Was uns Einstein und Orwell über das Lehren lehren



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Transkript:

Was uns Einstein und Orwell über das Lehren lehren Anhand von zwei ausgewählten Zitaten berühmter Persönlichkeiten möchte ich im Folgenden erklären, was diese Zitate für mich bedeuten und wie sie meine Arbeit mit Studierenden beeinflussen. Ich werde auch den Versuch unternehmen, sie mit Ansätzen aus der Didaktik und Pädagogik zu untermauen, um dem Anspruch eines didaktischen Konzeptes gerecht zu werden. 1) Es ist die wichtigste Kunst des Lehrers, die Freude am Schaffen und Erkennen zu erwecken. Albert Einstein, 1879 1955, Physiker Aus meiner eigenen Lernbiographie sind mir vor allem jene Lehrer im Gedächtnis geblieben, die es schafften, in uns Schülern Interesse für eine Sache zu erwecken und uns dazu ermutigten, mehr darüber auf eigene Faust herauszufinden. Als Lehrender sehe ich mich daher in erster Linie auch als Initiator, der Ideen und mögliche Wege aufzeigt, inspiriert und dazu motiviert, sich nicht von neuem, unbekanntem Terrain abschrecken zu lassen und sich selbständig in ein neues Gebiet vorzuwagen. Lernen geht immer von den Studierenden selbst aus und wird in der Fachliteratur oft als selbstgesteuerter Prozess (oder self-directed learning ) bezeichnet. Lehrende können eine fruchtbare Basis schaffen, indem sie Lehre so gestalten, dass selbstgesteuertes Lernen erleichtert bzw. schmackhaft gemacht werden kann. Die Freude und Begeisterung des Lehrenden für seinen eigenen Fachbereich ist dafür eine wichtige Voraussetzung. In seinen zahlreichen Arbeiten zum Thema Erwachsenenbildung schlägt Horst Siebert (1998) fünf Prinzipien der Lehre vor, von denen mir die folgenden für die Lehre an der Fachhochschule besonders nützlich scheinen. So sollte Lehre bzw. die Vermittlung von Wissen: - anschlussfähig sein: Studierende sollten die Möglichkeit bekommen, an bereits vorhandenes Wissen anzuknüpfen und bereits vorhandene kognitive Strukturen zu nützen. Zu diesem Zweck kann es hilfreich sein, sogenannte kognitive Landkarten zu erstellen, d.h. vorab herauszufinden, was die Studierenden schon über ein gewisses Thema wissen.( Das hab ich in Grundzügen schon in der Schule gelernt., Damit habe ich schon einmal zu tun gehabt. ) 1

- situiert sein: Neu erworbenes Wissen sollte in unterschiedliche Kontexte und Verwendungssituationen übertragen werden können. ( Das kann ich dort und da sicher gut einsetzen ). - perturbieren: Da bestätigendes Wissen vielleicht auf Dauer etwas langweilig werden könnte, kann Lehre durchaus dosierte Diskrepanzen, Überraschendes oder Unerwartetes enthalten.( Das hätte ich nie gedacht, das es das gibt. So hab ich das noch nie betrachtet. ) - korrigierbar sein: Menschliches Wissen ist in manchen Bereichen oft schnell überholt. Es gibt immer wieder neue Entwicklungen, hier müssen wir als Lehrende versuchen, Schritt zu halten. ( Das muss ich für das nächste Semester wesentlich überarbeiten. ) Bei Siebert wird Lehre weniger als die Vermittlung fertiger Ergebnisse, sondern vielmehr als das Aufzeigen von Wegen der Wissensproduktion verstanden. Es soll gezeigt werden, wie wissenschaftliche Erkenntnisse zustande gekommen sind und dass sie methoden- und beobachterabhängig sein können. Neue wissenschaftliche Strukturen sollen mit den kognitiven Strukturen, die der Lernende schon mitbringt, gekoppelt werden. Somit stellen Lehre und gelungene Didaktik eine Verbindung zwischen der Sachlogik, der Psychologik und der Verwendungslogik her. Unter Sachlogik versteht man die Kenntnis von Strukturen, Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten eines Themas. Die Psychologik bezieht sich auf die Motivationsstrukturen und individuellen Einstellungen der Lernenden. Die Verwendungslogik (bei Siebert auch Handlungslogik genannt) meint schließlich die Anforderungen der Verwendungssituation und den Transfer des Gelernten in die Praxis. Wenn Lehre so gestaltet und verstanden wird, kann sie viel in Lernenden bewirken. Und hat man als Studierender einmal erkannt, wie erfreulich (neudeutsch: cool ) es ist, ein schwieriges mathematisches Beispiel oder eine gefinkelte Programmierübung selbst gelöst, ein komplexes Paper in englischer Sprache in all seinen Facetten verstanden oder die Anerkennung für ein gelungenes Projekt bekommen zu haben, dann wird man sich beim nächsten Mal nicht mehr so davor scheuen und mit weniger Bedenken an die Sache herangehen. Aus dieser nicht immer angenehmen Konfrontation mit einem Problem oder einer zu lösenden Aufgabe entsteht ein Erkennen, durch das man wächst und lernt, auch wenn es am Beginn oft unüberwindlich scheint. Und letztlich ist es ein Erfolgserlebnis, auf das man in einer ähnlichen Situation zurückgreifen kann. Diese Erkenntnis zu fördern ist eine wichtige Aufgabe der Lehrenden, vor allem im höheren Bildungsbereich der Fachhochschulen, wo wir anstreben, selbständig denkende Absolventen hervorzubringen, die den vielfältigen Anforderungen der Arbeitswelt gewachsen sind. 2

2) Der ist der beste Lehrer, der sich nach und nach überflüssig macht. George Orwell, 1903-50, engl. Schriftsteller Die Lehre an der Fachhochschule ist zu einem großen Teil darauf ausgerichtet, Studierende zu befähigen, ihr Wissen in Projekten anzuwenden, um es damit zu festigen und zu erweitern. Ein mehrwöchiges Berufspraktikum trägt auch wesentlich zu dieser Entwicklung der Berufsfähigkeit bei. Projekte werden von Lehrenden betreut, die fortlaufend Unterstützung anbieten, wenn es im Laufe der Projektarbeit zu Fragen, Problemen oder Unsicherheiten kommt. Die Rolle der Lehrenden ist eine beratende und begleitende. Die Kunst hierbei ist sicherlich auch, die Verantwortung an die Studierenden abgeben zu können. Was das Abgeben dieser Verantwortung an meine Studierende betrifft, so habe ich im Laufe meiner Tätigkeit als Lehrender an der FH selbst eine Entwicklung durchgemacht. Wollte ich anfangs öfters die Arbeit der Studierenden kontrollieren und sie in eine bestimmte Richtung lenken, so bin ich dazu übergegangen, mehr in ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu vertrauen. In der Literatur stoßen wir in diesem Zusammenhang auf Begriffe wie learner empowerment oder Lernerautonomie, und auch der schon erwähnte Begriff des selbstgesteuerten Lernens geht in diese Richtung. Es wird oft beklagt, dass dafür im Regelschulwesen wenig Zeit bleibt und eine grundsätzliche Tendenz dazu besteht, Lernende eher mit Fakten anzufüllen, als sie selbst Dinge erarbeiten zu lassen. Wenn Studierende mit dieser Art der Lernsozialisierung an unserer Institution erstmals mit der Herausforderung des selbständigen Arbeitens konfrontiert werden, ist es oft spät, aber nicht zu spät, sie in Richtung Selbständigkeit zu fordern und zu fördern. Zu diesem Zweck lasse ich zu Beginn des Studiums Fragebögen zum eigenen Lernverhalten bzw. zur Einstellung zum Lernen ausfüllen. In Partnerinterviews soll auch Aufschluss über Einstellungen und das Lernverhalten der Kollegen gewonnen werden. Das Ziel ist es, für sich selbst und den Partner herauszufinden, wie selbständig man im Lernverhalten ist bzw. wo man persönliche Potentiale für Verbesserungen ortet. Oft zeigt sich, dass Lernverhalten einerseits selten bis gar nie reflektiert wird, dass aber andererseits Aufgeschlossenheit und ein hohes Bewusstsein für die Thematik bestehen. Studierende gestehen sich und mir ein, dass sie oft von anderen Dringlichkeiten eingeholt werden (z.b. muss für einen Test oder eine Zwischenprüfung kurzfristig Wissen erworben werden, das für längerfristigen Kompetenzerwerb wenig zu bringen scheint), womit wenig Raum für eigenständiges, selbständiges und tiefergehendes Lernen bleibt. Das Konzept des autonomen Lernens verlagert den Fokus auf die Lernenden selbst und bezieht sie auf mehreren Ebenen in den Lehr- und Lernprozess mit ein. Es wurde Ende der 1970er Jahre erstmals formuliert, als in West- und Zentraleuropa eine generelle Tendenz zu mehr Individualität und Eigenverantwortung der Bürger Fuß zu fassen begann. Eine seit mehr als dreißig Jahren gültige Definition findet sich bei Henri Holec, der Autonomie des Lernens als die Fähigkeit bezeichnet, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen (1981). Diese 3

Verantwortung muss sich auf alle relevanten Entscheidungen erstrecken, die das eigene Lernen betreffen. Diese umfassen: - Festlegung der Ziele - Definition von Inhalten und Lernfortschritt - Auswahl der zu verwendenden Methode - Überwachung des eigentlichen Lernprozesses (Rhythmus, Zeit, Ort) - Evaluation des Erlernten Da die Fachhochschule institutionalisiertes Lernen repräsentiert, werden natürlich Entscheidungen über Inhalte und Lernziele in den Curricula vorgegeben. Trotzdem besteht ein gewisser Freiraum sowohl für Lehrende, als auch Lernende (um die es in diesem Ansatz in erster Linie geht), einige dieser Ideen umzusetzen. So können beispielsweise zu Beginn des Semesters Ziele und Inhalte gemeinsam mit den Studierenden besprochen und eventuelle (machbare) Änderungen diskutiert werden. Bei Auswahl der Methoden ist von Seiten der Lehrenden Vielfalt gefragt, sodass mehrere Aufnahmekanäle in den Lernenden aktiviert werden, also nicht nur Frontalvortrag mit ppt Folien! Bei den Lernenden geht es in diesem Zusammenhang um metakognitive Strategien, d.h. mentale Prozesse, die sie in Bezug auf ihr eigenes Lernmanagement anwenden (Sarasin, 1995). Hierzu zählen Fähigkeiten wie den Lernprozess zu planen, den eigenen Lernfortschritt zu kontrollieren, Lernschritte zu organisieren (Reihenfolge festlegen, Relevantes von weniger Relevantem zu trennen, Beispielaufgaben durcharbeiten, anderen den Lernstoff zu erklären versuchen etc.), aber auch die Aufmerksamkeit auf das Lernen und auf spezifische Aspekte desselben zu lenken. Diese metakognitiven Strategien werden von Lernenden individuell, eingesetzt und sie erzielen unter gleichen Lernbedingungen oft unterschiedliche Erfolge, was unter anderem auf abweichende Vorkenntnisse, Motivation und grundsätzliche intellektuelle Fähigkeiten der Lernenden zurückgeführt wird. Jedenfalls kann eine Bewusstmachung dieser Strategien durch den Lehrenden wesentlich zur Übernahme von mehr Verantwortlichkeit im eigenen Lernprozess beitragen. Als ein zentrales Element im autonomen Lernen sieht Holec die Selbstevaluation. Der Zweck ist es, zu überprüfen, inwieweit das erreichte Lernergebnis mit den am Beginn festgelegten Zielen übereinstimmt. Nur so können die Lernenden für sich Gewissheit erlangen, etwas gelernt zu haben und ihr weiteres Vorgehen planen. Für meinen Unterricht bedeutet dies konkret, dass ich am Ende einer Lehreinheit oder eines bestimmten Themengebietes den Studierenden etwas Zeit gebe, für sich folgende Fragen schriftlich zu beantworten: - Was waren die wichtigsten Aspekte dieser Lehreinheit / dieses Kapitels? - Warum wurde es gelehrt? / Warum soll ich es lernen/ mehr darüber wissen? - Was habe ich am besten verstanden? - Wo besteht für mich noch Klärungsbedarf? - Wie gehe ich vor, um diesen abzudecken? 4

- Was habe ich bereits getan, um das Gelernte zu vertiefen? - Was könnte ich noch tun, um das Gelernte zu vertiefen? Dieses Vorgehen wird in der Fachliteratur auch oft als Selbstreflexion bezeichnet und betont im Grunde die Verlagerung des Schwerpunkts auf die Lernenden selbst und ihre Auseinandersetzung mit dem Lernprozess. Wie auch immer man dieses Instrument benennen mag, ein Lernender, der erkannt hat, dass er selbst wesentlich zum Lernerfolg beiträgt, hat Wesentliches verstanden und wird unter anfänglicher Mithilfe seines Lehrenden seinen Weg erfolgreich gehen. Schlussbemerkung In meinen Ausführungen ging es mir vor allem darum, zwei Aspekte gelungenen Lehrens aufzuzeigen: Der erste bezieht sich auf die Art der Lehre. Sie sollte so gestaltet sein, dass Neugierde und Interesse erweckt werden, die zum eigenen Nachforschen und Weiterdenken anregen. Der zweite bezieht sich auf die Wichtigkeit der Rolle der Lernenden im Lern- und Lehrprozess. Nur wenn unsere Studierenden dazu bereit sind, selbst Verantwortung mit zu übernehmen, kann Lernen und Lehre gelingen. Ich bin überzeugt davon, dass ich von meinen Studierenden deshalb heuer für den teaching award nominiert wurde, weil sie genau das im Kontext meiner Lehrveranstaltung für sich selbst und somit zu ihrem eigenen Vorteil verstanden haben. Literatur: Holec, Henri (1981). On autonomy: some elementary concepts. In: Riley, Philip (Hrsg.): Discourse and learning. London, New York: Longman. Siebert, Horst (1998). Konstruktivismus: Konsequenzen für Bildungsmanagement und Seminargestaltung. Frankfurt /M: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE). Sarasin, Susanna (1995). Das Lernen und Lehren von Lernstrategien. Theoretische Hintergründe und eine empirische Untersuchung zur Theorie "Choreographien unterrichtlichen Lernens". Hamburg: Kovac. Hinweis mit der Bitte um Kenntnisnahme Aus Gründen der Lesbarkeit habe ich auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet. Alle Bezeichnungen (Schüler /Lehrender/Lernender/ Studierender) gelten sowohl für Frauen als auch für Männer. 5