Antworten eines Herstellers auf die Ereignisse in Fukushima

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Transkript:

Reaktorsicherheit VGB PowerTech 1/2 l 2012 Antworten eines Herstellers auf die Ereignisse in Fukushima Uwe Stoll und Ulrich Waas Abstract Manufacturer s response to the Fukushima incident The severe accident in the Japanese nuclear power station of Fukushima Daiichi in the aftermath of a Tsunami has wide-ranging consequences for the nuclear industry, and as a consequence, for Areva as a plant manufacturer, even though Areva did not deliver these reactor units. In light of the requirements stated by the International Atomic Energy Agency (IAEO) and the more stringent conditions put in place by authorities, AREVA has started a Safety Alliance program for existing plants. This program includes a comprehensive concept for safety inspection and retrofitting of nuclear power plants, where necessary, to increase their robustness and with that ultimately plant safety. The four EPR power plants currently under construction in Finland, France and China and the reactor models Kerena and Atmea1, developed or co-developed by Areva, are of the latest generation III+. All models have redundant, multiple and partially complementary (active and passive) systems to prevent and master accidents. Should accidents occur in spite of this, the reactors are designed in a way that keeps the impact limited to the plant even in the event of a severe accident. l Autoren Dipl.-Ing. Uwe Stoll Dipl.-Phys. Ulrich Waas Areva NP GmbH Erlangen/Deutschland Fragen nach der Sicherheit Der schwere Störfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi am 11. März 2011 infolge eines Tsunamis hat weitreichende Folgen für die Kernenergiebranche und damit auch für die Hersteller von Kernkraftwerken: Weltweit werden nun Fragen nach der Sicherheit von Kernkraftwerken aufgeworfen. Es wird diskutiert, welche Lehren aus den Ereignissen in Fukushima zur weiteren Erhöhung des Sicherheitsniveaus in Kernkraftwerken gezogen werden können. Die betroffenen Reaktorblöcke gehören zwar zur ältesten Generation der in Japan gebauten Kernkraftwerke, sind aber prinzipiell vergleichbar mit anderen Reaktoren in westlichen Industrieländern. Als Anlagenhersteller sieht sich Areva auch wenn das Unternehmen nicht der Lieferant der betroffenen Reaktorblöcke in Japan ist mehr denn je verpflichtet, die Sicherheit in den Kernkraftwerken noch weiter zu verbessern. Nun wurde das Safety Alliance -Programm ins Leben gerufen. Dieser Maßnahmenkatalog umfasst eine Vielzahl an Produkten sowie Lösungen, mit denen die Betreiber von Kernkraftwerken ihre Anlagen im Betrieb auf neue Anforderungen vorbereiten und auch in Zukunft sicher erhalten können. Unfallablauf Die Blöcke 1 bis 3 des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi, die zum Zeitpunkt des Erdbebens im Betrieb waren, haben trotz des auslegungsüberschreitenden Erdbebens abgeschaltet, die Sicherheitssysteme funktionierten. Erst der darauf folgende 14 m hohe Tsunami eine Höhe, gegen die das Kraftwerk nicht ausgelegt war hat die Kühlkette zerstört und die Notstromversorgung außer Kraft gesetzt ( B i l d 1 ). Der Kern konnte nicht mehr gekühlt werden, Wasserstoff wurde freigesetzt und explodierte. Es kam außerdem zu einer Kernschmelze in den drei Reaktorblöcken. Ergebnisse und Empfehlungen der IAEO Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) will Lehren aus den Ereignissen in Fukushima ziehen. Sie hat daher weitreichende Empfehlungen ausgesprochen, mit denen die globale Nuklearsicherheit deutlich verbessert werden soll: Schutz vor allen Arten von Naturkatastrophen. Die Tsunami-Gefahr wurde für einige Kraftwerksstandorte unterschätzt. Behörden, Anlagenhersteller und Betreiber sollten daher das Risiko aller Naturkatastrophen angemessen beurteilen und eine entsprechende Risikovorsorge treffen. Diese Beurteilungen sowie die Methodologien der Beurteilung sollten, in Anbetracht von neuer Information und Erfahrung sowie eines besseren Verständnisses, regelmäßig geprüft und überdacht werden. Sicherheitskonzept. Gestaffeltes Sicherheitskonzept, räumliche Trennung, Diversitäts- und Redundanzanforderungen sollten für extreme Ereignisse, insbesondere mit der Gefahr des gemeinsamen Ausfalls von Sicherheitseinrichtungen, angewandt werden. Unabhängigkeit der Behörden. Sicherheitsbehörden sollten extreme Naturkatastrophen in ihren Auflagen angemessen berücksichtigen und diese Auflagen einer regelmäßigen Prüfung unterwerfen. Die Unabhängigkeit der Behörden und die Rollenverteilung sollten in allen Fällen den IAEO-Standards entsprechen. Multiple externe Einwirkungen. Das Auftreten lang anhaltender multipler externer Einwirkungen sollte angemessen bei der Auslegung, im Betrieb sowie bei der Planung von Notfall-Maßnahmen berücksichtigt werden. Emergency Response Center. Der Unfall in Japan hat die Bedeutung eines geschützten Emergency Response Center auf dem Kraftwerksgelände gezeigt. Dieses sollte mit zuverlässigen Kommunikationsmitteln, Anzeigen essenzieller Anlagenparameter und Bedienungsmöglichkeit für wesent liche Systeme ausgestattet sein. Außerdem sollten dort ausreichend Betriebsmittel vorgehalten werden. Derartige Zentren sollten an allen nuklearen Anlagen bereitgehalten werden, von denen eine Gefährdung ausgeht. Weiterhin sollte einfaches und robustes Gerät vorhanden sein, mit dem die grundlegenden Sicherheitsfunktionen zeitnah wiederhergestellt werden können. Wasserstoff. Die Risiken einer Wasserstoffbildung sollten im Detail geprüft und die notwendigen Abbaumaßnahmen getroffen werden. Notfallvorsorge. Die Notfallvorsorge, insbesondere für die frühe Phase eines Störfalls, sollte für schwere Störfälle ausgelegt und geeignet sein. 50

VGB PowerTech 1/2 l 2012 Reaktorsicherheit Reaktorgebäude Turbinengebäude Tsunami Notstromdiesel Geflutete Kanäle Kontaminiertes Wasser Einrichtung für Kühlwasser-Entnahme Bild 1. Auswirkungen des Tsunamis im Kernkraftwerk Fuskushima Daiichi. Die IAEO appelliert ferner an die nukleare Community und fordert diese auf, von den Ereignissen zu lernen und weltweit an der Verbesserung der nuklearen Sicherheit mitzuarbeiten. Als Anlagenhersteller sieht AREVA in der Erfüllung der IAEO-Forderungen eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Kernkraftwerke sicher betrieben werden können und damit auch für die Akzeptanz der Kernenergie in der Öffentlichkeit. Reaktionen auf den Unfall in Deutschland und weltweit Brunsbüttel Brokdorf Unterweser Krümmel Emsland Grohnde Obwohl die genannten IAEO-Forderungen in den deutschen Anlagen für die wichtigen Punkte erfüllt waren, die Reaktor-Sicherheitskommission in ihrer Stellungnahme die Robustheit bestätigt hat und zuvor, im Herbst 2010, die Laufzeitverlängerung beschlossen worden war, ist es nach dem Unfall im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi zu einem großen Vertrauensverlust in der Bevölkerung gekommen. Grund genug für die deutsche Politik, unmittelbar nach den Ereignissen in Fukushima ein weltweit beispielloses Ausstiegsprogramm zu verabschieden die sofortige Abschaltung von acht Anlagen und den frühzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2022 (Bild 2). Lediglich die Schweiz beabsichtigt, den Bau neuer Kernkraftwerke zu verbieten, ohne aber die Laufzeit der fünf bestehenden Anlagen zu begrenzen. Italien hat sich in einem Referendum im Juni 2011 gegen den geplanten Wiedereinstieg in die Kernenergie ausgesprochen. Belgien will in drei Jahren eine Energiewende einleiten: Im Jahr 2015 sollen die ersten drei Kernkraftwerke vom Netz gehen. Die Behörden der meisten anderen Länder mit Kernkraftwerken im Betrieb haben bisher kurzfristige Überprüfungen und Maßnahmen eingeleitet, um in den kommenden Monaten mit ausführlicheren Analysen und Stresstests und eventuell daraus resultierenden Forderungen aufzuwarten ( B i l d 3 ). Längerfristig stehen in einigen Ländern unter Umständen eine Verschärfung der Regelwerke oder Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheitsbehörden auf der Tagesordnung. Biblis Grafenrheinfeld Philippsburg Neckarwestheim Isar Gundremmingen Bild 2. Reaktion in Deutschland auf die Ereignisse in Fuskushima. 8 Anlagen wurden stillgelegt 51

Reaktorsicherheit VGB PowerTech 1/2 l 2012 Typischer Ablauf ~ 3-6 Monate Tabelle 1. Safety-Alliance -Programm für Kernkraftwerke im Betrieb. Voruntersuchungen Kurzfristige Maßnahmen Analyse der Lessons Learned Sicherheitsunterweisungen Aktualisierung der Regelwerke Q1 Konsequenzen aus Sicht eines Anlagenherstellers Der Unfall im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi hat auch bei AREVA Fragen aufgeworfen, zum Beispiel: Gibt es bei den Anlagen des Unternehmens Auslegungsdefizite? Was gibt es für ein Restrisiko? Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass es die in Japan festgestellten Auslegungsdefizite in den deutschen Kernkraftwerken nicht gibt und die deutschen Reaktoren über ein international hervorragendes Sicherheitsniveau mit konservativer Auslegung und Sicherheitsmargen verfügen. Dies wurde im Übrigen auch von der Reaktor-Sicherheitskommission bestätigt. Auch hinsichtlich terroristischer Anschläge mit einem Verkehrsflugzeug, wie dies in der Öffentlichkeit diskutiert wird, bieten die deutschen Anlagen den weltweit besten Schutz vor Flugzeugabstürzen, da dieses mögliche Ereignis schon frühzeitig in der Auslegung berücksichtigt wurde: Alle noch laufenden Anlagen in Deutschland sind gegen den Absturz eines Phantom-Militärflugzeugs ausgelegt; dies bedeutet auch einen ganz erheblichen Schutz gegen den gezielten Absturz eines Verkehrsflugzeugs. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA ist zudem der unterstellte Absturz eines großen Passagierflugzeugs in den Neubauanlagen umfassend berücksichtigt. Parallel zu den IAEO-Forderungen und den Behördenmaßnahmen hat AREVA für bestehende Anlagen das Safety Alliance - Programm gestartet. Das Kerntechnikunternehmen bietet damit ein umfassendes Konzept zur Sicherheitsüberprüfung und bei Bedarf auch Nachrüstung an, um so die Anlagensicherheit zu verbessern und verschärfte Behördenauflagen zu erfüllen. Safety Alliance -Programm 2011 Q2 Q3 Q4 ~ 3-6 Monate ~ 9-12 Monate 2012 2013 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 x Jahre Bild 3. Drei Arten von Maßnahmen seitens der Sicherheitsbehörden weltweit. Das dreiteilige Konzept ( Ta b e l l e 1 ) besteht aus einer Sicherheitsanalyse der Anlagenauslegung gegenüber (Natur-) Einwirkungen von außen und von innen. Dabei geht es darum, vor allem die Sicherheitseinrichtungen, zum Beispiel durch Redundanztrennung und Verbunkerung, so zu schützen, dass es infolge der Einwirkungen von außen und von innen nicht zu einem gleichzeitigen Ausfall mehrerer oder aller redundanten Stränge der Sicherheitssysteme kommt. Tritt eine (Natur-)Katastrophe auf, ist die Funktion der Kühlkette und der (Not-) Stromversorgung von größter Wichtigkeit. Auch hierzu bietet AREVA die entsprechenden Überprüfungen und Upgrade- Maßnahmen an. Als dritte Stufe gilt es, im Fall des Eintritts eines schweren Störfalls ein Austreten von radioaktivem Material in die Umgebung des Kernkraftwerks zu verhindern. Auch für diese Aufgabe stellt AREVA seine Kompetenz in Form von Analysen und Nachrüstmaßnahmen bereit. Ziel: Robustheit des Sicherheitskonzepts Sehr wichtig ist hier der Begriff der Robustheit, wie er von der Reaktor-Sicherheitskommission in ihrer Stellungnahme zur Sicherheitsüberprüfung der deutschen Kernkraftwerke nach den Ereignissen in Notstromgebäude Schaltanlagengebäude Hilfsanlagengebäude Notspeisegebäude 4 1 3 2 Robustheit gegen wesentliche Gefährdungen Sicherheitsanalysen Sicherheitsanalysen Brandschutz/Gefährdungsanalyse Robustheit der Kühlung Sicherheitsanalysen Sicherheitsanalysen erneute Beurteilung der Sicherheitsmargen Unterbrechungsfreie Stromversorgung und Stromversorgung der Leittechnik Sicherheitsverbesserungen Schutz vor Hochwasser Überflutungssichere Motoren Zusätzliche Anschlüsse für mobile Stromversorgung Geschützter dritter Netzanschluss Geschützte Notstromversorgungssysteme Abtransport verbrauchter Brennelemente Trockenlagerung auf dem Kraftwerksgelände Verhinderung von Umweltschäden Sicherheitsanalysen Sicherheitsanalysen Sicherheitsverbesserungen Passive autokatalytische Rekombinatoren Containment-Entlastungs- und Filtersysteme Störfallprobenahmesystem Pronas Hermetis KMV-störfallfeste Kabel Arenopyr Maßnahmen für radiologische Notfälle Störfalleinstufung und Gegenmaßnahmen Kontinuierliche Echtzeitüberwachung der Umgebung Sicherheitsverfahren Richtlinien für das Management schwerer Störfälle Ossa Kerntechnik-Simulatoren Fukushima diskutiert wurde. Die Robustheit in diesem Sinne umfasst insbesondere folgende Aspekte: Die sicherheitstechnische Auslegung der Anlage sollte grundsätzlich so solide sein, dass auch Ereignisse mit potenziell relevanten Auswirkungen auf die Umgebung beherrscht werden (Ereignisse mit Eintrittshäufigkeiten von größer 10-4 bis 10-5 pro Anlagenbetriebsjahr). Für noch unwahrscheinlichere ( auslegungsüberschreitende ) Ereignisse soll- Pumpenbauwerk 6 7 8 5 Anlagengebäude Nebenkühlwasser Turbinengebäude Bild 4. Redundanztrennung bei deutschen Konvoi-Anlagen. Schutz gegen Erdbeben Schutz gegen Erdbeben und Druckwellen Teilweiser Schutz gegen Flugzeugabsturz (Durchdringung) Schutz gegen Erbeben, Druckwellen und Flugzeugabsturz 52

VGB PowerTech 1/2 l 2012 Reaktorsicherheit Dampf Wasserstoff, Luft, Dampf Bild 5. Wasserstoff-Rekombinator. ten nach Möglichkeit sogenannte Cliff- Edge -Effekte vermieden werden. Das heißt, dass bei einem gewissen Überschreiten der in der Auslegung berücksichtigten Werte (wie Hochwasserpegel oder Erdbebenstärke) zwar eine gewisse Zunahme von Schäden in der Anlage, aber keine sprunghaft ansteigenden Auswirkungen in der Umgebung auftreten sollten. Eine sprunghafte Zunahme der Auswirkungen kann typischerweise vermieden werden, indem Reserven in der Auslegung genutzt werden beziehungsweise durch die Anwendung von antizipierten Notfallmaßnahmen. Insgesamt wird mit einer soliden Auslegung sowie mit Maßnahmen zum Vermeiden von Cliff-Edge -Effekten eine Robustheit des Sicherheitskonzepts erreicht. Aufgrund der konsequenten Redundanztrennung und Verbunkerung der einzelnen redundanten Stränge der Sicherheitssysteme ist für die in Deutschland betriebenen Kernkraftwerke eine erhebliche Robustheit des Sicherheitskonzepts gegeben. Im Rahmen der Diskussion im Anschluss an die Stellungnahme der Reaktor-Sicherheitskommission nach Fukushima wird noch bewertet, ob und wo die Robustheit weiter verstärkt werden kann: zum Beispiel, indem weitere Möglichkeiten vorbereitet werden, mit denen die Stromversorgung in den Anlagen abgesichert werden kann. Dieser konsequente Schutz der redundanten Stränge von Sicherheitssystemen gegen Einwirkungen von außen und von innen ( B i l d 4 ) ist international in etlichen älteren Anlagen oft nur teilweise praktiziert. Hier kann AREVA, auf Basis der vorliegenden Erfahrung mit dem Bau und der Ertüchtigung von Kernkraftwerken, eine gezielte Entwicklung von anlagenspezifischen Konzepten zur Erhöhung der Robustheit anbieten. Beispiele hierfür sind: der Einbau von Türen zur Redundanztrennung, die gegen Wasserdruck stabil sind die Implementierung von Notstromversorgungskonzepten mit diversitären Merkmalen und besonderem Schutz gegen Einwirkungen von außen, der Einbau von passiven, also ohne Stromversorgung wirkenden Wasserstoff-Rekombinatoren ( B i l d 5 ), um Wasserstoffexplosionen zu verhindern sowie der Einbau von Anlagen zum Schutz des Sicherheitsbehälters gegen Überdruck mithilfe gefilterter Druckentlastung (Bild 6). Gas-Einlass Venturi-Behälter Filter-Behälter Bild 6. Konzept des Containment-Venting-Systems. Neuanlagen: Störfälle wirken sich nicht auf die Umgebung aus Sowohl die aktuell in Finnland, Frankreich und China im Bau befindlichen EPR - Blöcke als auch die von Areva entwickelten oder mitentwickelten Reaktormodelle Kerena und Atmea1 gehören der neuesten Generation III+ an. Alle Modelle verfügen über redundante, diversitäre und zum Teil komplementäre (aktive und passive) Systeme, um Störfälle zu verhindern und zu beherrschen ( B i l d 7 ). Sollte es dennoch zu weitergehenden Unfällen kommen, sind die Anlagen so ausgelegt, dass die Auswirkungen selbst bei einem schweren Störfall auf die Anlage beschränkt bleiben. Beispiel: Sicherheitskonzept der Diesel-Generatoren von EPR -Anlagen. Die Diesel- Generatoren und auch die Treibstofftanks sind in gebunkerten, explosionsgeschützten, dichten und gesicherten Gebäuden untergebracht. Diese sind räumlich voneinander getrennt und beherbergen sowohl Notstrom- als auch Station Blackout -Diesel. Zusammenfassung Nach bisherigen Erkenntnissen ist der entscheidende Faktor für den Unfalleintritt im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi eine nicht ausreichende Auslegung der Reaktorblöcke gegen Tsunami. Gas-Auslass Metallfaserfilter Tröpfchen- Rückführung Venturi- Stutzen 53

Reaktorsicherheit VGB PowerTech 1/2 l 2012 2 3 1 Bild 7. EPR TM -Reaktor: In jedem der vier Sicherheitsgebäude ist jeweils ein Strang des Sicherheitssystems untergebracht. Damit fällt der Unfall nicht in den Bereich des Restrisikos, sondern in den der in diesem Fall unzureichenden Basisauslegung gegenüber Einwirkungen von außen. Auslegung und Sicherheitskonzept von kerntechnischen Anlagen sind daher wiederkehrend auf eventuelle Verbesserungsmöglichkeiten zu prüfen. Hierzu bedarf es 4 einer entsprechenden Expertise, mit einer engen Zusammenarbeit zwischen einem erfahrenen Anlagenhersteller sowie Anlagenbetreibern und Behörden. Der Reaktorhersteller Areva hat sich selbst verpflichtet, die höchsten Sicherheitsstandards einzuhalten und diese weiter zu entwickeln. Im Rahmen des Safety Alliance -Programms bietet das Unternehmen den Betreibern von Kernkraftwerken ein umfassendes Programm von Engineering-Leistungen und Produkten an, um Sicherheitsanalysen und Verbesserungsmaßnahmen durchzuführen. Es ist damit in der Lage, auf die auch international und nicht nur aus Japan zunehmende Nachfrage bezüglich Konzepten und Produkten zu reagieren, mit denen sich die Robustheit von Sicherheitskonzepten in ausländischen Anlagen verbessern lässt. Gerade die auf diesem Gebiet im Unternehmen vorliegende weitreichende Erfahrung ist hier von Vorteil. Reaktorneubauten wurden und werden gemäß den höchsten Sicherheitsanforderungen ausgelegt, lizenziert und errichtet. Eine Grundvoraussetzung für den sicheren Betrieb von Kernkraftwerken und damit auch für die Akzeptanz der Kernenergie ist die Erfüllung und Einhaltung der IAEO-Forderungen. Areva begrüßt es, dass im Rahmen der in verschiedenen Ländern durchgeführten Stresstests auch ein internationaler Peer Review vorgesehen ist, der internationale Anforderungen harmonisieren kann und dazu beitragen wird, dass die bereits in einigen Ländern vorliegenden Konzepte und die vorhandene Erfahrung auch den Anlagen in anderen Ländern zugutekommen. Trotz der speziellen Situation in Deutschland bietet der Einsatz der Kernenergie weltweit, energie- und wirtschaftspolitisch gesehen, Vorteile: denn Kernenergie stellt zuverlässigen, bezahlbaren und klimafreundlichen Strom bereit. l Online-Shop: www.vgb.org/shop VGB-Standard Bauart, Betrieb und Wartung von Rauchgasentstickungsanlagen (DeNOx) Ausgabe/edition 2011 VGB S-014-2011-DE DIN A4, 178 Sei ten, Preis für VGB-Mit glie der 160,, für Nicht mit glie der 320,, + Ver sand kos ten und MWSt. DIN A4, 178 Pa ges, Pri ce for VGB mem bers 160,, for non mem bers 320,, + VAT, ship ping and hand ling. Der VGB-Standard spannt einen Bogen von den Anfängen dieser Technologie in Japan bis hin zum heutigen Betrieb mit den entsprechenden prozesstechnischen Regelsystemen und der Instandhaltung. Auch Entwicklungen in der Entstickungstechnologie, die keine weite Verbreitung gefunden haben, werden aufgeführt. Nach 2001 ist EU-weit die Nachrüstung bestehender Anlagen mit Entstickungstechnologie Pflicht geworden, so dass bis 2016 alle großen Kohlekraftwerke in der EU nachgerüstet werden müssen. Inzwischen werden internationale Kraftwerks projekte in Entwicklungsländern und Schwellenländern, die von der Weltbank Fördermittel erhalten wollen, dahingehend überprüft, ob die Anlagenplanung die Forderung nach Umweltschutzeinrichtungen gemäß Bester verfügbarer Technik (BVT) erfüllt. In Zukunft wird ein internationaler Stand der Technik gegeben sein, der weltweit bei jeder Neuanlage zu beachten ist. Mit der heute bekannten Entstickungs-Technologie liegen bereits mehr als 20 Jahre an Betriebserfahrungen und Verfahrensentwicklungen vor, die in diesem VGB-Standard zusammengestellt worden sind. Dieser VBG-Standard ist von der VGB-Projektgruppe DeNOx-Merkblatt des VGB-Arbeitskreises Abgasreinigungstechnik erstellt worden, um die Mitarbeiter der VGB-Mitgliedsunternehmen bei einem wirtschaftlichen Betrieb und bei Wartungsmaßnahmen der DeNOx-Anlagen zu unterstützen. Der VGB-Standard dient außerdem dazu, die in den vergangenen Jahren gesammelten Erfahrungen festzuhalten. Nur so kann vermieden werden, dass dieses Rad, d. h. die DeNOx-Technologie, immer wieder neu erfunden wird. NEU! NEW! VGB-Standard Bauart, Betrieb und Wartung von Rauchgasentstickungsanlagen (DeNOx) VGB-S-014-2011-DE VGB PowerTech Service GmbH Verlag technisch-wissenschaftlicher Schriften Klinkestraße 27-31 45136 Essen P.O. Box 10 39 32 Germany Fon: +49 201 8128-200 Fax: +49 201 8128-329 Mail: mark@vgb.org 54

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