1. Eine Geschichte von Familie Mensch, einer Kleinfamilie & dem Segen [aus 1.Mose 27] Niemand ist eine Insel. Von Familie, Freunden und anderen Gefährten. Heute: Von Familie. Familie Mensch. Und Kleinfamilie: Vater, Mutter, zwei Kinder. Klingt gut, glücklich. Aus heutiger Sicht schon fast wie eine kinderreiche Familie. Damals, also so vor gut 3.000 Jahren in der alt-orientalischen Kultur waren Sie jedoch eher kinderarm. Rebekka wurde einfach nicht schwanger. Und Isaak wandte sich mit ihrem Kinderwunsch so lange und unermüdlich an Gott, bis Rebekka eines Tages endlich schwanger und Isaak noch mit 60 Jahren Vater wurde. Dann gleich doppelt: Zwillinge!!! Doppelter Segen? Auf jeden Fall doppelte Herausforderung! Aber sie waren ja auch zu zweit, Rebekka und Isaak. Und so wurden zwei Jungen geboren und zwei Jungen geliebt von ihren Eltern. Esau mehr vom Vater. Jakob mehr von Rebekka. Eine komplizierte kleine Familiengeschichte. Fast alltäglich. Die auch so weitergeht, wie das Leben in Familien und unter Geschwister eben so ist: Die Kinder wachsen, streiten, teilen, hauen einander über s Ohr, lernen Berufe und werden erwachsen. Die Eltern sind nicht in allem einig, wachsen auch und vor allem in ihre Rollen hinein, streiten auch und teilen, erziehen gemeinsam und auch einzeln. Und so kommt es zu dieser Situation von der der heutige Predigttext im 1. Buch Mose Kapitel 27 erzählt. Statt dieses ganze lange Kapitel vorzulesen möchte ich das, was dort steht ebenfalls erzählen heute. Lade dazu ein, Zuhause in der Bibel - z.b. in der Gerechtigkeitsbibel - diese Geschichte nachzulesen. Oder auch die Geschichten drum herum. Es ist spannend und lohnt sich einzutauchen in dieses Buch, das so viele Geschichten zu erzählen weiß mitten aus dem Leben und doch über das Leben hinausgeht und von mehr zu berichten weiß. Z.B. vom Segen. Wie ist das eigentlich mit dem Segen? Zur damaligen Zeit, scheint es eine Tradition gewesen zu sein, dass Eltern, vor allem Väter, vor dem Sterben ihren Kinder noch eines vererben, mitgeben wollten: Segen. So ruft Isaak als mittlerweile alter, schwacher und erblindeter Mann seinen ein paar Minuten älteren Sohn Esau an sein Bett und bereitet ihn auf diesen besonderen Moment vor: 1
Er bittet ihn noch einmal das zu tun, was er am besten kann: Jagen. Und ihm dann das zu bringen, was er selbst am liebsten mag: Fleisch. Noch einmal ein saftiges Steak essen, was ihm sein liebster Sohn gejagt und zubereitet hat. So soll es beginnen, dieses besondere letzte Treffen von Vater und Lieblingssohn. Und nachdem Isaak dann empfangen hat, will er geben - seinen Segen, oder auch Gottes Segen an Esau. Und so zieht Esau los, um seinem Vater diesen letzten Wunsch zu erfüllen und selbst zum Gesegneten zu werden und geht auf die Jagd. Listig und schlau oder doch der Verheißung Gottes folgend, die sie noch vor der Geburt ihrer Söhne empfangen hat und die Jakob nicht Esau zum Gesegneten bestimmt, ruft Rebekka Jakob zu sich. Und sorgt dafür, dass er derjenige ist, der den Segen von Isaak empfängt. Mit einem saftigen Braten und Verkleidung täuschen Mutter und Sohn Ehemann und Vater. Immer wieder fragt Isaak Jakob, ob er Esau sei. Und immer wieder antwortet Jakob: Ich bin s! Lügt dem Vater direkt in sein blindes Gesicht. Und zieht am Ende mit dem Segen als Gesegneter davon. Und was lässt er seinem großen Bruder übrig? Der Segen ist vergeben, muss Isaak erschüttert und geknickt seinem ältesten Sohn berichten, als dieser endlich von der Jagd zurückkommt. Doppelt betrogen fühlt sich Esau, der vor einigen Jahren an seinen nur kaum jüngeren Bruder sein Erstgeburtsrecht verkauft hat. Die paar Minuten Vorsprung des Erstgeborenen gegen ein leckeres Linsengericht an einem müden hungrigen Nachmittag. So war der Deal. Und das nun das Ergebnis? Nein! Esau fühlt sich doppelt betrogen von seinem kleinen Bruder. Vater, aber hast du denn nur einen Segen? Segne mich auch!, ruft er und die Tränen schießen Tränen in seine Augen. Doch Isaak - ob er will oder nicht will - eine traurige, tragische Situation: Er segnet Esau nicht mit den Worten, mit denen er Jakob gesegnet hat. Es kommt, wie es Rebekka vor der Geburt von Gott vernommen hat: Der ältere Bruder wird dem jüngeren Bruder dienen. So spricht es Isaak über seine beiden Söhne aus. Blind. Unwissend. Aber von großer Wirkung. 2
Es lohnt sich, die Geschichte der beiden Brüder zu verfolgen, wie sie weitergeht. Sie ändern ihre Namen: Aus Esau wird Edom und aus Jakob wird Israel und so entstehen aus diesen beiden Brüdern zwei Völker: Das Volk Edom und das Volk Israel. Ungesegnetes und gesegnetes Volk? So schwarz-weiß wird man das aus heutiger Perspektive nicht mehr so einfach sagen können: Israel, das gesegnete Volk? Wie ist das mit dem Segen? Und dem Betrug in dieser Geschichte? In diesem Leben - damals und heute? Das mit dem Segen erzählt uns diese Geschichte, ist so: Segen ist eingebettet ins Nehmen und Geben. Isaak wollte zunächst empfangen und dann geben: dass ich esse, auf dass dich meine Seele, meine Lebenskraft segne., sagt er. Segen hat etwas mit Kraft zu tun. Mit einer menschlichen Kraft, von der er ausgeht. Und geht doch darüber hinaus. Wirkt sich aus im Leben dieser beiden Brüder. Es gibt nur einen kurzen Moment in der Geschichte Edoms und Israels, wo Edom einmal über Israel siegt. Ansonsten war und bleibt Israel die beherrschende Macht der beiden. Der von Isaak an diesem Tag ausgesprochene Segen wirkt sich aus - über Jahrzehnte, Jahrhunderte auf ganze Völker. Geht weit über ihn selbst hinaus und fängt doch bei ihm an. Bei den Worten eines alten, blinden Vaters in der Begegnung mit seinen beiden so ungleichen Söhnen. 2. Wirkung des Segens und der Korruption... Entscheiden ein paar Minuten über den Segen? Die Erstgeburt des Esaus direkt vor dem Jakob? Oder entscheidet ein Linsengericht über den Segen, das eingetauscht wurde gegen das Erstgeburtsrecht? Oder die List der Mutter, die den jüngeren Sohn mehr liebt als den älteren, entscheidet die List der Mutter und die Ausführung ihres Plans durch ihren Lieblingssohn über den Segen? 3
Oder eine Verheißung, ein Wort des Herrn, das Rebekka vor der Geburt vernommen hat - entscheidet das über den Segen, dass der Ältere eben dem Jüngeren dienen wird, wie der Herr es ihr verkündet hat? Wer oder was entscheidet über den Segen? Die Umstände? Menschen? Kinder? - Kleine Geschwister? - Oder große Brüder? Eltern? - Väter? - Mütter? Ehrlichkeit? Oder List? Oder Gott? Diese Geschichte lehrt uns: Segen reicht viel weiter als die Kraft eines einzelnen Menschen oder einer einzelnen ganz alltäglich kompliziert-normalen Kleinfamilie. Segen reicht weiter, hat Macht und Kraft und Wirkung über Jahrhunderte und Hunderte von Menschen. Segen ist eine göttliche Macht und Kraft. Und sie dient dem Guten. Gesegnete sind mit Gutem gesegnet: Gott gebe dir vom Tau des Himmels und von der Fettigkeit der Erde und Korn und Wein die Fülle... Auch wenn es heute vermutlich anders klingen würde, wenn Menschen einander Segen zusprechen: Gesegnete sind mit Gutem gesegnet. Und mit weitreichender Kraft, die viel mehr vermag als menschliche Worte und Gesten. Und doch beginnt Segen in der Begegnung von Menschen. Ereignet sich dort, wo zwei einander begegnen. Unabhängig davon, ob sie einander erkennen oder auch nicht. Ob sie sich zu erkennen geben oder nicht. Ob sie belügen oder vertrauen. Einander lieben oder andere lieber haben. Segen kann sich ereignen in Situation, die sich so falsch anfühlen, in Umständen die völlig unfair, unklar, ungerecht, segensunwürdig scheinen. Segen kann sich ereignen. Auch in den unwürdigsten, unheiligsten, menschlichsten und unmenschlichsten Situationen. Segen kann sich ereignen. Dort, wo wir ihn nicht vermuten, vielleicht gar nicht haben wollen. In der Begegnung von zwei Menschen kann einer zum Gesegneten werden. Egal wie wir das finden. Und das kann ihm nicht mehr genommen werden. Auch wenn er sich das selbst genommen hat, was ihm vielleicht gar nicht zusteht. 4
Heißt das, man kann Segen klauen, also Segenskorruption ist möglich? Das, wovon diese Segensgeschichte erzählt, kann man nicht Korruption nennen, wenn man dieses Wort im juristischen Sinn betrachtet. Korruption, das beschreibt eine Handlung, die sowohl dem Nehmenden - in dem Fall also Jakob - als auch dem Gebenden - in dem Fall Isaak - einen unrechtmäßigen Vorteil verschafft. Das ist hier nicht der Fall. Dennoch gibt es hier eine Parallele: Jemand verschafft sich durch Betrug einen Vorteil, der ihm nicht zusteht. Und der einem anderen jetzt nicht mehr zugute kommen kann. Das Gute ist begrenzt. Wenn einer es für sich beansprucht, fehlt es an anderer Stelle! So erzählt es dieser Text. So erzählt es unser Leben. So haben es heute Fe von den Philippinen, Nancy aus Sri Lanka und Mosen aus Südafrika erzählt. Wenn jemand sich etwas nimmt, was ihm nicht zusteht, wird es anderen fehlen. Denen es zusteht, die es brauchen. Das ist das, was wir mit dieser Geschichte für und in unserem Leben lernen können. Doch ist der Segen wirklich weg? Weggenommen worden? Kann denn Segen einfach weg sein? Hast du denn nur einen Segen, Vater?!, fragt Esau seinen Vater weinend. Der Vater antwortet darauf nicht. Sondern spricht auch Esau etwas zu. Etwas, das nicht so gut scheint. Sondern von Mühe und Arbeit erzählt, die zum Leben gebraucht werden. Ist das nun auch ein Segen? Oder kein Segen? Ich weiß es nicht. Und vermag es mit diesem Text auch nicht zu sagen. 3. Die Dynamik des Segens gegen allen Besitz Aber eines mag ich an dieser Stelle sagen, was mir selbst erst nach vielen Jahren Lesen an dieser Geschichte aufgefallen ist: Auch Esau hat eine Chance zum Gesegneten zu werden. Nämlich dann, wenn er Jakob segnen würde. Der Segen hat eine Dynamik. Ist nichts Statisches. Auch wenn Jakob den Segen bekommen hat ist das nicht so wie mit einem Gegenstand, der jetzt einfach weg ist, den er besitzt und für immer für sich behalten kann. Sondern er wird sich ausbreiten. 5
Er ist nicht weg, sondern kann sich vermehren! Der Segen, den Isaak seinem Sohn Jakob zuspricht endet mit dem Satz: Gesgegnet sei, wer dich segnet! Der Segen des Jakobs ist nicht nur ein Segen für ihn, sondern auch durch ihn. Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!, ist einer der berühmtesten Sätze aus der Bibel (1.Mose 12,2). Der Satz, der einen alten Mann ermutigte aufzubrechen und sein ganzen Lebens zu verändern und verrückte Dinge zu tun. Und der bis heute Wirkung zeigt im Leben von Menschen und auch in diesem Monat hier noch Thema sein wird. Wir empfangen Segen, um selbst für andere zum Segen zu werden. Mit Jakob ist der Segen nicht einfach weg, gestohlen. Sondern auch mit Jakob geht der Segen weiter, fließt er weiter. Wer gesegnet ist, ist nicht nur für sich selbst gesegnet, sondern dazu zum Segen zu werden. In dieser Welt. Am Ende dieser Geschichte, die noch mit vielen Geschichten von großen und kleinen Familien, Söhnen, Kindern, Eltern, Begegnungen, Lügen und Kämpfen und Versöhnungen und Leben von Familie Mensch in dieser Welt weitergeht... möchte ich noch einmal auf die Frage zurückkommen, was eigentlich über die Wirkung von Segen entscheidet: Umstände? Der Ort, an dem ein Mensch zur Welt kommt? Die Hautfarbe? Das Geschlecht? Die Gene? Die Schnelligkeit gegenüber einem später geborenen Geschwisterkind? Die Einkommensklasse der Eltern oder das Bildungsniveau? Was entscheidet eigentlich darüber, ob ein Mensch der Segen, mit dem Gott diese ganze von ihm geschaffene Welt gesegnet hat, erreicht? Menschen? Diejenigen, mit viel Macht oder Geld? Diejenigen aus dem direkten Umfeld oder die von weit weg, vom anderen Ende der Welt? Wer oder was entscheidet eigentlich über die Wirkung von Segen? Ich glaube Segen kommt von Gott her. Nur von Gott. & kann sich überall ereignen. An jedem Ort. In jeder Geschichte. In jedem Lebenskontext. Und wirkt durch Menschen. Ich glaube wir können einander etwas wegnehmen von Gottes Lebenssegen mit dem er diese ganze Erde gesegnet hat - einander etwas vorenthalten. 6
Uns eigene Vorteile verschaffen auf Kosten anderer. Ich glaube nicht, dass wir dem göttlichen Segen etwas nehmen können, oder Gott. Aber dass wir Menschen untereinander uns etwas nehmen können. Uns einander um etwas betrügen können. Fördern oder hindern können, dassgottes Lebenssegen sich in allen Erdteilen dieser Welt entfalten kann, für die er bestimmt ist. Ich glaube, dass wir Menschen einen Einfluss darauf haben, wie es in dieser Welt aussieht. Wie es ganzen Völkern und einzelnen Menschen geht. Wir stehen trotz oder gerade aufgrund von Gottes gutem Segen in der Verantwortung in dieser Welt zu handeln. Bewusst Entscheidungen zu treffen. Die dem Guten dienen, dass Gott in diese Welt gebracht hat und immer wieder hineinbringt. Wir selbst sind Gesegnete und darum können und sollen wir einander auch zum Segen werden. Segen ist nichts zum besitzen. Segen hat eine Dynamik, ist eine Kraft, die geteilt, weitergegeben werden kann und will. Die nicht begrenzt ist, sondern wachsen will: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. So ist das mit dem Segen. Amen. 7