die Realisierung ihres vermuteten Traumberufs anzugehen:»ich unternahm voller Enthusiasmus die ersten Schritte auf dem Weg zur Yogalehrerin. Aber als ich dann unterrichtete, musste ich feststellen, dass mir das Unterrichten gar keinen Spaß machte, dass es mich sogar langweilte. Meine Schüler wollten zwar, dass ich weitermachte, aber mein Gefühl sagte mir, dass das nicht das Richtige für mich ist. Ich habe dann nicht auf die anderen, sondern auf meine innere Stimme gehört, und das war gut so. Jetzt weiß ich zwar immer noch nicht, was ich will, aber ich habe meinen Wunsch, Yogalehrerin zu sein, abgehakt, weil ich jetzt weiß, dass ich das nicht will. Durch bloßes Nachdenken darüber wäre ich nicht dahin gekommen. Ich musste es tun und daraus meine Schlüsse
ziehen.«uli weiß bis heute nicht, worin ihre Lebensaufgabe liegen könnte. Sie weiß nur wieder einmal mehr, was sie nicht will. Mit dieser Erkenntnis ist sie aber keineswegs unglücklich. Im Gegenteil. Sie strahlt eine Zufriedenheit aus, mit der sie andere Menschen ansteckt. Ihre Arbeit in der Markthalle macht ihr nach wie vor sehr viel Spaß. Wie ihr Leben weitergehen soll, fragt sie sich nun nicht mehr jeden Tag. Sie kann die Suche nach ihrer Lebensaufgabe auch lassen und trotzdem glücklich sein. Doch die Sehnsucht, ein Leben in Übereinstimmung mit den eigenen Wünschen und Fähigkeiten zu führen, spürt sie nach wie vor. Ulis Geschichte zeigt, dass nicht jedem von Geburt an eine Lebensaufgabe in die Wiege gelegt wird. Trotzdem wirkt sie authentisch auf
mich, auch wenn sie bis heute keine Antwort auf die Frage»Was will sich durch mich in der Welt ausdrücken?«hat. Doch in der Art und Weise, wie sie ihre Tätigkeit ausübt, drückt sie sehr viel Liebe und Fürsorge für andere Menschen aus. Und wer eine Form gefunden hat, in der er anderen Menschen seine positiven Gefühle vermitteln und ihnen mit seinem wahren Wesen dienen kann, ist authentisch. Dennoch empfindet sie ihren augenblicklichen Job nicht als ihre eigentliche Lebensaufgabe. Er ist für sie eher eine Art Zwischenstation auf der Suche nach einer ihr gemäßen Lebensaufgabe. Sie fühlt noch immer, dass sie eigentlich ganz anders sein und etwas anderes als ihre Arbeit in der Markthalle machen möchte. Etwas, das nur sie in diesem Leben zum Ausdruck bringen kann. Doch im Moment kann sie einfach alles so sein lassen, wie es ist.
Ihre Geschichte zeigt auch, dass die Suche nach der eigenen Lebensaufgabe lange Zeit in Anspruch nehmen kann und sie manchmal erst über viele private und berufliche Umwege, über Höhen und Tiefen, gefunden wird. Viele Menschen finden sie deshalb auch erst im Alter. Nach einer wenig erfüllenden Berufstätigkeit haben sie dann den Raum, um sich einer Aufgabe zu stellen, der sie schon lange nachgehen wollten und die sie erfüllt. Während meines Studiums an der Fachhochschule für Sozialpädagogik lernte ich Peter kennen. Er war etwas älter als ich, und da er sich in eine sehr gute Bekannte von mir verliebte, erfuhr ich mehr über ihn. Peter war ein ruhiger, in sich gekehrter Zeitgenosse, der nicht zu Gefühlsausbrüchen neigte. Der Kontakt zu ihm riss auch dann nicht ab, als ich nach dem zweiten Semester
feststellen musste, dass mir dieses Studium nicht lag. Ich wollte in keinem helfenden Beruf tätig sein. Peter blieb acht Semester lang bei der Sache, obwohl ihm der Schuss Extrovertiertheit fehlte, den man in sozialen Berufen eigentlich braucht. Nach dem Studium arbeitete er dann auch nicht als Sozialpädagoge, sondern eröffnete mit einem Freund eine kleine Kneipe. Peter war alles andere als der ideale Kneipenwirt, wenig leutselig, eher tiefschürfend, gutmütig und an kaufmännischen Dingen völlig desinteressiert. Aber dennoch schien er sich mit der eigenen Kneipe einen lang gehegten Traum erfüllt zu haben. Sein Interesse galt vor allem den Auftritten verschiedener Kleinkünstler, die seiner Kneipe etwas Besonderes gaben. Insgeheim erhoffte er sich