SEHEN STATT HÖREN. ... 20. März 2004 1173. Sendung



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Transkript:

SEHEN STATT HÖREN... 20. März 2004 1173. Sendung In dieser Sendung: ENTWICKLUNGSHILFE IN UGANDA VON GEHÖRLOSEN FÜR GEHÖRLOSE Afrikaprojekt Gehörlosigkeit macht nicht Halt vor Grenzen Landkarte von Afrika mit Uganda Landschaft Uganda liegt in Ostafrika, westlich von Kenia. Von der Hauptstadt Kampala kommt man nach einer Fahrt von etwa 200 km in den Ort Masaka. Video: Projektteam vor tanzenden Afrikanern Diese Besucher aus Deutschland sind hier besonders gern gesehen. Präsentatorin Conny Ruppert: Hallo! Sie haben eben gesehen, wie herzlich das Projektteam aus Deutschland bei seiner Ankunft in Afrika willkommen geheißen wurde. Ich möchte Ihnen unsere Gäste vorstellen: Gerhard Ehrenreich, er ist der Gründer und Leiter des Projekts Gehörlosigkeit macht nicht Halt vor Grenzen und kommt aus Würzburg. Und Tanja Jürß, hörend, sie wohnt in der Nähe von Hamburg und studiert Sozialwesen. Seit Anfang 2002 ist sie Mitarbeiterin im Projekt und hat die Aufgaben Öffentlichkeitsarbeit und Patenschaften. Das Projektteam besteht aus fünf Mitarbeitern, die alle ehrenamtlich arbeiten. Heute erzählen uns die beiden von ihren Erfahrungen mit dem Projekt und von ihrer Ugandareise. Dazu sehen Sie Videoaufnahmen, die Gerhard selbst in Afrika gedreht hat. 1997 hat Gerhard Ehrenreich zum ersten Mal eine Reise nach Afrika unternommen. Er war in vier Ländern: Eritrea, Äthiopien, Tansania und Uganda. Später engagierte er sich dann sehr für den Bau einer Gehörlosenschule in Uganda. Gerhard, wie bist du auf die Idee zu diesem Projekt gekommen? Und was war für deine Entscheidung ausschlaggebend, gehörlosen Kindern in Uganda zu helfen? ENTWICKLUNGSHILFE IN UGANDA Gerhard Ehrenreich: Ich kann kurz erzählen, wie es dazu gekommen ist. Ich habe in der Zeitschrift Die Gemeinde gelesen, dass die Evangelische Gehörlosenmission afrikanischen Ländern hilft. Daher habe ich einen gehörlosen Mitarbeiter nach Würzburg zu einem Dia-Vortrag eingeladen. Ich war von der dort herrschenden Armut sehr betroffen. Dann wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, nach Afrika mitzufliegen. Also bin ich nach Uganda geflogen. Der Gehörlosenverband von Uganda hat mir angeboten, die Gehörlosenschule zu besichtigen. Dann sind wir nach Masaka gefahren, das ungefähr 200 Kilometer von Kampala, der Hauptstadt, entfernt ist. Die Schule heißt St. Mark VII BWANDA und wurde 1996 gegründet. Ich war das erste Mal 1997 dort. Damals bestand die Schule aus zwei sehr kleinen Räumen, 15 Schülern und 2 Lehrerinnen, die Nonnen waren. Es gab damals nur zwei Klassen. Eine der beiden Schwestern erzählte mir, dass unter den Kindern auch einige Halb- und Vollwaisen sind, und dass die Kinder aus sehr armen Verhältnissen stammen. Dann bin ich wieder zurück nach Deutschland geflogen und habe lange ü- berlegt, ob ich diese Schule unterstützen soll. Nach drei Monaten habe ich mich dazu entschlossen, der Schule zu helfen. Schild St.Mark VII School of the Deaf FOTOS Schule wird gebaut/fertiges Gebäude Die Gehörlosenschule in Masaka im Rohbau... und nach der Fertigstellung im Jahr 2000. Filmzuspielung: Schüler vor der Schule Das Danklied der gehörlosen Schüler Schüler gebärden Danke für den Bau der Schule! Danke für das Dach über dem Kopf!

Conny: Kannst du uns etwas über die Lebensumstände der Menschen in Uganda erzählen? Wie viele Einwohner hat das Land? Und weiß man auch, wie viele Gehörlose dort leben? Tanja Jürß: Uganda bedeutet Land der Menschen. Es hat ungefähr 25 Millionen Einwohner, bei einer Fläche von 240 000 qkm, das entspricht etwa der Größe des früheren Westdeutschland. Das Problem ist, dass alle Menschen in großer Armut leben, es fehlt an Nahrungsmitteln und an Wasser. Nur wenige haben eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus. Die meisten Menschen in Uganda leben von landwirtschaftlichen Produkten, die sie selbst anbauen, wie Mais und Bananen, oder Kaffee. Problematisch ist auch die Größe der Familien, durchschnittlich leben sechs bis acht Kinder in einer Familie. Die Zahl der Gehörlosen in Uganda ist bisher nicht statistisch erfasst. Wir bemühen uns, noch genauere Zahlen darüber zu erhalten. Conny: Du warst letztes Jahr im August wieder in Masaka. Wie war das Wiedersehen mit den gehörlosen Kindern? Gerhard: Sie haben uns mit großer Freude erwartet. Schon als wir mit dem Auto ankamen, haben sie uns aus der Ferne mit überschwänglicher Begeisterung empfangen. Es war unglaublich, wie herzlich wir uns alle begrüßt haben. Ständig haben sie meinen Gebärdennamen gezeigt. Dann wurde uns von den gehörlosen Kindern ein Tanz mit Gebärdenliedern vorgeführt. Wir haben das alles sehr interessiert verfolgt. Filmzuspielung: Ankunft mit dem Auto in Masaka und Schülerinnen tanzen im Klassenzimmer Gerhard: Wir konnten viele Geschenke mitbringen; z.b. Schultaschen, Malstifte und andere Schulsachen, die wir dann an die Kinder verteilt haben. Sie haben sich riesig darüber gefreut und waren voller Begeisterung. In Uganda sind diese Sachen sehr teuer. Meinem Patenkind habe ich einen Schulranzen geschenkt. Das Kind wusste gar nicht, was es sagen sollte. Zum Schluss konnten wir noch einen Betrag von 5000 Euro überreichen Spendengelder, die in Deutschland zusammen gekommen waren. Sie waren fassungslos und haben sich tausendmal dafür bedankt. Filmzuspielung: Schulranzen wird dem Paten überreicht, Schwester gebärdet Gerhard Ehrenreich übergibt Geld: Diese Spenden haben wir in Deutschland für euch gesammelt! Conny: Hat sich die Situation der Gehörlosenschule in Masaka inzwischen verbessert? Gerhard: Ja. Wie ich vorhin schon sagte, gab es bei meinem ersten Besuch 1997 nur zwei Schulräume mit 15 Kindern. Danach wurde über Mundpropaganda die Gehörlosenschule bekannt gemacht. Schließlich gibt es dort kein Fernsehen und keine Zeitung. Durch die Mundpropaganda stieg die Schülerzahl bis zum Jahr 2000 auf 110 an. Die Gehörlosenschule war damals noch an eine Schule für Hörende angeschlossen. Doch dann wurde sie viel zu klein. So wurde beschlossen, dass eine neue, eigenständige Gehörlosenschule, zwei Kilometer entfernt, gebaut werden soll. Das Grundstück wurde von der Kirche kostenlos zur Verfügung gestellt, aber die Kosten für den Schulbau mussten selbst aufgebracht werden. Dann sind wir auf die Idee gekommen, in Deutschland Geld zu sammeln und für das Bauvorhaben zu spenden. Im Jahr 2000 konnte das erste Gebäude fertig gestellt werden. Dort waren vier Klassen mit insgesamt 110 Schülern untergebracht. Jahr für Jahr wurde die Schule erweitert, auch Schlafräume konnten dazu gebaut werden. 2002 waren schon 138 Schüler dort. Die Schülerzahl und der Bedarf an neuen Räumen ist so schnell gestiegen, dass man mit dem Bauen und mit der Finanzierung gar nicht nachkam. Tanja: In Uganda besuchen nur sehr wenige Kinder eine Schule. Es gibt gar keine allgemeine Schulpflicht. Das größte Problem ist, dass die Eltern nur wenig Geld haben oder arbeitslos sind. Das Einkommen liegt umgerechnet bei ca. 6 bis 9 Euro im Monat. Die Schulkosten sind jedoch sehr hoch. Und weiter außerhalb von Masaka liegen auch noch viele Dörfer, so dass man ein Auto oder Geld für den Bustransport braucht, um in die Schule zu gelangen. Viele Schüler haben also weder die Möglichkeit, in Masaka zu wohnen, noch, dort hinzufahren. Fotos: Neues Haus mit Schlafraum, Schüler im Schlafsaal

Filmzuspielung: Gerhard u Tanja besichtigen den Schlafsaal für Buben. Dieser Schlafsaal bietet Platz für 45 Buben (15 Stockbetten mit je 3 Liegeplätzen). Bald soll ebenfalls mit deutschen Spendengeldern ein Schlafsaal für Mädchen gebaut werden. Filmzuspielung: Unterricht Lehrer Sachkunde Unterricht in der 5. Klasse zum Thema: Der menschliche Körper. Lehrer: Das sind die Zehen. Und das? Ja, die Hände. Lehrerin vor der Klasse: Mathematikunterricht in der 2. Klasse. Die Kinder rechnen mit Flaschenverschlüssen. Conny: Mich interessiert noch: Wie sieht die Ausbildung der Lehrer an dieser Gehörlosenschule aus? Lehrer und Schüler benutzen ja die ASL, aber haben sie auch eine eigene afrikanische Sprache? Gerhard: In Afrika gibt es eigene Universitäten, wo Gehörlosenlehrer drei Jahre lang ausgebildet werden. Die Lehrer müssen auf jeden Fall gebärdensprachkompetent sein. Dies ist Grundvoraussetzung für eine Anstellung in einer Gehörlosenschule. Die Lehrer nutzen für die Kommunikation auch das Fingeralphabet. Damit konnte ich erst einmal gar nichts anfangen, weil ich es selbst nicht konnte. Jetzt weiß ich, dass ich es zum Beispiel für meine Auslandsreisen unbedingt können muss, gerade auch in Afrika. Der Präsident des Gehörlosenverbandes von Uganda arbeitet auch im Parlament mit und hat dabei immer einen Dolmetscher. Dort sind auch die anderen Behinderten vertreten, Blinde, Körperbehinderte, und er vertritt eben die Gehörlosen. Uganda ist das einzige afrikanische Land, in dem die Gebärdensprache bereits anerkannt ist. Es gibt dort auch eine zweijährige Dolmetscherausbildung und die Möglichkeiten für Weiterbildung. Das wird unterstützt. Aber andererseits gibt es keinerlei Gelder für den Bau einer Gehörlosenschule beispielsweise. Das ist paradox. Weißt du darüber noch mehr? Tanja: Ich möchte noch etwas zu den Sprachen sagen. In Uganda gibt es ja insgesamt 28 verschiedene Sprachen, z.b. Lugando, Luo, und viele andere. Aber die Gehörlosen gebärden alle in ASL, und auch das Mundbild ist immer Englisch. Uganda war seinerzeit englische Kolonie, darum ist auch bei den Gehörlosen Englisch in Verbindung mit der ASL gebräuchlich. Filmzuspielung Klassenzimmer mit Vorschüler In Masaka gibt es keinen Kindergarten, aber eine Vorschule. Die Kinder kommen ab dem 4. Lebensjahr hier her, bis sie dann mit 6 oder 7 Jahren die 1. Klasse besuchen können. Videoaufnahmen Hier noch einige Unterrichtsbeispiele aus der Grundschule in Masaka. Conny: Wie geht es den gehörlosen Kindern, wenn sie aus der Schule entlassen werden? Was kommt dann? Tanja: Die gehörlosen Schüler beenden die Schule mit der 7. Klasse und sind dann zwischen 12 und 13, manche bis zu 16 Jahre alt. Viele Kinder besuchen die Schule viel zu spät. In der Vorschulklasse gibt es beispielsweise12 jährige Schüler. Aber es ist ein Glück, wenn diese Kinder überhaupt zur Schule gehen können, da die meisten in U- ganda Analphabeten sind. Das Problem ist, dass sie zwar schreiben, rechnen und lesen gelernt haben, jedoch dann, nach der Schule, keinerlei Aussicht auf irgendeine berufliche Ausbildung in Uganda haben. Die Jugendlichen, die mit der Schule fertig sind, müssen wieder zu ihren Eltern in die Dörfer zurückkehren. Dort sitzen sie dann auf der Straße, haben keine Beschäftigung, hängen nur herum und langweilen sich, bekommen kein Geld und keine Arbeit. Gerhard: Und dazu muss man sich noch vorstellen, dass die Schüler nach der Schule in einer Firma keine Berufsausbildung machen können, weil sie dort nichts verstehen. Wie können sie ausgebildet werden?! Deshalb planen wir für die Zukunft, auch eine Berufsfachschule zu bauen, so ähnlich wie die Berufsbildungswerke in Deutschland. Unser Projektmitarbeiter Burkard Lohmann aus Stuttgart war auch schon in Uganda. Er ist Fachlehrer an der Berufsschule in Winnenden. Als er nach Uganda flog, hat er viele Materialien und Werkzeuge mitgenommen. In der Schule unterrichtete er die Kinder zum Beispiel, wie man eine Pyramide baut. Die Kinder haben zum ersten Mal einen Bohrer oder eine Säge in den Händen gehalten. Sie wussten gar nicht, wie man damit umgeht. Das hat er ihnen erst einmal beigebracht. Ebenso waren den Kindern Maßeinheiten,

also Zentimeter oder Millimeter absolut unbekannt. Das war alles neu für sie. Filmzuspielung: Bilder vom Werkunterricht mit Burkard Lohmann. Bau von Pyramiden: Hier werden die Pyramiden gebaut. Conny: Die Gehörlosen brauchen also eine Berufsausbildung. Welche Unterstützung ist außerdem noch notwendig? Gerhard: Oh, da gibt es noch so viel zu tun. Es gibt zum Beispiel keinen Wasseranschluss. Die Schule ist gebaut worden, aber ohne Wasserversorgung. Es existieren lediglich drei große Wassertanks, die als Vorrat gedacht sind. Wenn es also längere Zeit nicht geregnet hat, bedienen sie sich von den Tanks. Sind die Behälter komplett leer, und es regnet im Moment nicht, müssen sie sehr weit laufen, um Kanister mit Wasser zu füllen und dann bergauf wieder nach Hause zu schleppen. Der ganze Weg dauert für die Kinder über eine Stunde, mit den Kanistern, die mit 10 12 Litern Wasser gefüllt sind. Das muss man sich einmal vorstellen. Außerdem bräuchten sie auch ein Auto, als wichtiges Transportmittel. Wenn die Kinder plötzlich krank werden, oder etwas besorgt werden muss, gibt es vor Ort kein Verkehrsmittel. Mit einem Auto könnten sie zum Beispiel das Wasser holen, solange es noch keinen Wasseranschluss gibt. Filmzuspielung: Schüler holen Wasser Tanja: Was in Uganda sehr häufig gegessen wird, ist gekochter Bananenbrei, Matoke genannt. Die Kinder in der Schule bekommen aber jeden Tag nur Maisbrei. Es gibt kein Fleisch, keinen Fisch, auch keine Bananen oder Obst, weil viele Eltern das Schulgeld nicht bezahlen können, aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit, und die Schule daher auch keine anderen Lebensmittel kaufen kann. Film: Kinder essen und trinken. Und was wird zum Maisbrei getrunken? Normalerweise Ziegenmilch. Conny: Du hast ja auch ein Patenkind. Sein Name ist Trevor Lilunda. Er ist jetzt 5 Jahre alt. Wie kam es, dass du gerade ihn als Patenkind angenommen hast? Gerhard: Das ist eine nette Geschichte. Vor zwei Jahren war ich dort vor Ort und besuchte die Schule für einen Tag. Dabei waren ununterbrochen Kinder um mich herum. Besonders ein Junge wich mir die ganze Zeit nicht von der Seite. Er schaute mich mit seinen kleinen traurigen Augen an. Und in der letzten Minute vor meiner Abreise sagte ich der Schwester, dass ich die Patenschaft für diesen Jungen übernehmen möchte. Die Schwester war damit einverstanden und gab mir den Lebenslauf des kleinen Jungen mit. So wurde er mein Patenkind. Film: Gerhard mit Patenkind: Das ist mein Patenkind. Heute haben wir die Kinder bei uns, wir sitzen zusammen, essen Bananen und anderes Obst und unterhalten uns. So können die Kinder uns besser kennen lernen. Conny: Zu deinen Aufgaben gehören auch die Patenschaften. Wenn ich jetzt Patin sein möchte - wie läuft das ab? Und wie kann ich mir sicher sein, dass meine Spenden wirklich ankommen? Tanja: Das Projektteam bekommt von den Nonnen eine Liste mit den Namen von Kindern, die Vollwaisen oder Halbwaisen sind oder die aus sehr ärmlichen familiären Verhältnissen stammen und Hilfe brauchen. Wenn jemand Interesse für eine Patenschaft anmeldet, wird aus dieser Liste ein Kind ausgesucht. Man bezahlt dann 15.- Euro im Monat auf ein Sonderkonto. Wenn wir nach Uganda reisen, können wir das Geld auch selbst mitnehmen und nachsehen, was für das Kind gebraucht wird und gekauft werden soll, zum Beispiel Schuhe, Schulmaterial oder neue Kleidung. Besonders wichtig ist, dass das Schulgeld bezahlt werden kann. Wenn wir nicht nach Uganda reisen können, überweisen wir das Geld einmal im Jahr an die Bank in Uganda und bekommen jährlich von den Nonnen eine Rechnung über alle getätigten Einkäufe. So können wir beide genau überprüfen, was alles Neues gekauft wurde. Im Moment haben wir 20 Patenkinder in unserem Projekt. Gerhard: Diese 15 Euro pro Monat sind wirklich nicht viel. Das sind gerade mal ein paar Bierchen an einem Abend, auf die man verzichtet. Mit 15 Euro kann dort einem Kind sehr gut geholfen werden. Gruppenfoto von den gehörlosen Kindern in Masaka Tanja: Unsere Projektgruppe hat sich auch schon an große Organisationen mit der Bitte um Hilfe und Unterstützung gewandt - an UNICEF und Brot für die Welt. Doch die haben uns geantwortet, dass sie uns leider nicht helfen können, da sie so viele eigene

Projekte haben. Dass ein Gehörlosenprojekt etwas Anderes ist als alle bereits bestehenden Projekte für Hörende, das verstehen sie leider nicht. Unser Projekt muss also auf eigenen Füssen stehen und sich selbst helfen. Foto vom Projektteam UT Burkard Lohmann, Tanja Jürss, Anne Degenhardt und Gerhard Ehrenreich Conny: Was sind eure Zukunftspläne? Gerhard: Da gibt es noch jede Menge zu tun. Wir wollen noch einen Kindergarten bauen, und eine Berufsfachschule, die ähnlich wie die Berufsbildungswerke in Deutschland strukturiert ist. Das ist wichtig, damit die Kinder später eine Arbeit bekommen. Und wir brauchen noch neue Projektmitarbeiter. Im Moment sind wir zu fünft. Das ist ein bisschen wenig. Vor allem für die Öffentlichkeitsarbeit brauchen wir noch Leute, auch Hörende, die zum Beispiel Spendenaufrufe starten und Sammlungen durchführen können. Das ist wichtig für unsere Arbeit. Conny: Ich danke euch beiden für das Interview! Wenn Sie noch mehr über das Afrikaprojekt wissen möchten, dann besuchen Sie doch einfach die Homepage: www.gehoerlosen-afrikaprojekt.de Und ich sage: Tschüß! Landesverband Bayern der Gehörlosen e.v. Sonderkonto Afrikaprojekt Konto Nr. 780 33 03, BLZ: 700 205 00, Bank für Sozialwirtschaft München Verwendungszweck: Hilfe für St.Mark VII Unit School for the Deaf Bericht: Moderation: Kamera: Schnitt: Rona Meyendorf Conny Ruppert Jo Fechter Doris Klier Fax-Abruf-Service Sehen statt Hören : 0190 / 150 74 107 (EUR 0,62 / Min.) Impressum: Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Redaktion Geisteswissenschaften und Sprachen / SEHEN STATT HÖREN Tel.: 089 / 3806 5808, Fax: 089 / 3806 7691, E-MAIL: sehenstatthoeren@brnet.de, Internet-Homepage: www.br-online.de/sehenstatthoeren Redaktion: Francine Gaudray, Bayer. Rundfunk, BR 2004 in Co-Produktion mit WDR Herausgeber: Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Gehörlosen und Schwerhörigen e. V. Paradeplatz 3, 24768 Rendsburg, Tel./S-Tel.: 04331/589722, Fax: 04331-589751 Einzel-Exemplar: 1,46 Euro