Frühzeitig vorsorgen Patientenverfügung, Vorsorge- und Betreuungsvollmacht Rechtsanwalt Hergen von Varel Vortrag für die Siedlergemeinschaft Regnitzlosau 27.11.2015 Kulmbacher Straße 47 95030 Hof Tel.: 09281/540 18-0 Fax.: 09281/540 18-29 Email: info@kanzlei-bbv.de www.kanzlei-bbv.de
Ihr Recht als Patient Selbstbestimmungsrecht: Art und Umfang der Behandlung Behandlung nur nach Einwilligung des Patienten Ist es dem Patienten nicht mehr möglich, über sich selbst zu bestimmen, übernimmt dies der gesetzliche Vertreter (Eltern, Vormund, amtlich bestimmter Betreuer), d. h.: Eine dritte Person entscheidet über den Patienten! Vorsorgen!!!
So können Sie vorsorgen Patientenverfügung Vorsorgeverfügung Betreuungsverfügung Sorgerechtsverfügung Organspendeverfügung Trauerverfügung
Patientenverfügung Grundsätzliches greift, wenn Patient nicht mehr selber entscheiden kann (antizipierte Behandlungsentscheidung) richtet sich an Ärzte und Pflegepersonal setzt uneingeschränkte Einwilligungsfähigkeit bei Erstellung voraus Form: schriftlich Volljährigkeit Grundsatz der Ausdrücklichkeit Widerruf jederzeit formlos möglich (d. h. konkrete Behandlungsentscheidung geht vor antizipierte Behandlungsentscheidung) Arzt muss Original vorliegen (sichere und zugängliche Hinterlegung!
Muss meine Patientenverfügung immer berücksichtigt werden? Bundesgerichtshof: Patientenverfügungen sind verbindlich, sofern sie sich auf die konkrete Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, dass der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde
Muss meine Patientenverfügung immer berücksichtigt werden? Ja, wenn konkrete Situation mit der in der Patientenverfügung geregelten übereinstimmt (Rückkopplung der aktuellen Lebenssituation / aktuellen Behandlungssituation) Eindeutige Formulierung notwendig!
Patientenverfügung Inhalt Wichtig: Eingangsformel (Wer?) Situationen, für die die Patientenverfügung gelten soll ärztliche/pflegerische Maßnahmen Schlussformel Datum, Unterschrift Ferner: Wünsche zu Ort und Begleitung Aussagen zur Verbindlichkeit Hinweise auf weitere Vorsorgeverfügungen Hinweise auf beigefügte Erläuterungen zur Patientenverfügung Organspende Schlussbemerkungen Aktualisierungen, Datum, Unterschrift Anhang: Wertvorstellungen
Erstellen der Patientenverfügung - Vorbereitung eigene Wünsche, Ziele und Ängste überdenken evtl. Gespräch mit dem Hausarzt Recherche (z. B. Internet, Drittmedien) Familie/Vertrauensperson
Erstellen der Patientenverfügung - Niederschrift Was bietet der Rechtsanwalt? persönliche Beratung rechtlich eindeutige Formulierungen (aktive/passive Sterbehilfe) sichere und zugängliche Aufbewahrung (Notfallausweis)
Formulierung Lebenssituation/ Behandlungssituation ungenaue Formulierungen (qualvolles Leiden, Apparatemedizin u. a.) vermeiden Festlegung der genauen Lebenssituation, Anpassung an Behandlungswünsche Sollen Behandlungswünsche für alle niedergelegten Lebenssituationen gelten? (Unterschied Sterbephase zu Verlust der Einsichts- und Kommunikationsfähigkeit)
Beispiele zur Abfassung Arbeitsgruppe Patientenautonomie am Lebensende Die Patientenverfügung gilt, wenn: ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde ich mich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befinde, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist
Beispiele zur Abfassung Arbeitsgruppe Patientenautonomie am Lebensende infolge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeit Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten nach Einschätzung zweier erfahrener Ärzte/ Ärztinnen aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich erloschen ist, selbst wenn der Todeszeitpunkt nicht absehbar ist. Dieses gilt für direkte Gehirnschädigung, z. B. durch Unfall, Schlaganfall, Entzündung ebenso wie für indirekte Gehirnschädigung z. B. nach Wiederbelebung, Schock oder Lungenversagen. Es ist mir bewusst, dass in solchen Situationen die Fähigkeit zu Empfindungen erhalten sein kann und dass ein Aufwachen aus diesem Zustand nicht ganz sicher auszuschließen, aber unwahrscheinlich ist. ich infolge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (z. B. Demenz) auch mit ausdauernder Hilfestellung nicht mehr in der Lage bin, Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu mir zu nehmen.
Festlegung der Heilbehandlung In den bezeichneten Situationen wünsche ich: dass alles medizinisch mögliche getan wird, um mich am Leben zu erhalten und meine Beschwerden zu lindern auch fremde Gewebe und Organe zu erhalten, wenn dadurch mein Leben verlängert werden könnte dass alle lebenserhaltenden Maßnahmen unterlassen werden. Hunger und Durst sollen auf natürliche Weise gestillt werden, ggf. mit Hilfe bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme. Ich wünsche fachgerechte Pflege von Mund- Schleimhäuten sowie menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege und das Lindern von Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Angst und Unruhe und anderer belastender Symptome
Wünsche zu Schmerzen- und Symptombehandlung In den zuvor beschriebenen Situationen wünsche ich eine fachgerechte Schmerz- und Symptombehandlung, aber keine bewusstseinsdämpfenden Mittel zur Schmerz- und Symptombehandlung wenn alle sonstigen medizinischen Möglichkeiten zur Schmerzund Symptomkontrolle versagen, auch bewusstseinsdämpfende Mittel zur Beschwerdelinderung die unwahrscheinliche Möglichkeit einer ungewollten Verkürzung meiner Lebenszeit durch schmerz- und symptom-lindernde Maßnahmen nehme ich in Kauf (Fall der indirekten Sterbehilfe)
In den zuvor beschriebenen Situationen wünsche ich: dass eine künstliche Ernährung begonnen und weitergeführt wird, dass keine künstliche Ernährung unabhängig von der Form der künstlichen Zuführung der Nahrung (Magensonde, venöse Zugänge) erfolgt eine künstliche Flüssigkeitszufuhr Maßnahmen bei künstlicher Ernährung/Flüssigkeit die Reduzierung künstlicher Flüssigkeitszufuhr nach ärztlichem Ermessen die Unterlassung jeglicher künstlicher Flüssigkeitszufuhr
Maßnahmen zur Wiederbelebung In den zuvor beschriebenen Situationen wünsche ich: in jedem Fall Versuche der Wiederbelebung die Unterlassung von Versuchen zur Wiederbelebung dass eine Notärztin/ein Notarzt nicht verständigt wird bzw. im Falle einer Hinzuziehung unverzüglich über meine Ablehnung von Wiederbelebungsmaßnahmen informiert wird
weitere Behandlungsanweisungen Weitere Behandlungsanweisungen sind möglich zu künstlicher Behandlung Dialyse Antibiotika Abgabe und Zufuhr von Blutbestandteilen
Patientenwille ohne Patientenverfügung Was passiert, wenn keine Patientenverfügung vorliegt? (Maßnahme passt nicht auf Behandlungssituation) 1901a BGB Ermittlung des mutmaßlichen Willens Auch der mutmaßliche Wille ist bindend (BGH vom 08.06.2005, Aktenzeichen XII ZR 177/03 Traunsteiner Entscheidung
Patientenverfügung Neu: Keine Reichweitenbegrenzung 1901a Abs. 3 BGB Wille des Patienten gilt unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung [Abkehr von altem Recht] Hohe Relevanz für Wachkomafälle, Demenzfälle
Patientenverfügung Fazit Eine Patientenverfügung ist solange auch mündlich (oder durch nonverbale Zeichen) zu widerrufen, wie Einsichts- oder Äußerungsfähigkeit in der akuten Situation dazu besteht. Die Patientenverfügung muss gewährleisten, dass sie sich auf die aktuell eingetretene Situation beziehen lässt. Das Datum der letzten Unterschrift kann ein Kriterium dafür sein muss aber nicht. So ist bei einer 83-jährigen chronisch Kranken, die eine PEG-Magensonde ablehnt, nicht zu erwarten, dass sie sich als 90-Jährige anders besinnt.
Patientenverfügung Fazit Nur wenn kein Einvernehmen zwischen Arzt/Ärztin und Bevoll-mächtigtem bzw. Betreuer über die Interpretation einer Patienten-verfügung bezogen auf die aktuelle Situation erzielt werden kann, muss eine zutreffende Entscheidung dem Vormundschaftsgericht zur inhaltlichen Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden ( 1904 Abs. 4 BGB)
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!