Trennung der Systeme - taugliches Mittel zur Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers öffentlicher Dienst? DGB-Fachtagung Dienstrechtsreform für Beamtinnen und Beamte Anforderungen an ein modernes Dienstrecht am 28.08.2012 in Düsseldorf 1
Gliederung 1) Bisheriges Alterssicherungssystem (NBeamtVG) unattraktiv? 2) Einführung der Trennung der Systeme 2.1 Definition und Merkmale 2.2 Spezifikum Altersgeld 2.3 Auswirkungen in Niedersachsen 3) Taugliches Mittel zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes? 2
1) Bisheriges Alterssicherungssystem (NBeamtVG) unattraktiv? I Gesetzliche Nachversicherung bei vorzeitigem Ausscheiden aus einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ohne Nachversicherung in der Versorgung des öd Kürzung der Beamtenversorgung um den Betrag eines Bezugs aus der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Erreichen bestimmter Höchstgrenzen (vgl. 64 NBeamtVG) Ruhegehaltfähig ist die Dienstzeit, die die BeamtInnen vom Tag der ersten Berufung in das Beamtenverhältnis an im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Beamtenverhältnis zurückgelegt hat Berücksichtigung von Ausbildungs- und hauptberuflichen Zeiten in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis (in- und außerhalb des öd) für die ruhegehaltsfähige Dienstzeit möglich Ruhegehalt wird nur gewährt, wenn die BeamtInnen eine Dienstzeit von mind. 5 Jahren abgeleistet hat 3
1) Bisheriges Alterssicherungssystem (NBeamtVG) unattraktiv? II Bisher regelmäßig finanzieller Nachteil für BeamtInnen, wenn sie in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert wurden: hält das Fachkräfte ab, BeamtInnen zu werden? Übertragung der Kompetenz zur Regelung des Versorgungsrechts auf die Länder durch das Gesetz zur Änderung des GG zum 28.8.2006 Thematik der vollständigen Trennung der Beamtenversorgung von der gesetzlichen Rentenversicherung wieder verstärkt im Blickpunkt der politischen Diskussion Baden-Württemberg hat die Trennung der Systeme zum 1.1.2011 eingeführt Gesetzesentwurf der niedersächsischen CDU- und FDP-Fraktion im Juni 2012 vorgelegt 4
Exkurs: (Keine strikte) Trennung der Systeme in Niedersachsen BeamtInnen Wechsel weg aus Beamtenverhältnis Wechsel ins Beamtenverhältnis Ausbildung Ausbildungs- und Vordienstzeit Ausbildungs- und Vordienstzeit Ausbildungs- und Vordienstzeit Arbeit Ruhestandszeit Dienstzeit Dienstzeit Nachversicherung Arbeitszeit außerhalb des Beamtenverhältnisses Arbeitszeit außerhalb des Beamtenverhältnisses Dienstzeit Versorgungsbezüge Rente (+ Altersgeld) Versorgungsbezüge + Rente Vorteile echte Trennung der Systeme Wegfall der Höchstgrenzen Anrechnung der Ausbildungsund Vordienstzeiten auf die Versorgungsbezüge Nachteile bisherige Ausbildungs- und Vordienstzeiten nicht anerkannt Kürzung bei Höchstgrenzen 5
2) Einführung der Trennung der Systeme 2.1 Definition und Merkmale I Ziel: mehr Mobilität zwischen privatem und öffentlichem Bereich; Erleichterung des Wechsels von BeamtenInnen in die freie Wirtschaft und vice versa Politische Motivation: Attraktivität des öd steigern, um dem drohenden Fachkräftebedarf entgegenzuwirken Gilt nur für BeamtInnen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes eingestellt Berücksichtigung von Zeiten im Angestellten- und im Beamtenverhältnis werden grundlegend neu geregelt Idealtypisch: Ansprüche aus einem System der Altersversorgung (Gesetzliche Rentenversicherung bzw. Beamtenversorgung) werden ausschließlich in diesem System geregelt und abgewickelt Bisher vorgeschriebene Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung entfällt 6
2.1 Definition und Merkmale II Jede Erwerbstätigkeit sowie weitere versorgungswirksame Merkmale (z.b. Zeiten eines Hochschulstudiums oder der Kinderbetreuung) wird von Anfang an einem bestimmten Alterssicherungssystem zugeordnet Einerseits besteht eine im Beamtenverhältnis erworbene Versorgungsanwartschaft auch nach dem Ende des Beamtenverhältnisses fort und kann mitgenommen werden Andererseits kann sowohl die Berücksichtigung von Ausbildungs- und Vordienstzeiten als auch die Anrechnung anderer Einkünfte eingeschränkt werden Weder Berücksichtigung von Zeiten, noch Anrechnung von Leistungen, aus dem einen in dem jeweils anderen System 7
2.2 Spezifikum Altersgeld I Trennung der Systeme und Altersgeld stehen zwar in einem engen politischen Zusammenhang, bilden aber insbesondere im Rechtssinne keine zwingende Einheit Altersgeld ist keine Versorgung: beruht auf freier Entscheidung der BeamtInnen, er/sie wird nicht mehr alimentiert Mit der Entlassung entsteht vielmehr ein Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich der bis dahin erdienten Alterssicherungsansprüche Für das Altersgeld werden nur noch echte Beamtendienstzeiten bei der Berechnung berücksichtigt 81 NBeamtVG neu Anspruch auf Altersgeld haben 1. BeamtInnen, die [ ] auf Antrag aus dem Beamtenverhältnis [ ] entlassen werden und 2. BeamtInnen auf Zeit, die [ ] mit Ablauf der Amtszeit ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden, wenn sie eine altersgeldfähige Dienstzeit von mindestens fünf Jahren zurückgelegt haben und nach 8 II SGB VI nachzuversichern wären. 8
2.2 Spezifikum Altersgeld II Anspruch entsteht bei vorzeitiger Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit auf Wunsch des Beamten und ruht z.b. bis zur Altersgrenze Dynamisierung des Altersgeldes entsprechend der Anpassung des Ruhegehalts Im Falle der Erwerbsminderung wird eine Mindestabsicherung gewährleistet Berechnung von Alters- und Hinterbliebenengeld: tatsächliche Dienstzeit multipliziert mit dem versorgungsrechtlichen Steigerungsfaktor 1,79375 Prozent im Jahr Leistungsumfang des Altersgeldes entspricht weitgehend dem Leistungsumfang beim Ruhegehalt Generell ist zu kritisieren, dass Ausbildungs- und Vordienstzeiten bei der Berechnung des Altersgeldes nicht berücksichtigt werden sollen 9
2.2 Spezifikum Altersgeld III Beispiel zur Berechnung eines Altersgeldes: Wehrdienst 1 Jahr Studium 4 Jahre Beamter auf Widerruf (wurde nachversichert) 2 Jahre Arbeitnehmer im öd 5 Jahre Beamter auf Lebenszeit 15 Jahre Altersgeldfähige Dienstzeit beträgt 15 Jahre; Studium ist nicht berücksichtigungsfähig Wehrdienst und Zeit als Arbeitnehmer im öd werden in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt. Gilt in diesem Fall auch für Zeit als Beamter auf Widerruf, da diese Zeit nachversichert wurde. (Andernfalls wäre die Zeit als Beamter auf Widerruf altersgeldfähig) Bei altersgeldfähigen Dienstbezügen von 3500 Euro ergibt sich ein Altersgeld von 941,85 Euro Altersgeldfähige Dienstzeiten (Jahre) x 1,79375 = Altersgeldsatz Der Altersgeldsatz beträgt 15 Jahre x 1,79375 % = 26,91 % Altersgeldfähige Dienstbezüge x Altersgeldsatz = Altersgeld 10
2.3 Auswirkungen in Niedersachsen Einführung eines Altersgeldes: kann freiwillig in Anspruch genommen werden, ansonsten ist Nachversicherung erforderlich Generell: keine Berücksichtigung von Ausbildungs- und hauptberuflichen Zeiten in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis (in- und außerhalb des öd) bei der Bemessung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit Keine Anrechnung von Rentenbezügen auf die Versorgungsbezüge Bei der Berechnung der altersgeldfähigen Dienstbezüge wird der Familienzuschlag nicht mit einbezogen Ausnahmen: keine strikte Trennung der Systeme in Niedersachsen Bei Quereinsteigenden aus der Privatwirtschaft und vorhandenen BeamtInnen werden Vordienstzeiten weiterhin berücksichtigt Dafür aber Anrechung der Rentenbezügen auf die Versorgungsbezüge bei Überschreiten der Höchstgrenzen (Baden-Württemberg: grundsätzliche keine Anerkennung von Vordienstzeiten) 11
3) Taugliches Mittel zur Steigerung der Attraktivität des öd? I Systematische Klarheit: eindeutige Zuordnung von Dienstzeiten zu einem System Entbürokratisierung: geringerer Berechnungsaufwand; insbesondere für Wegwechsler einfacher BeamtInnen mit Vordienstzeiten in privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnissen (in- und außerhalb des öd) werden durch eine Trennung der Systeme schlechter gestellt als bisher Für bestimmte Beamtengruppen sind diese Ausbildungs- und Vordienstzeiten vorgeschrieben (z.b. Feuerwehrleute, Fachlehrer, Justizvollzugsbeamte, technische Berufe): Trennung der Systeme birgt Gefahr der prinzipiellen Ungerechtigkeit mögliche Folge: Beamtenverhältnis wird unattraktiv Drohende Zersplitterung der Beamtenversorgung: bei einem Wechsel des Dienstherren ist für den aufnehmenden Dienstherren nicht schlüssig nachvollziehbar, warum er Vordienstzeiten in der Beamtenversorgung berücksichtigen muss, die der abgebende Dienstherr nicht berücksichtigt hätte 12
3) Taugliches Mittel zur Steigerung der Attraktivität des öd? II BeamtInnen Wechsel weg aus Beamtenverhältnis Wechsel ins Beamtenverhältnis Ausbildung Ausbildungs- und Vordienstzeit Ausbildungs- und Vordienstzeit Ausbildungs- und Vordienstzeit Arbeit Ruhestandszeit Dienstzeit Dienstzeit Nachversicherung Arbeitszeit außerhalb des Beamtenverhältnisses Arbeitszeit außerhalb des Beamtenverhältnisses Dienstzeit Versorgungsbezüge Rente (+ Altersgeld) Versorgungsbezüge + Rente Vorteile echte Trennung der Systeme (bei der Arbeit) Wegfall der Höchstgrenzen Anrechnung der Ausbildungsund Vordienstzeiten auf die Versorgungsbezüge Nachteile bisherige Ausbildungs- und Vordienstzeiten nicht anerkannt Kürzung bei Höchstgrenzen 13
3) Taugliches Mittel zur Steigerung der Attraktivität des öd? III Das auf Dauer angelegte Beamtenverhältnis mit den gegenseitigen Verpflichtungen ist und sollte der Regelfall bleiben Gibt es positive Auswirkungen auf die Nachwuchsentwicklung oder wird es gar eine verstärkte Abwanderung von BeamtInnen in privatwirtschaftliche Beschäftigungen geben? Welche Klientel ist in der Praxis davon betroffen? (Anzahl + Höhe der betreffenden Beträge?) Erste Zahlen aus Baden-Württemberg zeigen, dass das Altersgeld bisher nicht in großem Umfang in Anspruch genommen wird Auswirkungen in der Praxis bislang noch weitgehend unbekannt 14
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! 15