SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Interview der Woche Manuskript Autor: Gesprächspartner: Redaktion: SWR Studio Berlin Birgit Wentzien Sendung: Samstag,.2010, 18.30 18.40 Uhr, SWR2 2 SWR2 Interview der Woche vom 11.12..2010 SWR: Herr Professor Burghof, es gibt Streit um eine Aufstockung des Euro- Rettungsschirms, Streit um Euro-Anleihen, Streit um das Krisenmanagement der Europäischen Union. Ist der Euro so zu stabilisieren? H.-P.B.: Den Euro müsste man mal von diesen ganzen Streitigkeiten fernhalten und sagen: Das hat jetzt damit nichts zu tun. Wir haben ein Problem der Staatsschulden nicht des Euro. Der Euro wird gewährleistet von der Europäischen Zentralbank (EZB). Und so lange wir es schaffen die Unabhängig zu halten, muss dem Euro gar nichts passieren. Es kann aber vielen Staaten etwas passieren, denn einige Staaten haben halt Schwierigkeiten sich zu finanzieren. SWR: Also, der Euro ist immer noch gefährdet und daher gibt es auch Grund zu Sorge? H.-P.B.: Natürlich, den Grund gibt es ganz klar. Die Politik versucht ganz massiv da auf den Euro Einfluss zu nehmen. Die EZB wird dazu gebracht Dinge zu tun, die sie eigentlich besser nicht täte. Also dieser Ankauf von Staatsanleihen ist schon ein sehr problematisches Vorgehen, und in dieser Situation ist auch der Euro in einem gewissen Risiko drin. Anderseits sind im Moment viele Währungen der Welt in diesem Risiko drin. Auch die Amerikaner, die Japaner sind in ähnlichen Situationen und machen ähnliche Dinge. SWR: Ist der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank ein Tabubruch? H.-P.B.: In gewisser Weise ja. Es ist nicht so vereinbart gewesen. Sie stützen damit den Markt für Staatsanleihen von bestimmten Ländern, erleichtern denen sich zu refinanzieren. Das ist schön für diese Länder, aber es ist eine Art von Subvention und das Problem ist, das kann außer Kontrolle geraten. Am Ende sitzt unsere EZB auf lauter schlechten Finanztiteln. Dass muss ihr nichts ausmachen, sie kann ja Geld drucken. Aber genau das darf halt nicht passieren.
Interview der Woche : 2 SWR: Heißt das, dass die Europäische Zentralbank langfristig mit dieser Politik zu einer eigenen Bad-Bank werden könnte? H.-P.B.: Im Extremfall ist das so. Zumal sie ja auch bei den Banken, bei der Refinanzierung der Banken, heute als Sicherheiten Papiere akzeptiert, die sie früher nicht mit der Kneifzange angefasst hätte. Das heißt also, auch hier gilt: Wir sammeln da ganz schöne Risiken in der EZB an, und das ist eigentlich nicht gut. Wie gesagt, andererseits, die Anderen tun das auch. Aber wir sollten uns nicht solche Vorbilder suchen. SWR: Birgt der Markt für Staatsanleihen ein Systemrisiko? H.-P.B.: Sagen wir mal so, das ist das Metarisiko, was wir hier haben. Wir haben das Systemrisiko aus dem Finanzsystem immer wieder auf eine höhere Ebene verschoben. Also erst mussten die Banken sich gegenseitig retten, dann musste der Staat die Banken retten und jetzt müssen die Staaten auf der höchsten Ebene gerettet werden. Irgendwann hat man da niemand, der retten kann. Das heißt also, wir bauen die Stabilität unseres Systems darauf, dass es immer noch einen Größeren gibt, der hinter dir steht. Aber irgendwann ist da keiner mehr, und was dann passiert, das wissen wir nicht so genau. SWR: Der Markt für Staatsanleihen, allein für die Europäischen Länder, soll ein Volumen von neun Billionen Euro umfassen, das ist ja immens. H.-P.B.: Das ist ein ganz großer Markt auch traditionell ein großer Markt. In guten Zeiten mögen wir das sogar, weil die meisten Menschen ja sichere Geldanlagen suchen, und da sind Staatsanleihen eine sehr nahliegende Sache. Das heißt also: So lange die einigermaßen solide finanziert werden, finden wir das sogar schön, weil wir da unser Geld sicher langfristig anlegen können. SWR: Wer hält denn unter den institutionellen Anlegern die meisten Staatsanleihen? H.P.-B.: Oh, das erzählen die uns nicht. Also die Banken haben natürlich Staatsanleihen im erheblichen Umfang. Die Frage ist vor allem, welche sie haben. Ja, also dass man festverzinsliche Wertpapiere hat, ist nicht erstaunlich. Es gibt Anreizeffekte, die dazu wirken, dass Staatsanleihen von relativ schlechten Staaten, von Staaten deren Bonität nicht so gut ist, tendenziell eher bei den Banken landen. Die können sich refinanzieren, die haben eine Garantie vor allem, wenn sie groß sind und nicht Pleite gehen können. Das heißt also, wenn die schlechte Risiken kaufen, dann schlägt sich das bei denen nicht in den Refinanzierungskosten nieder. Und das führt dazu, dass einige Banken systematisch schlechte Staatsanleihen aufkaufen, weil, da kriegen sie halt ein bisschen mehr Zins. SWR: Aber es gibt sicherlich doch auch einige Pensionsfonds, die in Staatsanleihen investiert haben und da fällt mir zum Beispiel auch ein großer deutscher
Interview der Woche : 3 Versicherungskonzern ein, der in den USA eine Tochter hat, die Pimco heißt und ich glaube über 200 Milliarden Dollar in Staatsanleihen investiert hat. H.P-B.: Natürlich, das ist die zentrale Anlageform und die hat man bisher für sicher gehalten. Das heißt, die Regulatoren waren ganz glücklich. Die Regulatoren sind immer hingegangen und haben immer geguckt, wie gut ist der Einzeltitel, anstatt zu gucken, wie gut ist das insgesamt. Und ja, da die Staatsanleihen - per Definition für sicher erklärt wurden, insbesondere wenn es sich um Europäische Staatsanleihen handelt, hat man das zugelassen und hat da eine riesige Konzentration zugelassen, die sich jetzt als relativ gefährlich erweist. SWR: Und bei Anlagen von Pensionsfonds geht es ja auch letzten Endes um das Geld des kleinen Mannes. H.-P.B.: Richtig, da geht es um Renten. Und die Rentenerwartung, die wir haben, bei aller privaten Vorsorge, die wir gemacht haben, hängt davon ab, dass dieses Geld gut angelegt ist. SWR: Sind Sie eigentlich für oder gegen eine Aufstockung des Rettungsfonds? H.-P.B.: Ich bin dagegen und zwar weil ich das Gefühl habe, dass der schon sehr groß ist und dass er ab einer gewissen Größe dann einfach unglaubwürdig wird. Ja, sie können ihn beliebig groß machen, aber dann steht da nichts mehr dahinter. Da steht vor allem dann nicht mehr der politische Wille dahinter, dass dann auch tatsächlich zu erfüllen, wenn es denn passiert. Das heißt, sie bauen dann irgendwann nur noch einen Strohmann auf. Deswegen der, den wir im Moment haben, der ist schon ziemlich groß und das sollte im Moment reichen. SWR: Rechnen Sie gleichwohl mit weiteren Rettungspaketen, wenn es zum Beispiel richtig ernst wird, etwa bei Spanien oder Italien? H.-P.B.: Ja, da kommen wir eben auf das Problem der Glaubwürdigkeit. Dass sind schon sehr große Länder. Ich bin mir nicht sicher, ob man die in diesem Sinne retten kann, wie man jetzt einfach Griechenland mit durchfüttert. Das geht so wahrscheinlich nicht. Irgendwann ist halt niemand mehr da, der retten kann. Wenn alle um Hilfe schreien und es ist nur einer da der retten soll, dass geht auf die Dauer nicht. Irgendwann wird dann auch die Bonität der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt und dann wird unsere eigene Staatsfinanzierung wackelig. Im Moment profitieren wir gewaltig davon. Nicht etwa, dass wir eine tolle Haushaltspolitik haben - sondern nur dass die relativ besser ist, als die Haushaltspolitik der anderen Länder. Das heißt, wir haben sehr niedrige Zinsen in den vergangenen Monaten gehabt. Das dreht sich aber schon jetzt ein bisschen. Die Märkte gucken Deutschland auch schon ein bisschen kritisch an. SWR: Luxemburgs Regierungschef Juncker hat Eurobonds vorgeschlagen, für die alle Staaten garantieren sollen. Wäre das die Lösung?
Interview der Woche : 4 H.-P.B.: Nein, das ist keine besonders gute Lösung. Weil bei Eurobonds haften alle für das Verhalten einzelner mit. Das kann man machen, wenn man Disziplinierungsmöglichkeiten in der Gruppe hat. Also in einem Bundesstaat zum Beispiel, gibt es dann in der alleräußersten Not einen Bundeszwang. Also, es kann sich jeder beliebig daneben benehmen in Europa. Wir sind ein Staatenbund und wir wollen eigentlich auch nicht darüber hinaus gehen. Das heißt, man kann niemanden wirklich disziplinieren, weil, das sind alles souveräne Staaten. Und in so einer Situation sollte jeder nach Möglichkeit und möglichst weitgehend die Konsequenzen seiner Haushaltspolitik selber tragen. Weil, je weniger er sie selber trägt, umso leichtfertiger wird man natürlich. SWR: Euroanleihen werden ja auch wohl der endgültige Abschied von der No-Bail- Out -Klausel. Also der Regel, dass kein Land für die Schulden eines anderen Staates einstehen muss. H.-P.B.: Das ist richtig! In dem Augenblick stehen wir natürlich ein - zumindest bis zu den vorgeschlagenen 60 Prozent. Nur die sind da wahrscheinlich auch verhandelbar. Das ist ja auch nur eine Zahl. Also, in diesem Augenblick ist das mit No-Bail-Out natürlich vollkommen vorbei. SWR: Was halten Sie denn von einer Restrukturierung sprich Umschuldung gewisser Staaten zum Beispiel über den Londoner Club oder Pariser Club? H.-P.B.: Das ist das Instrument, das wir haben und verwenden, wenn Staaten in Schwierigkeiten geraten sind und ihre Kredite nicht mehr bedienen können. Warum dies Instrument bei europäischen Staaten nicht anwendbar sein soll, weiß ich nicht. Das kann man genauso gut machen wie bei südamerikanischen Staaten. Wir sind da auch nicht besser als die Südamerikaner. Wenn bei uns jemand eine schlechte Haushaltspolitik macht, dann muss er irgendwann dafür haften und dann gibt es halt eine Umschuldung. Was natürlich Konsequenzen hat. Diese Länder müssen höhere Zinsen zahlen und sie haben häufig auch Schwierigkeiten, danach an neue Kredite zu kommen. Nur, das alles ist schnell vergessen, wenn sie danach eine vernünftige Haushaltspolitik machen und den Märkten klar machen: Auf uns könnt ihr euch verlassen. Das ist der eigentliche Weg einen besseren haben wir nicht. Im 19. Jahrhundert sind da die Staatsschulden oft mit Gewalt eingefordert worden, das wollen wir natürlich heute alles nicht mehr. Also muss man so ein Instrument anwenden. SWR: Also das wäre ein Weg die Eurozone zu stabilisieren? H.-P.B.: Richtig - und jeden wieder haften zu lassen für das, was er getan hat. Es geht halt nicht, dass alle über ihre Verhältnisse leben und dann nachher gesagt wird: Aber jetzt soll die Allgemeinheit dafür haften. Ich bin schon für ein solidarisches Europa, nicht dass Sie das falsch verstehen. Ich bin dafür, dass man wirtschaftlich benachteiligte Regionen unterstützt, dass man da Möglichkeiten schafft, mit Niedrigsteuergebieten und auch mit EU-Subventionen; dass da die Infrastruktur gefördert wird und all das ist o.k., das kann man in Europa machen. Nur - wir müssen acht geben, dass wir keine Anreizsituation schaffen, die dazu führt, dass uns das,
Interview der Woche : 5 was wir eigentlich wollen nämlich ein gemeinschaftliches Europa mit vielen starken und auch sehr unterschiedlichen Ländern dass uns das auseinander fliegt. Und wenn wir alle gemeinschaftlich haften, dann fliegt uns das auseinander. SWR: Zum Thema Umschuldung: Wie könnte das im Detail aussehen? Würde das bedeuten: Einmal eine Verlängerung der Zahlungsfristen plus ein haircut? H.-P.B.: Man verhandelt dann so etwas und guckt, was rauskommt. Das heißt, die wichtigsten Gläubiger müssen an einen Tisch und müssen halt überlegen, was tut ihnen am wenigsten weh. Der Konflikt ist halt immer der, das Land muss danach auch so gestellt sein, dass es wirklich seine Schulden bedienen kann. Das heißt, das bloße Strecken hilft uns hier nicht, sondern es muss auch tatsächlich eine echte Reduktion erfolgen, weil offenkundig zumindest Griechenland nicht in der Lage ist, in dem Ausmaß Zins und Kapitallast zu tragen. Also, dass sind so Komponenten: Verlängerung plus haircut. Aber ich denke, man wird beides brauchen.