Berichte von Assessment Centern



Ähnliche Dokumente
Informationen zum Ambulant Betreuten Wohnen in leichter Sprache

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

B: bei mir war es ja die X, die hat schon lange probiert mich dahin zu kriegen, aber es hat eine Weile gedauert.

50 Fragen, um Dir das Rauchen abzugewöhnen 1/6

Liebe oder doch Hass (13)

Was kann ich jetzt? von P. G.

Papa - was ist American Dream?

Sind Sie reif fürs ASSESSEMENT CENTER?

Predigt Salvenmoser: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe.

Wir machen uns stark! Parlament der Ausgegrenzten

L10N-Manager 3. Netzwerktreffen der Hochschulübersetzer/i nnen Mannheim 10. Mai 2016

Die 100 wichtigsten Fragen zum Assessment Center

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

1. Standortbestimmung

Des Kaisers neue Kleider

Kreativ visualisieren

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Kulturelle Evolution 12

Kurzanleitung für eine erfüllte Partnerschaft

Anleitung. Empowerment-Fragebogen VrijBaan / AEIOU

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Evangelisieren warum eigentlich?

expopharm 30. September 2015

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Das Leitbild vom Verein WIR

Pädagogische Hinweise B2 / 12

Was tust du auf Suchmaschinen im Internet?

Heute schon den Traumjob von morgen finden Mit professioneller Berufsberatung zur passenden Ausbildung

Ausbildung. Erfahrungsbericht einer Praktikantin

Krippenspiel für das Jahr 2058

Der Klassenrat entscheidet

Vorbereitung auf die Sino-GermanJob-Fair

Bestandesaufnahme und Bedürfnisanalyse

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

Hinweise in Leichter Sprache zum Vertrag über das Betreute Wohnen

sowohl als auch / nicht nur sondern auch / weder... noch / je desto / entweder oder / zwar. aber / einerseits andererseits

1. Fabrikatshändlerkongress. Schlussworte Robert Rademacher

Was erwartet Sie beim Einstellungstest?

Nina. 2. Ninas Mutter lebt nicht mit Nina und der Familie zusammen. Warum könnte das so sein? Vermute. Vielleicht ist sie. Möglicherweise.

Jojo sucht das Glück - 3 Folge 10: Die Idee

So funktioniert Ihr Selbstmanagement noch besser

Punkt 1 bis 11: -Anmeldung bei Schlecker und 1-8 -Herunterladen der Software

Predigt an Silvester 2015 Zuhause bei Gott (Mt 11,28)

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz

Erst Lesen dann Kaufen

Information zum Projekt. Mitwirkung von Menschen mit Demenz in ihrem Stadtteil oder Quartier

PREDIGT ZUM 1. ADVENT Was wünschst du dir?

Catherina Lange, Heimbeiräte und Werkstatträte-Tagung, November

Bis jetzt gelingt mir das ganz gut Bahar S. im Gespräch mit Jessica J.

Gesprächsführung für Sicherheitsbeauftragte Gesetzliche Unfallversicherung

Das bringt nichts. Trotzdem. Mach doch, was du willst. Mach ich auch. Wo sind die drei eigentlich hin gefahren? Emmett will sich neue PS3-Spiele

Örtliche Angebots- und Teilhabeplanung im Landkreis Weilheim-Schongau

Welche Gedanken wir uns für die Erstellung einer Präsentation machen, sollen Ihnen die folgende Folien zeigen.

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Copyright Sophie Streit / Filzweiber / Fertigung eines Filzringes mit Perlen!

M03a Lernstraße für den Unterricht in Sekundarstufe I

A2 Lies den Text in A1b noch einmal. Welche Fragen kann man mit dem Text beantworten? Kreuze an und schreib die Antworten in dein Heft.

1. Was ihr in dieser Anleitung

Markus 13, Wie ist es, wenn die Welt aufhört? Und wenn die neue Welt von Gott anfängt.

Versetzungsgefahr als ultimative Chance. ein vortrag für versetzungsgefährdete

Also: Wie es uns geht, das hat nichts mit dem zu tun, ob wir an Gott glauben.

im Beruf Gespräche führen: Über seinen beruflichen Werdegang sprechen

FAQs für beglaubigte Übersetzungen Francesca Tinnirello

Qualitätsbedingungen schulischer Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung

Mehr Geld verdienen! Lesen Sie... Peter von Karst. Ihre Leseprobe. der schlüssel zum leben. So gehen Sie konkret vor!

Nina. bei der Hörgeräte-Akustikerin. Musterexemplar

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Studieren- Erklärungen und Tipps

Mehr Arbeits-Plätze für Menschen mit Behinderung auf dem 1. Arbeits-Markt

ES GEHT NICHTS ÜBER EX-AZUBIS, Leiter der Fertigung, Produktbereich Blech, bei

Ein Ausflug in die Vergangenheit Checkpoint Charlie und die Berliner Mauer

SARUNLAPORN AUS THAILAND EINE BILDERGESCHICHTE

Projektmanagement in der Spieleentwicklung

JRK-Spielplatztest. Was macht Spaß und kostet nix! Eine Kampagne des Jugendrotkreuzes im Nürnberger Land. Version 1.5 Juli 2008

Erfahrungsbericht für BayBIDS-Stipendiaten

Statuten in leichter Sprache

Teil 2 Unser Klassenfahrt-Tagebuch

Unvoreingenommene Neugier

ΤΠΟΤΡΓΔΙΟ ΠΑΙΓΔΙΑ ΚΑΙ ΠΟΛΙΣΙΜΟΤ ΓΙΔΤΘΤΝΗ ΜΔΗ ΔΚΠΑΙΓΔΤΗ ΚΡΑΣΙΚΑ ΙΝΣΙΣΟΤΣΑ ΔΠΙΜΟΡΦΩΗ ΣΕΛΙΚΕ ΕΝΙΑΙΕ ΓΡΑΠΣΕ ΕΞΕΣΑΕΙ ΥΟΛΙΚΗ ΥΡΟΝΙΑ

Darum geht es in diesem Heft

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

weiter. Der nächste Schritt ist der schwerste, Jakob versucht ihn, doch vergeblich. Sein Ärmel sitzt fest im Türspalt, der Mensch, der in das Zimmer

Gymnázium a Střední odborná škola, Rokycany, Mládežníků 1115

tipps für schülerinnen und schüler Fragen und Antworten Interview mit Unternehmen Fragebogen Interview mit Unternehmen Antwortbogen

Umfrage bei Menschen mit Behinderung über Sport in Leipzig Was kam bei der Umfrage heraus?

»gefallene Frauen«galten. Aber die Stigmatisierung finde weiterhin auf der beruflichen und finanziellen Ebene statt. 2 Irgendwie gehört das aber

Das Thema von diesem Text ist: Geld-Verwaltung für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. in Leichter Sprache

3 Inhalt. Inhalt. Zum Hintergrund und besseren Verständnis Die gezielte Vorbereitung Worum es geht und worauf es ankommt...

im Beruf Gespräche führen: Bei einem Bewerbungsgespräch wichtige Informationen verstehen und eigene Vorstellungen äußern

Mobile Intranet in Unternehmen

O du fröhliche... Weihnachtszeit: Wie Sarah und ihre Familie Weihnachten feiern, erfährst du in unserer Fotogeschichte.

Welches Übersetzungsbüro passt zu mir?

Das erwartet Sie in jedem Vorstellungsgespräch

Transkript:

Berichte von Assessment Centern Nervenkitzel beim Bundeskriminalamt Ein noch junger Jurist bewirbt sich und berichtet von dem insgesamt dreiteiligen Auswahlverfahren für Anwärter im höheren Dienst des BKA, an dem er teilnahm. Ich hatte das erste juristische Staatsexamen und nahm an dem insgesamt dreiteiligen Auswahlverfahren für Anwärter im höheren Dienst des BKA teil. Die 50 bis 60 Bewerber wurden auf drei Termine verteilt und in Gruppen zu zehn Personen aufgeteilt. Alle hatten wiederum drei Testteile zu überstehen. Der erste sollte um 7.15 Uhr losgehen, aber meine Gruppe durfte zunächst einmal bis 9.30 Uhr warten! Aha, dachte ich, Test Nummer eins: Wie gehst du mit Nervenkitzel um? Ist doch eine sinnvolle Frage, wenn man zum BKA will, oder? Schließlich war es aber dann doch so weit, Teil eins begann. Zuerst sollten wir in einem Sportlichkeitstest unsere körperliche Fitness zeigen. Wer diesen Test nicht bestand, für den galt: Pech gehabt, ab nach Hause. Das war übrigens schon bei 50 Prozent der Truppe der Fall! Wir mussten im Achterlauf um fünf Stangen in einer bestimmten Reihenfolge rennen. Kriterien waren Schnelligkeit und fehlerlose Ausführung. Dann waren ein 100-Meter-Lauf und ein 6- Minuten-Dauerlauf angesagt. Schließlich machten wir schwitzend die sogenannten Sitzklimmzüge. Dabei hebt man (sich) nicht vom Boden ab, sondern zieht sich zu einer Stange hoch; Handflächen nach oben. Eine genaue Auswertung wird einem nicht mitgeteilt, aber man merkt ja bald, ob man gehen darf. Es war Sommer, wir waren fertig und pitschnass geschwitzt, aber ohne Gnade folgte auf der Stelle ein schriftlicher Test, der dann allerdings irgendwann mal von einer Mittagspause unterbrochen wurde: 1. Sprachlicher Kreativitätstest. Wir sollten so viele Assoziationen wie möglich zu bestimmten Wörtern (z. B. Charakter) oder möglichst viele außergewöhnliche Verwendungsmöglichkeiten zu bestimmten Gegenständen (z. B. Schere) nennen. Zu utopischen Situationen sollten wir uns möglichst einfallsreich viele Folgen ausdenken (z. B. was wäre, wenn Menschen ab morgen nicht mehr reden könnten oder wir statt zu essen täglich eine Tablette nehmen würden) oder zu ganz einfachen Gebrauchsgegenständen irgendwelche Spitznamen erfinden. Vielleicht war das sogar ein versteckter Persönlichkeitstest, denn wer auf Charakter nur Schwein, Drecksau, Mistkerl oder Ähnliches assoziiert, gibt schon etwas von sich preis. War insgesamt nicht gut zu schaffen. Enormer Zeitdruck. 2. Konzentrationstest. Eine DIN-A3-Seite voll mit kleinen Subtraktionsaufgaben, die man auf ihre Richtigkeit zu überprüfen hatte. Richtige sollten abgehakt, falsche durchgestrichen werden, für jede Zeile gab es 30 Sekunden (!) Zeit. Ein Beispiel: 9 7 5 7 3 0 5 2 4 3 1 6 7 7 5 4 3 2 4 1 6 3 4 1 2 3 2 5 1 4 1 6 4 3 1 1 0 4 5 3. Konzentrationstest / Erinnerungsaufgaben. Acht Aufgaben, jeweils ein bis drei Minuten Zeit zum Auswendiglernen, wie z. B. 20 türkische Vokabeln und deren Übersetzung; zusammengesetzte Symbole; Telefonnummern und deren Anschlussteilnehmer; Stadtplanzeichnung ohne jede Beschriftung, nur als Linien; ein Text mit Zahlen und Informationen; Kinderzeichnungen; Firmenzeichen. 4. Managerführungstest. Vorgegeben waren Szenarien, die einem als Entscheidungsträger mal passieren könnten. Man sollte die Situationen anhand von fünf vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auf einer Skala von 1 bis 10 einstufen. Empfand man die Situation für sich selbst als völlig untypisch, so kreuzte man die 1 an, war man in der Lage, diese Situation gut nachzuempfinden, wählte Hesse/Schrader Die 100 wichtigsten Tipps zum Assessment Center Stark Verlag 1

man die 10. Die Zeit konnte bei dieser Aufgabe überschritten werden, man sollte unbedingt alle Situationen bearbeiten. 5. Textlogischer Test. 20 kurze Textauszüge verschiedenen Inhalts, die schwer oder leicht verständlich waren, sollten anhand von fünf dazugehörigen Aussagen, die entweder falsch, richtig oder nicht nachvollziehbar waren, bewertet werden. 6. Datenlogischer Test. Auf einem Blatt Papier waren Statistiken und Tabellen zu lesen, ein Fragebogen enthielt 45 Fragen. Die Fragen waren nur über die Auswertung der Tabellen bzw. Statistiken zu beantworten, für alles gab es 30 Minuten Zeit. Die zugehörigen Rechenvorgänge konnten auf einem Schmierzettel erledigt werden, Taschenrechner gab es nicht, aber Raten war nicht drin, weil die Multiple-Choice-Antworten zu geringe Unterschiede aufwiesen, um wirklich sinnvolle Schätzungen tippen zu können!! Dann wurde man entlassen, hatte aber keinen Schimmer, wie der Test ausgefallen war. Der reinste Nervenkitzel! Ich kann nur sagen, da haben sich die vom BKA richtig hautnahe Tests einfallen lassen, oder nicht? Wir wurden informiert, wann Teil zwei der Prüfungen in Form einer Gruppendiskussion stattfinden würde, und damit basta. Die Armen, die den ersten Teil nicht bestanden hatten, hätten sich eigentlich den ganzen Quatsch mit der für manchen weiten Anreise ersparen können. Denn wer s im ersten Teil nicht gebracht hatte, der konnte in der noch folgenden Gruppendiskussion die allerbeste Figur machen, es war eben vermasselt! Das sagten sie uns netterweise natürlich erst zum Schluss! Der Anfang der Gruppendiskussion war wie gehabt: Warten, diesmal 30 Minuten. Wir bekamen dann drei Themen zur Auswahl und mussten in der Gruppe in drei Minuten festlegen, welches Thema diskutiert werden sollte. Wir entschieden uns, aber, wie sich im Nachhinein herausstellte, wir entschieden uns falsch. Warum? Ganz einfach, wir wählten ein Thema, das eigentlich ein Planspiel darstellte und eben keine richtige Entscheidung von der Gruppe verlangte, was aber für die Beurteilung einer Reihe von (Gruppen-)Eigenschaften der Bewerber für die Beobachter von erheblicher Bedeutung war. Pech. Die zu wählenden Themen: Geiselentführung mit einer Boeing 747 in Pakistan zur Befreiung von Gefangenen. Die Politiker weigerten sich, auf die Forderungen der Entführer einzugehen, weil sie sagten, Staaten dürften sich nicht erpressen lassen. Dann die Frage, ob man die NATO noch brauche, nachdem sich der Warschauer Pakt aufgelöst hatte. Unser Nietenthema behandelte den Fall, dass fünf Personen circa 300 Kilometer vom Mutterschiff entfernt mit ihrer Kapsel auf dem Mond abgestürzt waren. 15 Dinge funktionierten noch, aber welche sollte man für den Rückweg zum Mutterschiff sinnvollerweise mitnehmen, wenn sich nicht alles transportieren lässt? Kommt das jemandem bekannt vor? Im Nachgespräch ließ der Psychologe jeweils unter vier Augen die Katze aus dem Sack. Wir, und damit ich, hatten uns in der Diskussion disqualifiziert. Wir hatten uns falsch entschieden. Jetzt wurden die Ergebnisse aus Teil eins und zwei zusammengefasst und die Überlebenden zum dritten Teil eingeladen. Der dritte Teil sah wie folgt aus: Jeder einzelne Bewerber wurde eine Stunde lang von einer Kommission von fünf bis sieben Personen geprüft. Das war das Schlimmste, was ich bisher an Prüfungen erlebt habe, dagegen war mein mündliches Examen ein Klacks. Zunächst wurde das Allgemeinwissen abgefragt. Es ging um Geschichte, Politik und aktuelles Geschehen. Bei der Angabe von Fremdsprachen wurde die Unterhaltung teilweise in der Fremdsprache geführt. Abschließend sollte man aus dem Stegreif einen Kurzvortrag halten, z. B. über die Weimarer Republik. Ich habe für den schriftlichen Teil mit Hesse / Schrader-Büchern und der CD-ROM drei bis vier Wochen lang circa ein bis zwei Stunden täglich geübt. Den schriftlichen Teil, so wurde mir mitgeteilt, habe ich tatsächlich exzellent bestanden und meine Ergebnisse lagen über allen anderen. Na ja, das mit dem freien Reden lag mir halt nicht, aber nun weiß ich, wie das BKA von innen aussieht. Hesse/Schrader Die 100 wichtigsten Tipps zum Assessment Center Stark Verlag 2

Des Kaisers neue Kleider von P&C Bericht: Mario Müller, 24, Traineeplatz Modebranche Zunächst eine Übersicht zum Ablauf des Assessment Centers, das von 10 bis 16 Uhr dauerte: 1. Unternehmenspräsentation 2. Computergestützter 90-Minuten-Test 3. Selbstpräsentation 3 Minuten, 10 Minuten Vorbereitung 4. Pause (Mittagessen) 5. Gruppenarbeit 6. Unternehmenseigener Fashiontest Zu 1. Alle Plätze waren durch Namensschilder vorbestimmt. Vor dem AC hieß es, man könne seinen Modegeschmack gerne durch sein Outfit vermitteln, falls man sich um die Position als Fashion- Trainee bewirbt. Darauf wäre ich nicht gekommen :-). Ziemlich unerwartet jedoch, dass erstens die Dame aus der Personalabteilung, die die Unternehmenspräsentation durchführte und uns durch das ganze AC begleitete, flache, offene Sandaletten ohne Absatz, ¾ Hose und nicht mal Bluse trug (also der absolute Freizeit Look!). Man fühlte sich völlig overdressed, denn die Hälfte der Teilnehmer saß im Anzug da. Und zweitens, dass die Dame zudem sehr jung, selbst noch keine anderthalb Jahre in der Personalabteilung, war, wie sie uns freundlichst mitteilte. Ich hatte zum einen mehr Leute von der Unternehmensseite erwartet und vor allem erfahrenere. Aber schön, wenn man als Neueinsteiger wirklich Chancen bekommt! Zu 2. Der Test bestand aus drei Teilen. Erst ein psychologischer Test. Danach folgte ein weiterer Test unter hartem Zeitdruck: mathematische Fragen, räumliches, analytisches Denken, auf Zeit Namen und dazugehörige Berufe merken (also Markus Müller ist Schreiner, Sabine Schmidt ist Tischlerin), anschließend musste man den Berufen Namen zuordnen; ebenso: Grafiken und Symbole einprägen und anschließend den Grafiken die richtigen Symbole zuordnen; außerdem: Bildschirmseiten voller Schlüsselbilder (so richtige Schlüssel mit Bartzacken) mit 0 bis 4 Zacken und man dürfte nur die mit 3 Zacken anklicken usw. also ein Konzentrationstest. Der dritte Teil war wieder ein psychologischer Test genauso wie der erste, auch mit zum Teil den gleichen Fragen. Beim psychologischen Test hatte man eine Frage gestellt bekommen wie z. B.: Finden Sie, dass Sie für Ihren Erfolg mehr kämpfen als andere? Die Antwort musste durch die Abgabe einer Wertung von -3 bis +3 erfolgen. Sehr viele Fragen gingen in die Richtung: Finden Sie, Sie strengen sich mehr im Studium an als andere, Sie arbeiten länger, härter, fleißiger als andere? usw. Ich habe meist ehrlich mit der Mitte 0 geantwortet, da ich denke, dass meine Freunde mit ihren Stärken und Schwächen unter dem Strich in etwa alle gleich fleißig sind und ich auch nicht faul bin Am Ende des ACs haben wir das Ergebnis des Tests gleich mitgeteilt bekommen. Beim Punkt Leistungsbereitschaft hatte ich gleich fett auf der ersten Seite nur 80 Prozent, unterdurchschnittlich! Großartig, in Zukunft werde ich immer lügen und +3 anklicken ;-). Zum zweiten Testteil, der unter enormen Zeitdruck zu bearbeiten war, muss ich anmerken, dass manche Fragen, bei denen man z. B. lesen und sich das Gelesene merken muss oder aus einer Reihe von Wörtern (Tisch, Stuhl, Schrank, Krawatte) das auswählen muss, welches nicht dazu passt (Krawatte!), oder Hypothesen nach Richtigkeit beurteilen muss (2 Angaben: Alles Grüne ist ein Ball, manche Bälle sind rund und dann 4 Aussagen, bei denen man angeben muss, ob eine oder keine richtig ist), Ausländer oder Legastheniker, die langsamer lesen, von vornherein im Nachteil sind. Die Zeit ist irre knapp! Alle Teilnehmer sollten übrigens sitzen bleiben, auch wenn man früher mit dem Test fertig war, denn sonst würde man die Restlichen noch zusätzlich verunsichern... es sei denn, dies ist erwünscht. Hesse/Schrader Die 100 wichtigsten Tipps zum Assessment Center Stark Verlag 3

Zu 3. Ohne Pause ging es weiter zur Selbstpräsentation. Sie sollte 3 Minuten dauern, ausdrücklich nicht den Lebenslauf wiedergeben und folgende Fragen beantworten: Was macht meine Persönlichkeit aus? Was war bisher die größte Herausforderung? Was hat mich am meisten geprägt? Wie würde ich meinen Stil beschreiben? Man bekam etwa 10 Minuten Vorbereitungszeit. Das ist sehr wenig, weil man von dem PC-Test noch völlig neben der Spur war. Dabei ist zu bemerken, dass ca. die erste Hälfte der Teilnehmer nur auf diese Fragen eingegangen ist, vom Ausland oder persönlichem Engagement erzählten, ab der Hälfte kippte das Ganze aber irgendwie und es standen nur noch Praktika im Vordergrund, die restlichen Fragen wurden nur beiläufig beantwortet. Was jetzt besser/richtiger gewesen wäre, würde mich heute noch interessieren. Bei der Selbstpräsentation kam eine weitere Dame hinzu (Outfit genauso chic wie bei der ersten Dame). Mitten in der dritten Präsentation kam dann unangekündigt ein älterer Herr (unauffällig gekleidet) dazu, der sich die restlichen Teilnehmer anhörte und anschießend wieder wortlos verschwand. Was für ein Auftritt! Zu 4. In die Mittagspause ging man geschlossen mit der ersten jungen Dame in die Kantine. Beim Essen hat man deutlich gemerkt, dass die Dame zwei Kandidaten bereits persönlich gut kennt nun ja, kein gutes Gefühl, da das Unternehmen nicht 20 Plätze zu vergeben hat. Zu 5. Gruppenarbeit. Man hat eine Aufgabe bekommen, grob gesagt: Expansion ja/nein, wenn ja, welches Objekt. Wir haben uns in drei Gruppen aufgeteilt. Meine Gruppe bestand aus fünf Leuten und hatte nur einen Beobachter (kein gutes Verhältnis, finde ich), der noch nicht mal durchgehend bei uns war. Ansonsten wie Gruppenarbeit eben so ist, jeder kämpft um die Leaderposition, was weder die Effektivität noch die Stimmung hebt. Genauso verlief auch die Gruppenpräsentation. Zu 6. Der Fashiontest. Bestand hauptsächlich aus Fragen, welches Accessoire zu welchem Outfit passt? Oder: 10 Hemden, eine Krawatte: Welches Hemd passt zur Krawatte? Mehrere Fotoaufgaben dieser Art, mehrere Marken, welche Marke passt vom Stil her zu welchem Foto? Ich habe mich fast durchgehend gefragt, wozu dieser Test, wenn ich mich nicht für den Fashionbereich, Marketing oder Einkauf bewerbe? Was spielt es da für eine Rolle, ob ich anhand eines Fotos sagen kann, das Kleid ist von Dior? Eine Stelle war zu vergeben. Ich habe eine Absage bekommen. Nicht per E-Mail oder Anruf. Man musste sich im Internetprofil einloggen und bekam lediglich dort die Absage zu lesen, was doch etwas schwach ist für ein so großes Unternehmen. Ich dachte immer: Geld verdirbt den Charakter möglicherweise Mode auch? Na gut, gehe ich zukünftig zu C&A... Gesamteindruck: Nicht so schlimm wie erwartet, aber überraschend anders. Die erfahrene Bankerin im Personalentwicklungs-Assessment-Center Hannah F., 40 Jahre, will in ihrer Bank mehr Verantwortung übernehmen. Dazu musste sie ein zweitägiges AC absolvieren und berichtet: Seit mehreren Jahren arbeitete ich bereits in der privaten Kreditvergabe einer großen deutschen Bank in Hamburg. Ich war erfolgreich, hatte aber auch das Gefühl, dass für mich beruflich noch mehr drin sein müsste. Zugegeben, ich bin durchaus ehrgeizig. Zu meinem Vorgesetzten bestand ein gutes Verhältnis, er förderte mich, wo er konnte. Wir hatten eine Art Mentoren-Mentee-Verhältnis. Von ihm erfuhr ich, dass ich innerhalb der Bank aufsteigen könne. Er kümmerte sich darum, mich mit den richtigen Entscheidern ins Gespräch zu bringen, und so wurde ich eines Tages angesprochen, ob ich nicht an einem breit angelegten Assessment Center teilnehmen wolle, in dem es um Führungsaufgaben gehe. Natürlich wollte ich und so erhielt ich die Einladung zu einem zweitägigen AC in einem Sporthotel in Sachsen. Mit mir sollten aus der ganzen Bundesrepublik Bankmitarbeiter dabei sein, um sich für eine Hesse/Schrader Die 100 wichtigsten Tipps zum Assessment Center Stark Verlag 4

Führungsaufgabe zu empfehlen. Ich hatte mich mithilfe von Literatur gut auf das AC vorbereitet und bin entspannt dorthin gefahren. Nach der Anreise und nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten, ging es gleich zum Abendessen. Dort trafen sich neben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern es war pari pari auch die Leute, die uns in den kommenden zwei Tagen begutachten sollten. Das wussten wir nicht, sondern stellten es erstaunt am nächsten Tag fest, als es an die richtige Vorstellung ging. Da ich mich gut vorbereitet hatte, wusste ich, dass unser Verhalten auch außerhalb der AC-Veranstaltung begutachtet wurde, und so bin ich beim Abendessen freundlich-neutral aufgetreten. Wir waren rund 20 AC-Teilnehmer aus ganz Deutschland. Um uns offiziell miteinander bekannt zu machen, wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt und in jeder Gruppe mussten sich Paare bilden. Diese sollten sich nun gegenseitig interviewen und dann jeweils den anderen vorstellen. Bei mir und meiner Partnerin klappte das ganz gut, denn wir hatten uns schon am Vorabend kennengelernt und wichtige Daten ausgetauscht. Die anderen hatten es da schwerer. Aber auch für uns beide sollte es noch unangenehm werden. Im Anschluss an die Vorstellungsrunde ging es ans Eingemachte. Wir wurden in kleine Gruppen unterteilt und bekamen die Aufgabe, darüber zu diskutieren, wie man am besten mit den aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage anstehenden Personalentlassungen umgehen solle. Ich bin in der Lage, dezidiert zu diskutieren, wollte mich aber nicht so peinlich produzieren wie einer aus der Gruppe, der offenbar meinte, dass in einer Gruppendiskussion nur die Durchsetzungsfähigkeit des Einzelnen zählt. Ich hingegen brachte den menschlichen Faktor mit in die Diskussion ein, scheute mich aber nicht davor, Personalentlassungen als notwendige Maßnahme zu akzeptieren. Alles in allem habe ich mich so meine Einschätzung ganz tapfer in dieser Situation geschlagen. Beim anschließenden Mittagessen fiel ein wenig von der Anspannung des Vormittages ab und ich hatte ein gutes Gefühl. Diese positive Grundstimmung war wichtig für die weiteren eineinhalb Tage und ein großer Motivationsfaktor. Nach der Pause kamen wir zu einer Übung, zu der ich absolut keine Lust hatte: Postkorb. Von ihr hatte ich schon gelesen. Durch meine Abneigung und innere Blockade hielt ich mich prompt zu lange mit Einzelheiten auf. Die letzte Übung an diesem ersten Tag war ein Rollenspiel (eins von zweien), das wir untereinander spielen sollten. Wir hatten es mit einem schwierigen Kunden zu tun, der unzufrieden war mit unserer Zinspolitik. Und da dieser Kunde von einem meiner Mitbewerber gespielt wurde, kam ein gewisses Konkurrenzverhältnis zwischen uns zum Tragen. Es war so, dass von den 20 Teilnehmern fünf einen neuen Vertrag angeboten bekommen sollten. Also versuchte mein Gegenüber, einen besonders schwierigen Kunden zu spielen. Ich ließ mich davon nicht aus der Ruhe bringen, sondern erklärte ihm mehrfach geduldig unsere Preispolitik. Die Absolvierung dieser Übung brachte mir große Sympathien ein, wie mir später berichtet wurde. Am nächsten Tag bekamen wir jeweils in Gruppen von vier Leuten eingeteilt die Aufgabe, eine Firma für Miederwaren (!) wieder auf Vordermann zu bringen. Wir sollten entscheiden, in welche Richtung das Unternehmen gehen soll entweder in die Massenproduktion oder in die High-Price- Nische. Wir diskutierten hin und her, und ich war es dann, die das Ergebnis präsentierte, nicht ganz unaufgeregt vor so vielen Leuten, aber irgendwie hat das auch Spaß gemacht. Dann wurde es noch einmal richtig schwierig. In einem strukturierten Interview fühlten mir gleich drei Assessoren auf den Zahn. Dabei stellten sie auch Fragen, deren Beantwortung ich elegant zurückwies. Ich wurde über meine Familienplanung (ich war damals bereits Mutter einer Tochter) befragt, und zwar ganz konkret, ob ich erneut schwanger sei. Das habe ich mit einem lächelnden Sie wissen, dass Sie das eigentlich nicht fragen dürfen abgebügelt, was mir offenbar Punkte einbrachte, weil man sich nicht alles bieten lassen sollte. Sich abgrenzen zu können ist wichtig, besonders wenn es um Führungsaufgaben geht. Im Abschlussgespräch, in dem uns mitgeteilt wurde, wer einen neuen Vertrag und damit eine neue Position bekommen soll, hoben die Assessoren besonders mein Geschick hervor, mit Menschen umzugehen und dabei zwar führungsstark, aber auch kompromissbereit zu sein. Heute leite ich die Abteilung, in der ich vorher eine der Mitarbeiterinnen war, und es geht mir richtig gut damit. Ich habe das AC auch als Möglichkeit angesehen, mir meine Stärken und Schwächen noch einmal vor Augen zu führen. Nach einigen Jahren im Job ist einem das oft nicht mehr so klar. Hesse/Schrader Die 100 wichtigsten Tipps zum Assessment Center Stark Verlag 5