PREDIGT ZUM FEST DER REFORMATION, 31. OKTOBER 2012 Das Predigtwort Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie denn geschrieben steht: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben. Römerbrief 1,17 Die Predigt 18. April 1521, Luther vor dem Reichtag zu Worms vor Staat und Kirche, als Häretiker angeklagt mit dem Tode bedroht. Alleine mit sich und seinem Gott und sonst niemand Hier und jetzt soll er alle seine Schriften und Äußerungen widerrufen. Seine Ankläger unterbrechen ihn mehrmals: Sage REVOCO! Sage Ich widerrufe! Aber Luther kann nicht und er will nicht und er ist wahnsinnig in den Augen der Umstehenden, er bringt sich in diese Gefahr, darin wird er umkommen. Es knistert bis heute und über 2017 hinaus. Wir hören es gerne: das Es soll uns irgendwie auch größer werden. Dem Jahr 2017 fiebern ja so viele entgegen in den Evangelischen Kirchen. Es ist aber dem Mönchlein ganz egal, dass dies jetzt bei uns so ist. Und es ist ihm auf eine ganz eigentümliche Weise egal, ob er hier in Worms durch seinen Widerstand scheitert. Wenn ich nicht durch Zeugnisse aus der Hl. Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde denn weder dem Papst noch dem Konzil allein kann ich glauben, die offenkundig geirrt und sich widersprochen haben -, so bin ich überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Wort Gottes. Ich kann und will daher nichts widerrufen, weil gegen das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir. So hat er sein Hier stehe ich gesagt in Worms. Es geht ihm nicht um sich. Es geht hier nicht um Martin Luther! In diesen historischen Augenblicken ist das Ich des Luther für ihn selbst jedenfalls überhaupt kein Thema. 1
Er nämlich wusste sich in Gott und hatte längst schon einen ganz anderen Standpunkt gewonnen. Einen Standpunkt außer sich. Und seinen Halt. Ein feste Burg ist sein Gott, ein gute Wehr und Waffen. Er hat die Heilige Schrift, das Wort Gottes in sein Leben und seine Fragen hinein übersetzt und alles ganz neu gesehen. Die Welt ist ihm auf den Kopf gestellt und die Ängste verschwanden im Nu, selbst wenn sie noch kämpften und tobten in ihm, der Teufel war überwunden, die Angst vor dem Bösen in sich selbst. Und auf einmal das Wissen: Nie, niemals kann ich mich frei kaufen aus dem Gefängnis des Lebens. Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt Das ist die blanke Lüge. Was soll das denn? Ich kann mich nicht erlösen. Meine Rechnung ist beglichen. Ich bin ja schon frei in der Liebe. Was für ein Schauspiel wird uns denn hier vorgemacht? Was soll ich denn noch tun, um endlich mitzukommen? Und hier ist das Zeitübergreifende und das Bedeutsame unseres heutigen Feiertages der Reformation: Hallo Wien. Wienerinnen und Wiener, Hallo, Ihr seid in Gott gefasst und darum heilig, das heißt Hallo. Hallowed ich sage es so gerne. Hallo Wien. Du geheiligte Stadt mit Deinen Menschen Dass Du Dir dies sagen lässt heute Abend und nicht weil das historisch wichtig wäre, nein. Nicht irgendeine Zahl bestimme Dich. Sondern Du setze alles auf eine Zahl, auf den Gott, der mit Dir ist. Der auf Dich setzt. In ihm bist Du gefasst und für heilig befunden. Alles ist im Kreuz verschlungen, was falsch ist und Dich zerstören könnte. Dass ich mir dies sagen lasse von Gott, durch den ich, durch den Du einen neuen Standpunkt beziehen kannst, dafür gibt es jetzt eine Predigt und Du sollst Dir das merken. Merke es Dir Wien: Ich bin ja schon frei in der Liebe! Als Luther Bibelprofessor in Wittenberg war, da schießt ihm die Erkenntnis ein, er liest den Römerbrief und stolpert heilsam. Wie wir ja manchmal heilsam stolpern in unserem Leben Auf einmal ist Martin Luther in Gott. Nichts mehr kann ihn aufhalten: Ich bin in Gott. Das wird uns erzählt als das Turmerlebnis, als er eben heilsam über die Worte stolpert: Römerbrief 1,17: Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie denn geschrieben steht: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben. 2
Herrlicher Zirkelschluss: aus Glauben in Glauben. Also nicht aus mir. Aus Glauben, der in mich hinein gelegt wurde, nicht aus mir. Herrlicher Zirkelschluss: ich werde heraus gelöst aus dem Kreisen um mich selbst. Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang; und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang. Aber die Richtung geht anders hier im Turmerlebnis des Luther: Das Ich wird heraus gelöst aus dem Kreisen um sich selbst. Ich kann es nicht machen, aber Gott! Ich werde ausgerichtet, zu Recht gerückt, zu meinem Recht, in sein Licht verrückt, raus aus den Scheinwerfern, Blitzgewittern der Fotoapparate für irgendeine Plattform im Internet vielleicht, damit Du sagen kannst: Hast Du mich gesehen? Gott sieht Dich. Der Dir ins Herz sieht Darum dann ein paar Jahre später sein: Glaubst Du, so hast Du. Sagt Luther auf vielfältige Weise. Und jetzt ist ja die Welt eine Kirche der Angst. Schlingensief Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir Glaubst Du, so hast Du Dein Leben im Griff Du wirst nämlich ausgehalten von Gott, der Dich aushält dieses zerreißende Spannungsverhältnis in Dir: simul jusus et peccator. Richtig falsch. Wahr in der Lüge. Wenn Du Dich nicht erträgst, trägt Gott Dich! mit all Deinen Ängsten und Fragen und in ihm hast Du sogar das Gefährdende im Griff, selbst Deine Schuld und das Böse. Du wirst Dich nicht beteiligen an den Geschäften der Welt: an dieser blinden Aufputschmaschinerie Du wirst Nein sagen zu Abtreibungen im 9. Monat, Du hast ein Amt jeden Tag in der Welt, Du bist einer der Priester, eine der Priesterinnen aller Gläubigen. Du wirst Dich nicht vernichten lassen und auch niemanden vernichten. Nicht am Arbeitsplatz, nicht in der Schule, nicht in der Familie. Du nimmst Dir kein Recht heraus, das Dir nicht zusteht. Du wirst Dich nicht klein machen und an Dir nicht verzweifeln. Du wirst Deinen Wert nicht hinterfragen und Dir nicht sagen, Ich bin nicht wert. Niemals sollst Du sagen: Ich bin nicht wert. Du wirst Dich lieben und die Welt und Verantwortung übernehmen zart und genau: Du hast ein Amt jeden Tag in der Welt, Du bist einer der Priester, eine der Priesterinnen aller Gläubigen. 3
Glaubst Du, so hast Du, weil Gott Dich hat und Dich hält. Glaubst Du, so hast Du und wächst über alles hinaus, es ist aber die selbst wachsende Saat. Dein Bild, Du wiedererschaffen in Gott und zu Gott hin. Bilder einer Ausstellung haben wir heute hier: Schöpfbilder von Yoly, Bilder vom werdenden Ich erzählen uns die neue Geschichte vom Ich, das in der Reformation zu sich selbst hin überwunden wird. Das ist immer noch vor uns! Glaubst Du, so hast Du! Nie könntest Du verloren gehen. Ich gehe nicht verloren. Bin unverloren. Wenn ich den Sinn nicht sehe, heißt das ja nicht, dass er nicht ist. Oder? Utum mecum sit, tamern Deus est Deus wie auch immer es um mich stehen mag, dennoch bleibt Gott Gott, sagt Luther. Irgendwann komme ich zum großen Ganzen. Ich muss mich nicht zerstückeln und zerfleischen auf dem Weg dahin. Ich muss mich nicht und niemanden zernichten! Sage Dir im Glauben: Ich bin ja schon frei in der Liebe! O ja! Das große Ja über Deinem Leben, über meinem Leben. Es ist da! Hallo Wien! Merke es Dir! Ein Christenmensch lebt nicht in sich selbst, sondern in Christus und seinem Nächsten in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe. Durch den Glauben steigt er über sich hinaus zu Gott; 4
aus Gott steigt er unter sich hinab durch die Liebe und bleibt doch immer in Gott und in der göttlichen Liebe, wie Christus sagt:»ihr werdet noch sehen den Himmel offen stehen und die Engel auf- und absteigen über den Sohn des Menschen.«Siehe, das ist die rechte, geistliche, christliche Freiheit, die das Herz frei macht von allen Sünden, Gesetzen und Geboten, die alle andere Freiheit übertrifft wie der Himmel die Erde, die gebe uns Gott recht zu verstehen und zu behalten. + Amen. 5