Meine Zeit an der Baker Library/ Bloomberg Center Knowledge and Library Services. Agnes Drewniok-Wolf Bibliotheksreferendarin

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Transkript:

Meine Zeit an der Baker Library/ Bloomberg Center Knowledge and Library Services Agnes Drewniok-Wolf Bibliotheksreferendarin Einführung Schon ganz am Anfang meines Bibliotheksreferendariats an der Universitätsbibliothek Mannheim, als ich hörte, dass die Möglichkeit bestehe, ein Praktikum im Ausland zu absolvieren, war für mich klar: Ich wollte die USA besuchen. Service ist, das zeigten mir meine bisherigen Erfahrungen in den USA, ein wesentlicher und selbstverständlicher Bestandteil der dortigen Gesellschaft. Da ich Serviceorientierung und Servicebereitschaft in meiner Ausbildung immer als einen sehr wichtigen Aspekt der bibliothekarischen Arbeit verstanden habe, interessierte es mich natürlich erst recht, wie Service an Bibliotheken in den USA praktiziert wird. Dank der großzügigen Unterstützung durch BI International und des Rückhalts von meiner Ausbildungsbibliothek, der Universitätsbibliothek Mannheim, waren die finanziellen und organisatorischen Hürden leichter zu bewältigen. Da ich in meiner praktischen Bibliotheksausbildung hauptsächlich im Fachreferat Wirtschaftswissenschaften eingespannt war und mir dieses Fach aus meinem Studium schon bekannt war, beschloss ich, die Baker Library der Harvard Business School anzuschreiben. Nach einigen E-Mails, in denen erst einmal geklärt werden musste, welche Einsatzbereiche für mich interessant sein könnten, nahm die Direktorin der Baker Library, Mary Lee Kennedy, meine Vorschläge sehr positiv auf. Letzten Endes hat sich tatsächlich die Möglichkeit ergeben, die Baker Library während eines zweiwöchigen Besuches kennenzulernen. In diesem Bericht möchte ich über meine Eindrücke und Erfahrungen berichten dies soll keine wissenschaftliche Abhandlung sein, sondern ein persönlicher Bericht über meine Zeit in den USA. Als für mich das Ziel Harvard Business School feststand, habe ich einiges erwartet aber das, was ich letztendlich erleben durfte, hat diese Erwartungen weit übertroffen und meinen Horizont über das, was Bibliothekswesen bedeuten kann, stark erweitert. Sehr wohl war und bin ich mir bewusst, dass die Bibliothek einer der renommiertesten privaten Universitäten in den Vereinigten Staaten einen Spezialfall darstellt, der sicherlich nicht ohne Weiteres mit dem Gros an Bibliotheken in Deutschland zu vergleichen ist. So ging es mir bei diesem Besuch primär darum, neue Denkweisen, Ideen und Problemlösungsstrategien kennenzulernen. Die Harvard Business School wurde 1908 gegründet. Ihr Anliegen besteht darin, Führungspersönlichkeiten auszubilden: to educate leaders who make a difference in the world. Aus diesem Leitsatz wird der hohe Anspruch deutlich, aber auch, dass der Fokus der Business School auf Internationalität liegt. Diese Tatsache hat sicherlich zur Realisierung meines Aufenthaltes beigetragen. Der Campus ist wunderschön gelegen und trotz der ca. 1.800 Studenten und Studentinnen gut überschaubar. Jährlich werden für ein Masterprogramm an die 900 Studenten aufgenommen. Diese 900 Plätze sind, wie man sich vorstellen kann, sehr begehrt. Daher liegt die Aufnahmequote bei nur ca.

10 %, das heißt nur einer von zehn Bewerbern bekommt tatsächlich einen Studienplatz in dem Programm Harvard Business School Master of Business Administration. Über 30 % der Studierenden haben einen internationalen Hintergrund. Mindestens ein Bachelorabschluss wird für die Aufnahme vorausgesetzt, zusätzlich bringen die meisten Studenten und Studentinnen mehrjährige Berufserfahrung in kleinen oder mittelständischen Unternehmen mit. Zeitpunkt des Besuchs Ich hatte die einmalige Gelegenheit, die Business School und die Bibliothek in einer schwierigen, aber auch spannenden und besonderen Phase kennenzulernen. Dabei durfte ich hautnah erleben, was es heißt, wenn man ein Problem als Herausforderung sieht. Die Weltwirtschaftskrise traf die Harvard Universities und somit auch die Harvard Business School mit voller Wucht. Dies geht auf die Art der Finanzierung zurück. Die Business School ist zwar eine von den Harvard Universities unabhängige Institution, zahlt jedoch eine Art Steuer an die Harvard Universities. Gerade jetzt sind diese Steuern eine willkommene Einkommensquelle für die Harvard Universities. Im Gegenzug gehört die Business School zu den Harvard Universitites und darf den Namen Harvard tragen, eine Tatsache, die nicht nur auf Bibliotheksreferendare wie ein Magnet wirkt, sondern auch auf die Studierenden und Kursangehörigen der Executive Education -Kurse. Ein Teil der Finanzierung läuft über die Studiengebühren der Master-Studenten und -Studentinnen und vor allem über die Teilnehmer an der Executive Education. Natürlich gehen diese Einnahmen in Zeiten der Krise zurück, da weniger Unternehmen es sich leisten können, ihre Mitarbeiter zu Kursen nach Harvard zu schicken. Ein weiterer Grund für finanzielle Einbußen in diesem Bereich: Eine so dezidiert international ausgerichtete Universität wie die HBS wird tatsächlich von vielen Unternehmen als Virenherd gesehen, und so führt die Angst vor der sogenannten Schweinegrippe zu weiteren Rückgängen bei der Executive Education. Eine Einnahmequelle sind zudem Investitionen, die von den Fakultätsmitgliedern getätigt werden. Den Löwenanteil zur Finanzierung der Harvard Business School steuert jedoch das Harvard Business School Publishing bei. Hier werden neben traditionellen Veröffentlichungen der Harvard Business School vor allem sogenannte cases herausgegeben. Die cases sind Fallstudien, in denen reale oder fiktive Ereignisse in Unternehmen geschildert werden. Dies geschieht in einer didaktisch aufbereiteten Form, und zwar mit dem Ziel, die Studierenden zum selbstständigen Denken und zum Entwickeln eigener Lösungsansätze für die aufgeführten Probleme zu animieren. Diese cases sind qualitativ sehr hochwertig und werden daher von Universitäten in vielen Ländern käuflich erworben und für die Lehre genutzt. Natürlich sind aufgrund der schlechten finanziellen Situation vieler Universitäten die Verkaufszahlen der cases ebenfalls stark zurückgegangen. All diese Faktoren führten dazu, dass die Harvard Business School im Jahr 2008 zum ersten Mal seit ihrem Bestehen finanzielle Einbußen hinnehmen musste. Case study Im nächsten Absatz möchte ich kurz näher auf die case study method eingehen, da diese Art der Lehre auch auf die Arbeit der Baker Library maßgeblich Einfluss nimmt. Die case study method war seit der Gründung das Aushängeschild der Harvard Business School. Diese Lehrmethode schafft wegen der verwendeten Fallstudien einen starken

Bezug zur Praxis. Wie schon erwähnt: Das Hauptziel liegt in der Entwicklung eines kritischen Denkens und selbstständigen Problemlösungsverhaltens. Der Ansatz ist zunächst einmal ungewöhnlich sowohl für Studenten als auch für Dozenten, weswegen Dozenten speziell geschult werden, um mit dieser Methode effizient unterrichten zu können. Ich hatte das Glück, an einigen Kursen teilnehmen zu dürfen, und habe einen Eindruck davon gewinnen können, wie an der HBS unterrichtet wird. Auffällig ist, dass die Dozenten und Dozentinnen in den Hintergrund treten und eher Moderatoren einer höchst anspruchsvollen Diskussion sind. Die Studierenden können auf viele Praxiserfahrungen zurückgreifen, was den Diskurs deutlich belebt und interessant macht. Die Fallstudien und Texte müssen von den Studierenden gründlich durchgearbeitet worden sein, denn möglichst alle Anwesenden werden in die Diskussion mit einbezogen auch die teilnehmenden Bibliothekarinnen und Bibliothekare (und Bibliotheksreferendare, die zu Besuch sind). Unvorbereitet kommt daher niemand in den Unterricht, selbst wenn man am Abend mindestens drei Fallstudien in Gruppen oder alleine bearbeiten muss ein wahrlich hoher Arbeitsaufwand. Wer sich für die Methode der case studies interessiert, dem empfehle ich, einen Blick auf die Homepage der Harvard Business School, (www.hbs.edu) zu werfen. Hier wird in einem Video anschaulich erklärt, wie der Unterricht dort konzipiert ist. Case study method als Chance für die Bibliothek? Im ersten Jahr des Masterstudiengangs sind die Kurse streng vorgeschrieben; das Hauptaugenmerk liegt auf der direkten Auseinandersetzung mit den Prozessen in Firmen. In festen Klassen mit 90 Personen werden Themen wie Marketing, Finance, Leadership and Organizational Behavior behandelt. Im zweiten Jahr werden mehr Wahlfächer angeboten, und es wird mehr eigenständiges Arbeiten verlangt. Da die Studierenden gerade am Anfang ihres Studiums sehr stark eingespannt sind und hauptsächlich auf Informationen aus den case studies angewiesen sind, hält die Bibliothek sich im ersten Jahr des zweijährigen Masterstudiengangs bewusst zurück. Von den Studenten und Studentinnen wird zu dieser Zeit nicht so viel eigene Recherche verlangt, daher ist diese Zurückhaltung der Bibliothek angemessen. Jedoch wird die Bibliothek in dieser Zeit durchaus gebraucht, wenngleich ihre Arbeit in dieser Studienphase eher im Hintergrund abläuft. Die case study method rückt somit zwar einerseits die Arbeit der Bibliothek etwas aus dem Zentrum des Geschehens, andererseits ist sie gerade wegen dieser Methode wichtiger. Schließlich entsteht schon früh der Bedarf, Informationen und Ressourcen, die für die Fallstudien benutzt werden, zu ermitteln und auch aufzubewahren. Wer kann diese Funktion besser erfüllen als eine Bibliothek? Die Harvard Business School Library zeichnet sich hier aus und weist zudem einen umfangreichen Altbestand auf, der aus dem hohen Informationsbedarf resultiert, den die case study method mit sich bringt. Die Harvard Business School Library kann daher als eine der ersten Bibliotheken für Wirtschaftswissenschaften in den USA gelten. Beim Verfassen und bei der Recherche für das Erstellen der case studies wird die Bibliothek viel genutzt. Sie kann die Fakten, Daten und Informationen liefern, die hierfür gebraucht werden. Diese Dienstleistung ist zwar für die Professoren, die den Service der Bibliothek nutzen, sichtbar, die Studenten sind sich der Arbeit der Bibliothek jedoch nicht unbedingt bewusst.

Knowledge and Library Services (KLS) Knowledge and Library Services ist der offizielle Name der Bibliothek der Harvard Business School. Diese Bezeichnung macht bereits deutlich, dass sie weit mehr ist als eine Bibliothek im eigentlichen Sinne: Es geht um die Verwaltung von Wissen der ganzen Universität. Die Stellung der Bibliothek innerhalb der Universität wurde mir schnell klar, als ich die Jahresansprache des Deans der Harvard Business School erleben durfte. Er erwähnte KLS im Zusammenhang mit fast jedem Bereich und hob die Arbeit und Leistungen des KLS als vorbildlich hervor. Im weiteren Verlauf meines Berichtes möchte ich auf ein paar Besonderheiten eingehen, die mir in den Abteilungen des KLS aufgefallen sind. Natürlich ist das nur eine kleine Auswahl, denn die zahlreichen Impressionen, die ich gewinnen durfte, kann man nicht in einen kurzen Bericht packen. Mitarbeiter Von den insgesamt 55 Informationsspezialisten, die an der Bibliothek tätig sind, können die meisten auf einige Erfahrungen in der freien Wirtschaft zurückblicken. Auch die Führungsebene der Bibliothek kommt aus dem Knowledge Management und nicht aus dem Bibliothekssektor. Das führt zu einer Organisation, die eher einer Knowledge-Management-Abteilung ähnelt als einer klassischen Bibliothek. Die Bibliothek sieht ihre Kernaufgabe darin, Informationen schnell, möglichst ad hoc und unkompliziert zu liefern ein Gedanke, der seitens der Universität unterstützt wird. Diese Strategie hängt mit der Neubesetzung des Executive Directors im Herbst 2004 zusammen. Direktorin Mary Lee Kennedy arbeitete, bevor sie zur Baker Library kam, im Knowledge Management einer großen Softwarefirma. Als sie ihre Tätigkeit in der Bibliothek aufnahm, war ihr klar, dass in Zukunft Service und Nutzerorientierung im Vordergrund der Bibliotheksarbeit stehen würden. Dieses Selbstverständnis spiegelt sich besonders eindrücklich in der Arbeit der Abteilung Research Services wider, auf die ich in nach einer kurzen Einführung in die Servicebereiche der KLS eingehen möchte. Arbeitsbereiche/Services Bemerkenswert ist bei KLS die starke Verankerung der Bibliothek in vielen Bereichen der Universität. Diese Tatsache führt dazu, dass es als Neuling zunächst einmal schwierig war, KLS als Ganzes zu begreifen ein Blick auf die Homepage (www.library.hbs.edu) verrät bereits, an wie vielen Aspekten die KLS mitbeteiligt ist. Das Hauptaugenmerk der Bibliothek liegt auf Networking mit einzelnen Personen und der Vernetzung der Bibliothek mit möglichst vielen Arbeitsbereichen der Universität. Daher wird davon Abstand genommen, Projekte und Services im Alleingang durchzuführen. Stattdessen werden sehr viele Aufgaben in Kooperation mit anderen Universitätseinrichtungen erfüllt. So wird gewährleistet, dass Projekte auf höhere Akzeptanz innerhalb der ganzen Universität stoßen. KLS ist somit in vielen Bereichen tätig, die ich nie als eigentliche Bibliotheksaufgaben betrachtet habe. Integration in die Arbeit der Berufsberatung sowie eine Homepage, auf der die Bibliothek aktuelle Forschungstrends an der Harvard Business School beschreibt, sind nur einige Beispiele für das Spektrum der Bibliotheksarbeit. Überrascht war ich zu sehen, wie wenig Arbeitszeit der Reference Librarians für die klassischen bibliothekarischen Alltagsaufgaben übrig bleibt. Hauptaufgabe der

Bibliothekare ist erstens Projektarbeit, die zu Spitzenzeiten fast 90 % der Zeit eines Reference Librarians (Bibliothekar mit einem bibliothekarischen Master Abschluss) in Anspruch nimmt. Die zweite Priorität ist die Beteiligung an den Kursen, die eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Dozenten verlangt. In diesem Kontext nehmen Bibliothekare zudem regelmäßig an Kursen teil, um beispielsweise anhand der Fragen der Studierenden den Bedarf an Informationen zu ermitteln. Die dritte Hauptaufgabe eines Bibliothekars oder einer Bibliothekarin der Harvard Business School ist die Arbeit an der Auskunfts- und Ausleihtheke. Auch diese Tätigkeit nimmt einen ausgesprochen hohen Stellenwert ein. KLS Research Service Die Abteilung Research Service, die ich bereits im Vorfeld kurz erwähnt habe, ist eine einmalige Institution an der Harvard Business School. Fachkompetente Informationsspezialisten und Bibliothekare bieten diesen besonderen Dienst für die Fakultätsmitglieder an: Professoren und Fakultätsmitglieder können stundenweise einen Researcher in Anspruch nehmen, um ihn oder sie auf bestimmte Fragen anzusetzen. Hauptaufgabe des Researchers ist die Recherche in diversen statistischen und Faktendatenbanken (z. B. CRSP, DATASTREAM, SAS). Diese Dienstleistung wird gegen Gebühr zur Verfügung gestellt, die in erster Linie dazu dient, die Stundenzahl in einem zu bewältigenden Rahmen zu halten aufgrund der hohen Flexibilität wird dieser Service nämlich gerne und manchmal exzessiv genutzt. Der mir bekannte Rekord liegt bei 2.000 Recherchestunden, die ein einzelner Professor gekauft hat. Die Mitarbeiter des Research Services müssen äußerst stressresistent sein, da viele Anfragen unter Zeitdruck stehen. Die Bibliothekare dieser Abteilung sind ausgewiesene Experten, die eine komplexe Fragestellung rasch analysieren können. Zudem ist für die Tätigkeit in dieser Abteilung viel Einfühlungsvermögen notwendig. Schließlich geht es oft darum, die Beziehung zu dem jeweiligen Professor oder der Professorin aufrechtzuerhalten, und man muss häufig viel Fingerspitzengefühl beweisen, um zwischen den Zeilen zu erkennen, was die Anfragenden wirklich brauchen. Die Mitarbeiter sind in der Regel Bibliothekare und Bibliothekarinnen, meist jedoch nicht immer mit einem Studienhintergrund in einem wirtschaftsrelevanten Fach, die sich das relevante Wissen im Zuge ihrer Arbeit in dieser Abteilung nach und nach angeeignet haben. Krise als Herausforderung Die oben beschriebene Krise machte natürlich vor der Bibliothek der Harvard Business School nicht halt, denn so massiv, wie die Business School im letzten Jahr sparen musste, wirkten sich diese Sparmaßnahmen auch auf die Bibliothek aus. Budget- und Personalkürzungen waren die Folge. Jedoch reagierte die Leitung von KLS auf diese neue Herausforderung in einer meines Erachtens überraschenden und interessanten Art und Weise. Der Personalabbau war vor allem an der Ausleih- und Auskunftstheke zu spüren. Da man diesen Bereich jedoch als sehr wichtig erachtet, beschloss man, das Verständnis der Arbeit an der Theke zu verändern. Man setzte zwei Reference Librarians mit einem Master in Bibliothekswesen im Thekendienst ein, wodurch diese Tätigkeit aufgewertet und den Nutzerinnen und Nutzern ein Mehrwert geboten wurde. Verständlicherweise führte diese Neuerung, die just in der ersten Woche, in der ich dort war, eingeführt wurde, zu Spannungen. Reference Librarians sahen sich plötzlich in der Position, den Spagat zwischen fachlicher Kompetenz und Ausleihsysteminkompetenz zu meistern. Es war sehr interessant zu sehen, wie es einigen Bibliothekaren tatsächlich

gelang, aus einer gewöhnlichen Ausleihsituation ein Beratungsgespräch zu machen. Selbstverständlich funktionierte das nicht immer und war auch nicht immer passend oder gewünscht. Es ist unklar, ob ein solches Pilotprojekt in dieser Form zukünftig weiter durchgeführt wird. Nichtsdestotrotz imponierte mir die Herangehensweise an die neue Herausforderung, plötzlich mit Personalkürzungen umgehen zu müssen. Diese Kürzungen führen letztlich nicht zu einer Qualitätsverringerung, sondern zu einer Aufwertung des betroffenen Funktionsbereichs. Bemerkenswert erschien mir der pragmatische Ansatz, eine neue Idee zunächst einmal auszuprobieren, wohl wissend, dass man solche organisatorischen Veränderungen im Falle des Misslingens wieder revidieren kann und wird. Fazit Als zentralen Eindruck meines zweiwöchigen Besuches möchte ich hervorheben, wie viele motivierte und engagierte Menschen ich an der Baker Library kennenlernen durfte. Innovationen und Ideen werden hier von der Leitung gerne aufgenommen und wenn irgend möglich schnell umgesetzt. Probleme werden als Herausforderungen begriffen, und man versucht, das Beste aus einer neuen Situation zu machen. KLS sieht es als Aufgabe, stets mit den neuen, technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, dran zu bleiben und den Trends nahe zu sein. Die Atmosphäre in der Baker Library habe ich als sehr inspirierend und positiv empfunden, trotz der schwierigen finanziellen Situation, in der sich die Bibliothek zum ersten Mal in ihrer Geschichte befand. Ziel dieses Artikels ist es, auf einige Herangehensweisen der KLS aufmerksam zu machen. Obwohl ich noch am Anfang meiner Laufbahn im Bibliothekswesen stehe, war der Blick über den Tellerrand für mich unglaublich bereichernd. Ich habe sehr viele Inspirationen bekommen, was Bibliotheksarbeit alles bedeuten kann, und freue mich auf meine weitere berufliche Zukunft in diesem spannenden und innovativen Bereich!