Hesekiel Leben und Werk



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Hesekiel Leben und Werk Hes 1,1-3: Und es geschah im dreissigsten Jahr, am fünften Tag des vierten Monats, als ich unter den Weggeführten am Fluss Kebar war, da öffnete der Himmel, und ich sah Gesichte Gottes. Am fünften Tag jenes Monats es war das fünfte Jahr [seit] der Wegführung des Königs Jojachin da erging das Wort des Herrn ausdrücklich an Hesekiel, den Sohn Busis, den Priester, im Land der Chaldäer am Fluss Kebar, und die Hand des Herrn kam dort über ihn. Einleitung: Hesekiel gehört zusammen mit Jesaja und Jeremia zu den drei grossen Propheten des Alten Testaments. Sein Werk umfasst 48 Kapitel mehr als jedes Buch des Neuen Testaments. Trotzdem kommt Hesekiel nur selten zu Wort. In Predigten wird er oft sträflich vernachlässigt. Diesem unbeachteten Schattendasein des Propheten möchten wir mit den folgenden Bibelstunden etwas abhelfen. 1. Sein Name: Hesekiel. Gelegentlich trifft man auch auf den von der griechischen Aussprache abgeleiteten Namen Ezechiel. Der hebräische Name Hesekiel heisst übersetzt: Gott stärkt. In seinem Dienst war Hesekiel oft einsam und verlassen. Im Alter von etwa 35 Jahren starb seine Frau. In diesen schweren Stunden durfte er erfahren, wie ihn Gottes Geist stärkte. Wäre er auf sich alleine gestellt gewesen, hätte ihm die Kraft für seinen Dienst gefehlt. Durch seine Gemeinschaft mit Gott aber wurde er vom Herrn immer wieder für seine Aufgaben zugerüstet. So durfte er für seine Zeitgenossen selbst zu einer Stärkung werden. Gott stärkt : Wer die Gemeinschaft mit Gott pflegt und auf sein Wort hört, darf diese wunderbare Verheissung auch heute noch tagtäglich im eigenen Leben erfahren. Das Neubabylonische Reich auf einer Landkarte unserer Zeit 2. Der geschichtliche Hintergrund: Hesekiel wurde in eine Zeit hinein geboren, in welcher der Stern der einstigen Weltmacht Assyrien am Untergehen war. 612 v. Chr. wurde die Hauptstadt Ninive von den Babyloniern erobert. 609 v. Chr. erfolgte mit der Eroberung Harans und dem Tod des letzten assyrischen Königs der endgültige Todesstoss. Doch wer würde das Machtvakuum ausfüllen und zur neuen Supermacht aufsteigen? Die emporstrebenden Chaldäer aus Babylon im Osten oder die altehrwürdigen Ägypter im Süden? 605 v. Chr. kam es zwischen den beiden Konkurrenten bei Karkemisch zur alles entscheidenden Schlacht. Nebukadnezar damals noch Kronprinz besiegte den ägyptischen Pharao Necho. Mit diesem ht 1/6 12.04.2012

Sieg wurden die Chaldäer endgültig zur vorherrschenden Macht im Nahen Osten. Nebukadnezar, der noch im gleichen Jahr seinem verstorbenen Vater als König auf dem Thron folgte, machte sich nach diesem wichtigen Sieg daran, auch die umliegenden Kleinstaaten seiner Herrschaft zu unterwerfen, was auch Juda zu spüren bekam. Es lassen sich drei Phasen der Unterwerfung unterscheiden: Phase 1: 606 v. Chr. Im Jahr 606 v. Chr. wird Jerusalem erstmals von den Babyloniern erobert. Es werden Kriegsgefangene nach Babylon verschleppt. Unter ihnen befindet sich Daniel. Juda wird zu einem Vasallenstaat. Nun bestimmen die Chaldäer, wer an der Macht ist. Phase 2: 597 v. Chr. Der Versuch der judäischen Könige, sich aus den Fängen der neuen Weltmacht zu befreien, bringt die Babylonier erneut auf den Plan. Ab 598 v. Chr. wird Jerusalem belagert. Ein Jahr später fällt die Stadt. Zehntausend Juden vor allem Personen aus der Oberschicht werden gefangengenommen und deportiert (2Kön 24,11-18). Unter ihnen befinden sich König Jojachin und Hesekiel. Phase 3: 586 v. Chr. Mit dem erneuten Abfall unter dem letzten judäischen König Zedekia reisst der Geduldsfaden der Chaldäer endgültig. Jerusalem wird eingenommen und zerstört. Ein Grossteil der Bevölkerung wird verschleppt. Vier Jahre später folgt eine zweite Deportation (Jer 52,30). Nur ein kleiner Überrest von Juden bleibt im Land zurück. Unter ihnen befindet sich der Prophet Jeremia. 3. Hesekiels Leben: Hesekiel wird um das Jahr 623 v. Chr. im Königreich Juda in eine Priesterfamilie hinein geboren. Er entstammt also der führenden Schicht des Landes. Sein Vater heisst Busi (1,3). Zum Zeitpunkt von Hesekiels Geburt herrscht König Josija über Juda. Dieser gebirgige Kleinstaat bildet nach dem Untergang des Nordreichs den bescheidenen Restbestand des einstigen Königreichs Israel. Fast zeitgleich mit der Geburt Hesekiels wird Jeremia - ebenfalls ein Priester - von Gott in den Prophetendienst berufen. Das heisst: Die beiden Propheten trennt rund eine Generation. Jeremia ist ein älterer Zeitgenosse von Hesekiel. Beide erleben sie die Zerstörung Jerusalems mit. Jeremia in der Stadt selbst. Hesekiel in der Verbannung. Hesekiel muss bereits in jungen Jahren den Abfall von Gott und die Folgen einer oberflächlichen Religiosität miterleben. Bereits unter Manasse (697-642 v. Chr.), dem Grossvater von König Josija, hat Juda damit begonnen, fremden Göttern zu dienen anstatt dem einzig wahren Gott. Die Hinwendung Josijas zum Wort Gottes bewirkt eine geistliche Erweckung, die jedoch von kurzer Dauer ist. Unter den nachfolgenden vier Königen - Joahas, Jojakim, Jojachin und Zedekia -, die in den Jahren zwischen 609 und 586 v. Chr. in Jerusalem amtieren, nimmt die Gleichgültigkeit gegenüber Gott weiter zu. Als Strafe dafür gerät Juda in die Abhängigkeit der Chaldäer. Hesekiel gehört zu jenen Personen aus der Oberschicht, die im Zuge der zweiten Deportation im Jahr 597 v. Chr. nach Babylon weggeführt werden (1,2). Mit dieser Mass- ht 2/6 12.04.2012

nahme hat Nebukadnezar die führenden Köpfe der unterworfenen Völker jederzeit unter Kontrolle und kann gleichzeitig von ihrem Wissen profitieren. Die verschleppten Juden werden nicht wie Kriegsgefangene, sondern eher wie Einwanderer behandelt. Sie dürfen Landwirtschaft betreiben. Hesekiel bewohnt sogar ein eigenes Haus (3,24; 8,1). Auch hat die jüdische Exilgemeinde eigene Älteste und Richter und somit eine gewisse Autonomie. Hesekiel wird zusammen mit anderen Juden in Tel Abib, einem Dorf in der Nähe der Stadt Nippur im heutigen Irak angesiedelt. Es befand sich rund 75 Kilometer südöstlich von Babylon. Tel Abib lag am Fluss Kebar. Dieses Gewässer wird in Keilschrift-Inschriften als Naru Kabari (= grosser Kanal) bezeichnet und war wie es der Name sagt genau genommen ein Kanal (heute: Schatt en-nil). Zur Bewässerung des Schwemmlandes zwischen Euphrat und Tigris wurden in Mesopotamien seit jeher Bewässerungskanäle angelegt. Einer dieser grossen Kanäle war der Fluss Kebar, der oberhalb der Stadt Babylon vom Euphrat abzweigte und in südöstlicher Richtung nach Nippur führte, um später wieder in den Euphrat einzumünden. Dort, fernab seiner Heimat, lebt Hesekiel ab seinem 26. Altersjahr. Im fünften Jahr seiner Gefangenschaft wird er von Gott mit 30 Jahren (Juni/Juli 593 v. Chr.) zum Propheten berufen (1,1). Es ist das Alter, in dem er als Priester in Jerusalem seinen Dienst im Tempel angetreten hätte. Dass Hesekiel seinem familiären Hintergrund stets eng verbunden bleibt, erkennen wir daran, dass der Tempel und der Opferdienst in seinem Buch einen zentralen Stellenwert besitzen. Die wichtigsten Städte Babylons (18. Jh. v. Chr.) Bild: MapMaster (GNU 1.2 or later) Hesekiel ist verheiratet. Er muss eine glückliche Ehe geführt haben. Seine Frau wird als Freude seiner Augen bezeichnet (24,16). Allerdings wird sie ihm durch einen frühen Tod bereits in jungen Jahren unverhofft wieder genommen. Als Prophet wendet sich Hesekiel sowohl an die weggeführten Juden im Land der Chaldäer als auch an die nach der zweiten Deportation in Jerusalem verbliebenen Landsleute. Die Exulanten warnt er davor, ihre Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zu setzen. In Jerusalem selbst hat sich die Vorstellung verbreitet, das Gericht Gottes würde nur den bereits verbannten Juden gelten. Hier macht Hesekiel deutlich, dass mit den beiden ersten Wegführungen längst noch nicht alles ausgestanden ist. Entgegen den Aussagen vieler falscher Propheten wird die Stadt Jerusalem fallen. Das Königreich Juda wird un- ht 3/6 12.04.2012

tergehen. Diese Gerichtsbotschaften Hesekiels prägen den ersten Teil seines Werks. Dann jedoch folgt die grosse Wende. Jerusalem fällt (33,21): Und es geschah im zwölften Jahr, am fünften Tag des zehnten Monats unserer Gefangenschaft, da kam ein Entflohener von Jerusalem zu mir und sprach: Die Stadt ist geschlagen! Mit diesem Ereignis (586 v. Chr.) bekommt der Dienst des Propheten eine neue Ausrichtung. Seine Worte werden zur Trostbotschaft. Gottes Liebe zu seinem Volk bleibt trotz der notwendigen Strafe bestehen. Hesekiel kündigt seinen Landsleuten an, dass der Herr Israel wiederherstellen wird. Er verheisst ihnen den Segen des kommenden messianischen Reichs. Der Herr wird seinem Volk im verheissenen Erlöser einen wahren Hirten schenken. Hesekiel kämpft gegen die Entmutigung, gleichzeitig aber auch gegen die Gefahr, dass sich das Volk an das neue heidnische Umfeld in Babylon anpasst und ob aller Annehmlichkeiten seine Heimat Israel vergisst. Hesekiel wird unter den weggeführten Juden trotz seiner oftmals unbequemen Worte als Mann Gottes geschätzt. Mehrmals suchen ihn Delegationen von Ältesten aus der Exilgemeinde auf, die ihn um Rat und Hilfe bitten. Mindestens 22 Jahre lang muss Hesekiel seinem Herrn als Prophet gedient haben. Die letzte datierte Offenbarung (29,17) stammt aus dem 27. Jahr der Wegführung (= März/April 571). Über den Rest seines Lebens sagt uns die Bibel nichts. Die Botschaft Gottes und nicht die Person des Propheten soll im Vordergrund stehen. 4. Die Adressaten Hesekiels: Die Botschaft Hesekiels richtet sich an (LIEBI, Hesekiel, S. 15): 1. die ersten Weggeführten, um ihnen zu zeigen, dass Gott ein gerechtes Gericht über Israel hält. 2. die im Land gebliebenen Juden, um ihnen das endgültige Gericht anzukündigen, das über sie hereinbrechen würde. 3. alle exilierten Juden aller Zeiten, um ihnen mit der Verheissung der herrlichen Wiederherstellung Israels eine tröstliche Botschaft zu bringen. 4. die Nationen um Israel herum, um ihnen die Souveränität des einzig wahren Gottes vor Augen zu führen, der in Gericht und Gnade mit dem Menschen handelt. Gleichzeitig ist das Buch aber auch uns Christen dienlich. Mit seinen vielen Aussagen über den Herrn hilft es uns zu erkennen, wer Gott ist. Aus den Fehlern Israels können auch wir lernen. Ausserdem zeigt uns Hesekiel, dass jeder Mensch vor Gott eine individuelle Verantwortung hat. So werden auch wir durch die Worte Gottes dazu aufgerufen, Busse zu tun und zu unserem Schöpfer umzukehren. Schliesslich fällt die Erfüllung vieler Verheissungen in unsere eigene Zeit. Dies betrifft vor allem die Wiederherstellung Israels. 5. Zur Chronologie des Buches: Im Unterschied zu den Weissagungen anderer alttestamentlicher Propheten sind verhältnismässig viele Botschaften Hesekiels genau datiert. Im ganzen Buch lassen sich vierzehn Zeitangaben finden. Mit Ausnahme von zwei Gerichtsankündigungen an die umliegenden Völker (26,1; 29,17) sind alle datierten Texte in chronologischer ht 4/6 12.04.2012

Reihenfolge angeordnet. Sieht man von der Altersangabe im ersten Vers des Buches ab, so verwendet Hesekiel durchgehend ein einheitliches Datierungssystem. Als Ausgangsjahr und Referenzpunkt dient in allen Fällen die Deportation unter König Jojachin, d.h. der Beginn von Hesekiels eigenem Exil (597 v. Chr.). Die Datierungen des Propheten lauten also wie folgt: Am x-ten Tag des x-ten Monats im x-ten Jahr der Gefangenschaft / nach der Wegführung. 6. Die Gliederung des Buches: Das Buch Hesekiel lässt sich in drei Teile gliedern: Kapitel 1-24: Diese Kapitel liegen zeitlich vor der Zerstörung Jerusalems. Hesekiel kündigt das endgültige Gericht Gottes an. Kapitel 25-32: Gott kündigt sein Gericht über sieben nichtjüdische Nachbarvölker an: Ammon, Moab, Edom, Philistäa, Tyrus, Sidon und Ägypten. Kapitel 33-48: Nach dem Fall Jerusalems tröstet Gott sein Volk und verheisst die Wiederherstellung Israels im Land seiner Vorfahren. 7. Typische Elemente der Botschaft Hesekiels: Nebst den bereits erwähnten Ermahnungen und Verheissungen weist das Prophetenbuch weitere charakteristische Merkmale auf. Dazu gehören (a) Visionsberichte, (b) Gleichnisse und (c) Zeichenhandlungen. a. Visionsberichte: Visionen werden auch als Gesichte oder Offenbarungen bezeichnet. Sie sind nicht mit dem zu verwechseln, was im heutigen Sprachgebrauch unter einer Vision verstanden wird. Viele Firmen, Vereine, Parteien oder auch christliche Gemeinden sprechen von Visionen und meinen damit ihre eigenen, menschlichen Ideen, Pläne und Ziele im Hinblick auf die Zukunft. Demgegenüber ist die Vision eines Propheten eine Offenbarung Gottes, auf welche der Mensch keinen Einfluss hat. Empfangenes wird weitergegeben. Deshalb spricht Hesekiel auch von Gottesgesichten (8,3; 40,2). Bei Visionen im biblischen Sinn handelt es sich um zeitlich fixierbare Ereignisse, durch welche ein Prophet Einblick in die Pläne und Absichten Gottes erhält. Die vier grossen Visionsberichte im Buch Hesekiel sind: Die Erscheinung der Herrlichkeit Gottes im Zusammenhang mit Hesekiels Berufung (Kap. 1-3), die Vision vom Götzendienst im Tempel und seinen Folgen (Kap. 8-11), die Vision von den Totengebeinen (Kap. 37) und die Vision vom dritten Tempel (Kap. 40-47). Bei jeder dieser Offenbarungen werden die persönliche Ergriffenheit und die Erschütterung des Propheten zum Ausdruck gebracht, die mit der Vision verbunden sind. b. Gleichnisse: Hesekiel verwendet zahlreiche Gleichnisse oder Bildreden. Diese häufen sich vor allem in den Kapiteln 15 bis 24. Dazu gehören unter anderem das Gleichnis vom Weinstock (15,1-8), das Gleichnis von den zwei Adlern (17,1-24), das Gleichnis der beiden untreuen Schwestern (23,1-49) oder das Gleichnis vom rostigen Kochtopf (24,3-14). ht 5/6 12.04.2012

c. Zeichenhandlungen: Hesekiel wird von Gott mehrfach zu besonderen Aktionen mit Verkündigungswert aufgefordert. Es sind symbolische Handlungen, welche die Botschaft des Propheten veranschaulichen und das Volk zur Umkehr bewegen sollen. In Hes 24,24 lesen wir: Und so wird Hesekiel für euch ein Zeichen sein; ihr werdet genauso handeln, wie er gehandelt hat; und wenn es eintreffen wird, werdet ihr erkennen, dass ich Gott, der Herr bin. Diese Aktionen des Propheten nehmen vorweg, was dem Volk Israel widerfahren wird. So illustriert Hesekiel mit Hilfe eines Ziegelsteins die Belagerung Jerusalems (4,1-3). Oder er stellt die zukünftige Wiedervereinigung Israels und Judas mit zwei Holzstücken dar (37,15-22). Oftmals ist der Prophet selbst in diese Zeichenhandlungen involviert: Hesekiel soll tagelang auf der Seite liegen (4,4-8). Hesekiel muss seine Haare und seinen Bart abschneiden (5,1-17). Hesekiel soll sein Brot mit Zittern essen (12,17-20). Hesekiel darf beim Tod seiner Frau nicht öffentlich trauern (24,15-24). Die meisten dieser Zeichenhandlungen finden wir in den ersten zwölf Kapiteln des Prophetenbuchs. Ausblick: Wenn wir mit diesen Informationen bestückt die ersten drei Verse aus dem Buch Hesekiel nochmals durchlesen, so erscheint uns vieles verständlicher. Sie bilden die Einleitung zur ersten grossen Vision Hesekiels, welcher wir uns in der kommenden Bibelstunde widmen werden. Hes 1,1-3: Und es geschah im dreissigsten Jahr, am fünften Tag des vierten Monats, als ich unter den Weggeführten am Fluss Kebar war, da öffnete der Himmel, und ich sah Gesichte Gottes. Am fünften Tag jenes Monats es war das fünfte Jahr [seit] der Wegführung des Königs Jojachin da erging das Wort des Herrn ausdrücklich an Hesekiel, den Sohn Busis, den Priester, im Land der Chaldäer am Fluss Kebar, und die Hand des Herrn kam dort über ihn. Amen. Buchempfehlung: Wer sich eingehender mit dem Propheten Hesekiel beschäftigen möchte, dem sei folgender Kommentar empfohlen: LIEBI, Roger: Das Buch des Propheten Hesekiel. Düsseldorf/Pfäffikon 2011. Dieser Kommentar eignet sich besonders als Begleitung zur persönlichen Bibellektüre. Er ist kurz und bündig abgefasst. Gleichzeitig geht er jedoch äussert genau auf den Text ein, indem er die Aussagen aus der damaligen Zeit heraus erklärt. Dabei kommen auch die Anwendungen auf unser eigenes geistliches Leben als Gläubige und als Gemeinde nicht zu kurz. Kostenpunkt: 18,90 Fr. Im Internet finden Sie diese Bibelstunde zum Ausdrucken als pdf- Datei unter www.egwynental.ch (Archiv/Bibelstunden). ht 6/6 12.04.2012