Bessere Pflege- und Lebensqualität für Betreuende und Pflegebedürftige



Ähnliche Dokumente
Demenz und Marte Meo

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Das Leitbild vom Verein WIR

Darum geht es in diesem Heft

Informationen zum Ambulant Betreuten Wohnen in leichter Sprache

Information zum Projekt. Mitwirkung von Menschen mit Demenz in ihrem Stadtteil oder Quartier

1: 9. Hamburger Gründerpreis - Kategorie Existenzgründer :00 Uhr

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Kurzanleitung für eine erfüllte Partnerschaft

Erfolg beginnt im Kopf

Kreativ visualisieren

Fragebogen Seite 1 von 7

50 Fragen, um Dir das Rauchen abzugewöhnen 1/6

Papa - was ist American Dream?

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. in Leichter Sprache

Hinweise in Leichter Sprache zum Vertrag über das Betreute Wohnen

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Workshop: Wie ich mein Handikap verbessere erfolgreich Leben mit Multiple Sklerose!

Ausbildung. Erfahrungsbericht einer Praktikantin

Versetzungsgefahr als ultimative Chance. ein vortrag für versetzungsgefährdete

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Bürgerhilfe Florstadt

So funktioniert Ihr Selbstmanagement noch besser

Übergänge- sind bedeutsame Lebensabschnitte!

Tipps für die praktische Durchführung von Referaten Prof. Dr. Ellen Aschermann

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Coach me if you can! Iris Brockob & Frank Hoffmann Partnerschaft für Beratung, Training & Gestaltung

Ich biete Ihnen Seminare, Workshops, Bildungsurlaube und Einzelcoachings zu den Themen

Infos über. die Schulungen von. Prüferinnen und Prüfern für Leichte Sprache

WORKSHOPS. Ihr Nutzen: ERLEBNISORIENTIERTE. mit Trainingsschauspielern. Das war das intensivste Training, dass ich je erlebt habe!

Business Coaching für einzelne Mitarbeiter

FIT IM BÜRO. Übungsprogramm für Beschäftigte an Büroarbeitsplätzen

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

Fotoprotokoll / Zusammenfassung. des Seminars Methodik der Gesprächsführung und Coaching. Vertriebs- & Management - Training

Was kann ich jetzt? von P. G.

AUSBILDUNG eines OBEDIENCE HUNDES

INFORMATION FÜR FÜHRUNGSKRÄFTE

Sehr geehrter Herr Pfarrer, sehr geehrte pastorale Mitarbeiterin, sehr geehrter pastoraler Mitarbeiter!

Seminar für Führungskräfte

MEHR UMSATZ DURCH TRAINING UND ERKENNTNIS IN DER MEHR-WERT-KOMMUNIKATION!

Leitbild. für Jedermensch in leicht verständlicher Sprache

Das Verkaufsspiel. Spielerisch verkaufen trainieren.

Der echte Erfolg am Telefon

Nina. bei der Hörgeräte-Akustikerin. Musterexemplar

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

- mit denen Sie Ihren Konfliktgegner in einen Lösungspartner verwandeln

Gemeinsame Erklärung zur inter-kulturellen Öffnung und zur kultur-sensiblen Arbeit für und mit Menschen mit Behinderung und Migrations-Hintergrund.

Dies fällt oft deshalb schwerer, da der Angehörige ja von früher gewohnt war, dass der Demenzkranke funktioniert. Was also kann oder soll man tun?

Anleitung Scharbefragung

Umgang mit Schaubildern am Beispiel Deutschland surft

Marte Meo* Begleitkarten für die aufregenden ersten 12 Monate im Leben Ihres Kindes

Kieselstein Meditation

Projektmanagement in der Spieleentwicklung

Wie Menschen in abhängigen Betreuungsverhältnissen Verantwortung für sich selbst übernehmen. FORTBILDUNG für LEITUNGEN 1

AOK Pflege: Praxisratgeber Sturzprävention Übungen zur Stärkung des Gleichgewichts

Simulation LIF5000. Abbildung 1

SHG INVEST DAS SOLLTEN SIE UNBEDINGT. lesen, bevor Sie selbst verkaufen...

Damit Sie 2012 immer wieder sagen können: Meine Systeme stimmen

Gutes Leben was ist das?

Studienkolleg der TU- Berlin

Erlebnisorientiertes Lernen mit Pferden

Innerbetriebliche Konfliktlösung

Catherina Lange, Heimbeiräte und Werkstatträte-Tagung, November

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

* Leichte Sprache * Leichte Sprache * Leichte Sprache *

Weiterbildungen 2014/15

Namibiakids e.v./ Schule, Rehoboth, Namibia

1/1. Die Struktur. 12. Integrierte Mediation

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

B: bei mir war es ja die X, die hat schon lange probiert mich dahin zu kriegen, aber es hat eine Weile gedauert.

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Time-out Burnout vorbeugen mit richtiger Ernährung

Freizeiten und Reisen mit Begleitung

Springer bringt Scoop-Titel auf den Weg

Anspruchsvolle Dreierausdrücke zum selbstständigen Lernen

Nützliche Werkzeuge für das Coaching

Warum tun manche Menschen nicht das, was Sie als Führungskraft von ihnen erwarten?

ES GEHT NICHTS ÜBER EX-AZUBIS, Leiter der Fertigung, Produktbereich Blech, bei

Auswertung JAM! Fragebogen: Deine Meinung ist uns wichtig!

Mehr Geld verdienen! Lesen Sie... Peter von Karst. Ihre Leseprobe. der schlüssel zum leben. So gehen Sie konkret vor!

Peer Counseling Ausbildung in Wien 2012

Nicht über uns ohne uns

Staatssekretär Dr. Günther Horzetzky

Entwickeln Sie Ihre Vision!

Statuten in leichter Sprache

Gesprächsführung für Sicherheitsbeauftragte Gesetzliche Unfallversicherung

Mehr Arbeits-Plätze für Menschen mit Behinderung auf dem 1. Arbeits-Markt

Ein Immobilienverkauf gehört in sichere Hände

Kulturelle Evolution 12

Arbeit zur Lebens-Geschichte mit Menschen mit Behinderung Ein Papier des Bundesverbands evangelische Behindertenhilfe e.v.

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Arbeitsblatt IV/1.1: Was liegt in meiner Hand? Das Potenzial der Pflege einschätzen

Blog Camp Onlinekurs

Nicht kopieren. Der neue Report von: Stefan Ploberger. 1. Ausgabe 2003

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

dem Vater der Mutter des betreuten Kindes/der betreuten Kinder. Mein Kind/ Meine Kinder wird/werden in der Woche durchschnittlich Stunden betreut.

Transkript:

Demenz und Marte Meo Bessere Pflege- und Lebensqualität für Betreuende und Pflegebedürftige Marte Meo Trainings verbessern nicht nur die Arbeitszufriedenheit der Pflegenden sowie deren Kompetenzen im Umgang mit Belastungen, sondern auch die Lebensqualität der Pflegebedürftigen. Eine erste schweizerische Studie zeigt ähnlich positive Ergebnisse wie Studien aus anderen europäischen Ländern. Zudem führt die Methode zu einer Verbesserung der Pflegequalität, speziell auch bei herausfordernden Pflegeverrichtungen, wie z.b. bei Demenzerkrankten. Im ersten Marte Meo Fachbuch mit DVD für den Pflegebereich vom Hogrefe & Huber Verlag wird dies konkret und anhand vieler Praxisbeispiele und Erfahrungen aus dem Pflege- und Betreuungsalltag bild- und filmbasiert erklärt. Therese Niklaus Loosli und Claudia Berther Mit Marte Meo steht eine einfach lernbare Methode bereit, die nicht nur in Heimen, sondern auch ambulant von Mitarbeitenden der Spitex, von pflegenden Angehörigen und Freiwilligen im Umfeld von Demenzerkrankten ohne grossen Aufwand angewendet werden kann und sowohl für Pflegende als auch für die Betroffenen zu mehr Lebensqualität führt (Rymann Solèr 2014, S. 5). Kurze Videosequenzen von Interaktionen aus dem gewöhnlichen Pflegealltag werden in einem Marte Meo Kommunikations-Training oder in einem Coaching kleinschrittig analysiert. Der Fokus in der Beratung wird auf gelungene Momente, kleinste Initiativen, Bedürfnisse und Ressourcen gerichtet. Sich stärken mit Marte Meo während alltäglichen Pflegeinteraktionen Die in der Folge kursiv geschriebenen Marte Meo Elemente: aufmerksames Warten, sich selber sowie das Gegenüber und nächste Schritte benennen, Freude teilen und Happ-Happ d.h. gelungene Momente bewusst zu geniessen sind bestens geeignet zur Stärkung der Resilienz und als Stressmanagement: am Film aufgezeigt und in der Praxis bewusst angewendet, wirken diese Elemente entschleunigend sowie stärkend für Pflegende und Pflegebedürftige (Graaf 2014, S. 5). Das Ziel von Marte Meo ist, dass Pflegende die eigenen und die Ressourcen der Betreuten vermehrt wahrnehmen und diese in alltäglichen Interaktionen bewusst und automatisiert nutzen können. 1

Nataly Wägeli, Studentin der Fachhochschule Nordwestschweiz, hat eine wissenschaftliche Arbeit über eine erste Studie zu Marte Meo im Alterspflegebereich verfasst in der dahlia oberaargau ag, wo das Personal bereits seit 2011 in der Methode trainiert wird. Die Fragestellung der Studie lautet: «Fördert die Marte Meo Weiterbildung die Arbeitszufriedenheit und Kompetenzen der Pflegekräfte, und erleben sie dadurch eine Verringerung der Belastung in ihrem Arbeitsalltag?» Wägeli schreibt, «dass die grosse Mehrheit der Befragten von einer generell erhöhten Zufriedenheit spricht, welche sie seit der Marte Meo Weiterbildung und der Anwendung dieser Kommunikationsmethode feststellen» (Wägeli 2015, S. 34). Bezüglich Ergebnissen hält sie fest: «Es stellt sich heraus, dass der Grossteil der Befragten sagen durch Marte Meo belastbarer zu sein. Sie schätzen an Marte Meo ein Instrument zu haben, welches sie unterstützt und sie lehrt Dinge anders anzugehen. Dadurch haben sie den Eindruck, dass sie bei der Arbeit allgemein ruhiger, entspannter und weniger gestresst sind» (ebd., S. 34-35). Fallbeispiel: Demenzpflege ist kräfteraubend Ausgangslage: Eine Pflegende leidet an starken Rückenschmerzen. Wegen einer Grippewelle will sie ihr Team nicht im Stich lassen und arbeitet trotz Schmerzen. Sie ist bei Herrn K. eingeteilt und soll ihn mobilisieren. Er leidet an einer zunehmenden Demenz. Die letzten Tage waren sehr anstrengend: obwohl er körperlich rüstig ist, konnte sie ihn nicht rückenschonend unterstützen beim Aufstehen. Schon fast sitzend liess er sich plötzlich wieder nach hinten fallen. Dies erforderte von ihr ein schnelles Handeln, damit er sich den Kopf nicht an der Wand aufschlug, leider mit ruckartigen und für sie schmerzhaften Bewegungen. Diese Mobilisation bei Herrn K. war alleine kaum mehr zu bewältigen wegen der angespannten Personalsituation holte sie sich aber keine personelle Unterstützung, weil dies zu einer zusätzlichen Belastung des Teams führen würde. Was bringt nun die Marte Meo Methode in dieser Situation konkret? Videoanalyse nach Marte Meo stärkt Pflegende und Demenzerkrankte Die Pflegende entschliesst sich, eine Filmsequenz in die Marte Meo Ausbildung mitzunehmen um herauszufinden, wie ihr die Mobilisation besser gelingen könnte. Anhand des Films werden ihr sowohl ihr unterstützendes Kommunikationsverhalten als auch Bedürfnisse des Bewohners aufgezeigt. Bei der nächsten Mobilisation wendet sie folgende Marte Meo Elemente nun bewusst an: 2

Sie nimmt sich Zeit mit Herrn K. Kontakt zu machen, weil sie im Marte Meo Kurs anhand ihres Films gesehen und gelernt hat, dass ihm ein guter Anschluss ermöglicht, viel besser zu kooperieren. Sie weiss, dass wichtig ist, ganz ruhig, freundlich und direkt zu ihm zu sprechen und seinen Blick zu halten. Sie benennt einen Schritt nach dem anderen: «Herr K., Sie können sich hier am Bügel halten und aufrichten. Ja genau (sie bestätigt ihn und benennt den nächsten Schritt) und jetzt stellen Sie die Beine auf den Boden, ja genauso.» In der Filmsequenz war sichtbar, dass er sich in dem Moment zurückfallen liess, als er nicht mehr selber weiter wusste. Sie achtet nun genau auf seine Signale. So sieht sie, dass er auch jetzt nicht mehr selber weiss, wie es weiter geht: deshalb benennt sie den nächsten Schritt. «Jetzt können Sie sich am Rollator festhalten». Dadurch erhält er Orientierung und Sicherheit und weiss, was er als nächstes tun kann und tut genau das: er hält sich am Rollator fest. Die schnellen und ruckartigen Bewegungen, die sie letztes Mal machen musste, damit er beim Zurückfallen den Kopf nicht verletzte und der damit verbundene Zeitaufwand, kann sie diesmal so vermeiden. Immer wieder wartet sie aufmerksam und schaut genau, was er selber tun kann und wo er Unterstützung braucht. Er richtet sich nun selber auf. Sie sieht das und benennt ihn: «Sie stehen ganz gerade», er lächelt sie dankbar an. Ein Happ-Happ Moment für sie: sie kann sich so bewusst stärken und kurz erholen. Mit ihrer kommunikativen Marte Meo Unterstützung kann er viel besser mitarbeiten als erwartet. Da sie ihm ständig folgt mit ihrem freundlichen Blick sieht er ihr Lächeln, als er aufguckt. Er lächelt zurück: ein guter Moment für ihn und für sie, der beide für die nächste schwierige Aufgabe zu stärken vermag. Nun sieht sie, dass er sich an den weiteren Ablauf nicht erinnern kann. Schritt-für-Schritt Anleitung nach Marte Meo ist gefragt: «Nun können Sie Richtung Lavabo gehen», immer aufmerksam wartend und seinen Bewegungen mit dem Blick folgend. «ja, genau, noch einen Schritt».. «nun können Sie sich am Lavabo festhalten» «Super. Jetzt stelle ich den Stuhl hin, Sie können sich setzen fürs Waschen.» «Sehr gut.» Herr K. strahlt sie an. Sie hat ihn seit Wochen nie mehr sprechen gehört. Aber nun sagt er: «Gut gemacht. Danke.» Da die Pflegende das hört und wahrnimmt, kann sie sich bewusst über sein Lächeln und sein leises Danke freuen (Happ-Happ) und so gleich ein wenig Energie tanken. 3

Neues Wissen über demenzerkrankte Menschen bringt Gelassenheit Die Pflegende hat es geschafft, ganz im Hier-und-Jetzt auf Herrn K. einzugehen, was im hektischen Pflegealltag anspruchsvoll, für die Pflege demenzkranker Menschen aber zentral ist. Dank der Videointeraktionsanalyse nach Marte Meo kann sie ihre Pflegequalität reflektieren und am eigenen positiven Modell lernen (Abb. 2). Die Pflegenden erhalten durch Marte Meo neues Wissen über Demenzerkrankte. Dadurch, dass sie geschult werden, aufmerksam zu warten und kleinste Handlungsinitiativen wahrzunehmen, können sie sich ihre Arbeit erleichtern und entdecken, dass die Pflegebedürftigen oft noch mehr Fähigkeiten zeigen als gedacht. Zudem erhalten sie neues Wissen über ihr eigenes kommunikatives Unterstützungsverhalten in Pflegeinteraktionen und dessen Wirkung auf die Betreuten (Alnes et al. 2011, S. 123-132). Ein demenzkranker Mensch kann sich oft nur noch kurze Zeit konzentrieren, dann verliert er die Orientierung. In Momenten, wo er versucht mitzuarbeiten, sind seine Initiativen klein und erfolgen oft verspätet. Deshalb werden sie von Pflegenden häufig übersehen. Den Blickkontakt mit den Betreuten bewusst zu halten, ist zentral (Alnes et al. 2011, S. 129, Abb. 1 und Foto auf Buchcover Abb. 3). Die Wirkung der eigenen kommunikativen Unterstützung bewusst wahrnehmen zu können führt bei Pflegenden zu mehr Selbstsicherheit und zu mehr Gelassenheit, aber auch zu mehr Wertschätzung der geleisteten Arbeit: die Arbeitszufriedenheit und die Pflegequalität verbessern sich. Abbildung 1 Blickkontakt halten, Foto: dahlia oberaargau ag Bewusstes Benennen bringt Ruhe und hilft, das Tempo anzupassen Beispielsweise eine Infusion zu stecken, Blutzucker zu messen, zu mobilisieren oder Essen zu geben kann bei einer demenzkranken Person sehr herausfordernd sein. Im Kontakt ist absolut angepasstes Tempo und Ruhe wichtig, damit zusätzliche kritische Situationen vermieden werden 4

können. Mit Marte Meo können Pflegende solche Tempoanpassungen bewusst gestalten mit folgenden Kommunikationselementen: Mit sich benennen: wenn die Pflegende den Waschlappen gibt kann sie sagen: «Ich gebe Ihnen den Waschlappen.» So können sich Betreuende bewusst in die Ruhe bringen. Das Benennen unterstützt aber auch den demenzkranken Menschen: es bringt ihm Orientierung darüber, was gerade geschieht und er kann dadurch besser kooperieren. Ihre Ruhe wirkt ebenfalls unterstützend für eine gelingende Pflegeverrichtung. Das Gegenüber zu benennen hilft, in kurzer Zeit Kontakt herzustellen sowohl mit Demenzerkrankten (s. Bakke, 2005, S. 22) als auch mit Angehörigen. Die Kooperation bei anspruchsvollen Pflegehandlungen gelingt so besser. Betreute sowie Angehörige sind trotz eingeschränkter Zeit zufrieden und fühlen sich wahrgenommen, wenn sie benannt werden: «Ah, Sie warten schon auf mich, danke für Ihre Geduld.» Beide Elemente bewusst zu nutzen unterstützt zudem die Kommunikation im Team und ist speziell hilfreich in hektischen Zeiten. Jede Pflegeperson hat ein anderes Tempo: Tempoabstimmungen sind auch in der Zusammenarbeit gefragt: nötige Rollen- und Aufgabenklärungen können so rasch gelingen. Der Lernprozess macht Freude Mehr zu benennen, was sie tun können statt zu fragen ist meistens viel effizienter und respektvoller im Kontakt mit Demenzkranken, weil diese oft Fragen nicht mehr einordnen und verstehen können (Bakke 2005, S. 20): ein Respektmodell für Pflege-Interaktionen mit dementen Menschen. Maria Aarts sagt dazu: Mehr sagen statt fragen. Denn sowohl ein fragender Tonfall einer Stimme als auch ein Inhalt einer Frage der nicht verstanden wird, kann sie verunsichern und rasch Verweigerung provozieren. In der Marte Meo Schulung wird genau erläutert, was auf dem Bild zu sehen ist (Abb. 2). Dies unterstützt den Lernprozess. Auch fremdsprachige Pflegende verstehen, was erklärt wird und können dies in der Regel gut in der Praxis umsetzen und zum Erfahrungsaustausch beitragen. Zu sehen, wie Lernen voneinander und miteinander qualifikationsübergreifend zur Verbesserung der Pflege- und Lebensqualität der dementen Menschen möglich wird, zu erleben, wie sich auch die Lebensqualität der Pflegenden und der Teams verbessert, ist eine Freude für uns Marte Meo Kursleitende und vermag auch uns zu stärken. 5

Marte Meo Schulung von Leitenden und Mitarbeitenden, Domicil Kompetenzzentrum Demenz Bethlehemacker und Domicil Steigerhubel in Bern: Lernen an den besten Bildern von sich selber. Abbildung 2 Foto: Domicil Steigerhubel, Bern Das erste Marte Meo Pflegefachbuch «Die Marte Meo Methode Ein bildbasiertes Konzept unterstützender Kommunikation für Pflegeinteraktionen», Hogrefe & Huber Verlag, ist seit 7. September 2015 im Buchhandel erhältlich (Abb. 3). Anhand von Fallbeispielen aus dem stationären und dem ambulanten Bereich werden in diesem Buch weitere Marte Meo Elemente und ihre Wirkweisen auf Pflegende sowie Betreute beschrieben. Inhalt: Interview mit Maria Aarts Was ist Marte Meo? Theoretische Grundlagen und Grundhaltung der Marte Meo Methode Marte Meo Ausbildung Nachhaltigkeit Umsetzung der Marte Meo Arbeit Marte Meo in Fallbeispielen und Erfahrungsberichte Abbildung 3 Cover: Hogrefe AG, Bern Foto auf Cover: dahlia oberaargau ag Unterstützendes Verhalten wird anhand von Fotos und Filmclips aufgezeigt Hier ein Beispiel aus dem ambulanten Bereich: Eine demenzerkrankte Klientin freut sich und klatscht in die Hände. Vor lauter Freude hat sie vergessen, was als nächstes geschieht. 6

Aufmerksam zu warten und zu folgen hilft der Pflegenden zu erkennen, wann positives Leiten nötig ist, damit die Klientin wieder kooperieren kann. Den nächsten Schritt zu benennen, hilft der Klientin sich zu orientieren, sie weiss was als nächstes geschieht und kann dadurch mithelfen. Fotos: Videostandbilder aus Spitexprojekt. Claudia Berther, Wallbach Mehr über das Buch, die Methode und Erfahrungen Donnerstag, 19.11.2015, Wiedlisbach 4. Marte Meo Fachtagung für den Alterspflegebereich in der dahlia oberaargau ag mit Buchvernissage. Thema der Tagung: «Marte Meo mit anderen Pflegemethoden». Das Erscheinen des Buches wird in Anwesenheit von Maria Aarts, der Begründerin der Methode, gefeiert. Sie hat am Marte Meo Pflegefachbuch von Hogrefe & Huber mitgearbeitet (Interview im Buch und auf der DVD sowie Supervision zu Filmen). Maria Aarts: www.martemeo.com Anmeldung und mehr Informationen zu dieser Marte Meo Fachtagung: www.martemeo-dahlia.ch Bücher stehen zum Verkauf bereit und werden auf Wunsch von den Autorinnen signiert. Mehr Informationen zu den Marte Meo Ausbildungsmöglichkeiten: Therese Niklaus Loosli: www. therese-niklaus.ch Claudia Berther: www.claudiaberther.ch 7

Literaturliste Dieser Artikel baut auf Texten auf, die bereits in der Pflegefachzeitschrift NOVA, Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern CH, erschienen sind: 1. «Marte Meo und Demenz», NOVA 6/15, S. 51-53: ist die Grundlage für diesen Artikel. 2. «Krisenkonzept bei Demenz» in NOVA 10/13, S. 54-56: anhand eines Fallbeispiels wird beschrieben, wie Marte Meo bei Krisen mit herausforderndem Verhalten von Demenzerkrankten eingesetzt werden kann. 3. «Die Kraft der Bilder nutzen» in NOVA 5/12, S. 21-24: Marte Meo wird vorgestellt. 4. «Begegnungsmomente im Alltag nutzen» in NOVA 7/12, S. 35-37: beschreibt die Implementierung der Marte Meo Methode in der dahlia oberaargau ag. Alnes, R. E., Kirkevold, M., Skovdahl, K. (2011). Insights gained through Marte Meo counselling: experiences of nurses in dementia specific care units. International Journal of older people nursing. 6 (2): 123-132. Bakke, L. (2005). Video Supervision Gives Better Interaction with Demented People. Harderwijk: Marte Meo International, Marte Meo Magazine2005, 2, Vol. 31: 17-22. Online http://www.martemeo.com/~uploads/magazine/files/200502-magazine-531160-1.pdf [Letztes Zugriffsdatum: 13. Februar 2015] Graaf, S. (2014). Wie Marte Meo uns vor Burnout schützen kann. Eindhoven: Marte Meo Magazine Oktober 2014, Art. 42G: 1-8. Online http://www.martemeo.com/~uploads/magazine/files/art42ggraafv3def.pdf [Letztes Zugriffsdatum: 6. Januar 2015] Rymann Solèr, C. (2014). Implementierung der Marte Meo Methode. Eindhoven: Marte Meo International. Marte Meo Magazine, Juni 2014, Art. 40G: 1-7. Online http://www.martemeo.com/~uploads/magazine/files/art40grymannv3.pdf [Letztes Zugriffsdatum: 13. Februar 2015] Wägeli, N. (2015). Die Marte Meo Weiterbildung in der Alters- und Pflegeinstitution dahlia oberaargau ag, Herzogenbuchsee, Kt. Bern. Bachelorarbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Angewandte Psychologie. Online http://www.dahlia.ch/jwa/vfs-dfa-1105042- Bachelorarbeit_Marte_Meo_Nataly_Vivien_Juli_2015.pdf [Letztes Zugriffsdatum: 22. August 2015] 8

Autorinnen Therese Niklaus Loosli, Dr. med. Fachärztin FMH, Hochschuldozentin und Organisationsentwicklerin, lizenzierte Marte Meo Supervisorin. Marte Meo Ausbildungsleitung z. B. in: Domicil Kompetenzzentrum Demenz Bethlehemacker/Domicil Steigerhubel in Bern; Ausbildnerin in dahlia oberaargau ag, Herzogenbuchsee, BE; sowie in Marte Meo Kursen für Institutionsleitende und Pflegende. www.therese-niklaus.ch beratungspraxis@therese-niklaus.ch Foto Hans Honders Claudia Berther, lizenzierte Marte Meo Supervisorin, Ausbilderin eidg. FA, Pflegefachfrau HF. Marte Meo Ausbildnerin in diversen Institutionen z.b. dahlia oberaargau ag, Herzogenbuchsee, BE und Stiftung Scalottas, Scharans, Kompetenzzentrum für Menschen mit Behinderung. www.claudiaberther.ch info@claudiaberther.ch 9