Technologische Reife von generativen Herstellungsverfahren für Endanwendungen im Automobilbau



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Transkript:

Technologische Reife von generativen Herstellungsverfahren für Endanwendungen im Automobilbau Blattmeier, Monika; Töpker, Jochen: BMW Group; Witt, Gerd: Universität Duisburg-Essen 2009 Monika Blattmeier; Lizenznehmer RTejournal, weitere Informationen sind zu finden unter: http://www.dipp.nrw.de/service/dppl/ urn:nbn:de:0009-2-25815 -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- AbstractDE Technische Produktionssysteme und Prozesse - welcher Technologie auch immer - müssen den Bedürfnissen der industriellen Bauteilherstellung für Endanwendungen im Automobilbau entsprechen. Es stellt sich zunächst die Frage, auf welchem technologischen Reifegrad sich die generativen Technologien für den Automobilbau derzeit befinden? Welche außerordentlichen Vorteile können generative Prozessketten gegenüber konventionellen Herstellungsverfahren bieten und welche Hürden müssen genommen werden? Im Vordergrund der Untersuchung steht die Betrachtung von Pre-, In- und Post-Prozessen generativer wie auch konventioneller Produktionsverfahren. Bei der Gegenüberstellung der Prozessketten werden Maßstäbe angesetzt, die derzeit bei der Bauteilherstellung im Automobilbau Gültigkeit haben und auf Kriterien wie Effizienz, Reproduzierbarkeit und Kontrollierbarkeit aufbauen. Schließlich findet eine Einschätzung aus der Perspektive der Technologieintegration in derzeitige Produktionssysteme und Lieferketten statt. Es werden Restriktionen und Handlungsfelder von generativen Prozessen deutlich, die für den Einsatz für Endkunden- Bauteile im Fahrzeugbau behandelt werden müssen.

AbstractEN Technical production systems and processes regardless of the technology have to meet the requirements of the industrial manufacturing of automobile components delivered to end customers. The first question to be raised regards the current level of technological readiness of additive manufacturing processes in an automotive context. Which advantages could be taken by additive manufacturing in contrast to conventional processing technologies? What are currently the obstacles and what has to be done to overcome restrictions? The investigation focuses on the consideration of Pre-, In- and Post-Processes of additive manufacturing technologies compared to conventional production procedures. The comparison of the different production chains for automobile components is assessed by means of criteria such as efficiency, repeatability and controllability, which are all requirements in the automobile industry. Finally an assessment is provided regarding the perspective of technological integration in current production systems and supply chains. The report also identifies restrictions and potential applications of additive manufacturing processes for use in automobile production.

Allgemeine Anforderungen an Komponenten und deren Produktions- und Lieferketten in der Automobilherstellung. An Automobile werden Anforderungen durch die Technik, den Kunden und die Gesellschaft, beispielsweise in Form von gesetzlichen Vorschriften, gestellt. Vor dem Hintergrund des weltweiten Wettbewerbs steigt der Druck auf die Automobilhersteller ebenso wie auf die Zulieferer. Ein einziger Rückruf kann beispielsweise den Gewinn eines Projektes oder gar eines Unternehmens gefährden. Der Fahrzeughersteller muss dafür sorgen, dass Gestaltung, Innovation, Produktqualität und Zuverlässigkeit zu einem angemessenen Preis sichergestellt werden. Die Erwartungen des Kunden gelten für das Fahrzeug und die Bauteile, aus denen das Fahrzeug besteht. Funktionierende Lieferketten bilden dazu die Voraussetzung. Abb. 1: Ausgangssituation für die Automobilindustrie [ähnlich bei Blecker 1998, S. 20 und VDA 2006, S. 5]. Die Fahrzeugentwicklung und Fahrzeugherstellung kann heute nur mit einer erfolgreichen Zusammenarbeit von Lieferanten und BMW Fachstellen erfolgen. Das BMW Team besteht dabei aus Vertretern des Einkaufs, der Entwicklung, der Logistik, der Montage und der Qualität. Für Ergebnisse und Risiken sind nicht nur der Automobilhersteller, sondern auch die Lieferanten verantwortlich.

Externe Zulieferer ebenso wie Inhouse-Lieferanten stellen die Erfüllung des Lastenheftes für das entsprechende Bauteil oder das System sicher. Das Lastenheft weist auf technische Forderungen, gesetzliche Vorschriften und auf Anweisungen im Rahmen der Unternehmensqualität hin. Die unterschiedlichen Forderungen beziehen sich einerseits auf das Produkt, andererseits auf den dazu gehörigen Produktionsprozess. Eine Produktionsfreigabe kann nur an dem einzelnen Bauteil erfolgen. Das Bauteil vereint den Herstellungsprozess und die Beschaffenheit des verwendeten Werkstoffs. Forderungen, die an das Produkt gestellt werden: Der Kunde erwartet die stete Funktionsbereitschaft seines Wagens und möchte sich jederzeit auf sein Fahrzeug verlassen können. Auch nationale und internationale Gesetzgeber stellen Anforderungen an Automobile. Zuverlässigkeit ist Teil der Qualität eines Produktes und beschreibt die Funktionserfüllung über die Zeit. Die Zuverlässigkeit der Komponente wird entwicklungs-begleitend durch Tests, die den realitätsgetreuen Einsatz simulieren, nachgewiesen. Forderungen, die an den Produktions- und Lieferprozess gestellt werden: Robuste Produktionsprozesse stehen für fehlerfreie Produkte, Liefertreue und entsprechende Anliefer- und Feldqualität. Die Prozessfähigkeit und die Prozessbeherrschbarkeit über Kurz- und Langzeit sind vom Hersteller nachzuweisen. Weiterhin müssen dabei Kapazität und Flexibilität gewährleistet sein.

Einsatz von generativen Rapid Technologien im Automobilbau In der Produktentwicklung: Generative Fertigungsverfahren unterstützen derzeit erfolgreich die Fahrzeugentwicklung. Sie dienen zur Herstellung von Konzeptmodellen, Geometrie- und Funktionsprototypen. Im Rapid Technologie Center der BMW Group kommen die Verfahren Lasersintern von Kunststoffen, 3D-Drucken, Stereolitographie, Feinguss und SLM zum Einsatz. Als Herstellungsverfahren für Endkundenbauteile: Es stellt sich die Frage, ob generative Verfahren derzeit oder in naher Zukunft auch für Endkundenfahrzeuge qualifiziert eingesetzt werden können? Aus der Rapid Prototyping Anwendung in der Fahrzeugentwicklung sind die Vorteile der Verfahren bekannt. 3D Daten können schnell und werkzeuglos in 3D- Bauteile verwandelt werden. Dadurch bieten generative Verfahren Potential zur flexiblen Fertigung oder gar zur Einzelfertigung. Auch Geschäftsmodelle, die auf die Differenzierbarkeit von Fahrzeugen setzen, sind zu akzeptablen Kosten denkbar. Generativ erzeugte Bauteile und die entsprechenden Fertigungsprozesse müssen jedoch ebenso die Forderungen erfüllen, die auch an konventionelle Verfahren gestellt werden. Aus unterschiedlichen Industriebranchen und auch in Fällen der Automobilherstellung ist bekannt, dass generative Fertigungsverfahren bereits für Endkundenbauteile eingesetzt wurden und werden. Handlungsfelder für die Entwicklung generativer Technologien Neben den klassischen Leistungskomponenten wie Preis, Liefertreue und Qualität kommt das Vertrauen in die Fähigkeit der Fertigungs- und Lieferungsprozesse hinzu. Gerade bei neuen Technologien ist die Vermittlung von Vertrauen wichtig. Um Vertrauen zwischen Kunden und Lieferanten zu schaffen, werden Fähigkeiten beispielsweise durch Zertifizierungen dargelegt.

Abb. 2: Ergänzung der Leistungskomponenten durch Vertrauensbildung [Vgl. Geiger/ Kotte 2008, S. 27] Durch die vergleichsweise geringe Produktivität und den hohen Materialpreis können, abhängig vom Bauteil, nur eine begrenzte Zahl von Einsatzfeldern angedacht werden. Es bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der Kurz- und vor allem der Langzeitbeständigkeit der optischen, mechanischen, chemischen und thermischen Eigenschaften der hergestellten Bauteile. Weiterhin ist die Oberflächengüte nicht zufriedenstellend. Was die Anlagen und den Fertigungsprozess betrifft, ist die Prozessfähigkeit bislang nicht ausreichend verifiziert und zertifiziert. Weiterhin ist zu klären, wie eine sinnvolle Integration in die Automobilproduktion hinsichtlich Kosten, Logistik oder Qualität aussehen könnte. Dazu gehört auch das Pulvermanagement von neuem und gebrauchtem Material oder geeignete nachgeschaltete Finish-Prozesse. Insgesamt besteht die Herausforderung darin, eindeutige Beweise für die Fähigkeit generativer Fertigungsverfahren zu erbringen, um Vertrauen erzeugen zu können.

Literatur Verband der deutschen Automobilindustrie (2006): Das gemeinsame Qualitätsmanagement in der Lieferkette, Produktherstellung und -lieferung, Robuster Produktionsprozess, Berlin 2006. Blecker, T. (1998): Unternehmung ohne Grenzen: Konzepte, Strategien und Gestaltungsempfehlungen für das Strategische Management, Dt. Univ.-Verl.; Gabler, Wiesbaden 1998. Geiger, W./ Kotte, W. (2008) Handbuch Qualität, 5. Aufl., Wiesbaden 2008. Kontaktangaben Frau Dipl.-Ing. (FH) Monika Blattmeier BMW Group Tel.: +49 (0) 89 382-60855 Email: monika.mb.blattmeier@bmw.de WEB: www.bmwgroup.com Prof. Dr.-Ing. G. Witt Universität Duisburg-Essen Institut für Produkt Engineering / IPE Fertigungstechnik Lotharstraße 1 47057 Duisburg / Germany Tel. +49 (0) 203 / 379 3360 Fax. +49 (0) 203 / 379-1530 Email: witt@uni-duisburg.de WEB: http://pp.uni-duisburg.de/ Dr.-Ing. Jochen Töpker BMW Group Email: jochen.toepker@bmw.de WEB: www.bmwgroup.com