D Dauer? L Lokalisation? I Intensität? A Andere Symptome? N Natur/Art der Beschwerden? A Andere Krankheiten und Therapien? 10 Akne

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10 Akne (J. Dommer Schwaller) L Lokalisation? Wo ist die Akne lokalisiert, welche Ausdehnung weist sie auf? Akne tritt vor allem an talgdrüsenreichen Arealen auf, hauptsächlich im Gesicht, aber auch V-förmig im Rückenund Brustbereich.[1] I Intensität? Wie stark ist Ihre Akne ausgeprägt? Das Spektrum ist gross und reicht von einigen Pickeln auf der Stirne bis hin zu entstellenden Hautläsionen mit grossen Knoten und tiefen Zysten im ganzen Gesicht und am oberen Rumpfbereich. Entsprechend schwer können die psychischen und sozialen Auswirkungen sein. In Befragungen gaben Betroffene eine Beeinträchtigung der Lebensqualität an, die u. a. vergleichbar ist mit derjenigen durch Asthma, Epilepsie oder Typ-2-Diabetes.[2] N Natur/Art der Beschwerden? Wie lässt sich Ihre Akne beschreiben? Bei der milden Akneform, der Acne comedonica, treten neben geschlossenen Komedonen (weissliche, leicht vorspringende Talg-Hornkugeln) offene Komedonen (klassische «schwarze Punkte») auf. Wenn der entzündliche und infektiöse Prozess begonnen hat, kann man follikuläre Papeln und Pusteln (Acne papulopustulosa), im Extremfall ins Violette übergehende tiefe und schmerzhafte Knötchen sowie talgartige Zysten (Acne conglobata bzw. Acne nodulocystica) finden. Bei schweren Formen sind Narben häufig (siehe Abb. 1 3).[3] D Dauer? Mit welchem Alter hat die Akne begonnen, und wie lange dauert sie schon an? Akne kommt gehäuft in der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter vor. 85% der Jugendlichen (weniger Frauen) sind betroffen. Sie zeigt einen chronischen Verlauf, heilt aber in der Mehrheit der Fälle spätestens mit 20 25 Jahren spontan ab.[1] Bei bis zu 20 40% der Erwachsenen vor allem bei Frauen persistiert die Akne über das 25. Lebensjahr hinaus oder tritt sogar neu auf (Acne tarda).[4] Auch Neugeborene können schon eine Akne entwickeln (Acne neonatorum). Diese verläuft in der Regel mild und heilt ohne Behandlung meist innerhalb von 3, selten 6 Monaten spontan ab.[5] Falls die Akne nach etwa 2 Monaten lokaler Behandlung keine deutliche Besserung zeigt oder sich sogar verschlimmert, ist ein Arztbesuch angezeigt.[6] A Andere Symptome? Welche anderen Symptome haben Sie? Wie ist Ihre Körper- und Gesichtsbehaarung? Akne kann im Rahmen von gewissen hormonellen Erkrankungen (Hyperandrogenämie) mit starkem Haarwuchs im Gesicht und Zyklusstörungen auftreten.[2] Diese werden in der Regel mit oralen Antiandrogenen behandelt, weshalb die Patientin an ihren Gynäkologen verwiesen werden soll. Plötzliche entzündliche Hautreaktionen mit nekrotisierender Einschmelzung von Knoten und Ulzerationen, begleitet von hohem Fieber und Gelenkbeschwerden, weisen auf eine Acne fulminans hin. Diese seltene, aber schwere Sonderform entwickelt sich meist bei männlichen Jugendlichen innert Wochen aus einer milden Akneform und gehört in sofortige ärztliche Behandlung.[1,7] A Andere Krankheiten und Therapien? Unter welchen anderen gesundheitlichen Problemen leiden Sie? Wie ist Ihr Menstruationszyklus? Sind Sie schwanger oder stillen Sie? Zugrunde liegende hormonelle Störungen gehen häufig mit Zyklusstörungen einher. Bei schwangeren Frauen sind Ak- Abb. 1: Acne comedonica (Apotheken-Handbuch der Schweiz 1992/1993) Abb. 2: Acne papulopustulosa (Apotheken-Handbuch der Schweiz 1992/1993) Abb. 3: Acne conglobata bzw. Acne nodulocystica (Apotheken-Handbuch der Schweiz 1992/1993)

nemittel auf Retinoidbasis (systemisch und topisch) strikt kontraindiziert. Eine sichere Empfängnisverhütung muss gewährleistet sein (siehe unter «Rat des Apothekers»). In der Stillzeit sollte auf systemische Retinoide verzichtet werden, eine topische Anwendung ist akzeptabel. Während der Schwangerschaft und Stillzeit erlaubt sind topische Mittel wie Benzoylperoxid, Azelainsäure (möglichst nicht im 1. Trimester) und Erythromycin (in der Schwangerschaft nötigenfalls auch p. o., Erythromycinestolat wegen Hepatotoxizität aber nicht p. o. im 2. und 3. Trimester).[2,4,8] Welches Verhütungsmittel verwenden Sie? Gestagene mit androgener Partialwirkung können Akne auslösen oder verschlimmern. Levonorgestrel weist eine höhere Androgenaktivität auf als neuere Gestagene (Desogestrel, Gestoden). Akne ist eine bekannte UAW von Progesteron-Monopräparaten («Minipille», Hormonspirale, Hormonstäbchen, 3-Monats-Spritze).[1,9] Bei Frauen mit Akneproblemen werden zur Verhütung oft Antiandrogene (z. B. Drospirenon, Chlormadinonacetat) in Kombination mit Ethinylestradiol verschrieben. Pillen mit neueren Gestagenen oder Antiandrogenen weisen aber ein höheres Risiko für venöse Thromboembolien als levonorgestrelhaltige Kontrazeptiva auf. Deshalb wurden Hinweise auf Vorteile bei Akne in den Arzneimittelinformationen von Chlormadinonacetat- und Drospirenon-haltigen Pillen Ende 2015 gestrichen. Umgekehrt verhält es sich mit Cyproteronacetat-haltigen Präparaten. Diese haben ein vergleichbares Risiko für Thromboembolien wie orale Kontrazeptiva der 3. und 4. Generation und sind aufgrund ihres Risikoprofils nur noch zur Behandlung von Androgenisierungserscheinungen (z. B. mittelschwere bis schwere therapieresistente Akne, Hirsutismus) bei Frauen, aber nicht mehr zur Kontrazeption zugelassen.[10] Welche anderen Medikamente nehmen Sie? Systemisch angewandte Medikamente können eine Akne auslösen oder verschlimmern. Die medikamentöse Akne kann einige Tage nach Medikamenteneinnahme auftreten, manchmal sogar erst nach einigen Wochen, und verschwindet langsam (z. T. erst nach Monaten) nach Absetzen des auslösenden Medikamentes. Die medikamentöse Akne ist unter folgenden Bedingungen in Erwägung zu ziehen: plötzlicher Beginn, grossflächig im Gesicht, Rücken oder Brustbereich, Auftreten in ungewöhnlichen Hautregionen, keine Komedonen, atypisches Alter bei Beginn, kein Ansprechen auf eine Aknetherapie.[11] Folgende Arzneimittel sind dafür bekannt, eine Akne auslösen zu können [2,11,12]: Hormone und hormonähnliche Substanzen: Androgene (Testosteron) und anabole Steroide («Bodybuilder-Akne»), Gestogenderivate von Nortestosteron (Norethisteron, Levonorgestrel), Prasteron, Gonadorelin, Dienogest, Ulipristal, Drospirenon, Thyreostatika Onkologika: Cetuximab (sehr häufig, Auftreten meist schon in der ersten Therapiewoche), Panitumumab (sehr häufig), Gefitinib (häufig), Methotrexat, Sorafenib ZNS-Medikamente: Lithium (ungewöhnliche Hautregionen), Phenytoin, Valproinsäure Immunsuppressiva (häufig): Sirolimus, Everolimus, Tacrolimus Dermatologika: Corticoide (lokale, systemische, vereinzelt auch durch Inhalation); Eflornithin (Ausschlag verschwindet mit der Zeit auch ohne Absetzen); Isotretinoin, Adapalen (zu Beginn der Therapie Verschlimmerung der Akne möglich); Teerprodukte, Vaseline, Öle und fettreiche Kosmetika Antiinfektiva: Isoniazid, Lopinavir Verschiedene: Diltiazem (provoziert verschiedene Hautausschläge), Disulfiram, Dantrolen, iod- und bromhaltige Substanzen, Vitamine B 2, B 6 und B 12, hohe Dosen von Omega-3-Fettsäuren. Was haben Sie bisher gegen Ihre Akne schon unternommen? Wichtig ist in Erfahrung zu bringen, ob der Kunde wegen seiner Akne bereits in Behandlung ist oder selbst Mittel ausprobiert hat, ohne dass diese wirksam gewesen sind. Aknebehandlungen müssen kontinuierlich und mit entsprechender Ausdauer erfolgen. Erste Erfolge werden frühestens nach 4 6 Wochen Therapie sichtbar.[15] F Verschlimmernde Faktoren? Welche Faktoren verschlimmern Ihre Beschwerden, z. B. Kosmetika, prämenstruelle Phase, Ernährung, Arbeitsumfeld? Viele Frauen klagen über eine Verschlimmerung ihrer Akne in der prämenstruellen Phase. Die Gründe dafür sind nach wie vor unklar. Hormonale Kontrazeptiva verbessern oft das Krankheitsbild.[13] Fetthaltige Kosmetika, besonders jene auf Mineralölbasis (Vaseline), begünstigen die Akne. Auch Personen, die mit teeroder chlorhaltigen Produkten, Fetten und Ölen arbeiten, können einen akneartigen Hautausschlag entwickeln.[12] Der Ernährung gesteht man in neuester Zeit vermehrt eine Rolle bei der Akneentstehung zu. In Studien war Akne sowohl mit einer Ernährung mit hoher glykämischer Belastung als auch mit einem hohen Konsum an Milchprodukten assoziiert. Allerdings ist nicht erwiesen, dass sich die Akne durch eine Ernährungsumstellung verbessert. Auch androgene Hormone, Leistungssport und Nikotin können eine Akne verstärken und verlängern.[4,14] F Verbessernde Faktoren? Welche Faktoren verbessern Ihre Beschwerden? Mässiger Sonnengenuss kann die Akne etwas verbessern. [1,15] Angesichts der Risiken der UV-Strahlung wie Hautkrebs und beschleunigte Hautalterung sind aber nicht fettende Sonnenschutzmittel in jedem Fall zu empfehlen.[15] Bei empfindlichen Personen kann starke Sonneneinstrahlung sogar zu Mallorca-Akne führen. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Akne, sondern um eine sogenannte polymorphe Lichtdermatose, die bei Gewöhnung an das Sonnenlicht spontan nach 1 2 Wochen abheilt.[9] 11

12 Der Rat des Apothekers Einleitung Akne wird häufig unterschätzt, denn gerade für Jugendliche kann der Leidensdruck hoch sein. Der Apotheker muss also den Patienten und seine Akne ernst nehmen. Etwa 60% aller Betroffenen zeigen aber einen milden Krankheitsverlauf und sind nicht auf ärztliche Behandlung angewiesen.[4] Diese leichten Akneformen, d. h. Acne comedonica oder milde Formen der Acne papulopustulosa, fallen in die Beratungskompetenz des Apothekers und können mit rezeptfreien Präparaten behandelt werden. Bei schwereren Formen muss ein Dermatologe oder Arzt zugezogen werden. Wann muss er den Patienten an einen Arzt oder Dermatologen überweisen?[6,16] mittelschwere und schwere Akneformen: Acne papulopustulosa (schwerere Form), Acne nodulocystica, Acne conglobata, Acne fulminans Verdacht auf bakterielle Superinfektion medikamentös bedingte Akne Verdacht auf allergische Reaktion erfolglose Therapie (nach ca. 2 Monaten) Kinder vor Eintritt der Pubertät, schwangere und stillende Frauen, Personen >25 Jahre Die Entstehung der Akne ist noch nicht abschliessend geklärt. Genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen. Bei positiver Familienanamnese besteht eine Tendenz für schwere Akneformen. An der Pathogenese sind folgende vier Faktoren beteiligt: 1. erhöhte Talgabsonderung durch den Einfluss von Androgenen, 2. follikuläre Verhornungsstörung, 3. Besiedlung durch Propionibacterium acnes und 4. Entzündung. Daher bessert sich Akne meist bei Anwendung von Arzneimitteln, die auf einen oder mehrere dieser Faktoren einwirken.[1,2] Nota bene Eine Aknetherapie erstreckt sich über Monate. Auch eine intensive und regelmässige topische Behandlung zeigt erst nach zwei bis drei Monaten schlüssige Resultate. Nur etwa jeder zweite bis dritte Patient befolgt korrekt die vorgeschriebene Behandlung.[17] Der Apotheker spielt deshalb eine entscheidende Rolle bei der Adhärenz. Allgemeine Massnahmen Akne hat nichts mit mangelnder Körperhygiene zu tun. Die ein- bis zweimal tägliche Anwendung einer Reinigungslo tion oder synthetischen Seife mit hautähnlichem ph genügt. Falls der Betroffene eine trockene Haut hat, kann der Apotheker ihm ein nicht komedogenes Pflegepräparat mit ölfreier Grundlage (Hydrogel) oder eine fettarme O/W-Emulsion empfehlen. Getönte Aknecremes oder ein Abdeckstift helfen, allzu auffällige entzündliche Pickel abzudecken. Bei Sonnenexposition sollte ein nicht komedogener Sonnenschutz verwendet werden, um hyperpigmentierte Narben zu vermeiden und um Irritationen durch gewisse Behandlungen nicht zu verstärken.[1,15,18] Cave Nicht empfohlene, unnütze oder kontraproduktive Massnahmen [1,15,18] Ausdrücken der Komedonen, Kratzen Narbenbildung fetthaltige oder pudrige Kosmetika Poren werden verstopft und Entstehung von Komedonen begünstigt alkoholhaltige und antiseptische Produkte unwirksam, reizend und/oder sensibilisierend häufiger als zweimal tägliche Hautreinigung Haut trocknet aus, Talgproduktion wird erhöht Die Therapie richtet sich nach dem klinischen Schweregrad der Hautveränderungen (u. a. nichtentzündliche Komedonen, entzündliche Papeln, Pusteln etc.), nach dem Risiko der Narbenbildung und nach der psychosozialen Belastung für den Patienten.[1] Topische Behandlung Eine milde bis mittelschwere Akne wird in erster Linie topisch behandelt. Lokale Aknetherapeutika werden auch in Kombination mit oralen Antibiotika oder Hormonen bei mittelschwerer bis schwerer Akne sowie als Erhaltungstherapie nach systemischer Behandlung eingesetzt. Ausser bei der milden Komedonenakne (1. Wahl: Retinoid-Monotherapie) wird einer Kombinationstherapie der Vorzug gegeben, um möglichst gleichzeitig auf mehrere akneauslösende Faktoren einwirken zu können. Wirksame lokale Behandlungen sind: Retinoide, Antibiotika, Benzoylperoxid und Azelainsäure.[4] Wichtig: Topische Aknetherapeutika müssen auf alle betroffenen Hautpartien aufgetragen werden und nicht nur punktuell. Die galenische Form der Grundlage sollte an Hauttyp und Präferenz des Patienten angepasst werden. Bei anhaltender Hautreizung kann auf eine andere galenische Form gewechselt werden (z. B. Creme/Lotion anstelle von alkoholischen Lösungen oder Gels). Bei Therapieabbruch werden oft Rückfälle beobachtet.[1] Retinoide (Rx!) stellen die Grundlage jeder lokalen Therapie dar. Sie üben ihre Wirkung vor allem auf die Komedonen aus. Retinoide können zu Beginn der Behandlung die Haut stark reizen, besonders bei Sonnenexposition. Sie sollen daher am Abend angewendet werden, eine Viertelstunde nach der Abendtoilette (milde Seife!). Bei sehr starker Hautreizung ist zu Beginn auch eine Anwendung jeden 2. oder 3. Tag oder eine Kurz-Kontakt-Therapie möglich (d. h. 2 3 Minuten nach dem Auftragen abwaschen, dann Einwirkungszeit verlängern). Die Akne kann sich vorerst verschlechtern, mit Weiterführung der Therapie normalisiert sich aber das Hautbild. Adapalen scheint besser verträglich zu sein als Tretinoin und Isotretinoin. Lokale Retinoide sind potenziell teratogen. Vorsichtshalber sollten sie deshalb während der Schwangerschaft sowie bei Frauen im gebärfähigen Alter ohne Empfängnisverhütung vermieden werden. Bei mittelschweren und schweren Akneformen lassen sich Retinoide mit Benzoylperoxid, Antibiotika (topisch oder peroral), Azelainsäu-

re oder systemischen Antiandrogenen kombinieren. Topische Retinoide sind auch zur Erhaltungstherapie geeignet.[1,2,4] Benzoylperoxid (Liste C) wirkt vor allem aufgrund seiner bakteriziden Eigenschaften und ist deshalb besonders bei entzündlichen Akneformen indiziert. Bei diesen ist es wirksamer als topische Retinoide. Die marktüblichen Präparate enthalten 5 oder 10% Benzoylperoxid. Höhere Konzentrationen führen zu mehr Hautirritationen, scheinen aber nicht mit einem therapeutischen Gewinn verbunden zu sein. Die Anwendung erfolgt ein- bis zweimal täglich, vorzugsweise 15 Minuten nach der Reinigung der Haut. Benzoylperoxid führt häufig zu Hautirritationen (noch verstärkt nach Sonnenexposition), so dass zu Beginn die Anwendungshäufigkeit eventuell verringert werden muss (siehe unter Retinoide). Bei starken Reaktionen sollte auch an eine Kontaktsensibilisierung gedacht werden (selten). Bei der Kombination mit topischen Retinoiden sollte Benzoylperoxid am Morgen und das Retinoid am Abend aufgetragen werden, um die chemische Inkompatibilität zu umgehen. Der Apotheker muss die Patienten darauf hinweisen, dass Benzoylperoxid genau wie Wasserstoffperoxid Kleidungsstücke, Bettwäsche und Haare bleichen kann. Benzoylperoxid-haltige Produkte sollen nicht in der Nähe der Augen und des Mundes aufgetragen werden.[1,2,18] Lokale Antibiotika (Rx! Erythromycin, Clindamycin) führen zu einer Reduzierung von P. acnes und sind besonders für entzündliche Akneformen geeignet. Sie besitzen eine gute lokale Verträglichkeit. Allfällige Hautirritationen können auch auf Hilfsstoffe (z. B. Propylenglykol) zurückzuführen sein. Zur Reduktion der Resistenzentwicklung sollten sie immer in Kombination mit Benzoylperoxid oder allenfalls mit topischen Retinoiden eingesetzt werden. Obwohl Clindamycin nur wenig resorbiert wird, empfiehlt es sich, auf eine mögliche hartnäckige Diarrhö zu achten, da diese auf eine pseudomembranöse Kolitis infolge Ansiedlung von Clostridium difficile im Darm hinweisen könnte.[1,19] Azelainsäure (Rx!) hat antimikrobielle, komedolytische und entzündungshemmende Wirkungen. Im Vergleich zu anderen Substanzen ist die Wirksamkeit weniger gut dokumentiert. Entsprechend wird sie in der Regel nicht als erste Wahl eingesetzt. Spezifische UAW nebst den gängigen sind Kontaktallergien und Hypopigmentierung (Vorsicht bei Dunkelhäutigen).[1,4] Systemische Behandlung Orale Therapien mit Isotretinoin, Antibiotika oder Antiandrogenen (nur bei Frauen) sind bei schwerer Akne angezeigt oder wenn bei mittelschwerer Akne topische Therapiemassnahmen nicht zum Erfolg geführt haben oder nicht vertragen werden.[4,18] Isotretinoin ist der einzige Wirkstoff, der auf alle ätiologischen Faktoren der Akne gleichzeitig einwirkt. Er reduziert ganz erheblich die Talgsekretion, ebenso die Komedogenese und die Kolonisation mit P. acnes. Aufgrund schwerer UAW (u. a. Teratogenität) ist Isotretinoin gemäss Swissmedic [20] nur bei schwerer Akne zugelassen, wenn alle anderen Behandlungsmöglichkeiten, z. B. mit Antibiotika oder Topika, nicht wirksam waren. Für die Verschreibung und Anwendung oraler Isotretinoin-Präparate gelten sehr strenge Sicherheitsanforderungen. Die Patientinnen müssen u. a. schriftlich über die Risiken informiert werden und unterschreiben, dass sie diese kennen und die Sicherheitsmassnahmen einhalten werden. Cave Abgabeeinschränkungen [20] Isotretinoin darf nur von Ärzten verschrieben werden, die mit der Behandlung der schweren Akne vertraut sind und die die Risiken einer solchen Therapie und die notwendigen Kontrollen kennen Einschränkungen bei Frauen im gebärfähigen Alter: Schwangerschaftstest: zu Beginn der Therapie, evtl. monatliche Wiederholung sowie 5 Wochen nach Therapieende Abgabe in der Apotheke innert maximal 7 Tagen nach Ausstellung des Rezepts Behandlungszeitraum auf 30 Tage beschränkt, Therapiefortsetzung erfordert eine neue ärztliche Verschreibung Neben der teratogenen Wirkung birgt Isotretinoin weitere UAW. Es trocknet Haut und Schleimhäute stark aus (Augen, HNO, Atemwege, Verdauungstrakt, Harnwege). Weitere schwerwiegende UAW sind ophthalmologische Komplikationen (z. B. Nachtblindheit, Kurzsichtigkeit), Hirndruckerhöhung, Fettstoffwechselstörungen, Arthralgie und Myalgie etc. Auch Depressionen und Konvulsionen wurden beschrieben, ein Kausalzusammenhang ist aber nicht nachgewiesen.[1] Nota bene Ratschläge bei der Abgabe von Isotretinoin [1,20] ab Behandlungsbeginn Verwendung von milder Seife (mit saurem ph), Körpermilch, Lippenpomade, Nasensalbe, Tränenersatz und UV-Schutz bei Unverträglichkeit auf Kontaktlinsen verzichten keine topischen Aknetherapeutika keine chemischen Peelings, Enthaarungswachse und Laserbehandlungen während (und evtl. nach) der Therapie keine zusätzliche Vitamin-A-Zufuhr bei Kopfschmerzen, Übelkeit/Erbrechen und Sehstörungen unverzüglich zum Arzt (intrakranialer Überdruck?) bei starken Muskelschmerzen zum Arzt auf mögliche Stimmungsschwankungen resp. Depressionen ansprechen bei ersten Anzeichen ärztliche Abklärung Bei den Antibiotika sind Tetracycline, allen voran Doxycyclin oder als Alternative Lymecyclin, Mittel der Wahl. Minocyclin hat ein ungünstigeres Nutzen-Risiko-Profil gegenüber anderen Tetracyclinen (vermehrte Fälle von Lupus erythematodes). Eine weitere Möglichkeit ist Erythromycin (Vorsicht Resistenzentwicklung). Falls nach 6 8 Wochen keine Verbesserung sichtbar ist, sollte die Therapie gestoppt oder auf ein anderes Antibiotikum gewechselt werden. Die Dauer der Therapie ist umstritten (3 6 Monate). Systemische 13

14 Antibiotika sollten stets in Kombination mit einer Lokaltherapie von Retinoiden (Komedolyse) und/oder Benzoylperoxid (zur Verhinderung der Resistenzentwicklung) verabreicht werden. Bei der systemischen Verwendung von Tetracyclinen ist auf deren Fotosensibilisierung und die Wechselwirkung mit Calcium (Milchprodukte!) zu achten.[1,18] Die Hormontherapie ist vor allem bei Aknepatientinnen mit übermässiger Androgenproduktion angezeigt (Akne, Seborrhö, Hirsutismus, Alopezie).[2] Quellen [1] Qualitätszirkel Ärzte-Apotheker. Dermatologie. pharmasuisse; 2016 [2] Deutsche Dermatologische Gesellschaft: Behandlung der Akne. S2k Leitlinie zur Therapie Akne (2010). Accessed 22.8.2016, at http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-017.html [3] Arnold AW, Itin P. Therapie der Acne vulgaris. Schweiz Med Forum. 2006; 6: 576 582 [4] Gollnick HP, Zouboulis. Akne ist nicht gleich Acne vulgaris. Dtsch Arztebl. 2014; 111 (17): 301 312 [5] Becker C. Akne Pusteln schon bei den Kleinsten. Pharm Ztg. 2006; 4 [6] Lennecke K, Hager K, Przondziono K. Selbstmedikation für die Kitteltasche. Leitlinien zur pharmazeutischen Beratung. 2. Auflage. Stuttgart: Deutscher Apotheker Verlag; 2004 [7] Plewig G, Jansen T, Romiti R. Acne fulminans: Schwere Akne mit ungewöhnlichem klinischen Verlauf. Dtsch Arztebl 2000; 97(22): A-1533 1537 [8] Schaefer C, Peters P, Miller RK. Drugs During Pregnancy and Lactation. Treatment Options and Risk Assessment. 3rd edition. Academic Press; 2014 [9] Leidenberger F, Strowitzki T, Ortmann O. Klinische Endokrinologie für Frauenärzte. 5. Auflage. Heidelberg: Springer Verlag; 2014. S. 629 632 [10] Swissmedic. Hormonale Kontrazeptiva und Thromboembolien. Swissmedic Mitteilungen seit 2009. Accessed 22.8.2016, at https://www.swissmedic.ch/marktueberwachung/00135/00752/00753/ index.html?lang=de [11] pharmadigest. Akne durch Medikamente. Stand: 18.2.2014 [12] 3-1 Patients ayant une acné. Rev Prescrire (Suppl. Guide Interactions médicamenteuses 2016): 170 [13] Geller L, Rosen J, Frankel A, Goldenberg G. Perimenstrual Flare of Adult Acne. J Clin Aesthet Dermatol. 2014; 7 (8): 30 34 [14] Läuchli S. Ernährung und Haut: Einfluss der Ernährung auf Akne und chronische Wunden Mythos oder Realität? Pharmakey.ch: Gesundessen = gesund essen? Stand: 2011 [15] Dermatologische Klinik des UniversitätsSpitals Zürich. Akne Patienteninformation. Accessed 22.8.2016, at http://www.dermatologie.usz.ch/ fachwissen/seiten/akne.aspx [16] Braun R, Schulz M. Selbstbehandlung. Beratung in der Apotheke. Fortsetzungswerk. Eschborn: Govi Verlag; 2012 [17] Nau J-Y. Acné: quand doit-elle (ou non) être médicalement traitée? Rev Med Suisse. 2015; 2136 2137 [18] Société Française de Dermatologie. Recommandations de bonne pratique Prise en charge de l acné. «Traitement de l acné par voie locale et générale». 10.6.2015. Accessed 23.8.2016, at http://www.sfdermato. org/media/pdf/recommandation/label-recommandations-acne-postcollege-54ac60356d1b9584a71ccaac92cf3724.pdf [19] Clindamycine en gel. Rev Prescrire. 2004; 24 (248): 187 188 [20] Swissmedic Arzneimittelinformation. Accessed 22.8.2016, at http://www.swissmedicinfo.ch