Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung Federal Bureau of Maritime Casualty Investigation

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Transkript:

Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung Federal Bureau of Maritime Casualty Investigation Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung Postfach 30 12 20 20305 Hamburg Dienstgebäude Bernhard-Nocht-Str. 78 20359 Hamburg Tel.: + 49 (0) 40 31 90 0 Fax: + 49 (0) 40 31 90 83 40 posteingang-bsu@bsh.de www.bsu-bund.de Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom Mein Zeichen + 49 (0) 40 31 90 83 10 Datum (bei Antwort angeben) UF1-203/04 E-mail: juergen.albers@bsh.de 1.Oktober 2005 Pressemitteilung 11/05 Sorgfaltsregeln für Wassersportler nicht beachtet! Der Fahrtverlauf der SY ALLMIN und der Unfallhergang, bei dem die beiden Segler tödlich verunglückten, wurde von der BSU an Hand von Zeugenaussagen und Indizien rekonstruiert. Die Reise der Segelyacht ALLMIN, ein 7,75 m langer Kielschwerter vom Typ Neptun 26, begann am 27.06.2004 in Wiek/Darß. An Bord waren zwei Brüder, 62 und 67 Jahre alt, die für die geplante einwöchige Umrundung Rügens ausreichend Erfahrung für das Seegebiet hatten. Die erste Nacht wurde im Hafen von Puddemin am Strelasund verbracht. Für die zweite Übernachtung lief man den Hafen von Seedorf/Rügen an. Am 29.06.2004 verließ die ALLMIN gegen 10.15 Uhr den Hafen von Seedorf in Richtung Sassnitz. Den Hafen von Sassnitz erreichte die Segelyacht allerdings nicht. Nach Aussagen von Rettungsschwimmern der DLRG lief die Yacht gegen 12.00 Uhr am Südperd auf einen unter Wasser liegenden, etwa 150 bis 200 m langen Steinwall auf. Die Yachtbesatzung konnte sich nicht aus eigener Kraft von den Steinen ziehen, die Rettungsschwimmer konnten mit ihrem Schlauchboot, ausgerüstet mit einem 50 PS starken Außenbordmotor, ebenfalls nicht helfen. Die beiden Segler standen bei dem Abbergeversuch auf den Steinen und versuchten die Yacht zu schieben. Der schließlich zur Hilfe gerufene Seenotkreuzer Fritz Behrens konnte die Segelyacht wieder in tiefes Wasser ziehen. Von den Rettungsschwimmern im Schlauchboot wurde noch beobachtet, wie die Segler mit einem Eimer Wasser aus der Yacht schöpften. Die Segelyacht wurde zuletzt mit voll gesetzten Segeln gesehen, als sie in Richtung Norden fuhr. Als die beiden Segler nach einer Woche nicht wie geplant den Heimathafen erreicht hatten, begann die Suchaktion. Diese verlief zunächst ergebnislos, die Yacht und ihre Besatzung blieben vermisst.

Die von der BSU ermittelte letzte bekannte Position der Yacht war am 29.06.2004 um 14.56 Uhr mit ϕ =54 21,97 N λ = 013 43,02 E auf der Strecke zwischen dem Nordperd und Granitzer Ort. Diese Position liegt in der Nähe der Küste zwischen Baabe und Sellin. Durch den Netzbetreiber des Mobiltelefons eines ALLMIN-Seglers wurde zu dieser Zeit ein Ausschalten des Mobiltelefons registriert. Am 21.07.2004 wurde die Leiche des einen Seglers durch die Besatzung einer Yacht im Gebiet der Prorer Wiek im Wasser treibend gefunden. Eine Rettungsweste war nicht angelegt. Die Leiche des zweiten Seglers wurde am 29.07.2004 durch einen polnischen Fischer bei Jaroslawiec in einer Entfernung von 9,5 sm von der Küste gefunden. Diese Position war ca. 95 sm von der Kurslinie nach Sassnitz entfernt. Der Tote war vollständig mit einem Segelanzug bekleidet und trug eine aufgeblasene Rettungsweste. Das Wrack der Segelyacht ALLMIN wurde erst am 26.11.2004 entdeckt, als die Yacht beim Hieven eines Netzes durch den Fischkutter CRAMPAS auf der Position ϕ = 54 27,787 N, λ = 013 49,354 E an die Wasseroberfläche geholt wurde. Eine Bergung schlug fehl, da das Fischernetz die Belastung nicht aushielt. Die Bergungsversuche am 09.12.2004 und 09.02.2005 durch Taucher der Polizei Mecklenburg-Vorpommern konnten aufgrund des schlechten Wetters nicht vorgenommen werden. Bei diesen Tauchgängen wurde der Zustand der Yacht durch Unterwasserfotos und Videos sehr gut festgehalten. Erst am 23.03.2005 erfolgte die Bergung der Segelyacht ALLMIN durch das Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff DENEB des BSH. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung hat nach der Untersuchung des Wracks ermittelt, dass für den Untergang die Schäden ursächlich waren, die beim Auflaufen auf den Steinwall entstanden sind. Eine Schädigung nicht nur des Schiffsrumpfes, sondern auch des Riggs durch das harte Auflaufen ist ebenfalls nicht völlig auszuschließen. Nach dem Freischleppen der Yacht von dem Steinwall setzte die Besatzung ihre Reise fort. Das Angebot der Rettungsmänner, die Yacht nach Thiessow zu schleppen, wurde abgelehnt. Die Schäden nach dem Auflaufen wurden nicht ausreichend geprüft, die Möglichkeit, in Begleitung den nächsten Hafen anzulaufen, nicht genutzt. Der Untergang der Yacht ist auf den Verlust der Schwimmfähigkeit auf Grund des Wassereinbruchs im Bugbereich zurückzuführen. Hinweise, die auf eine andere Unfallursache hätten schließen lassen, wurden nicht gefunden. Die Besatzung der ALLMIN bewegte sich bei der Umrundung von Rügen und besonders beim Passieren der Untiefe Thiessower Haken in einem nautisch anspruchsvollen Gebiet. Die Yacht war entgegen der Empfehlungen der Sicherheitsrichtlinien der Kreuzer-Abteilung nicht mit einem Gerät zur automatischen Standortbestimmung (z.b. GPS) ausgerüstet. Ohne die Möglichkeit der Feststellung einer genauen Position und ohne nutzbare Seezeichen in vielen Bereichen war eine sichere Navigation nicht möglich. Für den weiteren Verlauf der Reise gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Eine Reihe von Fragen blieb unbeantwortet. So konnte durch das Untersucherteam der BSU nicht geklärt werden, wie es zu der weit von der Kurslinie entfernten Auffindeposition der Segelyacht kam. 2

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Reise der Segelyacht ALLMIN nicht umfassend vorbereitet war. Es befanden sich nicht alle der in den Sicherheitsrichtlinien der Kreuzer-Abteilung und der Veröffentlichung Sicherheit im See- und Küstenbereich Sorgfaltsregeln für Wassersportler empfohlenen Ausrüstungsgegenstände an Bord. Besonders wird auf das Fehlen eines Navigationssystems, einer Seefunkeinrichtung und von Seenotsignalmitteln hingewiesen. Das führte dazu, dass die Besatzung nicht sicher navigieren und in der entstehenden Notsituation nicht auf ihre Lage aufmerksam machen bzw. auf die Situation reagieren konnte. Eine Rettungsinsel gehört in diesem Fahrtgebiet nicht zu den empfohlenen Ausrüstungsgegenständen, wäre in diesem Fall jedoch eine große Hilfe für die Besatzung gewesen. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung gibt im Rahmen diese Untersuchungsberichtes die folgenden Sicherheitsempfehlungen heraus und empfiehlt: Den Eignern, Betreibern und Schiffsführern von Motor- und Segelyachten die Fahrzeuge entsprechend der Sicherheitsrichtlinien zur Ausrüstung und Sicherheit von Segelyachten/Mehrrumpfbooten der Kreuzer-Abteilung des DSV und der Veröffentlichung Sicherheit im See- und Küstenbereich Sorgfaltsregeln für Wassersportler des BSH auszurüsten. Die dort je nach Fahrtgebiet aufgelistete empfohlene Ausstattung stellt einen erprobten Standard dar. Darüber hinaus ist bei der individuellen Törnplanung das Mitführen zusätzlicher Sicherheitsausrüstung, z.b. Rettungsinseln, in Abhängigkeit vom Seegebiet zu überlegen. Den Schiffsführern zur Vermeidung einer Grundberührung die Beachtung von Tiefenlinien und die Einhaltung von Fahrwassern in Abhängigkeit von: - dem Tiefgang - der Navigationsausrüstung - dem Maßstab der benutzten Seekarte, wobei stets der größtmögliche Maßstab zu nutzen ist - den Wetterverhältnissen und - dem Seeverhalten des Bootes. Den Schiffsführern nach einer Grundberührung die sorgfältige Prüfung des Fahrzeuges auf Schäden und gegebenenfalls das Anlaufen des nächsten Hafens, um Schäden besser untersuchen zu können. Den Eignern und Betreibern dafür Sorge zu tragen, dass durch bauliche Veränderungen am Bootskörper nicht die konstruktiv vom Hersteller vorgegebene Schwimmfähigkeit aufgehoben bzw. die Tragfähigkeit überschritten wird. Der ausführliche Untersuchungsbericht steht zum Herunterladen auf der Internetseite der BSU unter www.bsu-bund.de zur Verfügung. Jörg Kaufmann Leiter 8102 Zeichen inkl. Leerzeichen, 192 Zeilen, 1135 Wörter 3

4 Seekarte Unfallstelle

Bergung am 23. März 2005 Bergung am 23. März 2005 5