Tutorium Klinische Psychologie II. Affektive Störungen Biologisch-medizinische Behandlungsmöglichkeiten



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Transkript:

Tutorium Klinische Psychologie II Affektive Störungen Biologisch-medizinische Behandlungsmöglichkeiten

Affektive Störungen Biologisch-medizinische Behandlungsmöglichkeiten Anna Felnhofer anna.felnhofer@univie.ac.at

Inhalt a) Elektrokrampftherapie (EKT) b) Antidepressiva c) Exkurs: Kinder und Jugendliche d) Phytopharmaka 2) Bipolare Störung a) Lithium

a) Elektrokrampftherapie (EKT) Gewöhnliche Behandlung der unipolaren Depression: Antidepressiva Bei Personen, die auf keine Behandlung ansprechen: Einsatz von EKT Gegner und Befürworter von EKT halten sich heute die Waage

a) Elektrokrampftherapie (EKT) Festgeschnallt auf einer fahrbaren Liege wirst du in den EKT Raum geschoben. Das Elektroschockgerät ist deutlich zu sehen. Es ist ein feierlicher Anlass; nur wenig wird gesprochen. Die Schwester, der Pfleger und der Anästhesist vollziehen methodisch ihre Vorbereitungsprozedur. Dein Psychiater tritt ein. Alles wird prima laufen. Ich habe Hunderte dieser Behandlungen verabreicht Keiner ist gestorben. [ ] Sie sind fertig. Die Elektroden sitzen an Ort und Stelle. Der lange durchsichtige Plastikschlauch von der Flasche da oben endet mit einer Nadel in deiner Vene. Eine Injektion wird gemacht. Plötzlich erschreckend kannst du nicht mehr atmen; und dann Du erwachst in deinem Krankenhausbett. In deinen Beinen ist ein Schmerz und auf deinem Arm ein blauer Fleck, was du dir nicht erklären kannst. Du bist verwirrt, weil es dir so schwer fällt, dich an etwas zu erinnern. [ ] (Taylor, 1975 zitiert nach Comer, 2008)

a) Elektrokrampftherapie (EKT) Ursprünge: - 1930: Beobachtungen an Epileptikern Ansicht, dass Epilepsie Psychosen verhindern ungarischer Psychiater Meduna setzt das Kampherderivat Metrazol ein - 1938: Wiener Arzt Manfred Sakel entwickelt die Insulinkomatherapie für psychotische Patienten - 1938: Italienischer Psychiater Ugo Cerletti entwickelt die Elektrokrampftherapie zur Behandlung der Psychose

a) Elektrokrampftherapie (EKT) Ursprünge: EKT wurde rasch populär, insbesondere bei psychotischen Störungen. Bald klar, dass EKT bei depressiven Störungen besser wirkte. Um die zahlreichen Nebenwirkungen von EKT zu kontrollieren, werden folgende Vorkehrungen getroffen: - Muskelrelaxanzien verabreicht - Kurzzeitanästhetika eingesetzt - Sauerstoff und Geräte zur künstlichen Beatmung Dennoch: Teilamnesien, Lücken im Langzeitgedächtnis (äußerst selten) heute immer seltenere Anwendung von EKT

b) Antidepressiva i. MAO-Hemmer ii. Trizyklische Antidepressiva iii. Antidepressiva der zweiten Generation Wirkstoff Handelsname (Bsp.) Tageshöchstdosis MAO-Hemmer: Tranylcypromin Parnate 40 mg Reversible MAO-Hemmer: Maclobemid Aurorix 300 mg Trizyklische AD: Imipramin, Amitriptylin Tofranil, Elavil 300 mg AD der 2. Generation: Maprotilin, Amoxapin Ludiomil, Assendin 225, 400 mg Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer: Fluoxetin Sertralin Paroxetin Fluctin Zoloft Paxil 80 200 50

b) Antidepressiva i. MAO-Hemmer ii. Trizyklische Antidepressiva iii. Antidepressiva der zweiten Generation Entdeckung der Wirkung an Tuberkulosepatienten anhand des Wirkstoffs Iproniazid, jedoch viele Nebenwirkungen, daher heute andere Substanzen Wirkmechanismus: Produktion des Enzyms MAO (Monoaminoxidase) wird im Körper verlangsamt, dadurch erhöhte Wirksamkeit von Serotonin und Noradrenalin Nebenwirkungen: Leberschäden, Bluthochdruck, manchmal Todesfälle (da das MAO-Enzym für manche Körperfunktionen unentbehrlich ist, Bsp.: Tyramin!) heute: reversible MAO-Hemmer

b) Antidepressiva i. MAO-Hemmer ii. Trizyklische Antidepressiva iii. Antidepressiva der zweiten Generation Entdeckung ebenfalls durch Zufall, auf der Suche nach Medikamenten gegen Schizophrenie Einsatz des Wirkstoffs Imipramin Wirkmechanismus: Beeinflussung der Wiederaufnahme von Neurotransmittern an der präsynaptischen Membran, Wirkung beginnt nach ca. 10 Tagen, bei einem Absetzen der Medikation riskieren Pat. mit 40-50%iger Wahrscheinlichkeit einen Rückfall Nebenwirkungen: Müdigkeit, Mundtrockenheit, Benommenheit, Sehstörungen (gelegentlich) öfters trizyklische AD verschrieben als MAO-Hemmer, da weniger gefährlich und keine Ernährungsregulation vonnöten

b) Antidepressiva i. MAO-Hemmer ii. Trizyklische Antidepressiva iii. Antidepressiva der zweiten Generation In den letzten Jahrzehnten entwickelt, Struktur unterscheidet sich von MAO- Hemmern und trizyklischen AD die meisten darunter als SSRIs (selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer) bezeichnet. Neuerdings auch selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (NaRI, Bsp.: Reboxetin) und selektive NA und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI, Bsp.: Venlafaxin) Wirkmechanismus: SSRIs: Veränderung der Serotoninaktivität im synaptischen Spalt; NaRI und SNRI Wirkung ähnlich der von trizyklischen AD Nebenwirkungen: Störung sexueller Funktionen, Schlafstörungen

c) Exkurs: Kinder und Jugendliche auch bei Kindern und Jugendlichen Einsatz von AD zur Behandlung von Depressionen 2004 Entdeckung der Food & Drug Administration der Vereinigten Staaten, dass die AD der zweiten Generation (in manchen Fällen) ein Risiko für Selbstmord darstellen. seitdem Hinweis auf Beipackzettel, dass diese Medikamente Selbstmordgedanken bei Kindern steigern können Forderung nach präziser und systematischer Erforschung der Wirkmechanismen der AD zweiter Generation bei Kindern und Jugendlichen

d) Phytopharmaka (Pflanzliche Mittel) Extrakte des Hypericum perforatum, das auch als Johanniskraut bekannt ist, werden zurzeit häufig gegen Depressionen eingenommen; seit 2400 Jahren als volkstümliches Heilmittel verwendet Wirkmechanismus: unklar Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, allergische Hautreaktionen, Lichtempfindlichkeit Achtung bei Wechselwirkungen mit anderen Präparaten

2) Bipolare Störung a) Lithium Entdeckung geht ebenfalls auf einen Zufall zurück: John Cade Experimente mit Meerschweinchen (Behauptung: manisches Verhalten geht auf toxischen Harnsäurespiegel zurück) Die korrekte Lithiumdosis wird für jeden Patienten anhand von Blut- und Urinanalysen bestimmt eine zu niedrige Dosis beeinflusst die Störung kaum eine zu hohe Dosis kann zu einer Lithiumintoxikation führen (Übelkeit, Erbrechen, Schwerfälligkeit, Zittern, Anfälle, Nierenfunktionsstörungen und sogar Tod) bei richtiger Dosis bringt Lithium innerhalb von 5-14 Tagen eine Besserung Wirkmechanismus: unklar (Verdacht, dass es über sog. Second Messenger wirkt)

Linktipps affektive Störungen: Forum für Betroffene und Angehörige (Ö) http://www.depression.at Forum für Betroffene und Angehörige (Schweiz) http://www.depri.ch/ Forum bipolar in Österreich http://www.bipolar.at/ Infoseite zu Psychosen und bipolaren Störungen (von Pharmafirma Astra Zeneca initiiert) http://www.psychosis-bipolar.com/

Literatur: Comer, R.J. (2008). Klinische Psychologie. Heidelberg: Spektrum. Julien, R.M. (2005). A primer of drug action (10th ed.). New York: Worth Publishers. Taylor, R. (1975). Electroconvulsive treatment (ECT): The control of therapeutic power. Exchange.