Sehen im Alter. Leitfaden für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der stationären Altenpflege



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Transkript:

Sehen im Alter Leitfaden für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der stationären Altenpflege

Impressum Herausgeber: Blindeninstitutsstiftung Ohmstraße 7, 97076 Würzburg www.blindeninstitut.de sehen-im-alter@blindeninstitut.de Die Beiträge für den vorliegenden Leitfaden wurden von den verschiedenen Kooperationspartnern des Projektes Sehen im Alter erstellt. Dafür danken wir dem Caritasverband für die Diözese Würzburg e. V., der Universitäts-Augenklinik Würzburg, dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e. V., den Mitarbeiterinnen der Blindeninstitutsstiftung in Würzburg und den freiberuflichen Rehabilitationslehrerinnen für Orientierung und Mobilität und Lebenspraktische Fähigkeiten Martina Hickisch und Ingeborg Brendel. Redaktion: Sabine Kampmann Anna-Maria Koob-Matthes Thomas Kandert Lektorat: Hannelore Ohle, indivisio. Stuttgart Fotos und Bildbearbeitung: Manuel Reger, Würzburg Blindeninstitutsstiftung Henrie / fotolia.com Peter Hermes Furian / fotolia.com Kuttelvaserova Stuchelova / shutterstock.com Jens Gade / Thinkstock Gestaltung und Druck: bonitasprint gmbh, Würzburg Ausgabe Mai 2015

Sehr geehrte Damen und Herren, We il du die Auge n offe n hast, glaubst du, du sie hst, muss sich Goe the s Egmont im gle ichnamige n Stück sage n lasse n. Ähnlich ge ht e s vie le n Ange hörige n, die ihre Lie be n in Pfle ge e inrichtunge n be suche n und sich nicht we ite r wunde rn, we nn die se Tasse n umschütte n ode r sich unsiche r übe r de n Flur be we ge n. Dass die se Vorfälle mit e ine r rapide abne hme nde n Se hfähigke it zu tun habe n könnte n, kommt ihne n nicht in de n Sinn. Wie übrige ns auch nicht manche n Pfle ge kräfte n, He imle itunge n und Träge rn. In we lche r Bre ite Se hbe e inträchtigunge n die Le be nsqualität älte re r Me nsche n im He im minde rn, wie man mit e ine r Se hbe e inträchtigung umge ht ode r wie übe rhaupt e ine Se hbe e inträchtigung e rkannt wird, war bishe r vie l zu we nig be kannt. Das gilt ab sofort nicht me hr! Mit de m e inzigartige n Mode llproje kt Se he n im Alte r ist e s de n Ve rantwortliche n ge lunge n, e ine schme rzliche Lücke zu schlie ße n. Und sie schaffe n vie l me hr als das. Mit de m vorlie ge nde n Le itfade n ge lingt e s ihne n, die höchst aufschlussre iche n Erge bnisse ihre r wisse nschaftliche n Erhe bunge n in die Praxis zu übe rtrage n. Pfle ge be dürftige in ganz De utschland könne n so unmitte lbar von de n ne u ge wonne ne n Erke nntnisse n profitie re n. Ich fre ue mich, dass me in Haus, das Baye rische Staatsministe rium für Ge sundhe it und Pfle ge, das Proje kt de r Blinde ninstitutsstiftung in Würzburg in Koope ration mit de m Caritasve rband für die Diöze se Würzburg finanzie ll förde rn konnte. Me in Dank gilt alle n Be te iligte n, ne be n de n be re its Ge nannte n auch de r Unive rsitäts-auge nklinik Würzburg, de m Baye rische n Blinde n- und Se hbe hinde rte nbund und de r Johann Wilhe lm Kle in-akade mie. Es gilt nun, zum Wohle alle r se hbe e inträchtige n älte re n und auch an De me nz e rkrankte n Me nsche n, die Erke nntnisse in die Fläche zu trage n, Schlüsse daraus zu zie he n und Ve rände runge n anzustoße n. Dafür we rde ich mich als Ge sundhe its- und Pfle ge ministe rin e inse tze n! Ihre Melanie Huml (MdL) Baye rische Staatsministe rin für Ge sundhe it und Pfle ge Grußworte 1

Sehr geehrte Damen und Herren, e s ist e ine positive Nachricht, die vie l zu se lte n ge me lde t wird: Die Me nsche n in De utschland le be n imme r länge r. Die durchschnittliche Le be nse rwartung, he ute 83 Jahre be i Fraue n und 78 Jahre be i Männe rn, ste igt je de s Jahr dank Frie de nsze ite n und me dizinische n Fortschritts um zwe i Monate. Und wie ge he n wir damit um? Wir proble matisie re n die se Entwicklung zu e ine m de r Hauptfaktore n de s de mografische n Wande ls, e in Be griff, de r vie le be re its be i se ine r Ne nnung zusamme nzucke n lässt. Dabe i sollte n wir die ge wonne ne Le be nsze it schätze n, die wir in alle r Re ge l be i gute r Ge sundhe it ve rbringe n. Erfahrunge n in Pfle ge e inrichtunge n ze ige n, dass Alte rskrankhe ite n nicht länge r als frühe r daue rn, sonde rn sich ins höhe re Le be nsalte r ve rschie be n. Das ist gut für je de n Einze lne n von uns. Von die se r e rfre uliche n Entwicklung profitie re n auch Me nsche n mit Be hinde rung. Inzwische n könne n vie le von ihne n e be nso auf e in e rfüllte s, imme r länge re s Le be n zurückblicke n. Durch e ine ve rbe sse rte und individue lle Be tre uung e rre iche n sie imme r häufige r das Re nte nalte r. Doch die s ist nicht de r e inzige Grund, warum die Zahl de r schwe rbe hinde rte n Me nsche n in De utschland we ite r ste igt, von zurze it 7,5 Millione n auf ge schätzte 8,5 Millione n im Jahr 2050. Die ge burte nstarke n Jahrgänge komme n nun in e in Alte r, in de m Be hinde runge n durch Unfälle und chronische Krankhe ite n häufige r we rde n. Dre i Vie rte l de r Me nsche n mit ane rkannte r Schwe rbe hinde rung sind übe r 55 Jahre alt. Die He rausforde rung lie gt also nicht im ste ige nde n Le be nsalte r je de s Einze lne n, sonde rn im höhe re n Umfang de r Be tre uung e ine r imme r größe r we rde nde n Anzahl von alte rsbe dingt be hinde rte n und pfle ge be dürftige n Me nsche n. Die s schlie ßt je nach Schätzung die übe r e ine Million se hbe hinde rte n Me nsche n e in. Blindhe it und Se hbe hinde rung sind e ine Alte rse rsche inung, auch das Auge ble ibt von de m Alte rungsproze ss nicht ve rschont. So sind 83 Proze nt de r blinde n und se hbe hinde rte n Me nsche n übe r 55 Jahre alt, was vor alle m auf die alte rsbe dingte n Volkskrankhe ite n wie Makulade ge ne ration und Diabe te s me llitus zurückzuführe n ist. Be i e ine r älte r we rde nde n Ge se llschaft wie in De utschland wird sich die Zahl de r Auge ne rkrankunge n im Alte r we ite r e rhöhe n, so dass e s im Jahr 2030 minde ste ns e in Dritte l me hr blinde und se hbe hinde rte Me nsche n ge be n könnte. We il das Se he n Zugang zu alle n Le be nssituatione n e rmöglicht, sind die Konse que nze n be i Ve rlust ode r Einschränkung de r Se hfähigke it gravie re nd. De n be troffe ne n Se niore n ist e s wichtig, ihr Le be n so lange wie möglich se lbst zu ge stalte n, unabhängig zu se in und im ge wohnte n Umfe ld zu le be n. Dabe i wünsche n sie sich e ine de r Se hfähigke it e ntspre che nde Be tre uung und Unte rstützung e gal ob sie zu Hause, in e ine r Se niore n- ode r Be hinde rte ne inrichtung wohne n. Sowe it wie möglich möchte n sie ihre Eige nständigke it e rhalte n und unte r Einsatz von Se hhilfe n, Orie ntie rungshilfe n und me dikame ntöse r Ve rsorgung we ite rhin 2 Le itfade n Se he n im Alte r

aktiv se in. De r Wunsch nach Siche rhe it, abe r be sonde rs auch nach Kommunikation, Be ge gnung und Austausch ist groß. Die Blinde ninstitutsstiftung be gle ite t se it übe r 160 Jahre n se hbe hinde rte und blinde Me nsche n in alle n Le be nsphase n und Le be nsbe re iche n. Wir möchte n ihne n Pe rspe ktive n ge be n, Bildung e rmögliche n und We ge aufze ige n, ihr Le be n se lbstbe stimmt zu ge stalte n. Wir bie te n ihne n Schule n, We rkstätte n, Wohne inrichtunge n und vie lfältige soziale Te ilhabe. Re agie re nd auf die de mografische Entwicklung und de n damit ve rbunde ne n de utliche n Anstie g alte rsbe dingte r Se hbe e inträchtigunge n, ste lle n wir uns die se r ne ue n He rausforde rung. Durch unse r Mode llproje kt Se he n im Alte r, unte rstützt vom Baye rische n Ge sundhe itsminis te rium, e rhält die se s The ma e ine ganz ne ue Pe rspe ktive. We il übe r die Hälfte de r Ne ue rblindunge n und Se hbe hinde runge n be i Me nsche n im Alte r ab 75 Jahre n auftre te n, gibt e s ge rade in die se r Alte rsgruppe e ine n e rhöhte n Be darf an Auge nprüfunge n, Hilfsmitte ln und Unte rstützungsange bote n. Einrichtunge n de r Alte npfle ge sind noch zu we nig auf die se Anforde runge n e inge ste llt. Dahe r habe n wir in de m Mode llproje kt e rstmalig die Se hle istung von Se niore n in unte rfränkische n Alte npfle ge e inrichtunge n unte rsucht und Einrichtunge n, Be wohne r und de re n Ange hörige e ntspre che nd be rate n. Die Erge bnisse habe n wir ge samme lt und in de m vorlie ge nde n Le itfade n ge bünde lt. Die se r e rste Schritt zu e ine r Ve rne tzung de r Se hbe hinde rte nhilfe und Alte nhilfe ist me ine r Übe rze ugung nach unve rzichtbar, um ge me insam die zukünftig imme r größe r we rde nde Zahl von Me nsche n mit alte rsbe dingte n Se hbe hinde runge n nicht nur be tre ue n, sonde rn fachge re cht ve rsorge n zu könne n. Ich würde mich fre ue n, we nn das Mode llproje kt Se he n im Alte r e ine n Impuls se tzt, die inte rdisziplinäre Zusamme narbe it auch in ande re n Re gione n zu be ginne n. Wir könne n die He rausforde runge n ge me insam ange he n und von unse re r ge ge nse itige n Expe rtise le rne n. De nn e s ge ht darum, dass wir e s de n uns anve rtraute n Me nsche n le ichte r mache n, die ge wonne ne n Le be nsjahre im Alte r aktiv und se lbstbe stimmt zu ge nie ße n und ihre n Le be nsabe nd nach de n e ige ne n Vorste llunge n zu e rle be n. Ihr Dr. Marco Bambach Vorstand Blinde ninstitutsstiftung Grußworte 3

Das Projekt Sehen im Alter konnte nur mit der Unterstützung vieler Kooperationspartner durchgeführt werden. Wir danken herzlich: alle n Be wohne rinne n und Be wohne rn sowie de n Mitarbe ite rinne n und Mitarbe ite rn de r te ilne hme nde n Se niore ne inrichtunge n in Unte rfranke n. unse re n Koope rationspartne rn: de m Caritasve rband für die Diöze se Würzburg e. V., de r Unive rsitäts-auge nklinik Würzburg, de m Baye rische n Blinde n- und Se hbe hinde rte nbund e. V., de r Johann Wilhe lm Kle in-akade mie GmbH. alle n Autore n de s vorlie ge nde n Le itfade ns. Für die finanzielle Förderung danken wir herzlich: de m Baye rische n Staatsministe rium für Ge sundhe it und Pfle ge. de r Edith-Mühlschle ge l-stiftung und de r Stiftung Dahe im im He im. 4 Le itfade n Se he n im Alte r

Inhaltsverzeichnis 1 Das Mode llproje kt Se he n im Alte r 7 1.1 Se hbe hinde rung und Blindhe it im Alte r e ine He rausforde rung für die stationäre Alte npfle ge 7 1.2 Le itge danke de s Proje kte s Se he n im Alte r 8 1.3 Hinwe ise zur Be nutzung de s Le itfade ns 10 2 Basiswisse n Se he n im Alte r 11 2.1 Wie wir se he n 11 2.2 Warum ist das Se he n im Alte r ande rs? 14 2.3 Wie wirke n sich Auge ne rkrankunge n auf das Se he n aus? 18 2.4 Auge npfle ge und Tropfe napplikation 24 2.5 Se hfunktionsprüfung be i Me nsche n mit De me nz 27 2.6 Se hbe hinde rung und Blindhe it De finition und ge se tzliche Ansprüche 28 3 Unte rstützung im Alltag 31 3.1 Die Lust am Le se n wie de r e ntde cke n Se hhilfe n und Hilfsmitte l 31 3.2 Mobil und gut ge wappne t für de n Alltag durch Re habilitation 35 3.3 Siche r Führe n Te chnike n de r Se he nde n Be gle itung 40 4 Barrie re fre ie s Wohne n 41 4.1 Licht, Farbe n und Kontraste Grundlage n se hge re chte n Wohne ns 41 4.2 Barrie re n abbaue n Anre gunge n für die Ge staltung von Wohnbe re iche n 47 5 Qualitätsme rkmale e ine r se hge re chte n Einrichtung de r stationäre n Alte npfle ge 54 6 Anme rkunge n zum Schluss 56 7 We ite rführe nde Informatione n 57 7.1 Wichtige Adre sse n für Ihr Ne tzwe rk 57 7.2 DIN-Norme n und Richtlinie n auf e ine n Blick 59 7.3 Que lle n- und Lite raturhinwe ise 60 Inhaltsve rze ichnis 5

6 Le itfade n Se he n im Alte r

1 Das Modellprojekt Sehen im Alter Ein im Alte r e rworbe ne r Se hve rlust wirkt sich auf vie le Le be nsbe re iche se hr unte rschie dlich und individue ll aus. Häufig be ste he n zusätzlich funktionale, motorische und kognitive Einschränkunge n, die die Handlungsfähigke it in de n ve rschie de ne n Alltagssituatione n e rschwe re n. Ein barrie re fre i ge stalte te s Wohnumfe ld, die ge siche rte und re ge lmäßige auge närztliche Ve rsorgung, das Anwe nde n von Hilfsmitte ln sowie re habilitative und psychosoziale Be ratungsange bote könne n he lfe n, e ine Se hminde rung zuminde st te ilwe ise auszugle iche n. Frühze itig e inse tze nde Ange bote ste lle n siche r, dass Be troffe ne se lbstbe stimmt und aktiv am ge se llschaftliche n Le be n te ilhabe n könne n. Pfle ge und Be tre uung se hbe hinde rte r und blinde r Me nsche n sind aufwe ndige r. Profe ssione lle Unte rstützung kann be ste he nde ode r ve rlore n ge gange ne Alltagskompe te nze n förde rn und das Zusamme nle be n in e ine m siche re n soziale n und räumliche n Umfe ld positiv be e influsse n. In de m Proje kt Se he n im Alte r Me nsche n mit Se hbe e inträchtigung in Einrichtunge n für Se niore n habe n ve rschie de ne Be rufsgruppe n, die sich mit de m The ma Se he n be fasse n, übe r dre i Jahre zusamme nge arbe ite t. Dadurch konnte n die Auswirkunge n nachlasse nde n Se he ns im Alte r inte rdisziplinär und damit fachübe rgre ife nd be trachte t und ausge we rte t we rde n. 1.1 Sehbehinderung und Blindheit im Alter eine Herausforderung für die stationäre Altenpflege Me nsche n mit e ine r normale n Se hfähigke it könne n sich kaum vorste lle n, dass sich das Se hve rmöge n abhängig von Tage sze it, Lichtve rhältnisse n und Ermüdung ände rn kann. Fast achtzig Proze nt de r tägliche n Informatione n we rde n übe r die Auge n aufge nomme n. Die soziale, kulture lle und te chnische Umge bung ist auf e in gute s Se he n ausge richte t und e rfüllt damit e ine wichtige Vorausse tzung für die pe rsönliche Le be nsqualität. So e rmöglicht e in gute s Se hve rmöge n e ine siche re Mobilität, die Te ilhabe an de r Ge se llschaft und de n ge istige n Austausch durch Le se n und Schre ibe n. Im höhe re n Alte r tre te n ve rme hrt Auge ne rkrankunge n mit e xpone ntie lle r Zunahme im we ite re n Le be nsve rlauf auf. Se hschärfe, Anpassung an He lligke itsunte rschie de und Kontraste mpfindlichke it ne hme n ab, Ble nde mpfindlichke it und Lichtbe darf je doch zu. Eine sich e rst im Alte r manife stie re nde Se hbe e inträchtigung führt zu e ine m spürbare n Ve rlust an Le be nsqualität, we il bishe rige Aktivitäte n gar nicht me hr ode r nur noch e inge schränkt ausge führt we rde n könne n, und die Be troffe ne n auf Unte rstützung und Hilfe ange wie se n sind. Visue lle Be e inträchtigunge n be e influsse n Le se fähigke it, Mobilität und alltägliche Le be nsbe re iche. Sie führe n nicht se lte n zu de pre ssive n Ve rstimmunge n bis hin zu e ine m soziale n Rückzug. Zude m ist das Sturzrisiko e rhöht. Eine Se hbe hinde rung im Alte r tritt häufig nicht abrupt auf, sonde rn ve rläuft schle iche nd, so dass de r Se hve rlust von de n Be troffe ne n abe r auch von ihre m Umfe ld nicht sofort e rkannt und wahrge nomme n wird. Ve rschie de ne alltägliche Aufgabe n könne n nur noch e in- Das Mode llproje kt Se he n im Alte r 7

ge schränkt ode r gar nicht me hr durchge führt we rde n, was zunächst nicht mit de m Se he n in Ve rbindung ge bracht wird. De n Mitarbe ite rn in Pfle ge e inrichtunge n sollte durch Fortbildunge n ve rmitte lt we rde n, we lche Auswirkunge n alte rsbe dingte Auge ne rkrankunge n habe n und we lche Hilfsmitte l und profe ssione lle n Be ratunge n zur Ve rfügung ste he n. Ge schulte s Pe rsonal kann individue ll auf die Be dürfnisse se hbe hinde rte r und blinde r Be wohne r e inge he n. Ge zie lte Förde rung kann dazu be itrage n, be ste he nde ode r zum Te il schon ve rlore nge gange ne Alltagskompe te nze n aufre chtzue rhalte n bzw. die se wie de rzue rlange n. De me nze rkrankunge n sind e ine wachse nde ge se llschaftliche He rausforde rung. De rze it gibt e s in De utschland rund 1,4 Millione n an De me nz e rkrankte Me nsche n. Orie ntie rungslosigke it, fe hle nde Aufme rksamke it und de r Ve rlust funktionale r Fähigke ite n we rde n mögliche rwe ise als Symptome e ine r be ginne nde n De me nze rkrankung ge de ute t, könnte n abe r auch Auswirkunge n e ine s Se hve rluste s se in. In e ine r Studie von S. Le hrl und K. Ge rstme ye r (2004) konnte nachge wie se n we rde n, dass e ine Minde rung de r Informationsve rarbe itung be dingt durch e ine n Graue n Star de n Ansche in e rwe ckt, e ine Alte rsde me nz zu e ntwicke ln. Nachde m de r Graue Star ope rie rt wurde und visue lle Informatione n wie de r zugänglich ware n, konnte n die Symptome für e ine De me nz nicht me hr be stätigt we rde n. Um Fe hle inschätzunge n zu ve rme ide n, ist e ine Diffe re nzialdiagnostik zwische n auge närztliche n und ge rontologische n Fachbe re iche n se hr wichtig. 1.2 Leitgedanke des Projektes Sehen im Alter De m de mografische n Wande l und de r damit ste ige nde n Le be nse rwartung ge mäß ne hme n Se hbe hinde rung und Blindhe it im Alte r zu. Bislang gab e s ke ine Studie n darübe r, wie hoch de r Ante il se hbe hinde rte r und blinde r Me nsche n in Pfle ge e inrichtunge n ist, und wie sich frühze itige Präve ntionsmaßnahme n mit e ntspre che nde n Unte rstützungsange bote n auf die Le be nsqualität de r Be wohne r auswirke n. Die Studie zur ärztliche n Ve rsorgung in Alte n- und Pfle ge he ime n (SÄVIP, 2005) be stätigt, dass auge närztliche Unte rsuchunge n se lte n stattfinde n. Um e ine obje ktive Date ngrundlage zu e rhalte n, wurde auf Initiative de r Blinde ninstitutsstiftung im Mai 2012 e in dre ijährige s Proje kt zum The ma Se he n im Alte r Me nsche n mit Se hbe e inträchtigung in Einrichtunge n für Se niore n initiie rt. De r Le itge danke de s Proje kte s war, dass e in re ssource norie ntie rte s me dizinische s, re habilitative s und soziale s Unte rstützungsange bot nur dann e ntwicke lt we rde n kann, we nn ve rschie de ne Be rufsgruppe n in e ine m profe ssione lle n Mite inande r die Komple xität e ine r e rworbe ne n Se hbe hinde rung und Blindhe it im Alte r e rfasse n. Die fachliche n Blickwinke l e rhöhe n die Effe ktivität von Diagnostik und Re habilitation und e rwe ite rn die Ange bote für se hbe hinde rte und blinde Me nsche n. Das Proje kte ntwicklungs-konze pt be rücksichtigte die se n Aspe kt, und e in Te am aus Auge närzte n, Orthoptiste n, Optome triste n und Re habilitationsle hre rn für Orie ntie rung und 8 Le itfade n Se he n im Alte r

Mobilität wurde zusamme nge ste llt. Die inte rdisziplinäre Zusamme narbe it e röffne te de n 600 Be wohne rn in de n 20 te ilne hme nde n unte rfränkische n Pfle ge e inrichtunge n e in fachübe rgre ife nde s Be ratungsange bot. Be i Me nsche n mit De me nz und Be hinde runge n konnte mit spe zie lle n Se hte sts die Se hfunktion unte rsucht we rde n. Optische und e le ktronische Hilfsmitte l sowie Lampe n mit unte rschie dliche n Be le uchtungsarte n wurde n individue ll ange passt und e rprobt. Die auge närztliche Diagnostik wurde mit e ine r stationäre n Spaltlampe und e ine m spe zie lle n Ge rät zur Erke nnung von Ne tzhaut- und Ade rhaut-erkrankunge n (OCT/ optische Kohäre nztomographie ) durchge führt. Be i be ttläge rige n und de me nzie lle n Be wohne rn konnte n die Auge n mit Hilfe e ine r mobile n Handspaltlampe und e ine m Auge ninne ndruckme ssge rät (Tonome te r) unte rsucht we rde n. Barrie re fre ie Räume führe n zu we nige r Stürze n und siche rn die Fortbe we gung. Eine Re habilitationsle hre rin für Orie ntie rung und Mobilität hat die Einrichtunge n die sbe züglich be rate n und Blinde nhilfsmitte l, die de n Le be nsalltag e rle ichte rn, vorge ste llt. De n Mitarbe ite rn wurde n im Rahme n de s Proje kte s Fortbildunge n ange bote n. In e ine r Art Se lbste rfahrung konnte n sie e rste Eindrücke darübe r ge winne n, wie unte rschie dlich sich e ine e rworbe ne Se hbe hinde rung und Blindhe it im Alte r auswirke n kann. Fe ste r Be standte il de s Proje kte s ist e ine wisse nschaftliche Studie de r Unive rsitäts-auge nklinik Würzburg, die die Unte rsuchungse rge bnisse von 200 Be wohne rn auswe rte t. Die Erge bnisse könne n auf de r We bse ite www.blinde ninstitut.de /se he n-im-alte r nachge le se n we rde n. Das Mode llproje kt Se he n im Alte r 9

1.3 Hinweise zur Benutzung des Leitfadens Ze ntrale s Anlie ge n de s Proje kte s war e ine praxisnahe Handhabung, die die Pfle ge e inrichtunge n in de r Be gle itung se hbe hinde rte r und blinde r Me nsche n unte rstützt. De r vorlie ge nde Le itfade n soll de r stationäre n Alte npfle ge e in be sse re s Ve rständnis für Me nsche n mit e ine r e rworbe ne n Se hbe hinde rung und Blindhe it im Alte r ve rmitte ln, und e r will Be wusstse in und Achtsamke it für die se s The ma stärke n. Aus de n Erge bnisse n de s Proje kte s wurde n se hbe hinde rte nspe zifische Qualitätsme rkmale de finie rt, die als Handlungse mpfe hlung für stationäre Pfle ge e inrichtunge n die ne n könne n. De r Le itfade n richte t sich an Le itunge n von Pfle ge e inrichtunge n, Pfle ge - und the rape utische s Fachpe rsonal sowie Archite kte n. We rde n Pe rsone n- ode r Be rufsbe ze ichnunge n aus Gründe n de r be sse re n Le sbarke it le diglich in de r männliche n ode r we ibliche n Form ve rwe nde t, so schlie ßt die s das je we ils ande re Ge schle cht se lbstve rständlich mit e in. Die bildlichen Darstellungen sollen die visue lle n Einschränkunge n und die Auswirkunge n e ine r Se hbe hinde rung be sse r nachvollzie hbar mache n Hinwe ise auf optische und e le ktronische Hilfsmitte l be i e ine r Se hbe hinde rung und Blindhe it ge be n Re habilitationsange bote für hochgradig se hbe hinde rte und blinde Me nsche n be kannt mache n Impulse se tze n, damit durch Be le uchtung, Kontraste, Farbe n und Markie runge n Wohnbe re iche barrie re fre i ge stalte t we rde n Für das be sse re Ve rständnis finde n sich an e inige n Ste lle n im Le itfade n zwe i Bilde r ne be ne inande r, die e in ne gative s und positive s Be ispie l für die im Te xt ge nannte Situation illustrie re n. Das ne gative Be ispie l ist imme r links platzie rt und durch e ine n rote n Balke n ge ke nnze ichne t, das positive Be ispie l be finde t sich re chts dane be n und ist mit e ine m grüne n Balke n markie rt. 10 Le itfade n Se he n im Alte r

2 Basiswissen Sehen im Alter 2.1 Wie wir sehen Der Aufbau des Auges und der Sehvorgang Die Auge n zähle n zu de n be de utsamste n und auch se nsibe lste n Sinne sorgane n. Ne be n de m Erke nne n von Ge ge nstände n und Pe rsone n ist auch das Se he n für die Ste ue rung de r Kommunikation, für die Fortbe we gung und zur räumliche n Orie ntie rung wichtig. Millione n von Se hze lle n wande ln die vom Auge aufge nomme ne n Lichtre ize in e le ktrische Signale um, die vom Ge hirn ve rarbe ite t we rde n. Das Se he n be ginnt im Auge, doch e rst unse r Ge hirn (visue lle r Corte x) se tzt die Informatione n zu e ine m fe rtige n Bild zusamme n. Be i dire kte r Be trachtung de s Auge s be finde t sich im Ze ntrum die Pupille als schwarze r runde r Fle ck inmitte n de r farbige n Re ge nboge nhaut (Iris), die von de r we iße n Le de rhaut (Skle ra) umge be n ist. Übe r die durchsichtige Hornhaut, die sich übe r die Iris wölbt, und übe r die Auge nlinse (vorde re r Auge nabschnitt) wird e infalle nde s Licht ge bünde lt und auf de r Ne tzhaut (hinte re r Auge nabschnitt) abge bilde t. Die se s ge bünde lte Licht wird im Ze ntrum de r Ne tzhaut (Makula) abge bilde t. Die Makula be sitzt die höchste Dichte an lichte mpfindliche n Sinne sze lle n und ist die Ste lle de s schärfste n Se he ns. Die se Lichtsinne sze lle n wande ln die Lichtre ize in e le ktrische Signale um, die übe r de n Se hne rv in das Ge hirn ge lange n und im visue lle n Corte x zu e ine m Bild zusamme nge se tzt we rde n. Eine Normalsichtigke it mit e ine m scharfe n Se he indruck be ste ht dann, we nn das Licht e xakt ge bünde lt auf die Ne tzhaut im Be re ich de r Makula trifft. Ve rschie de ne optische Ursache n könne n dazu führe n, dass das Licht nicht e xakt in de r Ne tzhautmitte auftrifft. Eine Fe hlsichtigke it kann die Folge se in. Basiswisse n Se he n im Alte r 11

Fehlsichtigkeiten Kurzsichtigkeit (Myopie) De r Augapfe l ist im Ve rhältnis zur Bre chkraft de r Linse zu lang. Das Licht wird vor de r Ne tzhaut fokussie rt. Es e ntste ht e in unscharfe s Bild auf de r Ne tzhaut. Die se Fe hlsichtigke it kann durch das Trage n von Brille n und Kontaktlinse n ode r durch die re fraktive Chirurgie korrigie rt we rde n. Um das Licht auf de r Ne tzhaut zu bünde ln, wird e in konkave s Brille nglas (Ze rstre uungslinse Minus ) be nötigt, das die Unschärfe in de r Fe rne ausgle icht. Kurzsichtigke it Weitsichtigkeit (Hyperopie) De r Augapfe l ist im Ve rhältnis zur Bre chkraft de r Linse zu kurz. Das Licht wird hinte r de r Ne tzhaut fokussie rt. Auch hie r könne n Brille n und Kontaktlinse n die Unschärfe in de r Nähe mithilfe e ine s konve xe n Brille nglase s (Samme llinse Plus ) korrigie re n. We itsichtigke it 12 Le itfade n Se he n im Alte r

Stabsichtigkeit (Astigmatismus) Die Hornhaut ist be i e ine m astigmatische n Auge unre ge lmäßig ge wölbt. Die Lichtstrahle n we rde n nicht gle ichmäßig ge broche n und auf e ine n Punkt auf de r Ne tzhaut fokussie rt. Dadurch we rde n Punkte als Linie n wahrge nomme n und e s e ntste ht e ine Unschärfe in de r Fe rne und Nähe. Die Korre ktur e rfolgt mit e ine m zylindrische n Brille nglas. Stabsichtigke it Wie wird eine Fehlsichtigkeit korrigiert? Die Höhe e ine r Fe hlsichtigke it wird durch e ine Auge nglasbe stimmung (Bre chwe rt de r optische n Korre ktur) e rmitte lt. De r We rt de s Brille nglase s wird in Dioptrie ange ge be n und gibt Aufschluss darübe r, wie stark e in Brille nglas das Licht bre che n muss, um e ine Fe hlsichtigke it auszugle iche n. Was bedeutet Sehschärfe (Visus)? Die Fähigke ite n de r Auge n, fe inste De tails e ine s Obje kte s zu e rke nne n, wird als Se hschärfe (Visus) be ze ichne t. Sie hängt von ve rschie de ne n optische n Eige nschafte n wie Kontrast, Farbe und He lligke it ab. Be i e ine r normal se he nde n Pe rson be trägt de r Visus 1,0 und 1,6 und wird mitte ls Se hte st be stimmt. Basiswisse n Se he n im Alte r 13

2.2 Warum ist das Sehen im Alter anders? Be re its ab de m Säuglingsalte r we rde n wichtige Grundlage n für das Se hve rmöge n ge le gt. Ab de m vie rte n Le be nsjahrze hnt nimmt die Wahrsche inlichke it e ine r Auge ne rkrankung zu. Aufgrund de r de mografische n Entwicklung we rde n zwe i Dritte l alle r Auge narztpatie nte n in Zukunft älte re Me nsche n se in. Erworbe ne Auge ne rkrankunge n und alte rsbe dingte physiologische Proze sse de s Auge s und de s Ge hirns führe n zu e ine r Se hminde rung. Be i de r Alte rung finde t e in progre ssive r Abbau anatomische r Strukture n und physiologische r Funktione n statt. Die Alte rswe itsichitgke it (Pre sbyopie ) wird als e rste Ve rände rung am Auge wahrge nomme n. Ne be n die se n physiologische n (nicht krankhafte n) Ve rände runge n we ist das Auge im Alte r auch pathologische (krankhafte ) Ve rände runge n auf. Altersbedingte Veränderungen des Sehens Alte rswe itsichtigke it he rabge se tzte /s Se hschärfe / Kontrastse he n ve rlangsamte Anpassung an He lligke itsunte rschie de e inge schränkte s Ge sichtsfe ld Ve rände runge n im be idäugige n Se he n/ Farbe nse he n ve rlänge rte Re aktionsze it Physiologische (nicht krankhafte) Ursachen für Veränderungen des Sehens im Alter Neuronale Anatomische und bioche mische Alte rungsproze sse de s ze ntrale n Ne rve nsyste ms wirke n sich auf die Ve rarbe itung visue lle r Re ize aus. Unte r anatomische n Alte rungsvorgänge n ve rste ht man die Abnahme von Ne rve nze lle n im Ge hirn. Die s wirkt sich auf die Le istungsfähigke it de s Ge hirns aus. Hie rbe i hande lt e s sich um bioche mische Ve rände runge n inne rhalb de r Ze lle n. De r Ve rlust von Ne tzhautze lle n führt zu unte rschie dliche n visue lle n Wahrne hmunge n, insbe sonde re in de r Ne tzhautpe riphe rie, was räumliche Orie ntie rungsschwie rigke ite n zur Folge hat. Man ge ht davon aus, dass ne uronale Ve rände runge n das Se he n we se ntlich stärke r be e inträchtige n als optische Ursache n. 14 Le itfade n Se he n im Alte r

Kognitive Alte rsbe dingte, kognitive Ve rände runge n be e influsse n die visue lle Wahrne hmung. Die Ve rarbe itungsproze sse ve rlangsame n sich und e rschwe re n die Orie ntie rung in e ine r ne ue n Umge bung. Optische Die alte rsbe dingt e nge Pupille (se nile Miosis) wirkt sich auf die Ne tzhauthe lligke it und somit auf e inige Se hfunktione n aus. Die Ne tzhauthe lligke it e ine s älte re n Me nsche n (= 60 Jahre ) ist um zwe i Dritte l ge ringe r als be i e ine m Jünge re n (= 20 Jahre ). Be sonde rs de r Übe rgang von he lle n zu dunkle n Umge bunge n be re ite t älte re n Me nsche n be züglich de r Se hschärfe große Schwie rigke ite n, da sich die Pupille be i ge ringe r He lligke it gar nicht ode r nur we nig we ite n kann. Die Ne tzhauthe lligke it kann auch durch alte rsbe dingte Linse ntrübunge n be e influsst we rde n. Licht, das durch die Me die ntrübunge n ge stre ut (Stre ulicht) wird, ve rringe rt de n Ne tzhautkontrast. Das wirkt sich auf die Se hkraft und das Se he n be i schwie rige n Be le uchtungsve rhältnisse n aus. Aus die se n Gründe n be nötigt e in älte re r Me nsch, vor alle m in de r Nähe, me hr Licht zum Se he n. Ne be n de r Se hschärfe und de r Anpassung an He lligke itsunte rschie de (Adaptation) wird auch das Farbe nse he n be e influsst. Physiologische (nicht krankhafte) altersbedingte Veränderungen des Sehens Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) Die Alte rswe itsichtigke it be ginnt in de r Re ge l ab de m 40. Le be nsjahr. De r Elastizitätsve rlust de r Auge nlinse be wirkt, dass nahbe findliche Obje kte e rschwe rt scharf ge se he n we rde n. Eine schle iche nde Pre sbyopie e mpfinde n die me iste n Me nsche n als Minde rung ihre r Le be nsqualität. Die Alte rswe itsichtigke it lässt sich durch das Trage n von Me hrstärke ngläse rn in de n me iste n Fälle n proble mlos ausgle iche n. Eine zusätzliche Be le uchtung kann das Se he n in de r Nähe positiv unte rstütze n. Sehschärfe Ab Mitte de s 70. Le be nsjahre s ve rände rt sich die Se hschärfe. Be i e ine m übe r 75 Jahre alte n Me nsche n be trägt de r Visus 0,5 und me hr, was für das Ze itungle se n ausre iche nd ist. Eine he rabge se tzte Ne tzhauthe lligke it und die dadurch be dingte Kontrastminde rung führt zu e ine r Ve rminde rung de r Se hschärfe. Basiswisse n Se he n im Alte r 15

Kontrastsehen De r Kontrast be ze ichne t de n Unte rschie d zwische n de n he lle n und dunkle n Be re iche n e ine s Bilde s. Se hschärfe und Kontraste mpfindlichke it sind für das tägliche Se he n se hr wichtig. Be i diffuse r Be le uchtung ist das Erke nne n z. B. von Tre ppe nstufe n we se ntlich schwie rige r, we il das Kontrastse he n se lbst be i ausre iche nde r Se hschärfe re duzie rt ist. Schwinde nde Kontraste mpfindlichke it kann e ine Folge optische r Faktore n (ge ringe Ne tzhauthe lligke it, Stre ulicht an Me die ntrübunge n e tc.) ode r auch ne uronale r Ve rände runge n se in. Erste Ve rände runge n de s Kontrastse he ns tre te n ab de m vie rte n Le be nsjahrze hnt auf. Laut Blackwe ll (1971) be nötige n ca. 70 Proze nt alle r übe r 60-Jährige n e ine n dre ifach höhe re n Kontrast als e in 20-Jährige r, um e in ve rgle ichbare s Pote nzial visue lle r Funktione n zu e rre iche n. Aus die se m Grund be nötige n älte re Pe rsone n me hr He lligke it, um komple xe Obje kte e rke nne n und vone inande r unte rsche ide n zu könne n als jünge re. Eine ge ringe Kontraste mpfindlichke it wirkt sich auf unte rschie dliche Be re iche im Alltag aus, z. B. auf das Erke nne n von Ge sichte rn ode r Spie lfigure n e tc. Anpassung an Helligkeitsunterschiede Wie schon zuvor be schrie be n, ist die Hauptursache für Stre ulicht e ine Trübung de r Auge nme die n. Die daraus re sultie re nde Ble nde mpfindlichke it führt zu e ine m ve rringe rte n, subje ktiv wahrge nomme ne n Kontrast. Nicht nur Me die ntrübunge n, sonde rn auch Flüssigke itse inlage runge n in de r Ne tzhaut führe n zu Ble nde mpfindlichke it. Vor alle m am Abe nd abe r auch in Situatione n mit Ge ge nlicht (z. B. Spazie rgänge be i tie fste he nde r Sonne ) macht sich die se Ble ndung be me rkbar. Gesichtsfeld Laut DIN 5340-188 de finie rt sich das Ge sichtsfe ld als e ine Ge samthe it alle r Punkte im Auße nraum, die be i unbe we gte m Kopf und Primärste llung de r Auge n gle ichze itig wahrge nomme n we rde n könne n. 16 Le itfade n Se he n im Alte r

Die Gre nze n e ine s ge sunde n Ge sichtsfe lde s lie ge n 60 nach inne n zur Nase, 90 nach auße n, 50 nach obe n und 70 nach unte n. Die Anatomie de s Ge sichte s und de r Auge nhöhle (Orbita) be e influsse n das Ge sichtsfe ld. Im Alte r schwinde t Fe ttge we be in de r Auge nhöhle und führt zu e ine r Abse nkung de s Auge s. Auch das alte rsbe dingte He rabhänge n de s Lide s und die Erschlaffung de r Lidhaut (De rmatochalasis) könne n das Ge sichtsfe ld e ine s älte re n Me nsche n be e influsse n. Alte rsbe dingt he rabge se tzte Ne tzhauthe lligke ite n und ne uronale Ve rände runge n führe n zu e ine r He rabse tzung de r Le uchtdichte -Unte rsche idungse mpfindlichke it (LUE), die be i de r Be stimmung de s Ge sichtsfe lde s die größte Rolle spie lt. Je kle ine r de r He lligke itsunte rschie d von Prüfpunkt zu Hinte rgrund, de sto e mpfindliche r ist die Ne tzhaut an die se r Ste lle und umso höhe r ist die LUE. Im Alte r nimmt die Anzahl de r Lichtre ze ptore n in de r pe riphe re n Ne tzhaut ab, e s kommt zu e ine r Einschränkung de s pe riphe re n Ge sichtsfe lde s, was das räumliche Orie ntie rungsve rmöge n schmäle rt. Auch unzure iche nd korrigie rte Fe hlsichtigke ite n be wirke n e ine He rabse tzung de r LUE übe r das ge samte Ge sichtsfe ld. Beidäugiges Sehen (Binokularsehen) Das be idäugige Se he n ist im Alte r oft krankhe itsbe dingt be e inträchtigt: Diabe te s ode r Bluthochdruck könne n Ve rände runge n de r Auge nmuske ln auslöse n. Die Folge sind Auge nbe we gungsstörunge n mit Te nde nz zu e ine m late nte n (ve rborge ne n) ode r manife ste n Schie le n. Nicht se lte n tre te n ze itwe ise ode r daue rhaft Doppe lbilde r auf. Zusätzlich könne n sich Ve rände runge n de r Auge nhöhle (Orbita) auf die Auge nbe we gunge n auswirke n, was zu ve rminde rte r Auge nbe we glichke it und zu e ine r Ve rkle ine rung de s Blickfe lde s führt. Zeitliche Aspekte des Sehens Ve rlangsamte Ve rarbe itungsproze sse sind Anze iche n kognitive r Ve rände runge n im Alte r. Die se Ve rlangsamung hat nicht nur ne uronale Ursache n, sonde rn ist auch auf die ge ringe Ne tzhauthe lligke it im Alte r zurückzuführe n. Die Late nzze it, also die Ze it von de r Auslösung e ine s Re ize s bis de sse n Wahrne hmung, ist ab de m 60. Le be nsalte r ca. doppe lt so lang wie be i e ine m 20- bis 30-Jährige n. Zusätzlich führt die ve rlangsamte Ve rarbe itung de r Information zu e ine r ve rlänge rte n Re aktionsze it. De r Übe rgang von e ine m tage slichtdurchflute te n Zimme r in e ine n dunkle n Flur führt zu Orie ntie rungsschwie rigke ite n und Unsiche rhe ite n und kann u.a. Stürze auslöse n. Im Alte r be nötige n die Auge n e ine länge re Ze it (ca. ze hn Minute n) be i de r Umste llung von He ll nach Dunke l (Dunke ladaptation). Umge ke hrt (He lladaptation) ge ht e s we se ntlich schne lle r (ca. zwe i Minute n). Farbensehen Ne uronale Ve rände runge n (Ve rlust von Ne rve nze lle n) und alte rsbe dingte Linse ntrübunge n könne n das Farbe nse he n ve rände rn. Das Farbunte rsche idungs-ve rmöge n nimmt ab de m 30. Le be nsjahr ab. Abhängig von de r Ursache könne n unte rschie dliche Farbwahrne hmunge n e ntste he n. So führt zum Be ispie l e ine Linse ntrübung zu e ine r Blau-Ge lb-störung. Basiswisse n Se he n im Alte r 17

2.3 Wie wirken sich Augenerkrankungen auf das Sehen aus? Zu de n häufigste n Erkrankunge n zähle n die Alte rsbe dingte Makulade ge ne ration (AMD), de r Grüne Star (Glaukom), de r Graue Star (Katarakt), die Diabe tische Re tinopathie sowie Lidfe hlste llunge n. Auch Ge sichtsfe lde inschränkunge n durch Schlaganfall ode r Tumore n sind nicht zu ve rnachlässige n. Von auße n lasse n sich Auge ne rkrankunge n me ist nicht e rke nne n. Bishe r gibt e s nur we nige ve röffe ntlichte Studie ne rge bnisse zum The ma Se he n im Alte r. Das Aktionsbündnis Se he n im Alte r (2015) schätzt die Auftre te nshäufigke it de s Graue n Stars be re its im Alte r von 52 bis 65 Jahre n auf 50 Proze nt, danach auf we it übe r 90 Proze nt. Eine Frühform de r AMD wird mit 20 Proze nt be i de n 65- bis 74-Jährige n und mit 35 Proze nt be i de n 75- bis 84-Jährige n ange ge be n. Unte r de m Endstadium de r Makulade ge ne ration le ide n e in Proze nt (65 bis 74 Jahre ) bis fünf Proze nt (75 bis 85 Jahre ). Me nsche n im Alte r von übe r 80 Jahre n habe n zu ca. fünf Proze nt e in Glaukom. Die diabe tische Re tinopathie be trifft ca. 560.000 De utsche unte rschie dliche n Alte rs, davon 110.000 mit diabe tische m Makulaöde m. Zur Präve ntion von Auge ne rkrankunge n und daraus e ntste he nde r Se hminde rung wird e ine jährliche Kontrolle be i e ine m Auge narzt e mpfohle n. Me nsche n mit plötzliche r Se hve rschle chte rung, Wahrne hmung von Schatte n, Blitze n ode r Rußre ge n, Schme rze n de r Auge n, Fre mdkörpe rge fühl, Doppe ltse he n, Ve rätzunge n/ Ve rbre nnunge n sowie Ve rle tzunge n sollte n unve rzüglich de m Auge narzt vorge ste llt we rde n. Be re its vor Aufnahme in die Se niore ne inrichtung wird e ine auge närztliche Vorste llung mit anschlie ße nd jährliche r Scre e ning-unte rsuchung e mpfohle n. Le ide r ist die fachärztliche Ve rsorgung in de n Se niore ne inrichtunge n zume ist nicht ge re ge lt. Laut Aktionsbündnis Se he n im Alte r we rde n nur ca. ne un Proze nt de r Be wohne r von Se niore ne inrichtunge n jährlich von e ine m Auge narzt be tre ut, was e ine Unte rve rsorgung von ca. 646.000 Me nsche n be de ute t. Altersbedingte pathologische Veränderungen am Auge AMD Glaukom Katarakt Diabe tische Re tinopathie Lidfe hlste llunge n Trocke ne s Auge / Lidrande ntzündunge n Ne urode ge ne rative Erkrankunge n 18 Le itfade n Se he n im Alte r

Altersabhängige Makuladegeneration (AMD) Die AMD ist die häufigste Ursache für e ine Se hbe hinde rung im Alte r. Aufgrund e ine r Schädigung de r Sinne sze lle n durch Stoffwe chse lprodukte kommt e s zu e ine r krankhafte n Ve rände rung de r Ste lle de s schärfste n Se he ns, de r so ge nannte n Makula. Rauche n, UV-Licht und e ine ge ringe Konze ntration von Provitamin A im Blut sind die größte n Risikofaktore n be i de r Entste hung die se r Erkrankung. Sie ve rläuft in unte rschie dliche n Phase n. Im Vorstadium sind in de r Makula Stoffwe chse lablage runge n e rke nnbar, so ge nannte Druse n, die noch ke ine Be schwe rde n he rvorrufe n. Die trocke ne ode r die fe uchte Form de r Makulade ge ne ration ke nnze ichne t das Spätstadium. Be i de r trocke ne n Form habe n sich die Druse n an de r Makula ve rme hrt und be wirke n e ine langsame Se hschärfe nminde rung im Ze ntrum de s Ge sichtsfe lde s. Be i de r fe uchte n Form kommt e s zu e ine r schne lle n Se hminde rung, Ve rze rrtse he n von ge rade n Linie n (We lle nse he n) sowie häufig zu e ine m graue n Fle ck in de r Bildmitte. Le se n und das Erke nne n von Ge sichte rn wird zune hme nd schwie rige r. Ursächlich für die fe uchte Form sind krankhafte Ge fäßne ubildunge n unte r de r Ne tzhaut. Aus die se n Ge fäße n tritt Blut und Flüssigke it aus, was die Se hschärfe he rabse tzt. Die Patie nte n be richte n zunächst von ve rze rrte n Bilde rn und im fortge schritte ne n Ve rlauf von dunkle n Fle cke n in de r Mitte de s Ge sichtsfe lde s. Dinge, die dire kt fixie rt we rde n, z. B. Spie lkarte n in de r Hand, we rde n nicht ode r nur schle cht e rkannt. Durch e ine n Blick am Obje kt vorbe i könne n Dinge mitunte r be sse r wahrge nomme n we rde n. Basiswisse n Se he n im Alte r 19

Die fe uchte Form de r Makulade ge ne ration sollte unve rzüglich be hande lt we rde n und be darf e ine r kontinuie rliche n auge närztliche n Kontrolle. Be i Patie nte n mit e ine r AMD gilt ge ne re ll: Um de n Alltag zu e rle ichte rn, ist die spe zie lle Anpassung und Ve rwe ndung ve rgröße rnde r Se hhilfe n (durch spe zialisie rte Auge noptike r, Orthoptiste n und Auge närzte ) e be nso wichtig wie e ine gute Be le uchtung. Grüner Star (Glaukom) Das Glaukom ist we ltwe it die zwe ithäufigste Erblindungsursache nach de r Katarakt. 2010 ware n fast 67 Millione n Me nsche n am Grüne n Star e rkrankt. Es ist e ine irre ve rsible Erkrankung de s Se hne rvs. De r Hauptrisikofaktor ist e in individue ll zu hohe r Auge ninne ndruck. Durch die allmähliche Schädigung de r Ne rve nfase rn kommt e s zu e ine r zune hme nde n Einschränkung de s Ge sichtsfe lde s und fortschre ite nde r Se hminde rung. We ite re Risike n für die Entste hung sind u.a. höhe re s Alte r, e rbliche Kompone nte n ode r Kurzsichtigke it. Ein Glaukom e ntste ht in de r Re ge l unbe me rkt. Es ve rursacht me ist ke ine Schme rze n. Durch de n Unte rgang von Ne rve nfase rn e ntste he n Ge sichtsfe ldausfälle, die nicht me hr rückgängig zu mache n sind. Auge ntropfe n re iche n in de n me iste n Fälle n aus, um e in Fortschre ite n zu ve rhinde rn. Sie müsse n täglich, daue rhaft und zuve rlässig ge tropft we rde n. Re ge lmäßig sollte e in Auge narzt de n Auge ninne ndruck (alle dre i Monate ) me sse n und jährlich die Se hne rve n unte rsuche n sowie das Ge sichtsfe ld übe rprüfe n. In manche n Fälle n kann e in Fortschre ite n nur noch durch e ine Lase rbe handlung ode r sogar e ine n ope rative n Eingriff ve rhinde rt we rde n. Die dringe nd notwe ndige The rapie die nt de m Erhalt de s Re stge sichtsfe lde s. 20 Le itfade n Se he n im Alte r

Grauer Star (Katarakt) De r soge nannte Graue Star ist we ltwe it die häufigste Erblindungsursache mit ca. 30 Millione n Be troffe ne n. De utschlandwe it we rde n jährlich 800.000 Patie nte n de shalb ope rie rt. Damit ist e s die am häufigste n durchge führte Auge nope ration, die zume ist ambulant und in örtliche r Be täubung durchge führt we rde n kann. Be i de r Katarakt hande lt e s sich um e in fortschre ite nde s Eintrübe n de r Auge nlinse im Laufe de s Le be ns. De r Patie nt be me rkt e ine zune hme nde Se hve rschle chte rung, die auch mit e ine r Brille nicht ve rbe sse rt we rde n kann. Das Se he n ähne lt de m Blick durch e ine trübe Glassche ibe. Die Farbe n ve rblasse n und die Kontraste we rde n schwäche r. Die e inzige Be handlungsoption für de n Graue n Star be ste ht in de r Ope ration. Die ge trübte Auge nlinse wird durch e ine klare Kunstlinse e rse tzt. Neurodegenerative Erkrankungen Ne urode ge ne rative Erkrankunge n (z. B. Parkinson e tc.) könne n auch zu Störunge n de r Be we glichke it und de r Zusamme narbe it be ide r Auge n führe n und Doppe lbilde r auslöse n. Die s führt nicht se lte n zu e ine r Gangunsiche rhe it ode r e ine m Dane be ngre ife n. Basiswisse n Se he n im Alte r 21

Diabetische Retinopathie Eine Zucke re rkrankung (Diabe te s me llitus) kann e ine ge ne ralisie rte Ge fäße rkrankung he rvorrufe n. So könne n auch die kle inste n Ge fäße an de r Ne tzhaut durch e ine n pe rmane nt e rhöhte n Blutzucke rspie ge l ge schädigt we rde n. Austre te nde s Blut und Flüssigke it könne n die Ne tzhautmitte anschwe lle n lasse n, wodurch e ine Se hminde rung e intritt. Mögliche Ge fäßwuche runge n könne n de m Auge langfristig schade n. Die Patie nte n ble ibe n oft lange symptomlos, obwohl e s be re its zu e ine r fortge schritte ne n Schädigung an de r Ne tzhaut ge komme n ist. Im Hinblick auf die Se hschärfe ist hie r mit stark tage sformabhängige n Schwankunge n zu re chne n. Je de r Diabe tike r sollte re ge lmäßig von e ine m Auge narzt kontrollie rt we rde n, damit schwe rwie ge nde Schädigunge n e rkannt und be hande lt we rde n könne n. Lidfehlstellungen Am häufigste n sind Fe hlste llunge n de s Unte rlids e s e rschlafft durch e in Nachlasse n de r Lidspannung und dre ht sich e ntwe de r nach inne n zum Augapfe l hin e in (Entropium) ode r vom Auge we g nach auße n (Ektropium). Be i e ine m Entropium könne n die Wimpe rn de s Unte rlids auf de r Auge nobe rfläche re ibe n und dort schwe re Schädigunge n he rvorrufe n. Es kommt e s zu e ine m daue rhafte n Fre mdkörpe rge fühl im Auge, e ine r chronische n Rötung und Re izung de s Auge s sowie Auge nträne n. Daue rhaft kann e s zu schme rzhafte n Obe rfläche nve rle tzunge n, schwe re n Infe ktione n und daraus re sultie re nde n Narbe n auf de r Auge nobe rfläche komme n. 22 Le itfade n Se he n im Alte r

Be im Ektropium wird das Auge nicht me hr vollständig vom Auge nlid ge schützt, was zum Austrockne n de r Auge nobe rfläche führe n kann. Träne n laufe n nicht wie üblich übe r die Träne nwe ge ab, e s kommt zum Träne nlaufe n und zur chronische n Re izung de r Auge nobe rfläche. Um zu ve rhinde rn, dass e s zu langfristige n Schäde n am Auge kommt, sollte je de r Patie nt mit e ine r Lidfe hlste llung umge he nd von e ine m Auge narzt unte rsucht we rde n. Als schwe rwie ge nde Komplikation kann e in Hornhautge schwür e ntste he n, das zu e ine r e rhe bliche n Se hschärfe minde rung führe n kann. Trockenes Auge (sicca) und Lidrandentzündung (Blepharitis) Das trocke ne Auge ist e ine de r häufigste n Auge ne rkrankunge n. Sie wird ve rursacht durch e ine unzure iche nde Be ne tzung von Hornhaut und Binde haut mit Träne nflüssigke it (Syndrom de s trocke ne n Auge s). Die Auftre te nshäufigke it ste igt mit zune hme nde m Alte r de utlich an. Hornhaut (Ke ratitis) und Binde haut (Konjunktivitis) könne n sich e ntzünde n. Eine rse its gibt e s Assoziatione n zu Alle rgie n, rhe umatische n Erkrankunge n, Lymphome n, de m Sjögre n- Syndrom (Autoimmune rkrankung) und lange r Bildschirmarbe it. Ande re rse its kann die Träne nse kre tion ve rminde rt se in ode r abe r de r Träne nfilm ist von ande re r Zusamme nse tzung. Sind die soge nannte n Me ibom-drüse n (Talgdrüse n am Rand de r Auge nlide r) ve rände rt ode r e ntzünde t, ände rt sich die Lipidschicht de s Träne nfilms und die wässrige Träne nflüssigke it ve rdunste t zu schne ll. Die soge nannte Ble pharitis ist e ine Entzündung de s äuße re n Auge nlid-blatte s (infe ktiös ode r nicht infe ktiös) mit Fe hlfunktion de r Me ibom-drüse n. Unbe hande lt äuße rn sich Symptome wie Rötung, Bre nne n und Fre mdkörpe rge fühl de s Auge s. Die Be handlung e rfolgt lokal (Auge ntropfe n, Salbe n, Lidrandhygie ne zur Ve rbe sse rung de r Me ibom-drüse nfunktion). Eine ausre iche nde Ve rsorgung mit Flüssigke it wirkt grundle ge nd positiv auf die Träne nfilm-produktion. In schwe re n Fälle n sind ge ge be ne nfalls chirurgische Maßnahme n wie de r Träne npünktche nve rschluss (durch Silikonstöpse l = Punctum plug ode r Kaute risation) ode r e ve ntue ll Auge nlidchirurgie (Korre ktur von Lidfe hlste llunge n) notwe ndig. Rotes Auge Ein rote s Auge e ntste ht durch e ine ve rstärkte Durchblutung de r Binde hautge fäße. Häufigste Ursache n sind chronisch trocke ne Auge n, e ine Alle rgie ode r unte rschie dliche Ke ime (Bakte rie n ode r Vire n). Die se soge nannte Konjunktivitis wird mit Auge ntropfe n be hande lt, die sich ge ge n die auslöse nde n Ke ime richte n. Komme n we ite re Symptome wie Schme rze n, e ntrunde te Pupille n ode r e ine Hornhauttrübung hinzu, sollte dringe nd e ine sofortige auge närztliche Kontrolle e rfolge n, da die Ursache n se hr vie lfältig se in könne n und zum Te il auch schwe rwie ge nd ode r be drohlich für das Se he n sind. Basiswisse n Se he n im Alte r 23

2.4 Augenpflege und Tropfenapplikation Lidrandhygiene Im Alte r kann e s zu e ine r chronische n Ve rstopfung de r Talgdrüse n an de r Lidkante komme n. Daraus e ntste ht e in Kre islauf von chronische r Entzündung und Trocke nhe it de r Auge nobe rfläche. In ausge prägte n Fälle n kann hie r e ine soge nannte Lidrandhygie ne e rforde rlich we rde n (morge ns und abe nds, Anwe ndungsze itraum be trägt minde ste ns zwe i Woche n). Anleitung Schritt 1: Le ge n Sie warme Kompre sse n (so warm wie möglich) für 5 Minute n auf die ge schlosse ne n Auge nlide r, damit sich de r ge staute Talg in de n Liddrüse n ve rflüssige n kann. Schritt 2: Massie re n Sie in ausstre iche nde n Be we gunge n die Liddrüse n mit e ine m Watte stäbche n in Richtung de r Wimpe rn aus, damit sich das ve rflüssigte Se kre t e ntle e rt. Schritt 3: Zum Schluss sollte n die Lidkante n vorsichtig mit e ine m we iche n, fe uchte n Tuch ge re inigt we rde n. Tropfenapplikation Auge ntropfe n lasse n sich im Lie ge n und Sitze n applizie re n. Das Unte rlid wird le icht nach unte n ge zoge n, de r Auge ntropfe n in de n inne re n Auge nwinke l ge tropft. Auge ntropfe n sollte n unbe dingt von e ine m Auge narzt ve rordne t we rde n. Wichtig ist zu kläre n, ob e s sich be i de n zu ve rwe nde nde n Auge ntropfe n um e ine vorübe rge he nde ode r e ine dringe nd e rforde rliche Daue rthe rapie hande lt. Auge ntropfe n könne n syste mische Ne be nwirkunge n an ande re n Organe n he rvorrufe n. Ande re rse its könne n Me dikame nte zur Be handlung ve rschie de ne r Grunde rkrankunge n Ne be nwirkunge n auf die Auge n und das Se he n habe n. Vie le Se niore n le ide n unte r Hype rtonie (hohe r Blutdruck), ne urologische n Erkrankunge n wie z. B. Morbus Parkinson, Tumore n, 24 Le itfade n Se he n im Alte r

psychische n Erkrankunge n wie De pre ssione n, Alzhe ime r ode r ande re n De me nzforme n. Eine Me dikame nte nliste ist dahe r für je de n be hande lnde n Arzt unve rzichtbar. Vie le Präparate ve rursache n trocke ne Auge n. Sofe rn ke ine ärztlich vorge ge be ne Trinkme nge nbe schränkung vorlie gt, ist die ausre iche nde Zufuhr von Flüssigke it für de n Körpe r und das Auge von we se ntliche r Be de utung. Hie r e in kurze r Einblick in die Vie lfalt de r Me dikame nte, die Se hstörunge n/ Auge nproble me ve rschie de nste r Forme n he rvorrufe n könne n: Medikamente als Auslöser für Sehstörungen/ Augenprobleme Binde haut- und Lidrande ntzündunge n (u.a. Kre bsthe rapie n) Hornhauttrübunge n (Amiodaron z. B. be i He rzrhythmusstörunge n) Trocke ne Auge n (Be tablocke r, Antide pre ssiva, ) Pupille nstörunge n (Sympathomime tika, Parasympathomime tika, ) Zunahme de r Katarakt (u.a. Cortison) Auge ndrucke rhöhung (z. B. Vome x) Ne tzhautschäde n (Tamoxife n zur Brustkre bsthe rapie, Chloroquin zur Malariaprophylaxe ode r Rhe umabe handlung) Ve rschwomme nse he n (z. B. be i hohe m Blutzucke rspie ge l ode r be i Blutung unte r Antikoagulation) Auge njucke n (Novalgin) Farbse hstörunge n (Ethambutol zur Tube rkulose -The rapie, ) Doppe lbildwahrne hmung/ Konve rge nzstörunge n, Doppe lbilde r in de r Nähe (u.a. Paspe rtin) Halluzinatione n (u.a. Ne urole ptika) Alkohol und Nikotin könne n Se hne rve nschäde n ve rursache n Basiswisse n Se he n im Alte r 25