Erstattung von Verhütungskosten in Deutschland. Erhebung des pro familia-bundesverbandes zu regionalen Regelungen

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Transkript:

Erstattung von Verhütungskosten in Deutschland Erhebung des pro familia-bundesverbandes zu regionalen Regelungen Ergebnisse aus dem Erhebungszeitraum Dezember 2009 bis Januar 2010 Zusammenfassung Seit Einführung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2004 sind die Kosten für Verhütungsmittel in vielen Bereichen gestiegen. Gleichzeitig entfiel die Übernahme von Verhütungsmitteln für Sozialhilfe- und Arbeitslosengeld II-EmpfängerInnen. Diese Bevölkerungsgruppen sind somit in besonderem Maß von den gesetzlichen Neuregelungen betroffen, da Kosten für Verhütung in den Bezügen nicht berücksichtigt werden. Regional wird seit den genannten Änderungen dringender Handlungs- bzw. Nachbesserungsbedarf gesehen, und in einigen Regionen wurden bereits kommunale Erstattungsregelungen für Verhütungsmittel eingeführt. Die vorliegende Befragung stellt die regionalen Kos-tenübernahmeregelungen an den bundesweit 181 pro familia- Standorten dar. Methode: In allen Beratungsstellen der pro familia wurde mittels standardisiertem Fragebogen erhoben, ob eine kommunale Kostenübernahmeregelung angestrebt wird oder bereits existiert und wenn dies der Fall ist, für wen und welche Verhütungsmethoden sie bewilligt wird. Ergebnisse: Ca. ein Drittel der Beratungsstellen (59 von 181 Beratungsstellen) gab an, dass in der jeweiligen Region seit 2004 Kostenübernahme- oder Zuschussmodelle umgesetzt würden. Weitere 45 Prozent der Beratungsstellen stellten fest, dass es einen Bedarf gäbe, jedoch bisher keine regionalen Lösungskonzepte gefunden worden seien. In der Regel werden verschreibungspflichtige Verhütungsmittel erstattet oder bezuschusst. Häufig fallen auch Sterilisationen und in seltenen Fällen Kondome unter die Regelung. Eine zeitliche Begrenzung der Kostenregelung wird von mehr als dreiviertel der Beratungsstellen genannt. Fazit: Die Ergebnisse zeigen eine uneinheitliche und unübersichtliche Regelungspraxis auf lokaler Ebene. Sie bestätigen den von pro familia geforderten Änderungs- bzw. Nachbesserungsbedarf 1.) durch die hohe Zahl bereits auf kommunaler Ebene gefundener Lösungen, um den durch die gesetzlichen Regelungen entstandenen Versorgungsdefiziten entgegenzuwirken und 2.) durch die Rückmeldung von mindesten 67 Prozent der Beratungsstellen, die keine Kostenübernahmeregelung haben, aber dem Thema eine hohe Bedeutung zuschreiben. Hintergrund der Befragung Sexuelle und reproduktive Rechte zählen seit der Kairo-Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung zu den Menschenrechten. Die Möglichkeit zur Verhütung, d. h. die selbstbestimmte Entscheidung über den Zeitpunkt einer Schwangerschaft und die Anzahl von Kindern, ist eine wesentliche Voraussetzung zum Erhalt der reproduktiven Gesundheit und muss allen Menschen im reproduktiven Alter zur Verfügung stehen. Ist dies nicht gewährleistet, werden die Rechte von Frauen und Männern eingeschränkt. Es ist eine öffentliche Aufgabe, sicherzustellen, dass der Zugang zu Verhütungsmethoden nicht aus finanziellen Gründen oder durch unzureichende Versorgung behindert wird. Auf Grund der Veränderungen durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, welches am 1.1. 2004 in Kraft getreten ist, sowie der Veränderungen im Sozialgesetzbuch sind die Kosten für die Inanspruchnahme von Verhütungsmitteln seit dem Jahr 2003 in vielen Bereichen deutlich gestiegen. Folgende Änderungen haben sich besonders stark auf die Kosten von Verhütungsmitteln ausgewirkt: Wegfall der Übernahme von Verhütungsmitteln für Sozialhilfe- bzw. ALG II-EmpfängerInnen 1, Praxis / Notdienstgebühr, Erhöhung der Selbstbeteiligung bei Arzneimitteln, Beratungsgebühr von ApothekerInnen, Streichung der Sterilisation von Mann und Frau aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Seite 1 von 6

Besonders der Wegfall der Übernahme von Verhütungsmitteln bedeutet für Sozialhilfe- bzw. Arbeitslosengeld II- EmpfängerInnen eine zusätzliche finanzielle Belastung, da Kosten für Verhütungsmittel in den Sozialgeld- und ALG II-Bezügen nicht berücksichtigt werden. Die Finanzierung von Verhütungsmethoden stellt diese Klientel vor Probleme, mit denen sich seit der Gesetzesänderung zahlreiche Beratungsinstitutionen so auch viele pro familia-beratungseinrichtungen befassen müssen. Entgegen der gesetzlichen Neuregelung auf Bundesebene wurde auf kommunaler Ebene weiterhin Handlungsbedarf gesehen, um die Finanzierung von Verhütung für sozial Schwache zu unterstützen. Finanzierungsmodelle wurden diskutiert und teilweise eingeführt, variieren jedoch hinsichtlich der Konzeption und Umsetzung, in der Höhe der Leistungen und den Bezugsgruppen. pro familia schätzt die regionale Regelungspraxis als unübersichtlich und uneinheitlich ein. Fragestellung Durch eine bundesweite Befragung aller pro familia-beratungseinrichtungen wurde festge-stellt, wo es Kostenübernahme regelungen gibt, für wen sie gelten und welche Verhütungsmethoden erstattet oder bezuschusst werden. Erfragt wurde auch, ob und ggf. von welchen Stellen das Thema regional diskutiert wird. Ziel ist es, eine Übersicht über die aktuelle Situation zu erhalten. Methode der Befragung Mittels standardisiertem Fragebogen hat der pro familia Bundesverband bei allen pro familia-beratungsstellen schriftlich folgende Fragen erhoben: Gibt es eine Kostenübernahme bzw. einen Zuschuss für Verhütungsmittel? Wenn ja, für wen (z. B. Hartz IV- EmpfängerInnen) und für welche Verhütungsmittel? Gibt es eine zeitliche Begrenzung der Kostenübernahme? Wer hat die Regelung initiiert? Als Querschnitterhebung wurden diese Daten quantitativ in dem Zeitraum Dezember 2009 bis Januar 2010 erfasst. Unklare Situationen wurden telefonisch geklärt. Ergebnisse Alle Beratungseinrichtungen der pro familia haben sich an der Befragung beteiligt. Bundesweit wurden Kostenübernahmeregelungen in 59 von 181 Beratungsstellen angegeben (33 %). Grafik 1: Kostenübernahme für Verhütung Anteil Kostenvergütung auf regionaler Ebene. Befragung der 181 pro familia-beratungsstellen. Kostenvergütung auf regionaler Ebene 33 % Keine Kostenvergütung 67 % Seite 2 von 6

Tabelle 1: Kostenübernahme pro Bundesland Gegenüberstellung der pro familia Beratungsstellen pro Bundesland, wo regionale Regelungen zur Erstattung/ Bezuschussung von Verhütungsmitteln existieren, und der Anzahl der pro familia-beratungsstellen pro Bundesland insgesamt (absolute Zahlen und prozentualer Anteil) Bundesland Anzahl der Beratungsstellen mit Kostenübernahme oder Erstattung vs. Anzahl der Beratungsstellen insgesamt Prozentualer Anteil der Beratungs stellen mit Kostenübernahme oder Erstattung an der Gesamtzahl der Beratungsstellen Baden-Württemberg 10/19 53 % Bayern 1/14 7 % Berlin 2/2 100 % Brandenburg /12 keine Regelung Bremen /3 keine Regelung Hamburg /4 keine Regelung Hessen 8/22 36 % Mecklenburg-Vorpommern /7 keine Regelung Niedersachsen 10/21 48 % Nordrhein-Westfalen 24/34 71 % Rheinland-Pfalz 1/9 11 % Saarland /2 keine Regelung Sachsen /4 keine Regelung Sachsen-Anhalt /10 keine Regelung Schleswig-Holstein 3/13 23 % Thüringen /5 keine Regelung Seite 3 von 6

Art der Kostenübernahme: Bei der einen Hälfte der Kostenübernahmeregelungen werden die Verhütungskosten erstattet und bei der anderen bezuschusst (jeweils ca. 50 Prozent). KostenübernahmeempfängerInnen Als Kriterien für eine Unterstützung gelten in den meisten kommunalen Regelungen der Bezug von Hartz IV oder Sozialgeld. Häufig, aber nicht durchgängig, wird das Einkommen als Grundlage für eine Unterstützung berücksichtigt. Die Berechnungsgrundlagen sind uneinheitlich, orientieren sich aber häufig an den Hartz IV-Sätzen. In Einzelfällen wird eine Unterstützung von Bafög-EmpfängerInnen und ausländischen StudentInnen gewährt. Gleiches gilt für EmpfängerInnen von Kinderzuschlag, Berufsausbildungsbeihilfe und Wohngeld. Erstattete oder bezuschusste Verhütungsmittel In der Regel werden verschreibungspflichtige Verhütungsmittel bezuschusst oder erstattet. Orale hormonelle Kontrazeptiva (Pille) werden stets erstattet und die Spirale in den meisten Fällen. Einschränkungen gibt es bei Langzeitverhütung wie Depotinjektionen oder Implantaten. Mindestens zehn pro familia Beratungseinrichtungen geben an, dass in Ihrer Region die Sterilisation des Mannes oder der Frau übernommen wird, seltener, aber in mindestens sechs Regionen, werden auch die Kosten für Kondome übernommen. Mindestens vier Regionen übernehmen die Kosten für die Anwendung des Diaphragmas. Zeitliche Begrenzung der Erstattung oder Bezuschussung Eine zeitliche Begrenzung der Kostenerstattung der Unterstützung wird in ca. 75 Prozent angegeben. Die angegebenen Begrenzungszeiträume liegen zwischen 3 Monaten und 3 Jahren. Zu den Konsequenzen, die dies für die Praxis hat, liegen keine weiteren Daten vor. Vorläufige Bewertung unter Berücksichtigung einer Befragung aus dem Jahr 2006 Auf Grund der Veränderungen durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz und der Veränderungen im Sozialgesetzbuch ist die Finanzierung von Verhütung seit dem Jahr 2004 für viele Menschen schwierig geworden und die Wahlfreiheit bezüglich einzelner Verhütungsmethoden deutlich eingeschränkt. Den ersten Anhaltspunkt für die Problematik dieser Situation erhielt der pro familia-bundesverband durch zahlreiche Meldungen aus den pro familia-beratungsstellen. Eine erste Befragung im Jahr 2006, die darauf abzielte, die Bedeutung der Gesetzesänderungen für betroffene Frauen und Paare, für die Beratungssituation und für das regionale Klima insgesamt einzuschätzen, lieferte bereits wichtige Anhaltspunkte. Im Einzelnen ergab diese repräsentativen Befragung aller pro familia-beratungsstellen mittels teilstandardisiertem Frage bogen, dass in 97 Prozent der Beratungsstellen Frauen beraten werden, bei denen die Kosten von Verhütungsmitteln Einfluss auf die Wahl der Methode haben; in über 80 Prozent der Beratungsstellen Frauen nach 219 StGB (Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage) beraten werden, bei denen die Kosten Einfluss auf die Verhütungsmethoden haben. Der Anteil dieser Frauen liegt im Schnitt bei geschätzten 25 Prozent der angebotenen Beratungen von Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage (West: 22 Prozent, Ost: 42 Prozent); bei 88 Prozent der Beratungsstellen dieser Anteil in den letzten drei Jahren zugenommen hat (38 Prozent der Beratungsstellen gaben eine starke Zunahme an); in 89 Prozent der Beratungsstellen Frauen beraten werden, die aus finanziellen Gründen überhaupt nicht verhüten. Auch die Zahl dieser Frauen hat in den letzten drei Jahren zugenommen. Fazit Die Ergebnisse der Befragung im Jahr 2006 lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass aus Sicht von pro familia-beratungsstellen Frauen mit zunehmender Tendenz aus Kostengründen preiswerte bzw. gar keine Verhütungsmethoden wählen. Die Möglichkeit von Frauen bzw. Paaren, die bestverträgliche und auf die aktuelle Lebenssituation abgestimmte Verhütungsmethode wählen zu können, muss auf Grund dieser Ergebnisse in Frage gestellt werden. Die Ergebnisse der aktuellen Befragung bestätigen und präzisieren die fortdauernde Problematik durch zweierlei Punkte: 1. Suche nach regionale Lösungen Die Befragung ergibt, dass aktuell in 59 von 181 Regionen mit pro familia-beratungseinrichtungen (33 Prozent) regionale Lösungen gefunden wurden, um die Verhütungsversorgung von Frauen bzw. Paaren zu verbessern. Seite 4 von 6

Demnach wurde der Bedarf nach finanzieller Förderung von Verhütung in einem Drittel der Regionen nach der Gesetzesänderung als so dringlich angesehen, dass eine solche Unterstützung gesucht und umgesetzt wurde. 2. Einschätzung des Bedarfs Neben den 59 Regionen, die auf Grund der gesetzlichen Änderungen regionale Lösungen angestrebt und gefunden haben, sehen weitere 82 Beratungseinrichtungen (45 Prozent) in der eigenen Region einen Bedarf für eine Regelung zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln. Grafik 2: Einschätzung des Regelungsbedarfs Angaben der pro familia-beratungsstellen. In den Fällen, in denen Regelungsbedarf angegeben wird, wird in den meisten Regionen auf regionaler Ebene nach Lösungsansätzen gesucht, allerdings bisher ohne Erfolg. Regelungsbedarf vorhanden 45 % Kostenvergütung auf regionaler Ebene 33 % Keine Angaben 22 % Notfalllösungen/Härtefälle: In manchen Gebieten existieren so genannte Notfalllösungen für den (Härte-)Einzelfall. Die Befragung beinhaltet hier, obwohl die Daten quantitativ erhoben wurden, zahlreiche Schilderungen von teilweise erschütternden Einzelfällen, die eine finanzielle Unterstützung sehr dringlich bis unausweichlich erscheinen lassen. Jedoch wird gleichzeitig auf den (finanziellen) Druck und die fehlenden Handlungsoptionen hingewiesen, die für Beratungs stellen und für niedergelassene ÄrztInnen bestehen. Regionale Vernetzung Die Befragung zeigt deutlich, dass in vielen Fällen die Kommunen aufgeschlossen und lösungsorientiert mit Schwangeren beratungsstellen zusammenarbeiten. Sie zeigt aber auch, dass die Zuständigkeit bzw. die Verantwortlichkeit bei unterschied lichen Stellen liegt. Die aktuelle Gesetzeslage wird auf kommunaler Ebene sehr different eingeschätzt und sie wird häufig auch in Abhängigkeit der kommunalen Haushaltssituation ausgelegt. Eine schwierige Haushaltslage kann somit dazu führen, dass keine bzw. keine nachhaltige Lösung auf regionaler Ebene gefunden werden kann. Der pro familia-bundesverband sieht in Bezug auf das Thema Uneingeschränkter Zugang zu Verhütungsmethoden und Wahlfreiheit der bestgeeigneten Verhütungsmethode für eine Frau bzw. ein Paar weiterhin dringlichen gesundheitspolitischen Handlungsbedarf. Seite 5 von 6

Resümee Die Untersuchung bestätigt eine sehr uneinheitliche und unübersichtliche Regelungspraxis auf regionaler Ebene, die sich nach der Einführung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2004 entwickelt hat. Für Frauen, die Hartz IV beziehungsweise Sozialgeld beziehen, fehlt in vielen Regionen eine verlässliche Grundlage für eine finanzielle Unterstützung zur Verhütung. Gleich zeitig fehlt die Berücksichtigung dieser Kosten in den laufenden Bezügen. Die Ergebnisse legen folgende Annahme nahe: Die Veränderungen in der Gesetzgebung haben dazu geführt, dass Frauen und Paare mit geringem Einkommen in der freien Wahl der Verhütungsmethode und in der Inanspruchnahme notwendiger ärztlicher Kontrolluntersuchungen deutlich eingeschränkt sind. Um das Risiko ungewollter Schwangerschaften zu verhindern und Frauen unabhängig von ihrer finanziellen Situation die für sie verträglichste und passendste Verhütungsmethode anzubieten, wurden vielerorts regionale Unterstützungskonzepte gefunden und umgesetzt. Diese müssen allerdings als nicht ausreichend angesehen werden, gerade weil sie regional begrenzt sind und unter der Prämisse der Gerechtigkeit eine bundesweit einheitliche Regelung anzustreben ist. Die Ergebnisse der Befragung bestätigen den gesetzlichen Änderungs- bzw. Nachbesserungsbedarf uneingeschränkt, den pro familia bereits seit dem Jahr 2004 anmahnt. Dabei sind die dringlichsten Forderungen: kostenloser Zugang zu der jeweils passendsten und verträglichsten Verhütungsmethode für Sozialgeldund Hartz IV-EmpfängerInnen; die Übernahme aller ärztlichen Leistungen, die im Zusammenhang mit der Anwendung einer Verhütungsmethode stehen für diese Gruppen. pro familia-bundesverband Frankfurt am Main, Juni 2010 1 Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass Bezieherinnen von Sozialgeld und ALG II die Kosten für Verhütungsmittel aus den laufenden Bezügen ansparen können. 36 des Bundessozialhilfegesetzes sieht zwar grundsätzlich eine Hilfe zur Familienplanung für SozialhilfeempfängerInnen vor. Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz stehen sich seit Januar 2004 jedoch zwei gegensätzliche Bestimmungen gegenüber, denn gemäß der neuen Regelung erhalten Sozialhilfeempfängerinnen nur noch die Leistungen, welche die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen Verhütungsmittel sind somit ausgeschlossen. Literatur und Link www.profamilia.de Publikationen Dort befinden sich: Fakten & Hintergründe Kostenfreie Verhütungsmittel für ALG II und Sozialgeld- Bezieherinnen, pro familia-bundesverband, Mai 2010 Verhütungskosten in Deutschland und die Auswirkungen auf die Verhütungssituation, Beispiele aus der Beratungspraxis, pro familia-bundesverband, Mai 2010 außerdem auf www.profamilia.de : Verhütung zwischen Anspruch & Wirklichkeit. Oder: Verhütungsmittel für Hartz IV- Bezieherinnen weiter schwer zugänglich, Artikel von Annelene Gäckle im pro familia magazin 2 / 2009 Impressum pro familia-bundesverband Stresemannallee 3 60596 Frankfurt am Main Telefon 069 63 90 02 Fax 069 63 98 52 E-Mail info@profamilia.de Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Seite 6 von 6