriterien...50 3.2.5 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie...55 5

Inhalt 3.3 Entwicklungspsychologische Perspektive...56 3.3.1 Menschsein als Aktivität der Bedeutungsbildung...57 3.3.2 Entwicklung als Prozess der Dezentrierung....58 3.3.3 Entwicklungsstufen vom Kleinkind zum Erwachsenen nach Kegan...60 3.3.4 Abwehr...63 3.3.5 Zuordnung des paranoiden Erlebens....64 3.3.6 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie...68 3.4 Konstruktivistisch-chaostheoretische Perspektive...71 3.4.1 Affektlogik...72 3.4.2 Chaostheorie....76 3.4.3 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie...79 3.5 Evolutionsbiologische Perspektive...80 3.5.1 Das schwierige Erbe der Humanbiologie...82 3.5.2 Ein Integrationsversuch....84 3.5.3 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie...87 3.6 Interkulturelle Perspektive...88 3.6.1 Achsenmodell zur Einordnung von Gesellschaften...89 3.6.2 Prämoderne und moderne Gesellschaften...92 3.6.3 Kulturspezifische Pathogenesemodelle psychotischer Symptome....93 3.6.4 Einfluss auf den Krankheitsverlauf...96 3.6.5 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie...97 3.7 Klientenzentrierte Perspektive...99 3.7.1 Inkongruenz, Intensionalität... 100 3.7.2 Symbiose zugleich groß und klein sein... 102 3.7.3 Dezentrierung und Rezentrierung... 107 3.7.4 Autonomie und Abhängigkeit... 108 3.7.5 Communication deviance, expressed emotions... 109 3.7.6 Macht und Ohnmacht................................. 110 3.7.7 Verwirrung.... 111 3.7.8 Verstummen und Unverständlichkeit als verwirklichte Flucht... 112 6

Inhalt 3.7.9 Schizophrenes und wahnhaftes Zeiterleben.... 112 3.7.10 Störungen als Ausprägungsformen von Stagnation... 113 3.7.11 Gottesbild... 114 3.7.12 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie... 115 4. Allgemeines zur Psychotherapie der Paranoia... 117 4.1 Wirksamkeit von klientenzentrierter Psychotherapie.... 117 4.1.1 Die Wisconsin-Studie.... 117 4.1.2 Übersicht über neuere Arbeiten.... 121 4.1.3 Stationäre Gruppentherapie... 122 4.1.4 Ambulante Psychotherapie... 123 4.1.5 Die Parameter Symptomschwankung und Rehospitalisierung.... 124 4.1.6 Angehörigenarbeit... 126 4.1.7 Wirksamkeitsvergleich.... 127 4.1.8 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie... 129 4.2 Indikation und Kontraindikation der psychotherapeutischen Behandlung... 130 4.2.1 Wahnhafte Störung und Schizophrenie... 131 4.2.2 Paranoide Persönlichkeitsstörung.... 133 4.3 Setting... 134 4.4 Therapieziele.... 136 5. Zur Praxis einer klientenzentrierte Psychotherapie der Paranoia.... 138 5.1 Notwendige und hinreichende Bedingungen... 138 5.1.1 Kontakt... 138 5.1.2 Inkongruenz des Klienten / der Klientin... 140 5.1.3 Kongruenz der Therapeutin / des Therapeuten... 141 5.1.4 Bedingungslose positive Beachtung... 143 5.1.5 Empathie... 145 5.1.6 Wahrnehmung von Beachtung und Empathie.... 147 5.2 Störungsspezifischen Interventionen... 147 5.2.1 Grenzen setzen, Halt geben, aktiv sein... 149 5.2.2 Mut zur Improvisation... 150 7

5.2.3 Halten ohne Angst... 150 5.2.4 Das Nonverbale... 151 5.3 Gruppentherapie.... 152 5.4 Positionierung zur Psychiatrie.... 153 5.4.1 Annäherung, Konfrontation, respektvolles Nebeneinander... 153 5.4.2 Der Begriff Krankheitseinsicht... 156 5.4.3 Verlauf und Prognose.... 158 5.4.4 Pharmakologische Therapie... 159 5.4.5 Arbeit in der Institution.... 161 5.4.6 Annäherung von Seiten der Psychiatrie... 162 5.4.7 Zusammenfassung, Implikationen für die Therapie... 163 6. Zusammenfassung der Ergebnisse, Beantwortung der Forschungsfrage.... 165 7. Praktische Schlüsse für die psychotherapeutische und psychiatrische Arbeit.... 167 8. Literaturverzeichnis... 169 8

Vorwort Vorwort Dieses Buch basiert auf meiner Masterthese zum Abschluss des Studiums der Psychotherapiewissenschaften an der Donau-Universität Krems in Niederösterreich. Ermutigt durch positive Rückmeldungen und auch selbst auf der Suche nach einem größeren Publikum für meine Überlegungen, habe ich die Masterthese dem GwG-Verlag zur Veröffentlichung angeboten und zu diesem Zweck noch einmal ergänzt und überarbeitet. Ich habe zwei berufliche Identitäten. Einerseits bin ich niedergelassener klientenzentrierter Psychotherapeut, andererseits Psychiater an einer sozialpsychiatrischen Akutstation mit Versorgungsauftrag in einem gemeindenahen Krankenhaus. Beide Identitäten sind mir gleichermaßen wert und wichtig, sie arbeiten mit- und gegeneinander, sie sind einander wechselnd in Gleichklang, Austausch und Widerstreit verbunden. Wahn und Psychose sind wohl, soweit ich das selbst schon ahne, mein berufliches Lebensthema; ich hoffe, dass dieses Buch für Kolleginnen und Kollegen aller Berufsgruppen, aber auch für Betroffene und Angehörige hilfreich sein kann, um Anregungen für ein Verständnis dieser grundlegenden menschlichen Phänomene zu bekommen. Für mich erfüllt sich auch ein Traum, der in meinem Leben eine lange Geschichte hat ein eigenes Buch veröffentlicht zu sehen. Ich bin dankbar für alle Begegnungen, die mir diesen Weg gezeigt und ermöglicht haben. 9

1. Einleitung 1.1 Wahl des Themas Schon lange vor meiner beruflichen Beschäftigung mit verrückten Menschen ahnte ich auf eine auch aus heutiger Sicht undefinierbare Weise, im Sinne eines felt sense (Gendlin, 1999, S. 58 f.), dass es möglich sein müsste, die Verrückten zu verstehen auf eine gleiche oder zumindest ähnliche Art, wie ich die Normalen verstehen konnte. Es erschien mir ebenso unwahrscheinlich, einen anderen normalen Menschen voll und ganz zu verstehen, wie es mir unwahrscheinlich erschien, einen verrückten Menschen ganz und gar nicht zu verstehen. Die Kontakte, die ich mit in unserem Sinne psychiatrisch Kranken hatte, bestätigten mich in meiner Ahnung. Die Kommunikation war oft nicht einfach, aber welche Kommunikation ist schon per se einfach, wenn mehr ausgetauscht werden soll als standardisierte Wendungen mit leicht erkennbarer Funktion? Ich bemerkte auch, dass ich diese Kontakte genoss, als lebendig und interessant erlebte. Die Verrückten, wie ich sie erlebte, waren tatsächlich nicht grundlegend anders als alle anderen Menschen. Mit dieser Haltung begann ich auch meine Arbeit in der Psychiatrie, und meine Erwartung hat sich dort in den kurzen ebenso wie in den längeren und intensiven Kontakten und Beziehungen erfüllt. Es bewährt sich, das Allgemeine, Verbindende, Überbrückende, Menschliche anzunehmen und vorauszusetzen. Zugleich ist es wichtig, die Besonderheit und spezifische Qualität des Erlebens tiefgreifend ge- oder verstörter Menschen zu erfassen und zu benennen, es nicht zurechtzubiegen in eine scheinbare Normalität. Manchmal macht es traurig und verzagt, zu erkennen, wie sehr psych(iatr)ische Erkrankungen Lebensqualität, Autonomie und Entwicklungschancen der Betroffenen einschränken. Manchmal macht es Angst, dem Wahnsinn direkt ins Auge zu blicken. Dies alles gehört mit dazu. Dieses Buch ist der Versuch, folgende auch ganz persönliche Anliegen zu verwirklichen: 10

Explizieren eines Verstehens- und Therapiemodells Ich möchte meinen schon so lange vorhandenen und immer neu erlebten und genährten felt sense von Beziehungs- und Kommunikationsmöglichkeiten von und mit schwer gestörten Menschen explizieren, ihn mir selbst und anderen auf einer bewusst-diskursiven Ebene zugänglich machen. So könnte, wenn es denn gelingt, (m)ein Modell dargestellt werden für das paranoide Erleben und Verhalten, das auch klare Implikationen für die therapeutische Beziehungsgestaltung hätte. Eintreten gegen die Ausgrenzung der Verrückten Ebenso lange wie das diffuse Gefühl einer Verstehensmöglichkeit trage ich die Empörung in mir über die Ausgrenzung der Menschen, deren Erleben so deutlich abweicht von dem, was (schwierig genug) als normal bezeichnet wird. Wenn das paranoide Erleben und paranoide Störungen sich in dem selben großen Kontinuum des psychischen Erlebens einordnen, in dem wir alle uns mit unseren jeweiligen Ressourcen und Gestörtheiten Zeit unseres Lebens bewegten, wäre das ein wichtiges inhaltliches Argument dafür, die Verrückten normal zu behandeln sowohl im Alltag als auch in der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung. Es macht dabei aus meiner Sicht einen wesentlichen Unterschied, ob diese Forderung wissenschaftlich oder moralisch begründet wird. Die moralische Argumentation führt oft dazu, eine mildtätige und hierarchische Haltung zu fördern, die die grundlegende Ausgrenzung der Patienten und Patientinnen und die Macht der behandelnden Personen eher festigt, als sie in Frage zu stellen, im Sinne von: Diese armen, bedürftigen Menschen, seid doch lieb zu ihnen! Darin liegt eine große Verführung: Macht und Gutherzigkeit für sich zu reklamieren. Die Behandler bringen dann aufgrund ihrer Kompetenz und ihres Amtes die psychiatrischen Patienten im Stil des aufgeklärten Absolutismus auf den rechten Weg, ohne persönlich anzustreifen. Die Mauern der Anstalt werden in freundlichen Farben gestrichen, die Tore bleiben zu. Auch ein leidenschaftliches Überengagement geht in diese Richtung und dient im Sinne der genannten Verführung vor allem der Großartigkeit des Helfers und der Helferin. Solche Haltungen der Dominanz und Befriedigung eigener Defizite ähneln darüber hinaus den Beziehungsmustern 11

in schizopräsenten Familien (siehe 3.7.2, 3.7.6) und dürften daher kaum heilsam sein. Normal behandeln im klientenzentrierten Sinn bedeutet hingegen den ernsthaften und beherzten Versuch, die beschriebenen und gründlich erforschten therapeutischen Variablen auf eine der Störung angemessene Art zu verwirklichen (siehe 5.1.) und dabei zugleich die Klientin und den Klienten in ihrer einzigartigen Menschlichkeit wahrzunehmen und zu respektieren. Das mag selbstverständlich klingen, wird aber in der von mir untersuchten Literatur und miterlebten klinischen Praxis immer wieder explizit und implizit in Frage gestellt. Ein gutes Beispiel dafür ist die als Therapievoraussetzung genannte Krankheitseinsicht (siehe 5.4.2). Die direkte, persönliche Begegnung, die stets beide Partner verändert, gehört in diese humanistische Normalität, die ich einfordern will. Wenn aber das verrückt Sein etwas Schreckliches, von mir unbedingt getrennt zu Haltendes und überspringend Gefährliches wäre, dürfte ich freilich nicht riskieren, in einer solchen Begegnung verändert zu werden. Das Vorurteil, dass die Behandler und Behandlerinnen der Irren selbst mit der Zeit irre werden, würde sich dann bestätigen. Ermutigung zur therapeutischen Arbeit Als Schlussfolgerung aus dem oben Gesagten möchte ich alle Kolleginnen und Kollegen zur Arbeit mit normal paranoiden, neurotisch paranoiden, insbesondere aber paranoid persönlichkeitsgestörten, wahnhaften und schizophrenen Klienten und Klientinnen ermutigen. Die von mir untersuchte Literatur betont immer wieder die Schwierigkeiten und mageren Ergebnisse dieser Arbeit. Es entsteht manchmal der Eindruck, dass es geradezu eines heroischen Mutes bedarf, sich darauf einzulassen. Diese Auffassung teile ich nicht, meine bisherige Erfahrung widerspricht ihr ganz klar. Es gibt wahrscheinlich Therapeuten und Therapeutinnen, denen diese Arbeit mehr Freude machen und leichter fallen würde als die Beschäftigung mit leichter gestörten Klienten und Klientinnen, wie auch Robert Hutterer berichtet (Hutterer, 1994). Der innere Zugang und die Empathiefähigkeit für verschiedene Erlebensformen sind sicherlich sehr persönliche und differenzierte Merkmale von Therapeutenpersonen. Es wäre für beide Seiten schade, wenn Be- 12

gabungen auf diesem Gebiet aus einem allgemeinen Pessimismus heraus nicht genutzt würden. 1.2 Zur Frage der störungsspezifischen klientenzentrierten Therapie Rogers formulierte und erforschte die sechs notwendigen und hinreichenden Bedingungen für Psychotherapie (Rogers, 1959/1987; siehe 5.1). Die Verwirklichung dieser allgemeinen Bedingungen in der Beziehung zu unseren Klienten und Klientinnen ist die Essenz der personzentrierten therapeutischen Arbeit; die Bedingungen haben für alle Therapieprozesse mit allen Klienten und Klientinnen (und damit allen Formen von Störung und Krankheit) Gültigkeit. Auf dieser hoch abstrakten Ebene also gibt es keine Störungsspezifität. Die Frage, wie, durch welches konkrete therapeutische Sein und Handeln, die Bedingungen zu verwirklichen seien, stellte sich in der personzentrierten Therapie von Anfang an. Andere Richtungen sprechen hier von Technik das klingt nach einem deterministisch-mechanistischen Modell, nach dem Versuch, etwas zu manipulieren, zu reparieren, und passt nicht zum humanistischen Menschenbild. Zugleich braucht es doch etwas Handhabbares, ein Werkzeug, muss die Therapiemethode, wie andere auch, lehrund lernbar sein. Eine Möglichkeit, mit dieser Spannung umzugehen, besteht darin, das therapeutische Werkzeug als die Fähigkeit zu definieren, mit jedem Klienten und jeder Klientin Therapie neu zu entdecken, neu zu erfinden, mit Gespür für den Prozess und einer völligen inhaltlichen Offenheit an der Verwirklichung der Bedingungen zu arbeiten. Die Technik bestünde darin, das jeweilige Verwirklichtsein und Nichtverwirklichtsein der Grundbedingungen möglichst wahrzunehmen und durch Einfühlung, Selbstreflexion und eine wohlwollende Atmosphäre das Auftreten therapeutischer Phänomene zu fördern. Dem gegenüber steht die (meiner Meinung nach tröstliche) Erfahrung, dass das menschliche Erleben auch Gemeinsamkeiten hat. 13

Jeder Mensch erlebt (um die Affekte als Beispiel zu nehmen) Freude, Interesse, Angst, Wut, Ekel, Stolz, Scham, Trauer etc. irgendwie anders, aber auch nicht vollkommen anders. Die Empathie (auch die therapeutische Empathie) kommt nicht ganz ohne diese Ähnlichkeit aus. Wenn wir den anderen empathisch wahrnehmen, geschieht das auf der Basis eigener, ähnlicher Gestimmtheiten, die in uns aktivierbar und symbolisierbar sind. Selten wird diese Resonanz, das erste ja, das fühlt sich so und so an, das kenne ich genau genug sein im Sinne eines therapeutischen Verstehens, wir werden es im Austausch mit der Klientin weiter differenzieren. Dennoch war es der Ansatzpunkt unseres Verständnisses und ein wichtiger Berührungspunkt im Kontakt. Ebenso wie für die genannten, gesunden Affekte spüren wir eine mehr oder weniger deutliche Resonanz auf die Zustände depressiver, manischer, psychotischer PatientInnen. Und auch hier ist sie der Ausgangspunkt unseres Verstehens. Egal, welche Bezeichnung wir wählen als Gefühle, Zustände, Erlebensmodi, als Gruppen oder Cluster ähnlicher Phänomene: Es gibt die Lust, es gibt den Ehrgeiz etc. Wir haben eine deutliche Vorstellung, was damit gemeint ist, und wissen um die Komplexität und Differenziertheit im Erleben des einzelnen. Dies gilt nicht nur für die Affekte, sondern auch für die Denkschemata und Handlungspläne die Mitteilung Ich gehe heute Lebensmittel einkaufen aktiviert in uns einen recht konkreten Film, dessen Dramaturgie uns wohlbekannt ist. So, wie das alles selbstverständlich erscheint in Bezug auf den gesunden Menschen, so gewinnt es auch zunehmend an Klarheit und Gestalt bei gestörtem Erleben, je länger und intensiver wir damit beschäftigt und empathisch in Kontakt sind. Ich habe eine Vorstellung von Freude im Allgemeinen, und ein eindeutiges Gefühl und Bild davon, wie mein jüngster Sohn reagiert, wenn er sein Lieblingstier, einen Pinguin, sieht. Und ich habe eine Vorstellung vom paranoiden Erleben, die Paranoia einiger meiner Patienten und Patientinnen kenne ich sogar persönlich. Es ist also möglich und therapeutisch fruchtbar, sich mit diesen Entitäten zu beschäftigen das erleichtert den Zugang zum Erleben der Klienten und Klientinnen und hilft uns dabei, angstfrei, zugewandt 14

und empathisch zu sein. Ein schon primär vorhandenes, spontanes, intuitives Verständnis kann durch störungsspezifische Beschäftigung gestärkt, ausgebaut und differenziert werden. Manchmal werden wir auf diesem Weg auch den Einstieg finden in eine zuvor sehr fremd und uneinfühlbar anmutende Erlebensform. 1.3 Begriffe In dieser Arbeit verwende ich theoretische Begriffe aus der Klientenzentrierten Psychotherapie möglichst so, wie sie von C. R. Rogers definiert worden sind. Die psychiatrisch-psychopathologischen Termini folgen dem üblichen klinischen Sprachgebrauch, wie er sich auch in den gängigen Lehrbüchern abbildet. Klinische Diagnosen, soweit sie in der Arbeit verwendet werden, beziehen sich auf die ICD-10 (International Classification of Deseases and Health Related Problems der WHO). Der ICD-Code wird, zum leichteren Nachschlagen der Diagnosekriterien, im Text angeführt. Zitate aus der englischsprachigen Literatur habe ich selbst übersetzt und mich bemüht, den Sinn möglichst vollständig zu erfassen und auch im Sinne der einheitlichen Terminologie korrekt wiederzugeben. 1.4 Thema und Aufbau des Buches Ich untersuche die Frage, ob und wie sich klientenzentrierte Konzepte zu einem Verständnis von Paranoia und zu einer störungsspezifischen klientenzentrierten Psychotherapie explizieren lassen (siehe 1.1). Zu diesem Zweck werte ich die vorhandene klientenzentrierte Literatur zum Thema und meine eigene klinische Erfahrung aus. Phänomenologie, mögliche Ätiologie und Therapie der Störungen mit paranoidem Erleben als Hauptsymptom werden dargestellt. Die schizoide Persönlichkeitsstörung (F60.1) und die schizotype Störung (F21) als schizophrene Spektrumsstörungen (siehe 2.1.2) mit ihren doch ähnlichen Erlebensweisen werden im Verlauf der Arbeit nicht mehr eigens genannt, sind aber sinngemäß mit gemeint. In der Auswahl der untersuchten klientenzentrierten Arbeiten war ich großzügig. Es gibt nicht viel an spezifischer Beschäftigung mit dem Thema, und zugleich, durch die Breite des Phänomens, finden sich an vielen unspezifischen Stellen wertvolle Mosaiksteinchen. 15

Ich habe mir die Freiheit genommen, die vorgefundenen allgemeinen Konzepte auch dann nach meinem bestmöglichen Verständnis auf das Thema anzuwenden, wenn dies weder explizit noch implizit im Sinne der AutorInnen war. Solche Überschreitungen mache ich jeweils kenntlich. Sie sind in meinen Augen gerechtfertigt: Modelle oder Analogien, die (mir) passend erscheinen, sind dadurch wertvoll, dass sie die Empathiefähigkeit und Toleranz für das Verrückte, bisweilen fremd Anmutende fördern können. Und, in die andere Richtung: Die schlüssige Anwendbarkeit eines theoretischen Grundbegriffes auf ein neues Gebiet bestätigt und erweitert das ursprüngliche Konzept. Im Laufe der Beschäftigung mit dem Thema wurde es mir immer mehr ein Anliegen, auch andere Blickwinkel darzustellen und in Bezug zu klientenzentrierten Konzepten zu bringen, um das Bild anzureichern. Diese Blickwinkel sind: Ein klinisch-psychiatrischer, ein entwicklungspsychologischer, ein konstruktivistisch-chaostheoretischer, ein interkultureller. Zusätzlich habe ich Texte aus der Gründerzeit der Psychotherapie herangezogen, die bis heute interessant und für das Thema relevant geblieben sind. Essentiell für diese Arbeit sind auch meine alltäglichen Begegnungen mit paranoiden Menschen im stationären psychiatrischen Bereich. Aufgrund der Häufigkeit dieser Störungen hatte ich reichlich Material aus erster Hand, um es mit meiner theoretischen Beschäftigung zu verknüpfen. Die Ergebnisse meiner Auseinandersetzung stelle ich in einem Modell dar, in dem das paranoide Erleben und Verhalten, die Hypothesen und Modelle und schließlich die therapeutischen Interventionen ein Dreieck bilden. In den einzelnen Kapiteln werden die jeweils behandelten Aspekte des Dreiecks immer wieder dargestellt. Dabei bleiben die Positionen der drei Felder immer gleich. 16

Abbildung 1: Gesamtmodell mit Inhaltsübersicht 17