Kommunale Gesundheitskonferenzen als innovatives Instrument der Gesundheitspolitik Thomas Altgeld Berlin, den 5. November 2009
Gliederung 1. Inhaltliche Fundierung 2. Demografische Herausforderungen für Kommunale Gesundheitskonferenzen 3. Strukturelle Herausforderungen für Kommunale Gesundheitskonferenzen
Handlungsebenen der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung (1986) Politisches Handeln, das Rahmenbedingungen schafft, z. B. durch Gesetze Lebenswelten, die Gesundheit fördern, z. B. am Arbeitsplatz, in der Schule, Nachbarschaft und Familie Persönliche Kompetenzen stärken Soziales gemeinschaftliches Handeln (Gemeinschaftsaktionen) Neuorientierung des professionellen Gesundheitshandelns (Klientenorientierung und Prävention)
Merkmale einer gesunden Stadt (Gesunde Städte-Netzwerk, 1991) Der Rat der Stadt befürwortet die Gesunde Städte-Konzeption und erklärt sich damit gleichzeitig mit den Zielen und Inhalten der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung (1986) einverstanden. Die Benennung einer für die kommunale Gesunde Städte-Arbeit zuständigen Person hat verbindlich zu erfolgen. Eine ressortübergreifende gesundheitsfördernde Politik ist zu entwickeln. Gesundheitsfördernde Inhalte und Methoden sollen bei allen öffentlichen Planungen und Entscheidungen berücksichtigt werden. Ziel ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich verstärkt an der Gestaltung ihrer Lebens- und Umweltbedingungen beteiligen können. Für diese Mitwirkung wird die Schaffung geeigneter Unterstützungs- und Koordinierungsstrukturen empfohlen. Verständliche und zugängliche Informationen und Daten sollen den Prozess zu einer gesunden Stadt begleiten (Gesundheits- und Sozialberichterstattung).
4. Internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung (Jakarta, 1997) Förderung sozialer Verantwortung für Gesundheit Ausbau der Investitionen in die Gesundheitsentwicklung Festigung und Ausbau von Partnerschaften für Gesundheit Stärkung der gesundheitsfördernden Potenziale von Gemeinschaften und der Handlungskompetenzen des Einzelnen Sicherstellung einer Infrastruktur für die Gesundheitsförderung Determinanten von Gesundheit
5. Internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung (Mexiko, 2000) Die Festlegung der Förderung der Gesundheit als grundlegende Priorität im Hinblick auf Politiken und Programme von lokaler bis internationaler Ebene, die Verpflichtung zur Übernahme der Führungsrolle seitens der Nationalen Gesundheitsministerien, unter besonderer Berücksichtigung folgender Prozesse: der aktiven Beteiligung von gesellschaftlichen Gruppen und Sektoren von Maßnahmen, die Partnerschaften stärken und der Bildung und Stärkung von effizienten Netzwerken. Politikstrategien, Verantwortung der Politik
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2. Demografische Herausforderungen für kommunale Gesundheitskonferenzen
A) Jung und arm: Zusammenfassung Lebensrisiken von sozial benachteiligten Kindern Materielle Armut von Kindern vermindert die Bildungschancen, die Gesundheitschancen und die Teilhabemöglichkeiten sowie die Chancen gewaltfrei aufwachsen immens. Soziale Unterstützungssysteme investieren in die Bewältigung einzelner Lebensrisiken, z.b. frühe Hilfen, andere Leistungen der Jugendhilfe oder GKV, in das Umfeld der Kinder wird dagegen kaum investiert. Insbesondere fehlen nachhaltige Investitionen in Bildung, im deutschen Bildungswesen wird vor allem gefordert und selektiert und nicht gefördert und integriert.
Tägliches Rauchen (HBSC-Studie, Becker und Klocke, 2002, zitiert nach Kolip) Hauptschule Realschule Gymnasium 25 22 20 in Prozent 15 10 16 8 5 0
Emotionale Unterstützung von 11- bis 17- jährigen Jugendlichen (Selbsturteil) (KIGGS, 2007) Gibt es jemanden, der Dir zuhört, wenn Du das Bedürfnis danach hast (häufig nicht) Jungen Niedriger Sozialstatus 31,2 % Mittlerer Sozialstatus Hoher Sozialstatus 24,7 % 22,1 % Mädchen Niedriger Sozialstatus 17,9 % Mittlerer Sozialstatus Hoher Sozialstatus 13,8 % 11,7 %
B) Bunter: Beispiel Dissen (Habermann, Majerkski, 2009)
Bunter: Beispiel Dissen (Habermann, Majerkski, 2009) Dissener 89,74% Dissener Migranten Migranten 10,26% Quelle: Einwohnermeldeamt Dissen Stand 01.01.2009
Beispiel Dissen (Habermann, Majerkski, 2009) Die Dissener mit Migrationshintergrund kommen aus.. Türkei: 212 Syrien: 16 Österreich: 7 Thailand: 2 Moldawien: 1 Portugal: 150 Griechenland 16 Libyen: 6 Mexiko: 2 Taiwan: 1 Polen: 115 Serb.-Monte. 12 Mazedonien: 6 Montenegro: 2 China: 1 Italien: 102 Irak: 12 Tschechien: 4 Frankreich: 2 Nepal: 1 Spanien: 61 Rumänien: 12 Albanien: 3 Georgien: 2 Pakistan: 1 Srilanka 56 Kroatien: 11 Kuba: 3 Ghana: 2 Indien: 1 Vietnam: 45 Bosnien: 11 Aserbaidsch.: 3 Schweden: 1 Indonesien: 1 Rußland: 33 Serbien: 9 Litauen: 3 Algerien: 1 Iran: 1 Lettland: 26 Libanon: 9 Phillipinien: 3 Schweiz: 1 ungeklärt: 1 Kasachstan: 21 Ungarn: 20 Niederlande: 17 Ukraine: 9 Brasilien: 8 Groß-Britan.: 8 Kongo: 2 Weißrußland: 2 Belgien: 2 USA: 1 Bolivien: 1 Tadschikistan: 1 Ingesamt leben in Dissen 57 Nationen Quelle: Einwohnermeldeamt Dissen Stand 01.01.2009
C) Älter
Altersstereotypen
Altersgruppen über 50 50-67 Jahre noch aktiv im Arbeitsleben (Verlängerung der Lebensarbeitszeit) 55-75 Jahre der Übergang in den (Un)Ruhestand (junge Alte, Best Ager, Silver Consumer, Happy Ender) 75-85 Jahre zum Teil passivere Altersrollen, das Alter und die Ansprache als Senioren wird akzeptiert 70-95 Jahre Bedarf an Unterstützung nimmt zu ab 90 Jahre Risiko der Pflegebedürftigkeit und Demenzrisiko hoch Angelsächsische Differenzierungen: gogos, slowgos, nogos
Welche Altersbilder haben Professionelle, die Dienstleistungen für ältere Menschen anbieten? Welche physischen, psychischen und kognitiven Dimensionen spielen eine Rolle? Die Bandbreite der individuellen Konzepte z.b. von Ärzten/innen und Medizinstudenten/innen variiert dabei zwischen den beiden Polen "Gesundheit im Alter als erstrebenswertem Ziel" und "Gesundheit im Alter als Illusion". (Walter, Flick u.a. 2006) Im Pflegebereich zeigen Untersuchungsergebnisse, dass der Ausbildungsstand des Personals als wichtige Einflussvariable für Stereotypen darstellt. Zudem sinkt die positive Einstellung gegenüber Älteren mit dem Gesundheitszustand der Älteren (Weber u.a. 1997).
WHO-Ziel: Bis zum Jahr 2020 sollte Menschen im Alter von über 65 Jahren die Möglichkeit geboten werden, ihr Gesundheitspotential voll auszuschöpfen und eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu spielen.
D) Männerbezogener? Risikoverhalten (Faltermeier, 2009) Personale Risiken und Risikoverhaltensweisen: Risikobereites Verhalten in in Adoleszenz (Mutproben) Risikosportarten m > w Sexuelles Risikoverhalten m > w Risikoverhalten im im Verkehr m > w (alle (alle Altersgruppen) Gewalthandlungen m > w (alle (alle Altersgruppen) Rauchen m > w (alle (alle Altersgruppen?) Alkohol m > w (alle (alle Altersgruppen) Illegale Drogen m > w Medikamente w > m (alle (alle Altersgruppen) 23
Themen Bielefelder Gesundheitskonferenz 2009 1. AG Gesundheitsziele (Auswertung der Bielefelder Gesundheitsziele 2003-2007, Bevölkerungsbefragung 2008) 2. Netzwerk Frauen / Mädchen und Gesundheit (Kampagne HPV-Impfung, Herzinfarkt-Kampagne, Begleitung der geschlechtsspezifischen GBE) 3. Netzwerk Brustkrebsversorgung (Beobachtung der Versorgungssituation, IQ-Zirkel Brustkrebs) 4. Thema Gesundheitsförderung im Vorschulalter (OPUS-Netzwerk für gesundheitsfördernde Kindertagesstätten in Bielefeld, Projekt der Plattform Ernährung und Bewegung, Fortbildung von Erzieherinnen ) 5. AG Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche (Multiplikatorenschulung und Zukunftswerkstatt für KiTas im OPUS-Netzwerk) 6. AG Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätssyndrom (Begleitung Kita- Untersuchungen, Aktualisierung AD(H)S-Wegweiser) 7. AG Männergesundheit (Planung Fachtag zur Männergesundheit 2009) 8. Thema Migration und Gesundheit (Beteiligung am Integrationskonzept, Begleitung MiMi-Projekt, Kooperation mit Amt für Integration u. Interkulturelle Angelegenheiten in der Gesundheitsförderung für Kinder) 9. Thema Gesundheitsförderung 55plus (Begleitung der Projekte Zwischen Arbeit und Ruhestand in 4 Bielefelder Stadtteilen)
3. Struktrulle Herausforderungen für kommunale Gesundheitskonferenzen
Strukturelle Herausforderungen Ausstattung und Qualität Daten? (Versorgungsdaten GKV, Demografiedaten) Verzahnung mit Parallelprozessen mit ähnlichen Zielstellungen Themenmanagement Gelingende Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern
Gesunde Städte-Umfrage (Plümer & Trojan, 2002) Kernfragen, wie die lokalen Koordinationsstellen ausgestattet sind, wie das 9-Punkte-Programm in den Kommunen umgesetzt wird (einschließlich der Mindeststandards und Qualitätskriterien), welchen Stellenwert die weiteren Netzwerkinstrumente haben (Gesunde Städte-Preis, Gesunde Städte-Nachrichten, Symposium, Sekretariat, Kölner Erklärung ) und wie deren Umsetzung (insbesondere 9-Punkte-Programm ) und Nutzwert jeweils bewertet werden.
Gesunde-Städte-Barometer (Plümer & Trojan, 2004) Qualitätsindikatoren: Ausstattung Selbstverpflichtung Konzeptqualität Integriertheit im Netzwerk selbstbewerteter Erfolg Integriertheit in der Stadt
Daten für Taten? Hormonersatztherapie in den Wechseljahren (Glaeske, GEK-Daten) 24 23 18 25 22 26 28 27 20 21 29 19 17 16 46 45 44 47 48 49 59 33 32 30 31 38 99 39 13 10 14 12 03 15 52 53 40 41 42 54 50 51 66 58 56 57 55 65 35 64 67 68 61 60 69 34 63 36 37 97 98 96 90 06 07 95 08 04 92 09 01 02 Prävalenz altersstandardisiert 0 13,68 13,69 15,15 15,15 16,4 16,41 21 76 75 71 70 74 73 89 91 93 94 77 79 78 72 88 87 86 81 82 85 80 84 83
Ritalinverordnungen (Glaeske, GEK-Daten) 0 0,4 0,8 1,2 Anteil männliche Versicherte in % 65 Wiesbaden 56 Koblenz 61 Bad Vilbel ADHSrelevante Verordnungen 1/2002 bis 6/2004 24 Kiel 25 Elmshorn 21 Hamburg/Lüneburg 26 Oldenburg 31 Hildesheim 48 Münster 59 Hamm 46 Oberhausen 47 Duisburg 58 Hagen 41 M önchengladbach 57 Siegen 52 Aachen 53 Bonn 54 Trier 55 Mainz 67 Kaiserslautern 68 Mannheim 69 Heidelberg 76 Karlsruhe 75 Pforzheim 77 Offenburg 70 Stuttgart 23 Lübeck 22 Hamburg/Ahrensburg 29 Celle 14 Potsdam 12 Berlin 38 Braunschweig 04 Leipzig 34 Kassel 35 Gießen 96 Bamberg 63 Aschaffenburg 97 Würzburg 95 Hof 92 Amberg 91 Ansbach 90 Nürnberg 93 Regensburg 94 Passau 74 Heilbronn 86 Augsburg 89 Ulm 86 Augsburg 87 Kempten Thomas Altgeld: LVG & AFS Niedersachsen e.v., Berlin, kommunale88 Gesundheitskonferenzen Friedrichshafen 11/2009 79 Freiburg 71 Böblingen 72 Tübingen
Parallelprozesse oder Kernbereiche? Lokale Agenda Kommunale Armutsprävention Kriminalprävention Soziale Stadt Quartiersentwicklungstrategien Gesundheitsbezogene Bündnisse : Bündnisse gegen Depression Aktionsbündnisse Bewegung und Ernährung
Download unter gesundheit-nds.de
Kommunale Strategien gegen Kinderarmut Existenz von Kinderarmut auf kommunaler Ebene wahrnehmen Mehr als materielle Armut: Kinderarmut richtig einschätzen Regelmäßige Berichterstattung über Kinderarmut einführen Leistungsfähiges Netzwerk Früher Hilfen aus/aufbauen Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder ausbauen Konzepte zur Elternbildung entwickeln Konzepte zur Gesundheitsförderung in Kitas, Schulen und Wohnumfeld entwickeln Teilhabe sichern mittels finanzieller Unterstützung durch die Kommunen Qualitätssicherung für den Prozess gewährleisten
Bettina Schmidt, EFH Bochum
Integrierte Prävention vor Ort: KIKS UP, Bad Nauheim KIKS UP ist eine Initiative des Fördervereins SV Schwalheim Jugend und Kultur e. V. und der Stadt Bad Nauheim. Ein Gesamtkonzept zur Förderung der Lebenskompetenz von Kindern aller sozialen Schichten Das Projekt fasst verschiedene Präventionsansätze zusammen: Sucht- und Gewaltprävention, Sport- und Bewegungsförderung sowie Ernährungsschulung (u.a. Eigenständig werden, Starke Eltern-Starke Kinder und Papilio). Schwerpunktmäßig wird KIKS UP an Kindergärten/Kindertagesstätten und Grundschulen durchgeführt unter Einbindung der Eltern und aller Präventionseinrichtungen/Vereinen vor Ort. Derzeit nehmen alle Kindergärten/ Kindertagesstätten (11 x) und fast alle Schulen (4 x) aus Bad Nauheim am Projekt teil. Evaluiert werden die Synergieeffekte zwischen den Programmen, die Einzelbausteine sind bereits evaluiert
Jeder ist seines Glückes Schmied