ServusTV präsentiert: Der Hund auf dem Donnerbalken von Jane Block
Inhaltsverzeichnis Der Hund auf dem Donnerbalken 3 Da Schutzengl 5 Hoameligkeit 6 Des weiße Gwandl 7 2
Der Hund auf dem Donnerbalken von Jane Block Die Bahnfahrt zu Weihnachten war jedes Jahr ein Erlebnis, voll wunderbarer Gerüche und aufregender Geräusche. Die alte Dampflok zischte und wirbelte ihren weißen Dampf in die Luft. Es lagen gut zwei Stunden Fahrt vor uns. Die Familie traf sich zu Weihnachten bei Urgroßmutter in dem knorrigen Häuschen in der kleinen Stadt am Meer. Sie lebte in einem jener Altstadthäuser, die in den 1950er Jahren zwar über Elektrizität und fließend Wasser, nicht aber über ein Bad verfügten. Das Haus begrüßte uns beim Betreten mit einem fröhlichen Knarren und zeigte uns stolz die geschmückte Haustür. Sie war mit einem Tannenkranz umrahmt, an dem kleine Lebkuchenfiguren tanzten. Im Flur brannten die Kerzen in den eisernen Haltern. Es duftete nach gebratener Gans, nach Äpfeln und Rotkohl, Zimt und Vanille. Großmutter stand in der geöffneten Tür am Ende der Stiege. An ihr vorbei erblickten wir den roten Ohrensessel vor dem Kamin, darin ein riesiger Ballen Stoff, schwarz, sorgfältig drapiert, ein Häubchen auf dem weißen Haar: unsere Urgroßmutter. Die Begrüßung erfolgte mit den üblichen Schmatzern auf die Wangen der Urenkel. Du findest eine Überraschung, wenn du in den Hof zum Häuschen gehst. Dort stand es, das kleine Holzhaus, mit einem, so erschien es mir damals, riesengroßen Loch darin: der Donnerbalken. Die Angst hineinzufallen, nie wieder herauszufinden oder gar verschlungen zu werden, begleitete mich stets. Doch das sollte sich an diesem Weihnachtsabend ändern. Ich kletterte so schnell ich konnte die Stiege hinunter, schlich durch den erleuchteten Flur, in den dunklen Hof. Die Tür des Häuschens knarrte beim Öffnen. Der Donnerbalken erstrahlte in hellem Kerzenschein, das hölzerne Brett war mit Weihnachtsfiguren geschmückt. Auf dem sorgfältig in handliche Blättchen zerlegten Zeitungspapier stand ein Weidenkorb. 3
Ich öffnete den Deckel. Zwei schwarze Knopfaugen blinzelten mich an, wie festgeklebt hingen sie an einer Handvoll Hund. Aus dem braunen Fell erklang ein leises Winseln, eine kleine rote Zunge leckte meine ausgestreckte Hand. Auf einem Schild am Hals stand: Ich bin SAM, fröhliche Weihnachten, Jane. Das war meiner, das war MEIN Hund. Die erstaunten Gesichter meiner Familie, als ich mit Sam auf dem Arm in die Tür trat und das glückliche Gesicht meiner Urgroßmutter habe ich nie vergessen. Sam war viele Jahre mein bester Freund und treuester Begleiter - auch an den folgenden Weihnachtstagen auf dem Weg in den dunklen Hof zum Donnerbalken. 4
Da Schutzengl von Herbert Gschwendtner* Wenn ma so im Advent in da Stubn alle beinandagsessn san, dann is oft de Red gwesn von de Engln. Des is oganga bei de Schutzengln bis hi zum Erzengl Gabriel. In meiner Kindheitsvorstellung is ma viakemma, dass ma den, der oan beschützt, eigentlich a sechn müassat. Aba so sehr i man am Abnd im Bett oft herbeigwunschn hätt, damit i eam meine Sorgn und Nöte vazöhn kunnt, er hat si nia oschaun lassn. Dabei hab i ma einbüdt, dass i genau woaß, wia mei Schutzengl ausschaut. Und dann bin i auf oameu verunglückt und hättn ganz notwendig braucht, weil i beim Schlittnfahrn von der Bahn abkemma und übern Hang abakuglt bin, bis mi a Bam bremst hat. Da Fuaß hat weh to, nass bin i durch und durch gwen und neamd hats gwusst, dass i da in dem Grabn glegn bin. Irgendwann hab i dann nit ameu mehr an mein Schutzengl denkt und wia i munta wordn bin, da is de Muatta an mein Bett gsessn und hat gsagt: Sche, dass d wieder de Aufn aufmachst, Bua, hast a riesengroßes Glück ghabt, dass d so an guatn Schutzengl hast. Er war euso da, mei Schutzengl, und i hab man wieder nit odaschaut. 5
Hoameligkeit von Herbert Gschwendtner* Im Ofn de knisterndn Scheita, de helfn da Keutn scho weita. Hinterm Vorhangl, am Fensterbrett, findts de Katz gmüatlich und nett, drum bleibt a da Hund auf da Ofenbank und sucht mit ihr koan Streit und Zank. Am Ofn des Teewasser dampft ganz leicht, und wann a Tropfn de hoaße Plattn erreicht, da zischts ameu, dann zreißtsn a scho und de Kügei dampfn auf alle Seitn davo. De damische Floign auf da Fensterscheibn lasst des Aufikraxln oafach nit bleibn. Warum ihr des eppa so guat gfeut, wanns dann eh wieder gach abafeut. Da Pfeifnrach hängt in da Stubenluft und vabroat so an angenehmen Duft. Aufn Tisch liegt de Zeitung aufgschlagn, de Wanduhr heat ma de Stundn osagn. Da Vata legt sei Lesebrille auf d Seit und brummelt eppas vo de bösn Leit. Wann de Muatta a Reih abgstrickt hat, machts a ganz a kloane Bewegung grad, dabei macht da Sessel so an Quergetsa, eus wa eam des gringe Leitl scho zschwa. A Murra vom Hund, beud er si draht. Nachat is glei scho wieder sche stad. Grad des hoamelige Tickn vo da Uhr mischt si drei in de beschauliche Ruah. 6
Des weiße Gwandl von Herbert Gschwendtner* De Natur hat wieder ihr weiß Gwandl kriagt, und dawei da Wind um de Hauseckn ziagt, druckn de Kinder eane Nasn an de Scheibn, und schaun a wengerl außi ins Schneetreibn, wia de Flockn um de Hauseckn umaziagn und de Zaunstempel kloane Häuberl kriagn. De Natur hat wieder ihr weiß Gwandl o, da wachsn a de erstn Schneemänna scho, und am Hügl entn, da gehts kreizlustig zua, ziagns mit de Schlittn scho so manche Spur. Zum Trüabseu blasn bleibt da gwiss koa Zeit, da erste Schnee is übareu de größte Freid. 7
literatour. Das Literatur-Magazin bei ServusTV. AUTOREN UND IHRE WERKE IM PORTRAIT. Thomas Rottenberg fährt mit seinem roten Bücherbus durch Stadt und Land und trifft außergewöhnliche Persönlichkeiten der Literaturszene. literatour. Samstag 18:25 Sie haben eine Sendung im TV verpasst? Unter www.servustv.com/literatour stehen Ihnen alle Sendungen der Reihe literatour bei ServusTV zur Verfügung. * aus dem Buch Stubenadvent G schichtn von früher Erschienen im Verlag ANTON PUSTET, Salzburg 8