Königs Erläuterungen und Materialien Band 376 Erläuterungen zu Martin Walser Ein fliehendes Pferd von Elmar Nordmann
Zum Autor dieser Erläuterung: Dr. Elmar Nordmann, 1959 in Arnsberg geboren, studierte Germanistik, Pädagogik und Musik für das Lehramt an der Universität und an der Folkwanghochschule in Essen. Er promovierte an der Universität Dortmund mit einer Untersuchung zur Unterrichtssituation des Faches Musikerziehung. Als Studiendirektor unterrichtet er das Fach Deutsch an der Fachoberschule und in der gymnasialen Oberstufe eines Berufskollegs. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt oder gespeichert und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. 3., aktualisierte Auflage 2008 ISBN 978-3-8044-1884-4 2003 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Martin Walser Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk 2
Inhalt Vorwort... 5... 7 1.1 Biografie... 7 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund... 12 1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken... 17 2. Textanalyse und -interpretation... 20 2.1 Entstehung und Quellen... 20 2.2 Inhaltsangabe... 32 2.3 Aufbau... 35 2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken... 43 2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen... 54 2.6 Stil und Sprache... 61 2.7 Interpretationsansätze... 68 3. Themen und Aufgaben... 74 4. Rezeptionsgeschichte... 79 4.1 Zur Verfilmung der Novelle (1985)... 79 4.2 Zur dramaturgischen Umsetzung als Theaterstück (1985)... 82 4.3 Zur Neuverfilmung der Novelle (2007)... 85 5. Materialien... 94 Literatur... 106 3
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Vorwort Vorwort... diese Geschichte könnte zu dem gehören, das einmal übrigbleibt von einem Jahrhundert. Dieses auf der Umschlagseite der im Suhrkamp-Taschenbuchverlag erschienenen Novelle abgedruckte Zitat aus der Stuttgarter Zeitung untermauert als treffende Beschreibung den Gegenwartsbezug dieser Lektüre, die auch heute, mehr als 20 Jahre nach ihrem Erscheinen, noch nicht an Aktualität eingebüßt hat. Ein fliehendes Pferd von Martin Walser behandelt als Leitthema die Midlife-Crisis und deren Bewältigung aus der Sicht eines alternden Studienrates und eines Reporters. Das Thema scheint jugendlichen Lesern vielleicht noch weit entfernt, trotzdem aber zeigt sich parallel zur Pubertät das Problem der Identifikation und die Frage nach dem Sinn des Seins. Das Thema Midlife-Crisis bietet sowohl eine Diskussionsgrundlage über das Thema Liebe und Sexualität als auch über gesellschaftliche Klischeevorstellungen. Walser greift in seinem Buch Lebensformen und Möglichkeiten der Daseinsbewältigungen auf, die von seinen Lesern kritisch reflektiert und somit auch für die eigenen Lebensmaximen hinterfragt werden können. Wenn es darum geht, Lesern in jugendlichem Alter Formen menschlicher Möglichkeiten und soziologischer Zusammenhänge näherzubringen, ist die Novelle als literarische Gattung eine leicht verständliche Lektüre, die nach Walser mit jedem Satz der Wirklichkeit antwortet. Eine kritische Reflexion der Begriffe Kleinbürgertum und Aussteigen sollte beim Lesen nicht ausbleiben, wobei der Leser sich bewusst werden sollte, dass Schlagworte wie Kleinbürger eine Abqualifizierung und ein allzu leichtfertiges Urteil über einen Menschen bedeuten. Ein weiteres Kriterium ist der große Traum vom Aussteigen. Die zwei Lebens- Vorwort 5
Vorwort 6 maximen, die Martin Walser wertneutral vorstellt, regen zum Nachdenken an und erzwingen eine Stellungnahme zu eigenen Vorstellungen, Vorurteilen und Verhaltensweisen. Die Möglichkeit, den konkreten Sachverhalt zu interpretieren und zu abstrahieren, ergibt sich für den Leser auch in der Ausdeutung der Symbole und Bilder, da Walser verstärkt mit Metaphern und Symbolen arbeitet. Nicht zuletzt fallen die unterschiedlichen Sprachebenen der Figuren Klaus und Helmut auf, die zu Missverständnissen bei Sender und Empfänger führen, gleichwohl aber ebenso Aufschluss über die Persönlichkeit geben und Wertmaßstäbe und Sozialverhalten eines Menschen transparent machen. Die Novelle Ein fliehendes Pferd erschien 1978, das gleichnamige Drama schrieb Martin Walser 1985. Die Dramaturgisierung der Novelle erfolgte auf Anregung und nach einem Szenario des Dramaturgen Ulrich Khuon. Bei einem kontrastiven Vergleich zwischen Novelle und Drama lässt sich sowohl die Schwierigkeit des Autors erkennen, ein bestimmtes Werk in eine andere Form umzusetzen, als auch die Schwierigkeit der damit verbundenen Umstrukturierungen, die ein Autor bei diesem Verfahren anstellt. Die hier vorliegenden Erläuterungen beziehen sich nur auf die Novelle. Als Bearbeitungsgrundlage diente die Suhrkamp- Taschenbuchausgabe st 600, ISBN 978-3-518-37100-8, auf die sich auch alle Seitenzahlen beziehen. Die Fernsehverfilmung von 1985 mit gleichem Titel (Buch: Ulrich Plenzdorf, Peter Beauvais und Martin Walser) geht ebenfalls mit der Novelle konform und nicht mit dem Drama. Dieses hat zum Beispiel ein anderes Ende als die Novelle. Das Drama geht einen Schritt weiter, während in der Novelle der Schluss offenbleibt und so den Leser zur kritischen Reflexion anregt. Wesentlich freier adaptiert der 2007 entstandene Kinofilm hingegen Walsers Literaturvorlage. Vorwort
1.1 Biografie 1.1 Biografie Jahr Ort Ereignis Alter 1927 1938 1944 1946 1948 1951 Wasserburg Lindau Regensburg Tübingen Martin Walser gehört seit Jahrzehnten zu den umstrittensten deutschen Gegenwartsautoren. Er wird am 24. März 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren und besucht von 1938 1943 die Oberschule in Lindau, an die sich 1944 der Arbeitsdienst (Militär) anschließt. Walser macht sein Abitur und beginnt mit seinem Studium an der Theologisch-Philosophischen Hochschule in Regensburg. Er wechselt zur Universität Tübingen, wo er Literatur, Geschichte und Philosophie studiert und 1951 bei Professor F. Beißner mit einer Arbeit über Franz Kafka promoviert (Beschreibung einer Form Versuch über Kafka). 9 17 19 21 24 7
1.1 Biografie Jahr Ort Ereignis Alter 1949 1957 1955 1957 1958 1962 1965 1967 1968 Friedrichshafen USA Nußdorf Bevor er als freier Schriftsteller tätig wird, arbeitet er von 1949 1957 beim Süddeutschen Rundfunk im Bereich Politik und Zeitgeschehen. In dieser Zeit macht er Reisen für Funk und Fernsehen nach Italien, Frankreich, England, CSSR und Polen. Er erhält für die Erzählung Templones Ende den Preis der Gruppe 47. Zwei Jahre später folgt der Hermann-Hesse-Preis für den Roman Ehen in Philippsburg. Walser zieht in diesem Jahr von Stuttgart nach Friedrichshafen. Seinen Lebenslauf prägen mehrere USA-Aufenthalte. Sein erster führt ihn 1958 für drei Monate zum Harvard-International-Seminar. In der Reihe seiner Preise folgt 1962 der Gerhart-Hauptmann- Preis, 1965 der Schiller-Gedächtnis-Förderpreis des Landes Baden-Württemberg und 1967 der Bodensee-Literaturpreis der Stadt Überlingen. Walser zieht um nach Nußdorf am Bodensee. 22 30 28 30 31 35 38 40 41 8
1.1 Biografie Jahr Ereignis Alter 1973 1975 1976 1978 1979 1980 1981 1983 USA, Vermont England USA, Morgantown USA, New Hampshire Konstanz USA, Berkeley Am Middleburg College in Vermont und an der University of Texas in Austin verbringt Walser 1973 weitere 6 Monate in den USA. Er reist für zwei Monate zur University of Warwick in England, ein Jahr später verbringt er vier Monate an der amerikanischen University of West- Virginia in Morgantown. Es entsteht nicht nur sein Werk Ein fliehendes Pferd, sondern auch noch das Bodenseebuch Heimatlob. Ein weiterer USA-Aufenthalt führt Walser 1979 für drei Monate an das Dartmouth College in New Hampshire. Er erhält den Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg und 1981 sowohl den Georg-Büchner-Preis als auch die Heine-Plakette der Heinrich-Heine-Gesellschaft. Ihm wird durch die Universität Konstanz die Ehrendoktorwürde verliehen. Im gleichen Jahr geht Walser für vier Monate an die University of California in Berkeley (USA). 46 48 49 51 52 53 54 56 9
1.1 Biografie Jahr Ort Ereignis Alter 1984 1987 1990 1992 1993 1994 1994 1996 1998 Wasserburg Ein Jahr später wird er Ehrenbürger von Wasserburg. Eine besondere Ehrung wird Martin Walser zuteil, als er 1987 das Große Bundesverdienstkreuz verliehen bekommt. Ebenfalls ein Jahr der Preise für Walser: Nach der Carl-Zuckmayer-Medaille folgen der Ricarda-Huch-Preis und der Große Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und 1992 der Literaturpreis der Stadt Bad Wurzach. Im Jahr 1993 wird ihm der Orden Pour le merite verliehen. Bonn Walser wird in Bonn ausgezeichnet als Officier de l ordre des Arts et des Lettres. Im gleichen Jahr verleiht ihm die Universität Dresden die Ehrendok- Dresden torwürde. Graz Nach dem Grazer Literaturpreis (1994) und dem Friedrich- Hölderlin-Preis der Stadt Bad Bad Homburg Homburg (1996) wird Martin Frankfurt a. M. Walser am 11. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. 57 60 63 65 66 67 67 69 71 10
1.1 Biografie Jahr Ort Ereignis Alter 1999 2002 2004 2005 2007 Brüssel Er erhält die Ehrendoktorwürde der Katholischen Universität Brüssel. Die deutschen Buchhändler wählen Walser zum Autor des Jahres 1998. Alemannischer Literaturpreis Walser wechselt vom Suhrkamp- Verlag zum Rowohlt-Verlag. Erscheinen des Buches Leben und Schreiben Tagebücher 1951 1962, in dem Walser sich mit seinem Werdegang als Schriftsteller und seinem literarischen Schaffensprozess befasst. Erscheinen des Buches Leben und Schreiben Tagebücher 1963 1973 72 75 77 78 80 11