Ein Mensch auf der Flucht Bausteine zu Psalm 23 für einen generationenverbindenden Gottesdienst Natalie Ende

Ähnliche Dokumente
An Gottes kostbares Schäfchen:

1. Teilt auf, wer von euch welchen Psalm-Ausschnitt lesen übt.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen

Vorlage für eine Abschiedsandacht wenn wenig Zeit zur Vorbereitung ist - Idee 1: Wege und Wohnungen -

MIT PSALM 23 TRAUER UND HOFFNUNG RAUM GEBEN EINE ANDACHT FÜR DIE KITA

Thema: Der Herr ist mein Hirte ; Psalm 23

Zeit für Eine... Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Unterrichtsverlaufsplan (RU 2./3. Klasse) / Unterrichtsstunde

Fü r immer bei Gott geborgen Traüeransprache 1 ü ber Psalm 23 2

Vorlage für die Verabschiedung eines Menschen, dem unsere Christlichen Rituale nicht ohne weiteres vertraut sind.

Texte zur. Sterbebegleitung.

Lernbegleiter im Konfirmandenkurs

Ich bin der gute Hirte, meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben.

Evaluation Grundschule Klasse 4

Leitbild Guter Hirte

Lieder singen. Lernziel: Die Kinder üben das Lied Weil ich Jesu Schäflein bin.

Psalmen Vertrauen in Gott

Buch_Lucado :31 Uhr Seite 3. Geborgen in Gottes Arm. Ermutigungen aus Psalm 23. Max Lucado

Bernd Teamer. Plenum - Gruppenarbeit. Gruppen

TAUFSPRÜCHE - eine Auswahl -

SCHAUEN BETEN DANKEN. Ein kleines Gebetbuch. Unser Leben hat ein Ende. Gott, wir möchten verstehen: Unser Leben hat ein Ende.

Biblische Sätze, die sich als Taufspruch eignen:

Der gute Hirte Johannes 10,11-16 (27-30):

Gott der gute Hirte. Predigt über Psalm 23

Lernverse für den Konfi-Unterricht

Psalmen Rallye CKoenen 2013 Seite 1

HGM Hubert Grass Ministries

Auf den folgenden Seiten findet Ihr unsere Tipps für Euch, die Claudia Taube für Euch zusammengetragen hat.

Der Herr spricht: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.

Danklied. Ulla Hahn. in: Süssapfel rot. Gedichte. Reclam Stuttgart, 2003, S. 12. mein Stab und Stecken der mich stützt: vgl.

4. SONNTAG DER OSTERZEIT, JAHRGANG B (FOURTH SUNDAY OF EASTER)

Taufsprüche Seite 1 von 5

Lobpreis für den allmächtigen Gott

Evangelische Kirchengemeinde Weidenau

Der HERR ist mein Hirte,

4. SONNTAG DER OSTERZEIT, JAHRGANG A (FOURTH SUNDAY OF EASTER)

Meine Spiritualität entdecken. Im Rahmen der Reihe: Leben mit Krebs Pfr.Dirk Puder, Ev.Klinikseelsorge

und der Dich darum geschaffen hat der Dich bewegt, jeden Tag und jede Nacht und hier und dort im Leben davor und im Leben danach 1

rpi-loccum / Imke Rode-Wagner / Arbeiten mit dem neuen Kerncurriculum - Nach Gott fragen / Psalmworte

16. SONNTAG IM JAHRESKREIS ( JULI), JAHRGANG B (TIME AFTER PENTECOST: LECTIONARY 16)

16. SONNTAG IM JAHRESKREIS ( JULI), JAHRGANG B (TIME AFTER PENTECOST: LECTIONARY 16)

Worte aus der Bibel für Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Beerdigung

Liturgische Bausteine für den Reformationstag 2017 INHALT. Eröffnung am Abend. Psalmmotette (Ps 46 und EG 421) einfach

Festgottesdienst mit Konfirmation und Heiligem Abendmahl

Gabriel 30464_Erne_Wo_gehts_hier_final.indd :37

Und der Friede Gottes, der größer ist als all unsere Vernunft, bewahre deine Hoffnung, festige deinen Glauben und mach uns in der Liebe stark.

Vertrauen als Schlüssel Psalm 23 Predigt an Silvester 2015

6. Tag 16. September 2016 Andacht am Monte del Gozo BERG DER FREUDE

Abschiedsfeier am Bett (mit Angehörigen, Bewohner/innen, Mitarbeitenden)

Erstellung eines Segenskoffers zum Abschluss der Grundschulzeit

Taufsprüche. Gott spricht: Fürchte dich nicht, ich habe Dich befreit, Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.

TRINITATIS IV. Donnerstag nach dem 22. Sonntag nach Trinitatis In Gottes Schuld Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.

hr1-8:40 Uhr Pfarrer Stephan Krebs 29. Oktober Sonntag nach Trinitatis Die Bibel und die Sehnsucht nach etwas Bleibendem

Der Spruch für den heutigen Tag steht im 103. Psalm und lautet: Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.

Materialsammlung Erster Weltkrieg

Inhaltsverzeichnis. Vorwort: Die Psalmen der Bibel - Die besondere Art dieses BüchJeins 11

Danke KOMMUNION UND KONFIRMATION. Lieber Peter. Michael Muster. Liebe Melanie! Liebe Melanie! Zu deiner Kommunion. Zu deiner Kommunion

Lebenstexte. für. Konfirmanden. und. für. das. ganze. Leben.

Kindergottesdienst. zu Psalm 23 (Der Herr ist mein Hirte)

PSALM ANDACHT ZUR FÜRBITTENWOCHE Yolo Du lebst nur einmal von Oliver Teufel. Psalm 31 im Wechsel (EG 716)

Bibelsprüche zur Konfirmation Auswahl

Lernstoff für den Konfirmandenunterricht

Familiengottesdienst am Ich bin der Weg

4. SONNTAG DER OSTERZEIT, JAHRGANG C (FOURTH SUNDAY OF EASTER)

Die Gemeinde hatte den Psalm 23 auf dem Liturgieblatt vor sich und konnte die Abschnitte laut mitlesen

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Taufsprüche. Altes Testament

Die Bibel, spricht über das Thema Hunger in besonderer Weise in Matthäus 5, 6

Taufsprüche (nach der Reihenfolge der Biblischen Bücher)

Psalm 23 David und das Bild

Ausgewählte Konfirmationssprüche aus der Bibel

Bibelsprüche zur Kon rmation

1. 1.Mose 12,2b: Ich will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.

Konfirmations-Sprüche

Gottesdienst-Ablauf Uhr Papitz

ABLAUF THEMATISCHER ABSCHLUSSGOTTESDIENST KONFI-GRUPPE PROT. JUGENDZENTRALE DONNERSBERG THEMA DES GOTTESDIENSTES: DIE ZEHN GEBOTE-

Konfirmationssprüche Eine Auswahl

Christian Bährens DEUTSCHES REQUIEM. für Chor a cappella

Liste mit Vorschlägen für Taufsprüche

HGM Hubert Grass Ministries

3. Siehe, ich bin mit dir, wohin du auch gehst. (1. Mose 28,15) 12. Die Frucht der Gerechtigkeit wird Friede sein. (Jesaja 32,17)

Denn der Herr, dein Gott, ist ein barmherziger Gott; Er lässt dich nicht fallen.

Liturgievorschlag für den 5. Sonntag LJB

Segensprüche und Gebete für Kinder

Sprüche für Traueranzeigen - Texte

Unsere Kommunionvorbereitung. Regens Wagner Schule Zell 2012

Jesus, der gute Hirte

TRINITATIS I Mittwoch nach dem 3. Sonntag nach Trinitatis Eröffnung Psalm 119

Simon und der König im Stall

Jahresempfang der Regionalbischöfe und Dekaninnen und Dekane im Kirchenkreis Nürnberg, 21. Juni und führet mich zum frischen Wasser

Evangelische Waldenser-Kirchengemeinde

Lutherkirche. Dr.-C.-Otto-Straße Bochum (Dahlhausen)

Schoschannim > Lilien

Das sind wir Daniela und Marcello Corciulo.

GEDENKTAG. 28. Oktober - Apostel Simon und Judas

HIMMELFAHRT bis TRINITATIS

ABLAUF VORSTELLUNGSGOTTESDIENST PRÄPARANDEN 2018 PROT. JUGENDZENTRALE DONNERSBERG THEMA DES GOTTESDIENSTES: BEHÜTET UND BESCHÜTZT - ENGEL

2 Frage: David, habe ich das richtig gehört? Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und: Mir wird nichts mangeln!

EVANGELISCH-LUTHERISCHER KIRCHENKREIS WEIMAR

Transkript:

Das Überfluten hat einen schlechten Ruf. Nicht nur bei Flussanwohnern und Landwirtinnen. Auch der Strom der Gefühle soll nicht über die Ufer treten oder gar den Deich brechen. Mit der Flut kommt der Schlamm. Mit dem Schlamm das Elend. Ein großer Strom braucht Auen. Erst danach Dämme, Sperren und Deiche. Die Auen erholen sich vom Überflutetsein. Dämme, Sperren und Deiche halten entweder oder brechen. Brechen sie, kommt der Schlamm. Mit dem Schlamm kommt das Elend. In einer Aue, weit und grün, kann der Schlamm fruchtbar sein. Ich möchte Auen für Gefühle. Vor den Dämmen, Sperren und Deichen. Mit der Flut kommt der Schlamm. Natalie Ende Ein Mensch auf der Flucht Bausteine zu Psalm 23 für einen generationenverbindenden Gottesdienst Natalie Ende Psalm 23 Collage aus der Übersetzung von Martin Luther und der Bibel in gerechter Sprache Ein Psalm Davids. Ein Psalm. Von David. Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln. Adonaj weidet mich, mir fehlt es an nichts. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Auf grüner Wiese lässt Gott mich lagern, zu Wassern der Ruhe leitet Gott mich sanft. Er erquicket meine Seele. Meine Lebendigkeit kehrt zurück. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Gott führt mich auf gerechten Spuren so liegt es im Namen Gottes. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; Wenn Finsternis tief meinen Weg umgibt, Böses fürchte ich nicht. denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Ja, du bist bei mir, dein Stab und deine Stütze sie lassen mich aufatmen.

Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du bereitest einen Tisch vor mir, direkt vor denen, die mich bedrängen. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Mit Öl salbst du mein Haupt. Mein Becher fließt über. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, Nur Gutes und Freundlichkeit werden mir alle Tage meines Lebens folgen, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar. und zurückkehren werde ich in das Haus Gottes für die Dauer meines Lebens. Lied: Gott ist mein Hirte 2. Und er erfrischt mir meine Seele, wenn ich ihn spüre lacht mein Herz. 3. Er zeigt mir seine guten Wege, damit ich fröhlich gehen kann. 4. Er ist bei mir im finstern Tal, in seiner Nähe hab ich Mut. Text: nach Psalm 23 Melodie: Rüdiger Gerstein beim Autor Lesung Micha 7,14+15 Weide dein Volk mit deinem Stab, deine eigene Herde,

die für sich wohnt mitten im Obstgarten. Weiden sollen sie in Baschan und Gilead wie in den Tagen der Frühzeit, wie in den Tagen, da du herausgegangen bist aus dem Land Ägypten: Ich will sie Wunder sehen lassen! Gebet Gott, Auenlandschaften! Wunderschön hast Du sie gemacht. Da, wo wir sie verloren haben, wünschen wir sie uns zurück. An den großen Flüssen. In unseren Herzen. An unseren Grenzen. Gott, Wasser der Ruhe! Wunderbar. Das brauchen wir. Manchmal können wir es für andere sein. Verbinde uns Menschenkinder über alle Grenzen hinweg. Gott, Auenlandschaften! Wunderschön hast Du sie gemacht. Slam Poem Federn im Schlamm Natalie Ende Schnell, aber exakt gesprochen Ich finde drei Federn im Schlamm am Ufer des Sees, an dem ich diesen Sommer viermal bin, viermal anders mit anderen, die die gleiche Gruppe bleiben, aber jedes Mal wieder anders da sind, weil die Welt, ihr Umfeld, ihre Arbeit, ihr Sein mit den Menschen, die sie umgeben, die Nachrichten von Flüchtlingen auf dem Wasser, im Wasser, unter Wasser und ohne Wasser in der Nachrichtensendung gesprochen mit Oberwasser im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen, sie verändert hat. Viermal kommen wir an dem See zusammen, an dem ich die drei Federn finde im Schlamm an einem Wochenende, das ganz anders ist als das Wochenende davor, an dem ein Orkan über das Land fegte und alles vor sich hertrieb, was sich nicht festhielt oder festgewachsen war und nicht brach, und jetzt nicht mehr da ist, an dem Wochenende, das ganz anders ist, weil wir anders sind und der Orkan nicht da

und der Leiter ein anderer, sanfterer, weil nur die Gruppe, die gleiche bleibt, auch wenn wir wie schon gesagt anders da sind und anders zusammen sind. Die Federn hat der Orkan nicht mitgenommen, vielleicht hat sie ein Haubentaucher, ein Schwan, eine Ente, eine Nilgans, eine Kanadagans erst verloren, und sie liegen noch nicht lange in dem Schlamm, sind aber ganz verklebt und verschmutzt und zerrupft, klein, vom Unterkleid, ohne klare Farbe, etwas Braun, also kein Schwan, wie ich mir denke wegen der Farbe, die ich erst sehe, als ich sie wasche und glatt streiche, bis die Federäste sich wieder miteinander verbinden, aneinander hängen, eine dichte Fahne bilden, die in der Luft tragen könnte oder im Wasser. Außer es kommt wieder ein Orkan und drückt sie in den Schlamm, dann müsste ich kommen und sie finden und waschen und glatt streichen, doch ich wäre vielleicht eine andere, nicht mehr berührbar von der Sanftheit der Federn, die diesmal zu einer Versanftung in mir führt, gegen alles Laute, Heftige, Stürmische, sondern ich würde stattdessen ihre drei Federkiele brechen, genau da, wo der obere Nabel sitzt, sodass sie niemals mehr glatt wären und krumm und nutzlos herumlägen. Dann wären sie allerdings anders als sie jetzt sind, weil ich nicht anders bin als ich jetzt bin, und das Sanfte will. Segen Möge der Weg sich vor dir öffnen und Gott mit dir sein. Gott segne dich und behüte dich. Gott lasse das Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Gott erhebe das Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Ansprache Die Ansprache dauert 10 Minuten und ist für Grundschulkinder gut nachvollziehbar, kleinere Kinder sind einfach dabei und verstehen auf ihre Weise. Es ist auch möglich über Beamer Fotos zu zeigen. 1. Foto: Eine Auenlandschaft, die nicht überflutet ist; 2. Foto: Eine Auenlandschaft die überflutet ist, evtl. ein Baum im Wasser; 3. Foto: Häuser nach einer Flutkatastrophe mit Schlamm; 4. Foto: Ein aktuelles Foto von Flüchtlingen auf dem Wasser; 5. Foto: Ein aktuelles Foto von einem Nachbarschaftsfest bei einer Flüchtlingsunterkunft; 6. Foto: Eine blühende Auenlandschaft. Wart Ihr schon mal in einer Aue, in einer Auenlandschaft, meine ich? Das ist das breite Ufergebiet rechts und links von einem Bach oder Fluss. Es wird überflutet, wenn es viel Wasser gibt. Das geschieht nach einem langen Regen oder im Frühling, wenn der Schnee in den Bergen schmilzt. Diese Uferlandschaften sind davon geprägt, dass sie manchmal trocken sind und manchmal unter Wasser stehen. Die Flüsse in einer Auenlandschaft fließen nicht gerade, sondern in Bögen. Sie schlängeln sich so, wie die Natur es zulässt. (Mit der Hand eine Schlängelbewegung machen.) Auen sind wunderschön. Da gibt es niedrige Bäume und Büsche. Die können auch tief im Wasser stehen. Wenn das Hochwasser abgelaufen ist, bleibt fruchtbarer Schlamm zurück. Fruchtbarer Schlamm! In ihm wachsen kräftig grüne Wiesen. Und es entstehen ständig neue Lebensräume für Blumen, Pflanzen und Tiere. So etwas Wunderschönes entsteht dadurch, dass diese Landschaft überflutet wird. Gerade das Überfluten lässt diese Landschaft so fruchtbar sein. Das Bild der Aue kommt in Psalm 23 vor. Martin Luther hat es ausgesucht für diesen schönen Psalm. Er lebte in Wittenberg an einem Fluss, der Elbe. Ein großer Fluss mit solchen wunderschönen Landschaften. Gott weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser? (Information dazu: Das ist die Übersetzung von 1531. 1524 handschriftlich: Er lässt mich weiden in der Wohnung des Grases und nähret mich am Wasser der Ruhe.) Wasser in einer Aue ist selten bedrohlich. Es hat Platz, über die Ufer zu gehen. Es zerstört nichts. Im Gegenteil es bringt fruchtbaren Schlamm mit und genug Feuchtigkeit für einen langen heißen Sommer und manchmal auch eine Menge Stechmücken. Erfrischendes Wasser, das wir zum Leben brauchen. Aber Wasser kann auch bedrohlich sein. Das haben wir in den letzten Wochen und Monaten immer wieder in den Medien verfolgt. Menschen, die auf unvorstellbar überfüllten Booten Meere überqueren. Sie sind auf der Flucht, oft ohne Wasser, auf dem Wasser, im Wasser, unter Wasser. Wenn sie dann wieder Land unter ihren Füßen haben und Wasser zum Trinken, wird über sie wie von einer Flut gesprochen. Sie überfluten Europa, hören wir nicht selten. Als Martin Luther lebte, gab es noch sehr viele Flussauen. Jeder Fluss, jeder Bach hatte eine Aue. Eine Aue ist keine klare Grenze. Wir können nur ungefähr sagen, bis wohin die Auenlandschaft geht. Nach dem nächsten Hochwasser kann das etwas anders sein. Auen sind

eine Grenze, aber eine weiche Grenze. Die Natur verändert sich ständig. Das ist ein Grund, warum wir Menschen in die Natur eingegriffen haben. Wir haben dafür gesorgt, dass die Flüsse geradeaus fließen, damit sie nicht so viel Platz wegnehmen. Statt der großen breiten Auen, haben wir Deiche, Dämme und Flutmauern gebaut. Klare gerade Grenzen, die uns vor dem Hochwasser schützen sollen, wenn wir ganz nah am Fluss leben. Manchmal ist das Hochwasser aber so überwältigend, dass unsere Dämme, Deiche und Mauern brechen. Dann kommt mit dem Wasser auch der Schlamm. Auf Straßen, in Kellern und Wohnungen macht der Schlamm alles schmutzig und kaputt. Es stinkt eklig. Wo wir zu viele Dämme und Sperren gebaut haben, gibt es keine fruchtbaren Landschaften mehr. Die Psalmen sind in ganz konkreten Lebenssituationen entstanden. So auch Psalm 23. In diesem Psalm spricht ein Mensch, der in einen Tempel geflüchtet ist. Psalm 23 ist das Gebet eines nicht abgewiesenen Asylbewerbers (Jürgen Ebach). Das sage ich nicht, weil der Psalm damit so wunderbar aktuell wird. Nein, es gibt klare Spuren dafür im Text. So heißt es am Ende, wenn wir es wörtlich übersetzen: Gutes und Barmherzigkeit werden mich verfolgen mein Leben lang. Das sagt ein Mensch, der vorher wirklich verfolgt wurde. Das sagt ein Mensch, der seine Verfolger noch im Rücken spürt. Er ist noch ganz außer Atem. Der Tisch wird ihm noch im Angesicht seiner Feinde bereitet. Die Verfolgungssituation ist noch ganz frisch. Die Erlebnisse auf seiner Flucht sind ihm vor Augen. Da ist es eine große Beruhigung sagen zu können: Hier, in diesem Gotteshaus, kann ich alle Tage meines Lebens bleiben. In dem Psalm spricht dieser Mensch zu Gott, als ob er ein Schaf wäre. Ihr Kinder würdet sagen: Ich wär dann mal ein Schaf. Wie der Betende würden ihr dann nachspielen, wie es als Schaf ist. Da gibt es Bedrohungen für Leib und Leben. Schafe können verhungern und verdursten, sie können von Raubtieren gefressen werden und vom Weg abkommen oder abstürzen. Da gibt es aber auch Hirtinnen und Hirten, die den Weg zur nächsten grünen Wiese und zu Wasserstellen kennen. Wer einmal sehr großen Durst hatte, kennt das Gefühl der Lebensrettung beim ersten Schluck Wasser. Das ist es, was hier im Psalm ganz nah am hebräischen Text übersetzt steht: meine Lebenskraft lässt Gott zurückkehren. Es geht um das Leben. Meine Lebenskraft lässt Gott zurückkehren. Dann spricht der Psalmbeter nicht mehr über Gott, sondern mit Gott. Du, sagt er zu Gott, Du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich. Mit dem Stab leiten Hirtinnen und Hirten ihre Tiere, ziehen sie auch mal aus einem Gestrüpp. Mit dem Stecken verteidigen sie die Tiere gegen Feinde. Hier betet ein Mensch, der große Gefahren hinter sich hat. Er ist durch ein finsteres Tal gegangen, eine Todesschattenschlucht. So übersetzt es Martin Buber. Angekommen ist er in einem Tempel, einem Haus Gottes. Dort wird der Tisch für ihn gedeckt. Es gibt Salböl für die Verletzungen und volle Becher gegen den Durst. Und ein Bleiberecht für alle Tage des Lebens. Eine Auenlandschaft denkt sich Martin Luther in die Situation dieses Menschen auf der Flucht. Ein Bild, das ich tief in mein Herz aufgenommen habe. Das möchte ich in Deutschland haben, für die vielen Flüchtlinge, die gekommen sind und kommen. Ich möchte

nicht über Dämme und Sperren und Mauern nachdenken. Ich möchte Bilder von einem fruchtbaren Miteinander. An vielen Orten gibt es das schon. Eine große Hilfsbereitschaft vor Ort. Menschen, die ehrenamtlich anpacken, Nachbarschaftshilfe, Initiativen, die Begegnungen organisieren, ganz konkrete Hilfe, um Sprach-Barrieren zu überwinden, Aktionsbündnisse, die uns auch auf Fehler hinweisen, Politikerinnen und Politiker, die nach guten Lösungen suchen. (Ganz konkrete auf den eigenen Ort bezogene Beispiele wären hier noch schöner.) Durch die Bundeskanzlerin war die Grenze für kurze Zeit nicht so scharf erkennbar. Eine weiche Grenze ist entstanden. Dadurch ist ganz viel in Bewegung gekommen. Eine Auenlandschaft für Menschen auf der Flucht. Ein Bild, das mir hilft, wenn ich Angst bekomme und mich bedroht fühle, weil so viele Menschen kommen. Ein Bild, das nicht nur leicht ist. In den Auen entstehen neue Lebensräume. Wir wissen nicht, wie sie genau sein werden. Wir müssen uns auf Neues einstellen. Ich halte mich an den Psalm: Gott erquickt meine Seele. Unsere Lebendigkeit, unsere Lebenskraft lässt Gott zurückkehren. Noch eine Information für alle, die noch ein wenig weiterpredigen wollen oder ein anderes Mal über Heimat : Das frische Wasser in diesem von Psalm 23 beschriebenen Lebensraum, was ist das? Wir kennen Luthers Formulierung von 1531 und führet mich zum frischen Wasser. Handschriftlich hatte er vor 1524 eine sehr viel genauere Übersetzung festgehalten: und nähret mich am Wasser der Ruhe. Eine deutsche Formulierung, die wir so ähnlich auch in der Bibel in gerechter Sprache finden: zu Wassern der Ruhe leitet Gott mich sanft. Das Wort, das Luther zuerst mit Wasser der Ruhe und dann mit frischem Wasser übersetzt lautet im Hebräischen Wasser menucha. Es gibt kein genaues deutsches Wort dafür: Es bezeichnet Heimat, Ruhe, ein Zur-Ruhe-Kommen und zugleich Freiheit. Die Wasser der menucha sind in Psalm 23 ein Ort der Ruhe auf der Flucht, ein Zur-Ruhe-Kommen von Menschen, die ihre Heimat verloren haben, ein Ort, der zugleich Freiheit erhoffen lässt. In den Auen entstehen neue Lebensräume. Literatur: Jürgen Ebach, Neue Schriftstücke. Biblische Passagen, 42 Der Herr ist mein Hirte, Gütersloh 2013 Internet: Ulrike Bail, und niemand schreckte sie auf. (Mi 4,4) Fragmente zu Heimat aus biblischer Perspektive. (www.ulrike-bail.de) Broschüre: Martin Luther als Bibelübersetzer, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2003