Den Bronzezeitlern auf der Spur erneut archäologische Ausgrabungen in Herxheim, Gewerbegebiet West II Seit zwei Wochen sind im als Gewerbegebiet West II ausgewiesenen Gelände westlich von Herxheim wieder die Archäologen von der Landesarchäologie Speyer an der Arbeit (Abb. 1). Abb. 1 Der Bagger beim Abschieben des Oberbodens auf dem nördlichen Abzweig der Erschließungstrasse im zweiten Abschnitt des Gewerbegebietes West II. Deutlich sind im hellen Lössboden bereits die ersten, dunkler verfüllten archäologischen Befunde zu erkennen. Da das vor Bebauungsbeginn vollständig archäologisch untersuchte Gewerbegebiet West I südlich der Rohrbacher Straße zahlreiche vor- und frühgeschichtliche Siedlungs- und Gräberfunde zutage gefördert hatte, war schon in der Planungsphase des neuen Gewerbegebietes berücksichtigt worden, dass sicherlich nördlich der Rohrbacher Straße ebenfalls mit Hinterlassenschaften vor- und frühgeschichtlicher Bewohner der Südpfalz zu rechnen sein würde. Rückblick auf die archäologischen Aktivitäten in Herxheim 2011/2012 Eine im November 2011 durchgeführte zerstörungsfreie geophysikalische Prospektion auf dem gesamten Planungsareal für die Erweiterung der Herxheimer Gewerbegebietsflächen im Westen des Ortes erbrachte denn auch für die weiteren Ackerfluren die entsprechenden Ergebnisse: Auf dem zukünftigen Baugelände mit 9 ha Größe eine beachtliche Fläche konnten im Magnetbild der Prospektion zahlreiche Anomalien, darunter auffallende Kreisgräben und große, als vorgeschichtliche Grubenkomplexe anzusprechende Störungen identifiziert werden (Abb. 2). Die Anomalien im Magnetfeld des Oberbodens, die wahrscheinlich größtenteils archäologische Strukturen widerspiegeln, sind so flächendeckend auf dem Baugelände verteilt, dass von vorneherein klar war: Vor Beginn jeglicher baulicher Tätigkeiten im zukünftigen Gewerbegebiet müssen hier großflächig archäologische Untersuchungen durchgeführt werden, um die vor- und frühgeschichtlichen Siedlungsspuren und/oder Gräberfelder fachge-
recht zu untersuchen, zu dokumentieren und die Funde gemäß den Anforderungen moderner archäologischer Forschung zu bergen. Abb. 2 Ergebnis der geomagnetischen Prospektion auf der Gesamtfläche des Gewerbegebietes West II von Herxheim. Die herausgehobenen Rechtecke zeigen exemplarisch (in Gelb) potentielle vor- und frühgeschichtliche Denkmal- und Fundstellenspuren im Boden; diese sind, wie das Magnetbild zeigt, relativ dicht über die gesamte Fläche verteilt. Im Mai 2011 wurde dann im Zwickel zwischen Rohrbacher und Insheimer Straße westlich des Geländes der Forschungsgrabung von 2005 2008 mit den archäologischen Untersuchungen in einem ersten geplanten Baubabschnitt begonnen. Von Anfang an standen die Arbeiten unter starkem Zeitdruck, da die Gemeinde signalisiert hatte, sie wolle unter allen Umständen ab September 2011 in diesem Bereich mit den Erschließungsarbeiten beginnen. Die Befunde im ersten Grabungsabschnitt waren sehr interessant und vielseitig und werfen weiteres Licht auf die spannende Vorgeschichte des Ortes Herxheim. Als ältester Siedlungsniederschlag konnten mehrere größere Gruben der jungsteinzeitlichen Michelsberger Kultur dokumentiert worden; in ihnen fand sich Keramik in größerer Menge; von den Gefäßen ließ sich eine ganze Reihe zu fast vollständigen Gefäßen wieder zusammensetzen, darunter schöne Exemplare der charakteristischen Tulpenbecher (Abb. 3). Ebenfalls reich an Funden waren die Siedlungsniederschläge der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur. Besonders beachtenswert im Fundspektrum sind hier zahlreiche Fragmente sog. Feuerböcke (Abb. 4). Hierbei handelt es sich um tönerne, ständerartige Objekte mit meist hörnchenartig ausgezogenen oberen Enden (Abb. 5), deren genaue Verwendung unbekannt ist. Eine Interpretation lautet, dass es sich um Ständer handeln könne, die beidseitig eines offenen Feuers gestanden hätten und auf denen Bratspieße mit Grillgut abgelegt worden seien. Da jedoch in der Regel jegliche Schmauchspuren von offenen Flammen an den Feuerböcken fehlen, geht man mittlerweile in der Forschung weitgehend davon aus, dass es sich um Artefakte handelt, die eine nicht bekannte Verwendung im Kultgeschehen der spätbronzezeitlichen Gemeinschaften hatten.
Abb. 3 Tulpenbecher der Michels-berger Kultur aus Herxheim; A Foto Schrägansicht; B Zeichnerische Darstellung (Höhe des Tulpenbechers: 20,4 cm; Zeichnung: Jutta Winkel-mann). Die Gefäßform wurde wegen der Ähnlichkeit mit einer Tulpenblüte so benannt. Besonders interessant war ein kleiner römerzeitlicher Friedhof, der sowohl Brand- als auch einige Körperbestattungen enthielt. Um einige der Brandgräber verliefen rechteckige Gräbchen, die als Begrenzung von Grabgärten angesprochen werden können (Abb. 6). Bei den Ausgrabungen im Gewerbegebiet West I südlich der Rohrbacher Straße waren bereits Siedlungsreste aus römischer Zeit dokumentiert worden; der römische Friedhof in der Grabungsfläche von 2011/2012 dürfte wohl zu dieser Ansiedlung gehört haben (Abb. 7). Abb. 4 3D-Streifenlicht-Scanaufnahme eines großen Fragmentes von einem sog. Feuerbock der Urnenfelderkultur aus Herxheim (3D-Bild: Christian Seitz).
Abb. 5 Beispiel eines gut erhaltenen Feuerbocks der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur aus einer Grabung in Speyer. Da sich die Erschließungsarbeiten offenbar noch verzögerten, wurde im September 2011 mit der Gemeinde Herxheim vereinbart, die Grabungen weiterzuführen. Erst gegen Ende des Jahres wurde uns seitens des Bürgermeisters signalisiert, dass im März 2012 die archäologischen Arbeiten im ersten Bauabschnitt unbedingt abzuschließen seien, da die Erschließung der Trassen und der Bau einer Linksabbiegerspur von der L 493 dann unmittelbar realisiert werden müssten. Daraufhin wurde das schon sehr zügige Tempo bei den Grabungsarbeiten noch weiter verschärft, um den Grabungsabschlusstermin Ende März auch einhalten zu können, was nur unter Verzicht auf Feindokumentationen einzelner Befunde realisierbar war. Grundsätzlich kann bei Rettungsgrabungen nicht jedes Detail akribisch aufgenommen oder ausgegraben werden, doch hat eine enge zeitliche Vorgabe natürlich immer noch eine weitere Generalisierung der Grabungsdokumentation zur Folge. Dennoch konnten bis Ende März 2012, wie oben dargestellt, zahlreiche interessante Erkenntnisse gewonnen und aufschlussreiches Fundmaterial geborgen werden. Dass sich dann der Beginn der Erschließungsarbeiten noch bis in das Frühjahr 2013 verzögerte, ist insofern für die Archäologie bedauerlich, als dass man das verbleibende Jahr 2012, in dem ja noch keinerlei Bauarbeiten in Angriff genommen wurden, für eine weniger unter Zeitdruck stehende Ausgrabung hervorragend hätte nutzen können.
Abb. 6 Plan des kleinen Friedhofs der römischen Kaiserzeit in Herxheim, Gewerbegebiet West II. Braun: Römische Brand- und Körpergräber; grün: Grabgarten I; blau: Grabgarten II; gelb: Straßengräben einer südlich des Gräberfelds verlaufenden römischen Straße; grau: moderne Störungen (Rübenmieten). Abb. 7 Idealrekonstruktionsversuche des römischen Friedhofes mit Grabgartenanlage. A Rekonstruktion mit umgebender Hecke, darin schwach überhügelte Gräber. Im Hintergrund die römische Ansiedlung, von der bei den Rettungsgrabungen 2001 Reste gefunden wurden. B Rekonstruktion mit Gräbchen und außen aufgeschüttetem kleinen Erdwall als Begrenzung der Grabgärten (3D-Rekonstruktionen: Roland Seidel).
Die neue Ausgrabungskampagne 2013 Mittlerweile wird aber auf dem ersten Teil des Gewerbegebiet West II bereits intensiv gebaut und die ersten Fabrikhallen nehmen bereits endgültige Formen an. Die Archäologen der Direktion Landesarchäologie das gesamte bewährte Grabungsteam unter der örtlichen Leitung von Dr. Sebastian Traunmüller ist von Insheim nach Herxheim umgezogen sind nun dabei, die Erschließungstrassen in den zweiten Bauabschnitt hinein baureif zu machen, indem die nach Abtrag des Oberbodens im hellen Löss sichtbaren archäologischen Strukturen ausgegraben und dokumentiert werden. Bislang beschränken sich die Funde auf eine einzige Kulturstufe, die Urnenfelderkultur der späten Bronzezeit (ca. 1300 800 v. Chr.). Allerdings liegt, vor allem in Form von Keramikscherben (Abb. 8), bereits ein recht vielfältiges Spektrum an Gefäßen vor. Abb. 8 Eine der kreisrunden Gruben, die mit ganzen Schichten von tönernen Gefäßscherben, vermischt mit Mahlsteinfragmenten, verfüllt war. Singulär ist bislang der Fund eines gut erhaltenen geschliffenen Steinbeiles (Abb. 9), das eher in eine jungsteinzeitliche Epoche als in die späte Bronzezeit zu datieren ist. Mehrere fast kreisrunde Gruben offenbarten konzentrierte Fundschichten mit Keramik und Resten von Mahlsteinen für die Produktion von Getreidemehl (Abb. 10). Auch Textilherstellung konnte für die auf den Erschließungstrassen in Ausschnitten erfassten bronzezeitlichen Siedlung in den letzten Tagen durch den Fund von immerhin schon drei Spinnwirteln belegt werden. Da sich die Ausgrabungen nicht auf die Trassen beschränken werden, sondern wir in den nächsten Jahren auch in den späteren Baufeldern zwischen und außerhalb der Baustraßen werden ausgraben müssen, besteht die begründete Hoffnung, die gesamte bewohnte und genutzte Fläche der urnenfelderzeitlichen Ansiedlung untersuchen und dokumentieren zu können.
Abb. 9 Fast unbeschädigtes geschliffenes Steinbeil aus der neuen Grabung 2013. Bei den Ausgrabungsarbeiten, die in enger Abstimmung sowohl mit den östlich der Grabungstrassen bereits tätigen Straßenbaufirmen als auch mit der Bauabteilung der Verbandsgemeinde Herxheim stattfinden, werden wir uns jeweils nach den Vorgaben der Gemeinde richten diejenigen Flächen, die zuerst bebaut werden sollen, sei es der weitere Trassenverlauf oder einzelne Baufelder, sind jeweils dann auch für die Archäologen die nächsten Untersuchungsziele. Durch diese enge Kooperation sollte gewährleistet sein, dass zum einen im Bauablauf sowohl für die Erschließungsfirmen als auch für potentielle Investoren industrieller Anlagen auf dem Gelände keine Verzögerungen auftreten werden. Zum anderen hofft die Direktion Landesarchäologie, dass auf diese Weise auch für die Archäologen vor Ort kein unverhältnismäßiger Zeitdruck aufgebaut wird, so dass wir unsere Untersuchungen fristgerecht, aber auch im Sinne einer sorgfältigen archäologischen Analyse werden durchführen können. Die Archäologen der Denkmalpflege sind bei Rettungsgrabungen generell darum bemüht, möglichst zügig und zeitsparend zu arbeiten, immer nach dem Motto so zügig wie möglich aber auch so genau wie nötig. Wenn die Arbeit jedoch unter so extremem Zeitdruck steht, wie das leider häufiger vorkommt und auch bei der Ausgrabung des ersten Bauabschnitts in Herxheim der Fall war, ist die psychische Belastung für die Ausgräber erheblich, was, wenn möglich, vermieden werden sollte.
Abb. 10 Profil durch eine bronzezeitliche Grube, die zahlreiche Keramikscherben verschiedener Gefäße enthält. Wenn die archäologische Dokumentation des gesamten Gewerbegebietes West II dann einmal abgeschlossen sein wird, dürfte hier für die gesamte Pfalz das größte zusammenhängende vorund frühgeschichtliche, archäologisch untersuchte Siedlungsareal vorliegen, dessen Auswertung spannende neue Einblicke in das Siedlungsgeschehen von der Jungsteinzeit bis in die Römerzeit oder möglicherweise sogar darüber hinaus ermöglichen wird. Andrea Zeeb-Lanz