Kleine Kirchengeschichte Eine Reise in die 1200-jährige Vergangenheit des Kirchengebäudes der Neuapostolischen Kirche an der Westerfeldstr. 12 in Bielefeld
Kleine Kirchengeschichte Die historischen Wurzeln unserer kleinen Kirche reichen vermutlich sehr weit zurück. Schon 450 Jahre vor der Gründung Bielefelds, um 800 n. Chr., hat der Bauer des Hofes Schildesche die erste christliche Kapelle in dieser Region, die Kerken Johannes over den Dieken (Kirche oberhalb der Teiche) erbauen lassen. Diese kleine, dem Täufer Johannes geweihte Kirche stand vermutlich am Südfuß des Kapellenbrinks zwischen der Vilsendorfer und Engerschen Straße. Geschichtliches Umfeld Um 785 n. Chr. wird der legendäre Sachsenführer Widukind als Gründer der Kirche in Schildesche erwähnt. Es ist wahrscheinlich, dass dieses alte Gebäude ca. 860 Jahre später einen Teil des Baumaterials für unsere Kirche gespendet hat und damit als Ursprung unseres heutigen Kirchleins anzusehen ist. Das Bistum Münster wird durch den Heiligen Ludger im Jahre 793 gegründet. Die Entstehung unseres Kirchengebäudes ist eng mit der Geschichte des Stifts Schildesche verflochten, daher ein kurzer Blick auf die geschichtliche Entwicklung des Stifts: Die Adelige Marswidis gründete 939 n. Chr. nach dem Muster des Klosters Herford in Schildesche ein Kloster für Stiftsdamen. Diese Stiftdamen, die so genannten Kanonissen, zeichnete eine Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Königin Mathilde (Ehefrau des Königs Heinrich I.) um 947 in Enger ein Stift nach dem Muster Schildesche errichtete. Die Stifte Enger und Schildesche standen miteinander in engem Verkehr.
Besonderheit aus: sie hatten kein Armutsgelübde abgelegt und konnten somit weltliche Güter besitzen und verwalten. Zum Stiftsgut gehörten acht Höfe. Marswidis reist in der Folgezeit selbst nach Rom, um Reliquien Johannes des Täufers zu erhalten. Das Gotteshaus des Schildescher Stifts, die erste Stiftskirche ohne Turm (fertiggestellt gegen 960), ist vermutlich um 1250 durch einen Brand zerstört worden. Zu dieser Zeit gaben die Stiftsdamen ihre gemeinsame Lebens- und Haushaltsführung auf und bezogen acht eigene Hofstätten, die sich um die Stiftskirche herumgruppierten. Geschichtliches Umfeld Das Kloster Schildesche wird 1019 dem Paderborner Bischof Meinwerk zum Geschenk gemacht. 1214 Die Stadt Bielefeld wird gegründet. Aufgrund des Visitationsprotokolls für die Grafschaft Ravensberg (1533) gab es in Schildesche zunächst keine Reformationsbestrebungen. Zum ersten Reformationsversuch kam es 1541/42. Hermann Hamelmann setzte die Reformation in Bielefeld dann 1555 durch. Sie führte in den Folgejahren auch zu einer Spaltung der religiösen Einheit des Stifts. Die entscheidende Aufteilung des Stifts Schildesche erfolgte im Religionsvergleich von 1672. Es wurde festgelegt, dass die Stiftsdamen jeweils zu einem Drittel evangelisch-lutherisch, evangelischreformiert und römisch-katholisch sein sollten. Für die letzteren bestand nun Bedarf für ein zusätzliches Gottes- 1244 Die Grafen von Ravensberg werden Stiftsvögte. Sie übernehmen damit den weltlichen Schutz des Stiftes. Um 1325 erwerben die Stiftsdamen in Salzuflen ein Salzhaus. Sie erzielen hieraus eine wichtige Einnahme: jährlich 300 kg Salz, das weiße Gold des Mittelalters. 1630 In der Zeit der Gegenreformation wird die Stiftskirche von katholischen Truppen aufgebrochen.
haus. Ihnen wurde daher die eingangs erwähnte Johannes-Kapelle zugewiesen. In einem erneuten Vergleich von 1686 wurde den verbliebenen sieben katholischen Stiftsdamen zugestanden, die alte Johanneskapelle abzubrechen und auf ihre Kosten an einen anderen Ort nach Schildesche zu versetzen. Gründe für den Abbruch gab es genügend. Ein schlechter Weg, der vor allem im Winter nicht mehr gangbar war, sowie Überschwemmungen machten den Gottesdienstbesuch vielfach unmöglich. Die lutherischen Stiftsmitglieder waren zwar zur Ausbesserung des Weges verpflichtet, gegen die Überschwemmungen, hervorgerufen durch den Johannisbach, waren jedoch auch sie machtlos.
Damit begannen die Planungsarbeiten für die Errichtung unserer heutigen Kirche. Hieran war Hermann Tegeler, der erste katholische Pfarrer in Schildesche, maßgeblich beteiligt. Neben der neuen Kirche sollten ursprünglich zusätzlich eine Schule und eine Küsterwohnung entstehen. Aus finanziellen Gründen musste dieses Vorhaben leider wieder aufgegeben werden. Die für die Nebengebäude erforderliche Kollekte wurde vom Kurfürsten zu Brandenburg nicht genehmigt. Somit konnte auch diese Finanzierungsquelle nicht genutzt werden. Wenn schon die Forderungen der Stiftsdamen auf Kerzenwachs, Hostien und Wein nicht durchgesetzt werden konnten, dann kann man erahnen, wie groß die Probleme waren, die mit der Finanzierung und der Beschaffung des Baumaterials für die neue Kapelle auftraten.
Mit den Abbrucharbeiten wurde am 6. Juni 1686 begonnen. Gleichzeitig ist auch das mit der Kapelle verbundene Kranken- und Armenhaus, das so genannte Cluß, mit abgebrochen worden. Da die Steine des Cluß von der Dekanin des evangelischen Stifts angeblich zu privaten Zwecken verwendet wurden, hat die katholische Seite hierfür Ausgleichszahlungen gefordert. Die ersten Monate des Jahres 1688 vergingen mit der Beschaffung des Baumaterials. Am 20. Juni 1688 wurde der Bauvertrag mit dem Mauer- Meister Hans Fucker aus Melle geschlossen. Die Grundsteinlegung erfolgte dann am 06. Juli 1688. Der Grundstein trägt die Kennzeichnung JMJ (=Jesus, Maria, Johannes). Wie bereits die alte, so wurde auch die neue Kapelle Johannes dem Täufer geweiht. In Riesenschritten ging es mit dem Bau voran. Bereits am 12. Oktober 1688 war das Mauerwerk fertig gestellt. Schon am 28. November 1688 konnte der erste Gottesdienst mit allen Instrumenten gehalten werden. Obwohl die Kirche noch nicht wie heute mit einem Gewölbe aus Stein versehen war, wurden die Gottesdienste ab diesem Zeitpunkt regelmäßig fortgesetzt.
Heiligenschrein Beichtstuhl Pfarrer Tegeler Im Folgejahr 1689 waren nur Mittel zur Nachbesserung des Daches und der äußeren Wände vorhanden. Geld- und Materialnot verhinderten zunächst die endgültige Fertigstellung. In der Folgezeit bis 1692 ruhte die Bautätigkeit. In 1692 wurde die kath. St. Martinskapelle an der Regt abgebrochen. Das Abbruchmaterial konnte ebenfalls zum Neubau verwendet werden. Im Jahre 1693 übernahm Mauer-Meister Thomas Gluchk die
weiteren Bauarbeiten. Unter seiner Regie erfolgte der Bau des Gewölbes, der innere Putz der Kirche sowie die Legung des Altarsteines. Die gesamten Baukosten wurden auf 672 Taler beziffert. Nach der Vollendung der Arbeiten erfolgte im Jahre 1694 endlich auch die feierliche Weihe durch General-Vikar Jodokus Frihoff. In der Folgezeit ist die Johanneskapelle bis zum Jahre 1912 als katholisches Gotteshaus genutzt worden. In den Jahren 1929 bis 1949 wurden dann keine Gottesdienste mehr abgehalten. Die sehr schöne Barock-Pieta, der Altar und das Reliquien- Kästchen wurden in die im Jahre 1912 eingeweihte neue Katholische Kirche an der Ringenbergstraße gebracht. Geschichtliches Umfeld Von 1807 bis 1813 regieren die Franzosen in Ravensberg. Der Johannisbach wurde zur Grenze zwischen Westfalen und Frankreich. 1810 Das Stift Schildesche wird durch die französische Regierung aufgehoben. Der Grundbesitz wurde verkauft. Die verbliebenen Stiftsdamen erhielten eine staatliche Pension. Die letzte Stiftsdame starb 1829. 1845 Der Viadukt wird in Schildesche für die Köln- Mindener Eisenbahn gebaut. 1900 Das Dorf Schildesche wird mit Kleinbahn und Straßenbahn an die Stadt Bielefeld angeschlossen. Kirchengebäude um 1904 1930 Schildesche wird nach Bielefeld eingemeindet.
Neues Leben zieht im Jahre 1950 ein. Die Neuapostolische Kirche mietet die Kapelle an. Mit einem enormen Einsatz auch privater Mittel richten die Gemeindemitglieder in ca. 2.500 Arbeitsstunden die Kirche wieder zu Gottesdienstzwecken her. Es wird ein neuer Fußboden eingezogen, die Empore vollständig erneuert, eine Garderobe eingebaut, ein selbstentworfener Altar gefertigt und eingebaut sowie das Chorfenster über dem jetzigen Altar zugemauert. Am 16 April 1950 weiht Bezirksapostel Walter Schmidt die renovierte, unter Denkmalschutz stehende Kirche.
Im Jahr 1987 erwirbt die Neuapostolische Kirche das Grundstück sowie das Kirchengebäude von der Stadt Bielefeld. Durch das rege Gemeindeleben mit einem erweiterten Betätigungsspektrum hat sich schon seit längerem große Raumnot eingestellt. Daher sind neue Baumaßnahmen angesagt. Insbesondere die Auflagen des Denkmalschutzes erfordern eine sensible Planung, um alte und neue Gebäudesubstanz harmonisch miteinander zu verbinden. Der alte Fachwerkanbau, bisher als Sakristei genutzt, muss wegen Baufälligkeit vollständig abgerissen und die Verbindungsöffnung zugemauert werden. Als Ersatz wird der Neubau des Gemeindehauses mit Räumen für Kinder, Jugendliche und Senioren einschließlich Teeküche sowie Toiletten errichtet und durch einen Gang mit der alten Kapelle verbunden.
Altar und Empore werden vollständig erneuert. Die alte Gasaußenwandheizung weicht einer modernen Fußbodenheizung mit Konvektorenunterstützung. Außerdem wird der morsche Holzfußboden im gesamten Kirchenschiff durch Wesersandsteinplatten ersetzt. Es stehen jetzt insgesamt ca. 210 Sitzplätze zur Verfügung. Nach Beendigung der Bauarbeiten erfolgt am 16.12.1990 die Wiedereinweihung des Gotteshauses durch Bezirksapostel Hermann Engelauf.
Die gesamten Baumaßnahmen unterstreichen den schlichten, sakralen Charakter des Gebäudes. Sie verbessern auch zusätzlich die ohnehin schon gute Instrumentalmusik, die den Rahmen jeden Gottesdienstes bilden, können sich hier hervorragend entfalten. Weitere Maßnahmen: Zum Jahreswechsel 2005/2006 wurden die alten Kirchenfenster erneuert. Gleichzeitig erhielten Kirchenschiff und Vorraum einen neuen Anstrich. Das Kirchengebäude kann nach Voranmeldung auch außerhalb der Gottesdienstzeiten besichtigt werden.