Desintegration von Klärschlamm eine wirtschaftliche Alternative? K. Nickel, U. Neis, Hamburg

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Transkript:

Desintegration von Klärschlamm eine wirtschaftliche Alternative? K. Nickel, U. Neis, Hamburg 1. Grundlagen Die Feststoffe biologischer Klärschlämme bestehen zu großem Teil aus organischer Zellsubstanz. Durch einen thermischen, chemischen oder mechanischen Aufschluss des Zellmaterials können organische Verbindungen aus dem Zellinneren freigesetzt werden und sind damit dem nachfolgenden biologischen Abbau besser zugänglich. Den Überblick über die verschiedenen Desintegrationsverfahren gibt ein separater Beitrag dieser Veranstaltung [1]. Dieses Paper beschäftigt sich mit dem Einsatz der Ultraschallbehandlung zur Desintegration von Schlammzellen. Zu diesem Verfahren wurden umfangreiche Erkenntnisse in langjährigen Forschungsarbeiten an der Technischen Universität Hamburg- Harburg gesammelt. 2. Ultraschall und Kavitation Bei der Beschallung von wässrigen Medien mit Ultraschall (Frequenzbereich > 20 khz) tritt der Effekt der Kavitation ein. Vereinfacht gesagt ist darunter das kurzzeitige Auftreten und Zerfallen von Wasserdampfblasen zu verstehen. Dabei kommt es im wässrigen Medium zu sehr hohen Druck- und Temperaturspitzen. In der biologischen Forschung werden Ultraschallreaktoren zum Aufschluss von Zellen verwendet. Je nach Intensität des Ultraschalls und der Länge der Beschalldauer werden die Zellen zerstört und in Fragmente zerlegt. In der Abwassertechnik ist der Einsatz von Ultraschall neu, wenn man von Anwendungen in den Bereichen Mess- und Regeltechnik und Durchfluss- und Füllstandsmessungen absieht. Näheres über Ultraschall kann in [2] nachgelesen werden. Das Ausmaß der Zellzerstörung lässt sich über den sogenannten Aufschlussgrad A CSB bestimmen. Der Aufschlussgrad bezieht den Anteil zerstörter Zellen auf die gesamte Anzahl der Zellen im Klärschlamm. Zur Quantifizierung des Aufschlusses eignet sich die Bestimmung des Chemischen Sauerstoffbedarfs (CSB) in der wässrigen Schlammfraktion [1]. Die Ultraschall induzierte Kavitation im wässrigen Medium bewirkt auch Veränderungen gelöster Substanzen wie z.b. von Biopolymeren [3]. Es liegt deshalb nahe zu vermuten, dass durch die Beschallung von wässrigen Schlammgemischen neben der eigentlichen Zerstörung von biologischen Zellen auch eine Veränderung/Freisetzung/Aktivierung enzymatischer Substanzen auftritt, die zur Beschleunigung des Abbauprozesses beitragen. Dohanyos, [4], hat diese Vermutung schon früher geäußert. Bis heute fehlen dazu jedoch die wissenschaftlichen Nachweise, wir spekulieren noch. Ergebnisse bezüglich der Intensivierung des biologischen Abbaues werden wir deshalb nicht mit dem Parameter Aufschlussgrad alleine korrelieren können. An der TU Hamburg-Harburg haben wir in der Vergangenheit intensiv den Einfluss unterschiedlicher Ultraschallparameter auf den Schlammaufschluss untersucht und stellen heute fest: Je geringer die Ultraschall-Frequenz ist, desto besser ist der Zellaufschluss (bei gleicher Energiedosis) wegen stärker ausgeprägter Kavitation. Der Zellaufschluss ist eine (lineare) Funktion der Ultraschalldosis, d.h. der eingetragenen Energie, siehe Abbildung 1. Alle Schlammarten lassen sich mit Ultraschall desintegrieren; auch konventionell ausgefaulter, stabilisierter Schlamm kann weiter desintegriert werden. 1

60 Aufschlußgrad A CSB [%] 50 40 30 20 10 0 0.1 W/cm² 0.4 W/cm² 0.6 W/cm² 0.8 W/cm² 1.0 W/cm² 1.2 W/cm² 1.3 W/cm² 1.4 W/cm² 1.5 W/cm² 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 Spezifische Energie [kwh/kg] Abb. 1: Einfluss von Intensität und spezifisch eingetragener Energie auf den Schlammaufschluss (Frequenz: 41 khz, Beschallzeit: max. 2 h, Schlammtrockenrückstand: 25,9 g/kg). 3. Desintegration und Schlammfaulung in der Praxis 3.1 Massenbilanzen und halbtechnische Untersuchungen Es liegt auf der Hand die Ultraschallanwendung insbesondere auf die Desintegration von Überschussschlämmen anzusetzen, da die Masse der schwer hydrolysierbaren Bakterienzellen in diesem Schlammtyp vorliegt. Für diesen Anwendungsfall ist deswegen das beste Nutzen- zu Aufwandverhältnis zu erwarten. Es gibt jedoch nicht auf allen Abwasserreinigungsanlagen die Möglichkeit den Überschussschlamm getrennt abzuziehen. Auf zahlreichen Kläranlagen wird eine gemeinsame Eindickung des anfallenden Primär- und Überschussschlammes praktiziert. In solchen Fällen kann also nur auf eingedickten gemischten Rohschlamm zurückgegriffen werden. Weil die Betriebsbedingungen auf Klärwerken über einen längeren Zeitraum nie konstant sind, ist es in der Praxis schwierig zuverlässige Ergebnisse über die Auswirkung einer Schlammvorbehandlung mit Ultraschall (oder anderen Aggregaten) zu ermitteln. Meist ist es auf einem Klärwerk nur möglich konsekutive Untersuchungen, d.h. Tests mit Ultraschall über eine begrenzte Periode durchzuführen und danach mit dem Zustand vorher zu vergleichen, z.b. Ausfaulgrad oder Biogasproduktion vorher/nachher. Grundvoraussetzung ist eine gute und abgesicherte Datenlage über den Normalbetrieb, die es erlaubt Massenbilanzen aufzustellen (z.b. bezüglich CSB oder TOC). Eine saubere Beurteilung der Wirkung der Desintegration auf den anaeroben Abbau ist nur auf der Basis von Massenbilanzen möglich. Alles andere ist Augenwischerei. Behauptungen wie Erhöhung der Biogasausbeute um 54% sind irrelevant, wenn sie nicht durch Massenbilanzen belegt werden können. Denn: was hinein geht (organische Fraktion: TOC bzw. CSB des Primär- und Sekundärschlammes) muss auch wieder hinaus gehen (TOC bzw. CSB des ausgefaulten Schlammes, des Schlammwassers und des Biogases). Wichtig ist, dass die Schlammbehandlung nicht isoliert betrachtet wird, sondern der gesamte Abwasserreinigungs- und Schlammbehandlungsprozess beurteilt wird (ganzheitliche, systematische Betrachtung). Leider erweist es sich in der täglichen Praxis, dass dieser hohe Anspruch fast nie zu realisieren ist, weil kontinuierlich die Abwasser-, Schlamm- und Gasströme vielleicht mengenmäßig erfasst werden, jedoch nicht durchgehend CSB oder TOC-Werte. Zur Illustration eine von den Autoren schon früher zitierte mustergültige CSB Massenbilanz [5]. 2

Abb. 2: CSB-Bilanz für die Kläranlage Göteborg, Angaben in t CSB/d. Wie soll man in der Praxis vorgehen? Man muss kontrollierte Randbedingungen für orientierende Untersuchungen herstellen. Das gelingt am besten im halbtechnischen Maßstab. Wir haben deshalb bereits vor einigen Jahren umfangreiche Untersuchungen zum anaeroben Abbau desintegrierter Klärschlämme im halbtechnischen Maßstab durchgeführt und mehrfach darüber berichtet, [6], [7]. Einen Eindruck unserer Pilotanlage mit fünf Faulbehältern, 200 Liter Volumen, gibt Abbildung 3. FB 5 FB 4 FB 3 FB 2 FB 1 Sonoreaktor eingedickter Schlamm konventionelle Faulung (Kontrollfermenter) Abb. 3: Schema der Pilot-Fermenteranlage der TU Hamburg-Harburg. Fünf Faulbehälter zu je 200 Liter Inhalt, volldurchmischt, Temperatur regelbar, Parallelbetrieb. Mit dieser Anordnung war es möglich einwandfreie Massenbilanzen der organischen Feststoffe über lange Versuchszeiträume vorzunehmen. Beim Versuch allgemeingültige Aussagen zu treffen bezüglich des verbesserten Stoffumsatzes und erhöhter Biogasproduktion, müssen wir uns derzeit auf Pilotuntersuchungen stützen, weil großtechnische Langzeitversuche noch ausstehen. Leider stehen auch noch keine für die Praxis brauchbaren mathematischen Modelle über den anaeroben Schlammabbau zur Verfügung mit deren Hilfe eine Untermauerung der experimentellen Daten möglich wäre. 3

Wir haben einige Ergebnisse in Abbildung 4 zusammengefasst. Die Daten gelten für eine Faulzeit von acht Tagen. Dargestellt ist die prozentuale Steigerung des anaeroben Abbaus der organischen Substanz als Funktion des Aufschlussgrades, wenn der Schlamm mit Ultraschall vorbehandelt wird. Der Vergleich bezieht sich auf den Abbau unbehandelten Schlammes. Wir erkennen einen linearen Verlauf der Regressionsfunktion. Die Steigung dieser Regressionsgeraden beträgt 1,9. Dies bedeutet, dass durch eine 10%ige Erhöhung des Aufschlussgrades der anaerobe Abbau um 19% gesteigert werden kann. Abbausteigerung η otr [%] 60 50 40 30 20 10 0 y = 1,9x + 10,4 R = 0,94 0 5 10 15 20 25 Aufschlußgrad A CSB [%] Abb. 4: Steigerung des anaeroben Abbaus von Überschussschlamm als Funktion des Aufschlussgrades A CSB nach Ultraschallbehandlung. Es ergibt sich ein Ordinatenabschnitt der Geraden. Wie kann bei einem Zellaufschluss von Null eine Intensivierung der Schlammfaulung eintreten? Unsere Analysen zeigen, dass sehr kurze Ultraschallzeiten von wenigen Sekunden die Schlammflocken zerlegen (Deagglomeration) ohne die Bakterienzellen selbst zu zerstören. Der abbaufördernde Effekt dieser Flockenauflösung basiert vermutlich auf dem nun verbesserten Stofftransport bei der enzymatisch-biologischen Hydrolyse. Die Exoenzyme erreichen Zellwände einzelner Mikroorganismen schneller als die von dichten Schlammflocken. Die Intensivierung des Abbauprozesses (größere Gasausbeute, geringerer organischer Restgehalt des Schlammes) bei Beschallung des Schlammes ist zum einen eine Folge der höheren Abbaugeschwindigkeit des hydrolysierten Schlammes. Verkürzt man dann auch die Verweilzeit, ergibt sich ein entsprechend erhöhter Stoffumsatz. Diese Effekte werden logischerweise bei längeren Verweilzeiten im Faulraum immer schwächer, weil dann die konventionelle enzymatische Hydrolyse ebenso für die entsprechenden Aufschlüsse sorgen kann. Man könnte natürlich nun wieder die Ultraschalldosis erhöhen, um noch größere Aufschlüsse zu erzielen. Es läuft also schließlich auf die Frage der Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahmen hinaus. Zusammengefasst gilt: durch Aufschluss des Zellmaterials im Klärschlamm wird ein weitergehender Abbau (anaerob oder aerob) erzielt, wobei die Desintegrationswirkung proportional zur Ultraschalldosis, d.h. der eingetragenen Energie ist die Menge des ausgefaulten Schlammes wird reduziert so ausgefaulter Schlamm weist einen verminderten organischen Restgehalt auf in Folge des gesteigerten Abbaus ergibt sich ein quantitativer Anstieg an Biogas die Faulzeiten und damit das benötigte Faulraumvolumen können deutlich reduziert werden. Mit desintegriertem Schlamm könnten Faulräume auf 8 bis 10 Tage Ausfaulzeit dimensioniert werden. 4

3.2 Erfahrungen aus der Praxis In Deutschland gibt es inzwischen etwa dreißig Klärwerke, wo entweder Ultraschallgeräte verschiedener Hersteller dauerhaft betrieben werden oder wo schon orientierende Tests unternommen wurden. Damit ist Deutschland weltweit führend in der Praxis der Klärschlammdesintegration mit Ultraschall. Trotz dieser Tatsache können die grundlegenden Fragen nach Wirtschaftlichkeit und Dauerhaftigkeit des Verfahrens noch nicht umfassend beantwortet werden. Dies liegt zum einen daran, dass die praktischen Erfahrungen noch jung und damit noch nicht abgesichert sind, zum anderen daran, dass relevante praktische Daten zur Wirkung der Ultraschallbehandlung auf den Schlammbehandlungsprozess oft nicht veröffentlicht werden. Hinzu kommt, dass es leider keine allgemein gültigen Zusammenhänge zwischen Ultraschalleinwirkung (Desintegration) und Prozessintensivierung gibt, weil das Medium Schlamm zu heterogen und von Fall zu Fall sehr verschieden ist. Hilfreich sind immer Tests im großen Maßstab auf der entsprechenden Anlage. Die bisherige Praxiserfahrung erlaubt es aber folgende Orientierung über die wirtschaftliche Anwendung der Ultraschalldesintegration in der anaeroben Schlammbehandlung aufzustellen. Günstige Voraussetzungen für den Einsatz von Ultraschall bestehen, wenn im aktuellen Betrieb gilt: Kurze Faulzeit (< 20 Tage) Geringer Abbaugrad bei der Schlammstabilisierung (< 45%) Geringe spezifische Biogasausbeute (< 350 NL/kg otr zu ) Eindickung des Schlammes auf 3% bis 6% TR Gute Fließfähigkeit des Schlammes (geringe Viskosität) Getrennte Führung des Primär- und Sekundärschlammes vorhanden Separate Beschallung des Sekundärschlammes möglich Hohe Kosten für Schlammentsorgung Ungünstige Voraussetzungen gelten entsprechend, wenn: Lange Faulzeiten (> 30 Tage) Nur Rohschlamm zur Beschallung verfügbar, d.h. Überschussschlamm nicht separiert Grob- und Feststoffe nicht gut zurückgehalten in der Vorreinigung Hohe Viskosität des Schlammes Hohe Konzentration gelöster Gase im Medium Die Arbeitsgruppe AK-1.6 Klärschlammdesintegration der ATV-DVWK bemüht sich um objektive Darstellung und Verfahrensvergleiche. Neben dem bereits zitierten Teil 1 des Arbeitsberichtes, ist inzwischen zwar auch Teil 2 Verfahrensvergleich und Ergebnisse im Jahr 2001 erschienen, [8], aber Forschung und Entwicklung der Ultraschallreaktoren schreiten voran, so dass heute, zwei Jahre später, wieder neue Erkenntnisse vorliegen. Ein seltenes Beispiel, wo im direkten Vergleich im Parallelbetrieb zum einen konventionell und zum anderen mit Ultraschall desintegrierte Schlämme ausgefault wurden, liefern Untersuchungen aus dem Jahr 2002 auf der Kläranlage Schermbeck (17.000 EW) des Lippeverbandes. Die Kläranlage Schermbeck verfügt über eine Kaskaden-Denitrifikation mit vorgeschaltetem Anaerobbecken zur biologischen Phosphorelimination. Ein Teilstrom des Überschussschlammes wurde beschallt und gemeinsam mit Primärschlamm im Faulbehälter 1 (600 m 3 ) stabilisiert. Faulbehälter 2 (ebenfalls 600 m 3 ) wurde konventionell mit Rohschlamm beschickt. Die ursprüngliche hydraulische Aufenthaltszeit in den Faulräumen wurde durch gezielte Einspeisung von Brauchwasser von 30 auf 17 Tage reduziert. Der Ultraschallreaktor, ein Gerät der Fa. Sonotronic, Karlsbad-Ittersbach, wurde drei Monate lang rund um die Uhr betrieben. Dichtl hat über diese Tests berichtet, [9]. Im Mittel wurde ein Schlamm-Aufschlussgrad A CSB von 17% erreicht, der mittlere Energieeintrag betrug 27 Wh/L. 5

Die resultierende Steigerung des Abbaugrades organischer Substanz war 10%, die spezifische Gasausbeute stieg an um 19%. Dichtl legt diese Resultate einer Kosten-Nutzen- Rechnung für eine fiktive Anlage von 100.000 EW zu Grunde und findet, dass die Kosten den Gewinn durch mehr verfügbare Energie und reduzierte Schlammentsorgungskosten übersteigen. Wir weisen darauf hin, dass die Schermbecker Ergebnisse singulär und nicht repräsentativ sind: die Ultraschalleinstellung während der Versuche wurde nicht variiert und war nicht optimal. Der erzielte Aufschlussgrad ist relativ gut, trotzdem ist die Intensivierung des anschließenden Faulprozesses vergleichsweise gering. Möglicherweise ist dies eine Folge der geringen Feststoffkonzentration (etwa 2,5 % TR) im Faulraum durch die Zugabe von Brauchwasser. In der folgenden Abbildung 5 sehen wir andere Ergebnisse. Im Jahr 2002 haben wir Pilotversuche auf der Kläranlage Reinfeld bei Lübeck durchgeführt. Die Bekämpfung von Bläh- und Schwimmschlamm mit Ultraschall war erstes Ziel dort. Bereits bei geringer Schalldosis werden zunächst fädige Strukturen des Überschussschlammes zerlegt. Parallel dazu beobachten wir sozusagen als Sekundäreffekt auch einen gewissen Zellaufschluss. Als Folge davon wird logischerweise der Faulprozess intensiviert. In Reinfeld beobachteten wir eine Steigerung der Biogasproduktion bis zu 42% im Verlauf der Versuchsdauer von vier Monaten. 7000 Summe Biogas [L] 6000 5000 4000 3000 FB3 8,3 Wh/L FB4 16,7 Wh/L FB5 Referenz 2000 1000 0 25.03.02 14.04.02 04.05.02 24.05.02 13.06.02 03.07.02 23.07.02 12.08.02 Abb. 5: Biogasentwicklung, KA Reinfeld, Pilotversuch, drei Faulbehälter (FB 2, 3, 4) mit Ultraschalldesintegration des Überschussschlammes, ein Faulbehälter als Referenz (FB 5), 20 Tage Faulzeit. Tabelle 1: KA Reinfeld: Desintegration von Überschussschlamm und Steigerung der Biogasproduktion als Nebeneffekt des Ultraschall-Energieeintrages. Das primäre Ziel der Beschallung des Schlammes war die Zerstörung der fädigen Organismen und die Eindämmung des Schäumens im Faulbehälter. Ultraschalldosis (Wh/L) Aufschlussgrad A CSB (%) Steigerung der Biogasproduktion (%) 8,3 (FB 2, 3) 7,4 + 19 16,7 (FB 4) 13,4 + 42 6

Entscheidend für die Aufschlussergebnisse sind die stofflichen Eigenschaften des Schlammes, insbesondere die Feststoffkonzentration und Viskosität (hohe Polymerzugabe bei der Eindickung?). Wir haben mit Reinfelder Überschussschlamm folgenden Zusammenhang zwischen Ultraschalldosis und Aufschlussgrad festgestellt. 40 35 30 25 Überschussschlamm, statisch eingedickt auf 3 % TR y = 0,7031x + 1,6251 A CSB [%] 20 15 10 5 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Schalldosis [Wh/L] Abb. 6: Zusammenhang zwischen Ultraschalldosis und Zellaufschlussgrad am Beispiel des Überschussschlammes der Kläranlage Reinfeld. Es folgen exemplarisch drei Beispiele aus unserer jüngeren Praxis, die beispielhaft die Verschiedenartigkeit der Anwendungsfälle verdeutlichen sollen. Mit anderen Worten: man kann die Erkenntnisse aus Anlage A nicht ohne weiteres auf B oder C übertragen. Damit steht der Ingenieur vor der schwierigen Aufgabe zu planen, ohne dass er auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz oder gar anerkannte Bemessungsregeln für den Ultraschalleinsatz zurückgreifen kann. Hier gilt es also ganz besonders mit Bedacht Werbesprüche von seriösen Informationen zu unterscheiden. Kläranlage A (230.000 EW): Anaerobe Schlammstabilisierung, Faulzeit: 20 d Rohschlamm (Primär-/Überschussschlamm = 1:1), Q RS = 540 m 3 /d 30% des Überschussschlamms separat beschallt, Q ÜS = 90 m 3 /d Ultraschallgerät: 15 kw 3-monatiger Test im Praxismaßstab, Resultat auf Massenbilanzbasis: Biogasproduktion: + 30% otr-abbau: + 30% (otr-restgehalt von 55% auf 50%) Kosten-Nutzen-Rechnung nach Aussage des Betreibers positiv Kläranlage B (15.000 EW): Anaerobe Schlammstabilisierung, Faulzeit: > 30 d (!) Rohschlamm (Primär-/Überschussschlamm = 1:1), 30% Rohschlamm, eingedickt, beschallt, Ultraschallgerät: 5 kw Dauertest im Praxismaßstab, Resultat: Biogasproduktion: + 20% 7

Kläranlage C (50.000 EW): Aerobe Schlammstabilisierung, Schlammalter ca. 20 d, 30% des eingedickten Überschussschlamms beschallt, Q ÜS = 28 m 3 /d, Rückführung in das Belebungsbecken Ultraschallgerät: 5 kw 3-monatiger Test im Praxismaßstab, Resultat auf Massenbilanzbasis: Überschussschlammproduktion: - 30% Kosten-Nutzen-Rechnung nach Aussage des Betreibers positiv 3.3 Wirtschaftlichkeit Folgende Möglichkeiten bestehen heute für die Anwendung der Ultraschalltechnik in der Praxis der Schlammbehandlung: Desintegration der Biomasse (Überschussschlamm) zur Intensivierung des anaeroben Abbaues Minimierung der Schlammmengen, Energiegewinnung Desintegration der Biomasse (Rücklaufschlamm) zur Intensivierung des aeroben Abbaues Minimierung des Überschussschlammes Bekämpfung von Bläh- und Schwimmschlamm störungsfreier Betrieb Diese verschiedenen Zielsetzungen rufen eine unterschiedliche Auslegung der Ultraschallanlagen hervor. Dies wiederum bedeutet nicht direkt vergleichbare Investitionsund Betriebskosten. Damit wird klar, dass für jeden konkreten Fall neu kalkuliert werden muss, die Übertragbarkeit von Kosten-Nutzen-Rechnungen ist deshalb eingeschränkt. Der Schwerpunkt der Anwendungen liegt derzeit auf der Intensivierung der anaeroben Stabilisierung. Folgende orientierende Angaben können jedoch gegeben werden: Notwendiger Energieeintrag für Schlammbehandlung mit Ultraschall 3 15 kwh/m 3 (Blähschlammbekämpfung im unteren, Überschussschlammdesintegration eher im oberen Bereich). Hiermit lässt sich der entsprechende Energieverbrauch berechnen. Investitionen für Ultraschallanlagen ca. 10 20 TSD /kw Auf dem deutschen Markt bieten bereits mehrere Firmen Ultraschallgeräte an. Die Anwendung der Hochleistungsultraschalltechnologie ist neu und innovativ, nicht jeder Anbieter scheint aber über das nötige fachliche Know-how zu verfügen. Es bleibt abzuwarten wie sich die Konkurrenz auf dem Markt und damit die Preise entwickeln werden. Man könnte nun alle möglichen Szenarien konstruieren und Kosten-Nutzen von Desintegrationsstufen berechnen. Wir wollen hoffen, dass bald möglichst viele Betreiber, die heute schon Ultraschallanlagen in Betrieb haben, ihre Betriebsergebnisse zur Verfügung stellen, damit reale und nachweisbare Nutzen und Kosten ausgerechnet werden können. Die Arbeitsgruppe AK-1.6 der ATV-DVWK wird dann für ihre geplante Veröffentlichung zum Thema Wirtschaftlichkeit von Desintegrationsanlagen objektive Daten vorlegen können. 8

Literatur [1] Nickel, K., Neis, U. (2003). Klärschlammdesintegration Überblick über verschiedene Verfahren. Kolloquium und Fortbildungskurs zur Abwasserwirtschaft. Technische Universität Hamburg-Harburg, 9. bis 11. September 2003. [2] Mason, T.J. (1999). Ultrasound in Environmental Protection an Overview. In: Tiehm, A., Neis, U. (Hrsg.) Ultrasound in Environmental Engineering. TUHH Reports on Sanitary Engineering, 25, Technische Universität Hamburg-Harburg: 1-9. [3] Portenlänger, G. (1999). Mechanical and radical effects of ultrasound. In: Tiehm, A., Neis, U. (Hrsg.) Ultrasound in Environmental Engineering. TUHH Reports on Sanitary Engineering, 25, Technische Universität Hamburg-Harburg: 11-21. [4] Dohanyos, M., Zabranska, J., Jenicek, P. (1999). The intensification of sludge digestion by the disintegration of activated sludge and the thermal conditioning of anaerobic biomass. In: Proc. of the IAWQ specialised conference on Disposal and Utilisation of Sewage Sludge Treatment Methods and Application Modalities, Athens, Oct. 13-15: 113-120. [5] Neis, U., Plaß, R., Bode, I. (1994). Steuerung der Sekundärströme aus der Schlammbehandlung. In: Hahn, H.H. (Hrsg.) 8. Karlsruher Flockungstage: Klärschlamm Ressource oder kostenintensiver Abfall? Institut für Siedlungswasserwirtschaft, Universität Karlsruhe, Band 71: 91-102. [6] Neis, U. und Nickel, K. (2001). Schlammbehandlung mit Ultraschall: Ein aktuelles Leistungsbild. Abwassertechnische Vereinigung, Klärschlammtage, Würzburg, Mai 2001. [7] Neis, U. (2001). Steigerung der Faulgasausbeute durch Ultraschallbehandlung. Abwassertechnische Vereinigung, Energietage Biogas, Essen, Mai/Juni 2001. [8] Abwassertechnische Vereinigung (2001). Arbeitsbericht der ATV-DVWK Arbeitsgruppe AK-1.6: Verfahrensvergleich und Ergebnisse der mechanischen Klärschlammdesintegration. Korrespondenz Abwasser, Heft 3, 48: 393-400. [9] Dichtl, N. (2002). Bericht zum großtechnischen Klärschlammaufschluss mit einem Ultraschallhomogenisator der Fa. Sonotronic im Rahmen des F&E-Vorhabens Kostenreduzierung für Kommunen und Verbände durch Erzeugung und Verwertung von Faulgas als Primärenergie sowie Reduzierung der Faulschlammmenge. TU Braunschweig, 2002. Anschrift der Autoren Dr.-Ing. Klaus Nickel ULTRAWAVES Wasser- und Umwelttechnologien GmbH Kasernenstr. 12 21073 Hamburg Tel. 040 / 325 07 203 Email waves@directbox.com Prof. Dr.-Ing. Uwe Neis Technische Universität Hamburg-Harburg Arbeitsbereich Abwasserwirtschaft 21071 Hamburg Tel. 040 / 42 878 3107 Email neis@tuhh.de 9