Umweltaspekte von Brennstoffzellen Beitrag zum Workshop Status der Entwicklung und Anwendung der Brennstoffzellentechnik am 11. November 1999 in Bremen veranstaltet von Uwe R. Fritsche, Koordinator Bereich Energie & Klimaschutz Öko-Institut (Institut für angewandte Ökologie e.v.) Büro Darmstadt Elisabethenstr. 55-57 D-64283 Darmstadt Tel. 06151-8191-0 FAX 06151-8191-33 Geschäftsstelle Freiburg Binzengrün 34 a D-79114 Freiburg Tel. 0761-45295-0 FAX 0761-475437 Büro Berlin Novalisstr. 10 D-10115 Berlin Tel. 030-280-486-80 FAX 030-280-486-88 http://www.oeko.de/ Darmstadt, Dezember 1999
1 1 Einführung Brennstoffzellen werden als umweltfreundliche neue Technologie gepriesen, die ein breites Einsatzspektrum aufweist: Aufgrund modularer Bauweise reichen potentielle Anwendungen von mobilen Stromquellen für Kommunikationsgeräte (Palm- und Laptop-Computer, Mobiltelefone) über Blockheizkraftwerke (5 kw bis 5 MW) und Kombikraftwerke (> 5 MW) bis hin zu Pkw, Bussen, (Raum)Schiffen und Schienenfahrzeugen. Der folgende Beitrag gibt eine kurze Diskussion der Brennstoffzellen-Technik, einen Emissionsvergleich verschiedener Brennstoffzellen (BZ) mit anderen Technologien und gibt abschließend Empfehlungen für eine potenzielle Förderung der BZ-Entwicklung in Bremen. Der Beitrag konzentriert sich auf stationäre BZ-Anwendungen, da Umweltbilanzen für den mobilen Einsatz an anderer Stelle diskutiert werden (vgl. Fritsche 1998, UBA 1999). 2 Grundlagen der BZ-Technik und Entwicklungsstand Das BZ-Grundprinzip ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Die kalte Verbrennung von Wasserstoff (H 2 ) und Sauerstoff (O 2 ) zu Elektrizität, Wasser (H 2 O) und Wärme erfolgt in einer Zelle, in der sich zwei Elektroden sowie ein Elektrolyt befinden. Der Elektrolyt unterteilt die Zelle und verhindert so eine Knallgasreaktion (vgl. Bild 1). Bild 1 Prinzip einer Brennstoffzelle Je nachdem, welcher Elektrolyt verwendet wird, ergeben sich folgende BZ-Typen (in Klammern englischer Name und Abkürzung sowie typische Betriebstemperaturen): alkalische Brennstoffzelle (alkaline fuel cell = AFC, ca. 80 C) Polymer-Elektrolyt-Membran-Brennstoffzelle (polymer electrolyte membrane fuel cell = PEMFC, ca. 80 C) 1
2 phosphorsaure Brennstoffzelle (phosphoric acid fuel cell = PAFC, ca. 200 C) Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle (molten carbonate fuel cell = MCFC, ca. 650 C) oxidkeramische Brennstoffzelle (solid oxide fuel cell = SOFC, ca. 1.000 C). Zur Umsetzung von H 2 zu H 2 O muss der in der Brennstoffzelle eingesetzte Brennstoff auf der Anodenseite einen möglichst hohen H 2 -Anteil aufweisen, kathodenseitig reicht üblicherweise (gereinigter) Luftsauerstoff. Ein Charakteristikum von BZ ist das begrenzte Brennstoffspektrum: Im unteren Temperaturbereich ist die alkalische BZ nur mit reinem Wasserstoff und Sauerstoff zu betreiben, für PEM ist H 2 aus Methanol mit Luft bzw. Methanol direkt einsetzbar, der Einsatz von reformiertem Benzin wird diskutiert. Zur H 2 -Herstellung aus kohlenstoff(c)-haltigen Energieträgern (Biomasse, Erdgas) wird Methan (CH 4 ) mit Dampf auf ca. 800 C erhitzt und in einem Reformer umgesetzt: CH 4 + H 2 O CO + 3 H 2 ( H = 0,2 MJ/mol) Diese endotherme Reaktion nutzt Verbrennungswärme aus nicht umgesetztem Brenngas im Reformer. Das entstehende CO wird mit Wasserdampf exotherm bei rd. 200 C umgesetzt: CO + H 2 O CO 2 + H 2 ( H = - 0,04 MJ/mol). Im Hochtemperaturbereich bei MCFC und SOFC ab 600 C findet zellintern eine Reformierung statt, die den direkten Einsatz von Erd- oder Biogas mit Luft ermöglicht. Unter 200 C steigt dagegen der Aufwand zur Gasaufbereitung, da die Katalysatoren in den BZ-Elektroden durch CO im Synthesegas deaktiviert werden. Die verschiedenen BZ-Systeme weisen insgesamt hohe elektrische Nutzungsgrade auf (vgl.tabelle 1), die vor allem bei PEM-BZ im Teillastbereich sehr stabil sind. Tabelle 1 Nutzungsgrade und Stromkennzahl von BZ-Technologien Brennstoffzellen- Typ el. Nutzungsgrad η el Stromkennzahl PAFC 40 % 0,9 PEM 40 % 1,0 MCFC 50 % 1,4 MCFC* 55 % 3,0 SOFC 60 % 2,2 SOFC* 65 % 4,3 η bezogen auf Heizwert H u von Wasserstoff * = nachgeschalteter -Prozess einbezogen k Neben hohen elektrischen Wirkungsgraden sind BZ-Vorteile ihre geringen direkten Emissionen, Flexibilität in der Betriebsweise, modularer Aufbau sowie Geräuscharmut. 2
3 3 Emissionsvergleich von BZ und konventionellen Technologien Ein lebenswegbezogener Vergleich von BZ mit anderen Systemen zur Strombereitstellung kann sowohl für die reine Stromerzeugung wie auch für die Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erfolgen. In den folgenden Tabellen und Bildern wird KWK-Strom aus den künftig interessanten BZ- Technologien PEM, MCFC und SOFC mit Erdgas als Brennstoff (inkl. Reformer bei PEM) mit einem Erdgas--Kraftwerk sowie Gasmotor-BHKW verschiedener Größen verglichen. Als Vergleichsbasis dient jeweils die Bereitstellung von 1 kwh Strom und 2 kwh Wärme, die bei der Nur-Stromerzeugung bzw. nicht ausreichenden Abwärmeangebot aus einer modernen Erdgasheizung stammt. Zur Vereinfachung werden Spitzenkessel sowie Netzverluste nicht betrachtet. Der Lebenswegvergleich schließt die gesamte Erdgas-Vorkette (Förderung, Reinigung, Transport) sowie die Herstellung der BZ- bzw. KWK-Systeme mit ein 1. Alle Rechnungen wurden mit GEMIS (Globales Emissions-Modell Integrierter Systeme) Version 4.0 durchgeführt 2. Tabelle 2 Luftschadstoffemissionen im Vergleich Option SO 2 -Äquiv. Staub CO NMVOC -KW 0,78 0,02 0,80 0,08 050 0,65 0,03 0,74 0,06 110 0,64 0,03 0,75 0,07 250 0,64 0,03 0,75 0,07 500 0,62 0,03 0,73 0,07 PEFC 0,37 0,02 0,34 0,03 MCFC 0,29 0,02 0,38 0,04 MCFC- 0,34 0,02 0,45 0,05 SOFC 0,33 0,02 0,43 0,04 SOFC- 0,36 0,02 0,47 0,05 Angaben in g Schadstoff je 2 kwh th + 1 kwh el In grafischer Form dargestellt (vgl. Bild 2 unten) zeigen sich die Unterschiede zwischen den Systemen deutlicher: 1 Bei den PEM-BZ wurde insbesondere die Platinbereitstellung für die Elektrolytdotierung berücksichtigt (vgl. zur quantitativen Bedeutung Fritsche 1998). Bei der SOFC konnte der Herstellungsaufwand für den Elektrolyt aus z.t. Zirkonium wegen fehlender Daten nicht einbezogen werden (vgl. Zapp 1998). Die Entsorgungs- bzw. Recyclingaufwendungen blieben bei allen Technologien unberücksichtigt. 2 GEMIS ist als public-domain-software kostenlos erhältlich unter http://www.oeko.de/service/gemis/ 3
4 Bild 2 Luftschadstoffemissionen im Vergleich 0,90 0,80 0,70 SO2-Äqu. CO g je 2 kwh-th + 1 kwh-el 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 -KW 050 110 250 500 PEFC MCFC MCFC- SOFC SOFC- Die BZ-Systeme sind bei den Luftschadstoffen sowohl gegenüber der -Stromerzeugung (plus Gasheizung) wie auch gegenüber den Gasmotor-BHKW deutlich günstiger, wobei die Unterschiede zwischen den BZ-Systemen vergleichsweise gering sind. Bei den Treibhausgasen ergibt die Emissionsberechnung die folgenden Ergebnisse: Tabelle 3 Treibhausgasemissionen im Vergleich Option CO 2 -Äquiv. CO 2 -KW 963 879 050 790 707 110 795 712 250 813 728 500 794 711 PEFC 866 772 MCFC 800 739 MCFC- 831 763 SOFC 830 764 SOFC- 830 761 Angaben in g Schadstoff je 2 kwh th + 1 kwh el Die grafische Darstellung (vgl. ) zeigt wiederum die Verhältnisse deutlicher: 4
5 Bild 3 Treibhausgasemissionen im Vergleich 1000 900 CO2-Äqu. CO2 800 g je 2 kwh-th + 1 kwh-el 700 600 500 400 300 200 100 0 - KW 050 110 250 500 PEFC MCFC MCFC- SOFC SOFC- Die Gasmotor-BHKW zeigen sowohl bei CO 2 -Äquivalenten wie auch bei CO 2 kleine Emissionsvorteile gegenüber den BZ-Systemen, die in der Größenordnung von 5-10% liegen. Sowohl Gasmotor-BHKW wie auch BZ-Systeme verringern jedoch im Vergleich zum Erdgas-- Kraftwerk (mit Gasheizung) die Treibhausgasemissionen um 10 und 20 %. Neben den Emissionsbilanzen interessiert auch der Ressourcenaufwand in einer ökologischen Bewertung und hier insbesondere der Kumulierte Energie-Aufwand (KEA). Wie die SO 2 - und CO 2 -Äquivalente stellt der KEA eine aggregierte Kenngröße dar, in der alle Primärenergieaufwendungen für Herstellung und Betrieb eingehen. Die KEA-Bilanzen wurden mit GEMIS nach der neuen KEA-Methodik berechnet, die im letzten Jahr für das Umweltbundesamt entwickelt wurde (vgl. Öko 1999). Tabelle 4 Kumulierter Energie-Aufwand (KEA) im Vergleich Option KEA nichterneuerbar 5
6 -KW 4,49 050 3,64 110 3,66 250 3,74 500 3,65 PEFC 4,42 MCFC 3,78 MCFC- 3,91 SOFC 3,91 SOFC- 3,90 Angaben in kwh nichterneuerbarer Primärenergie je 2 kwh th + 1 kwh el Die tabellarische Übersicht zeigt, dass die KEA-Werte relativ dicht bei einander liegen, was auch die Grafik verdeutlicht: Bild 4 Kumulierter Energie-Aufwand (KEA) im Vergleich 4,50 KEA-nichtern. 4,00 KEA-nichterneuerbar [kwh/(2 kwh-th + 1 kwh-el)] 3,50 3,00 2,50 2,00 1,50 1,00 0,50 0,00 -KW 050 110 250 500 PEFC MCFC MCFC- SOFC SOFC- Insgesamt ergibt die Umweltbilanz somit keine klaren Vorteile für die BZ-Systeme, wenngleich ihre lokalen Luftschadstoffemissionen erheblich unter denen von Gasmotor-BHKW liegen in Ballungsgebieten durchaus ein wichtiger Aspekt. 6
7 Innerhalb der BZ-Systeme sind ebenfalls keine eindeutigen Vor- und Nachteile zu erkennen, wobei MC- und SOFC gegenüber PEM-BZ tendenziell geringere Emissionen und KEA zeigen 3. 4 Ausblick und Empfehlungen Die oft behaupteten ökologischen Vorteile von BZ gegenüber herkömmlichen BHKW sind keineswegs eindeutig und könnten bei künftigen Optimierungen von Gasmotoren sogar noch sinken gegenüber Erdgas--Kraftwerken liegen sie jedoch (wie Gasmotor-BHKW) bei allen Umweltaspekten deutlich günstiger. Trotz erheblicher Fortschritte z.b. beim Materialeinsatz ist jedoch bisher für keine BZ-Technik ein wettbewerbsfähiges Serienprodukt verfügbar 4. Die Hochtemperatur-BZ (MC, SO) sollten noch genauer auf potenzielle Umweltprobleme hin ganzheitlich untersucht werden, wobei insbesondere die Verwendung seltener Metalle, die Aufwendungen bei der Keramikherstellung sowie Recyclingfragen interessieren. Aus heutiger Sicht stellen BZ für stationäre Anwendungen BZ-Techniken attraktive Optionen dar, um verbrauchernahe dezentrale KWK-Anwendungen (PEM) sowie Industrie-KWK und Kraft- Wärme-Kälte-Kopplung (MC, SO) auszuweiten. Die weitere Entwicklung wird auch von verfügbaren Pioniermärkten geprägt sein, sodass wirtschaftliche und politische Akteure gezielt ein phase-in insbesondere für KWK unterstützen sollten. Für das Land Bremen wären entsprechende Unterstützungsmaßnahmen auf Basis von publicprivate partnerships vor allem für Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung auf SOFC-Basis zu sehen, die ein mittelfristig großes Potenzial verspricht und für die sich mehrere Hersteller stark interessieren. Um die abzusehende Serienreife von PEM-BHKW voranzutreiben, könnte das Impuls-Programm des Landes eine gezielte Förderung in Niedrigenergiehäusern sowie Schulen vorsehen. Parallel sollte Bremen aber auch die Entwicklung von BZ für Schiffe sowie Dieselzüge beobachten, da hier ggf. wichtige Impulse für die Schienenfahrzeug- und Werftindustrie gegeben werden könnten. 5 Literatur DLR (Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt) 1998a: Ökologische und ökonomische Bewertung von PEFC-BHKW am Beispiel einer Nahwärmeversorgung, H. Dienhart, J. Nitsch, M. Pehnt, Stuttgart 3 Die Bilanzierungen der Herstellungsaufwendungen für MCFC und SOFC sind noch relativ unvollständig, sodass bei genaueren Analysen durchaus ein Gleichstand erreichbar sein könnte. 4 Jedoch haben mehrere Hersteller im In- und Ausland PEM-basierte Kleinst-BHKW für Haushalte angekündigt, die in den nächsten Jahren serienreif werden sollen. 7
8 DLR (Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt) 1998b: Umweltverträglichkeit von PEFC- Brennstoffzellen, M. Pehnt, V. Reusing, H. Dienhart, in: Proc. 11. Int. Sonnenforum, Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, Köln, 26.-30.7.1998 EVA (Energieverwertungsagentur)/AFG (Austria Ferngas GmbH) 1999: Brennstoffzellen-Systeme Energietechnik der Zukunft?, G. Simader, T. Heissenberger, i.a. des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, Wien (Bericht verfügbar unter http://www.eva.wsr.ac.at/publ/dl.htm) Fritsche, Uwe R. 1998: Strombereitstellung mit Gas--KW, Gas-BHKW und Gas/LH2-PEM- Systemen im ganzheitlichen Umweltvergleich, Beitrag zum UBA-Fachgespräch Brennstoffzellen am 18./19.5.98 in Berlin (Beitrag verfügbar unter http://www.oeko.de/service/gemis/files/ubabz.zip) LBS (Ludwig-Bölkow-Sytemtechnik) 1999: Brennstoffzellen für die Kraft-Wärme-Kopplung, U. Bünger, Beitrag zur Fachveranstaltung Mobile, stationäre und portable Anwendungen von Brennstoffzellen im Haus der Technik am 18.10.1999, Ottobrunn (Bezug unter http://www.hydrogen.org/wissen/hdt99.html) Öko (Öko-Institut Institut für angewandte Ökologie e.v.) 1999: KEA mehr als eine Zahl, U. Fritsche et al., i.a. des Umweltbundesamts (Bezug der Broschüre mit CD kostenlos bei UBA Bibliothek sowie unter http://www.oeko.de/service/kea/) TAB (Büro für Technologiefolgen-Abschätzung des Dt. Bundestags) 1997: Zum Entwicklungsstand der Brennstoffzellen-Technologie, TAB-Arbeitsbericht Nr. 51, Bonn (Zusammenfassung unter http://www.tab.fzk.de/deut/projekte/zusa/ab51.htm) UBA (Umweltbundesamt) 1999: Technische Optionen zur Verminderung der Verkehrsbelastungen, R. Kolke, Reihe TEXTE Nr. 33/99, Berlin VDI (Verein Deutscher Ingenieure) 1999a: Handbuch - Kraft-Wärme-Kopplung mit Verbrennungsmotoren, Düsseldorf VDI (Verein Deutscher Ingenieure) 1999b: Blockheizkraftwerke 99 - Technik und Entwicklung, Wirtschaftlichkeit, Betriebserfahrung, VDI Berichte 1485, Essen Wendt, H. 1998: Stand der PAFC Technik, in: VDI-Berichte Nr. 1383, S. 39-49, Essen Zapp, Petra 1998: Ganzheitliche Material- und Energieflußanalyse von SOFC Hochtemperaturbrennstoffzellen, FZ Jülich STE, Bericht jül-3497, Jülich 8