abcdefg Einleitende Bemerkungen von Thomas Jordan Mediengespräch

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abcdefg Mediengespräch Genf, 17. Juni 2010 Einleitende Bemerkungen von Thomas Jordan Einleitung Vor einem Jahr war das Finanzsystem noch in einem äusserst fragilen Zustand. Die Krisenbewältigung stand im Zentrum unserer Anstrengungen. Doch bereits damals machten wir auch auf die Dringlichkeit einer Entschärfung der Too big to fail -Problematik aufmerksam. Vieles ist seither geschehen: Die krisengeschüttelte Finanzbranche hat sich deutlich erholt, und auf nationaler und internationaler Ebene arbeiten die Politik, die Aufsichtsbehörden und die Zentralbanken intensiv an einer Einschränkung der Too Big to Fail - Problematik. Dabei ist das Ziel klar: Die Öffentlichkeit und die Steuerzahler sollen in Zukunft nicht mehr für die Rettung von Banken gerade stehen müssen. Ich möchte im Folgenden auf der Grundlage unseres jüngsten Stabilitätsberichts zunächst auf die Lage im Schweizer Bankensektor und danach auf die weiteren Schritte zur Lösung der Too big to fail -Problematik eingehen. Lage im Schweizer Bankensektor Die Lage des Schweizer Bankensektors hat sich verbessert. Nach einem katastrophalen Jahr 2008 konnte die UBS ihre Situation im Verlauf des letzten Jahres stabilisieren. Bei der Credit Suisse kann man nun sogar von einer Normalisierung sprechen. Die massiven Stützungsmassnahmen der Regierungen und Zentralbanken trugen wesentlich dazu bei, dass sich die Weltwirtschaft, die Finanzmärkte und somit auch die Banken früher und stärker erholten, als noch vor einem Jahr erwartet. Allein zur Stützung des Bankensektors gingen die wichtigsten Industrienationen Verpflichtungen ein, Gelder im Umfang von beinahe 20% des Bruttoinlandprodukts einzusetzen. Als Folge der verschiedenen Massnahmen zur Stützung der Konjunktur und des Bankensektors ist die Verschuldung vieler Länder und in einigen Staaten auch das Länderkreditrisiko deutlich gestiegen. Die international tätigen Grossbanken einschliesslich der Schweizer Grossbanken haben von diesen Stützungsmassnahmen stark profitiert und konnten ihre Profitabilität im letzten Jahr erhöhen. Gleichzeitig haben die Schweizer Grossbanken ihre Bilanzsummen um rund einen Viertel reduziert. Ihre Kapitalausstattung hat sich im Vergleich zum Vorjahr wesentlich verbessert. Insbesondere ihre risikogewichteten Eigenkapitalquoten sind deutlich gestiegen und sie sind auch im internationalen Vergleich hoch. Dies ist eine sehr positive Entwicklung. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Verschuldungsgrad beider Grossbanken immer noch hoch ist und zwar für sich betrachtet als auch im

Genf, 17. Juni 2010 2 internationalen Vergleich. Von der in der Schweiz ab 2013 geltenden Zielgrösse für den Verschuldungsgrad sind sie weiterhin deutlich entfernt. Die weitere Stärkung der Kapitalausstattung und damit verbunden die weitere Anpassung des Geschäftsmodells in Richtung Sicherung einer nachhaltigen Profitabilität bleiben daher für die Grossbanken zentrale Herausforderungen. Die Profitabilität und die Kapitalausstattung der inlandorientierten Banken d.h. der Kantonal-, Regional- und Raiffeisenbanken lagen im Jahr 2009 deutlich über dem langfristigen Durchschnitt. Der Rückgang des Bruttoinlandprodukts von Mitte 2008 bis Mitte 2009 hinterliess bei diesen Banken bis anhin kaum Spuren, so dass der Rückstellungsbedarf für Kreditrisiken auch 2009 tief blieb. Dennoch beurteilen wir die Situation dieser Bankengruppen als weniger komfortabel, als sie auf den ersten Blick erscheint. Erstens muss die Kapitalausstattung der Kantonalbanken mit Staatsgarantie und der Raiffeisenbanken etwas relativiert werden. So können die Raiffeisenbanken noch bis Ende 2011 die Nachschusspflicht der Genossenschafter als Eigenmittel anrechnen und die Kantonalbanken aufgrund der Staatsgarantie einen Rabatt auf den Eigenmittelanforderungen geltend machen. Ohne diese Erleichterungen wären die Eigenmittelquoten insbesondere bei den Raiffeisenbanken deutlich tiefer. Zweitens schätzen wir die Risiken bei den inlandorientierten Banken im Vergleich zum Vorjahr höher ein. Zum einen liegt das Zinsrisiko bei den Kantonal- und Raiffeisenbanken auf einem historisch hohen Niveau. Zum anderen deutet das stark gestiegene Kreditvolumen speziell im Hypothekarbereich vor dem Hintergrund der immer noch bestehenden konjunkturellen Unsicherheit und der stark gestiegenen Immobilienpreise auf höhere Kreditrisiken hin. Hinzu kommt, dass die Banken für Erstranghypotheken auf Wohnliegenschaften unter Basel II weniger Eigenmittel halten müssen als noch unter Basel I. Konkret musste eine Hypothek vor 2007, d.h. unter Basel I, mit 4% Eigenmitteln unterlegt werden; seither, d.h. unter Basel II, sind es nur noch 2,8%. Dies gibt Banken nicht nur einen Anreiz, mehr Hypotheken zu vergeben, sondern ermöglicht es ihnen auch, den Eigenmittelpuffer, der Kreditverluste auffangen soll, zu reduzieren. Angesichts der gestiegenen Kredit- und Zinsrisiken ermahnen wir insbesondere die inlandorientierten Banken zur Vorsicht. Sie müssen auf einen allfälligen Zinsanstieg vorbereitet sein. Neben den direkten Auswirkungen auf die Zinsmarge sind vor allem auch die indirekten Auswirkungen eines Zinsanstiegs zu berücksichtigen: Wenn Kredite vergeben werden, ohne die finanzielle Situation der Kreditnehmer ausreichend zu berücksichtigen, führt ein Zinsanstieg zwangsläufig zu höheren Kreditausfällen. Die inlandorientierten Banken sind wie ich erwähnt habe historisch gesehen gut kapitalisiert. Sie sind aber angesichts der Risiken und der Unsicherheit auch auf dicke Kapitalpolster angewiesen. Der starke Anstieg der inländischen Hypothekarkredite und der Immobilienpreise vor dem Hintergrund des historisch tiefen Zinsniveaus veranlasste uns im ersten Quartal dieses Jahres, bei den wichtigsten Banken im Schweizer Hypothekargeschäft eine Umfrage durchzuführen. Wir dürfen die Lehren aus vergangenen Krisen nicht vergessen. Die Immobilienkrise der 1990er Jahre mit ihren gravierenden Folgen für den Schweizer Bankensektor, aber auch das jüngste Beispiel die Subprime-Krise erinnern uns daran, dass ungesunde Entwicklungen auf dem Hypothekarmarkt eine Bedrohung für die Stabilität des Bankensystems darstellen und daher die volle Aufmerksamkeit der Zentralbank verlangen. Die Ergeb-

Genf, 17. Juni 2010 3 nisse unserer Umfrage geben keinen Anlass zur Entwarnung. Zwar geht daraus hervor, dass die Banken zwischen 2005 und 2009 ihre Kreditvergabekriterien nicht gelockert haben. Diese Kreditvergabekriterien scheinen aber bei Banken mit einem insgesamt bedeutenden Marktanteil wenig konservativ zu sein. So gehen nicht wenige Banken bei der Berechnung der Tragbarkeit von einem im historischen Vergleich tiefen Zinssatz aus. Zudem sind gemäss Aussage der Banken Abweichungen von den Vergabekriterien in der Praxis keine Seltenheit: Eine Anzahl von Banken mit einem Marktanteil von fast 25% meldete Abweichungen bei über 20% der im Jahr 2009 neu vergebenen Hypothekarkredite. Ferner sind die Angaben der Banken bezüglich der tatsächlichen Anwendung der Vergabekriterien lückenhaft. Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass einige Banken über die Risiken in ihren Hypothekarkreditportefeuilles nur ungenügend im Bild sind. Die Nationalbank misst dieser Thematik hohe Priorität bei und wird daher die Entwicklung auf dem Hypothekarmarkt weiterhin genau verfolgen. Wir werden die Analyse der Risiken auch in enger Zusammenarbeit mit der FINMA und den Banken selber vertiefen und den Handlungsbedarf prüfen. Vorsicht bei der Kreditvergabe ist jedenfalls angezeigt. Bei der Beurteilung der Tragbarkeit der Schulden ist zu berücksichtigen, dass die Zinsen im historischen Vergleich ausserordentlich tief sind. Konservative Belehnungsgrenzen sind unumgänglich, insbesondere für diejenigen Objekttypen und Regionen, die in den letzten Jahren einen starken Preisanstieg verzeichnet haben. Ausblick Für das laufende Jahr gehen wir von einer weiteren Erholung der Weltwirtschaft aus. Diese ist jedoch fragil, da sie bis jetzt hauptsächlich auf die Stützungsmassnahmen der Regierungen und Zentralbanken zurückzuführen gewesen ist. Die Unsicherheit bleibt überdurchschnittlich hoch. Angesichts der Finanzierungsschwierigkeiten einiger europäischer Staaten haben die Abwärtsrisiken in den letzten Monaten wieder zugenommen. Dringend notwendige Sparmassnahmen und steigende Risikoprämien könnten die Erholung gefährden und wieder eine längere Periode verstärkter Kreditausfälle, eventuell sogar erneute Turbulenzen an den Finanzmärkten, nach sich ziehen. Eine solche Entwicklung würde für den Schweizer Bankensektor eine grosse Herausforderung darstellen. Dies deshalb, weil neben einer konjunkturellen Verlangsamung und einem Einbruch an den Finanzmärkten auch die Übertragung von Problemen quer durch das internationale Bankensystem destabilisierend wirken könnte. Die indirekten Risiken wiegen somit schwer für die Schweizer Banken, auch wenn die direkten Risiken gemessen an den direkten Forderungen gegenüber den bis jetzt besonders betroffenen Staaten - moderat sind. In diesem Umfeld scheint es uns für die Banken nicht angebracht, den Risikoappetit zu erhöhen. Reform der regulatorischen Rahmenbedingungen / Too big to fail Vor einem Jahr haben wir die Dringlichkeit einer Entschärfung der Too big to fail - Problematik betont. Wo stehen wir heute? Lassen Sie mich eines vorwegnehmen: Die Too Big to Fail -Problematik löst sich nicht von alleine. Die Grossbanken haben zwar im letzten Jahr und die Nationalbank begrüsst diese Entwicklung ausdrücklich ihre Bilanzsummen deutlich reduziert. Dadurch ist auch die Too big to be rescued -Problematik etwas kleiner geworden. Die Too big to fail -Problematik hat sich aber kaum entschärft. Die

Genf, 17. Juni 2010 4 Verbindlichkeiten der Grossbanken, die sich Ende 2008 noch nahezu auf das Sechsfache des BIP beliefen, konnten zwar per Ende 2009 auf etwas mehr als das Vierfache reduziert werden. Die Marktanteile in den für die Schweizer Volkswirtschrift relevanten Märkten und damit die Systemrelevanz sind jedoch unverändert hoch: Die Grossbanken vergeben einen Drittel der inländischen Kredite und halten einen Drittel der inländischen Einlagen. Mit anderen Worten: Die Schweiz bleibt verwundbar und der Handlungsbedarf ist weiterhin gross. Diese Einschätzung teilt auch die vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission zur Limitierung volkswirtschaftlicher Risiken durch Grossunternehmen, der ich als Vizepräsident angehöre. Sie schätzt die Grossbanken in ihrer heutigen Form und Grösse als klar systemrelevant ein. Die Expertenkommission hat Ende April ihren Zwischenbericht veröffentlicht. Die Too big to fail -Problematik soll durch ein Paket von Kernmassnahmen angegangen werden. Diese beinhalten besondere Anforderungen für systemrelevante Banken in den Bereichen Eigenmittel, Liquidität und Organisationsstruktur. Diese Kernmassnahmen sind mit den im Financial Stability Board diskutierten Ansatz kompatibel. Neben den von der Expertenkommission vorgeschlagenen Massnahmen werden international auch Massnahmen wie das Zerschlagen von Grossbanken, das Verbot von einzelnen Aktivitäten wie dem Eigenhandel oder die Besteuerung von Bilanzen und Transaktionen in Erwägung gezogen. Die Nationalbank unterstützt die bisherigen Vorschläge der Expertenkommission voll und ganz. Die Stossrichtung ist richtig. Wichtig ist nun die konkrete Ausgestaltung der Massnahmen. Unsere Position ist klar: Es ist unerlässlich, dass die Eigenmittelvorschriften signifikant erhöht werden und mit dem Grad der Systemrelevanz einer Bank steigen. Nur so kann erreicht werden, dass die Banken ihre Risiken, die sie bislang zum Teil der Allgemeinheit aufbürden konnten, internalisieren. Durch die progressive Ausgestaltung der Eigenmittelanforderungen soll zudem ein Anreiz zur Reduktion der Systemrelevanz und des damit verbundenen Bedrohungspotentials geschaffen werden. Lassen Sie mich hier festhalten, dass die Verschärfung der Eigenmittelvorschriften und die Einführung einer Verschuldungsgrenze von Ende 2008 nicht darauf ausgerichtet waren, die Systemrelevanz der Grossbanken auf ein akzeptables Niveau zu reduzieren. Sie waren vielmehr eine Antwort auf Mängel in der Regulierung, welche die damalige Krise schonungslos offengelegt hat, also eine Antwort auf die zu geringe Unterlegung der Risiken insbesondere im Handelsbuch mit Eigenkapital und das Fehlen einer antizyklischen Kapitalkomponente. Was die höheren Anforderungen an die Liquiditätshaltung systemrelevanter Banken betrifft, so konnten konkrete Massnahmen bereits umgesetzt werden. Die Liquiditätsanforderungen wurden von der FINMA und der Nationalbank in Zusammenarbeit mit den Grossbanken von Grund auf überarbeitet und treten per Ende dieses Monats in Kraft. Die dritte Kernmassnahme, die auf die Organisationstruktur hinzielt, ist ebenfalls wichtig. Die Organisation und die rechtliche Struktur der systemrelevanten Banken müssen so angepasst werden, dass im Notfall eine geordnete Liquidation möglich ist. Insbesondere soll die Weiterführung systemrelevanter Funktionen gewährleistet werden, ohne dass die gesamte Bank gerettet werden muss. Dies ist zweifellos nicht einfach zu erreichen. Die Um-

Genf, 17. Juni 2010 5 setzung dieser Massnahme muss den Herausforderungen Rechnung tragen, die sich aus der hohen Komplexität und der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit der Grossbanken ergeben. Sie muss glaubwürdig und robust sein und zwar sowohl in operationeller als auch in rechtlicher Hinsicht. Ein untauglicher Ansatz in diesem Bereich könnte bei der nächsten Krise fatale Folgen haben. Die Nationalbank wird sich weiterhin vehement für eine echte Entschärfung der Too big to fail -Problematik einsetzen. Wir vertrauen darauf, dass die Banken in der Expertenkommission weiterhin konstruktiv an einer Lösung mitarbeiten werden. Wir sind uns bewusst, dass die diskutierten regulatorischen Massnahmen für die Grossbanken mit Kosten verbunden sind. Zum einen bestehen diese Kosten aber in erster Linie darin, dass die Subvention in Form der faktischen Too big to fail -Versicherung reduziert wird. Weil dadurch im gleichen Umfang die Kosten für den Steuerzahler reduziert werden, handelt es sich dabei aber nicht um volkswirtschaftliche Kosten. Zum andern wären alternative Massnahmen wie Verbote von Geschäftsaktivitäten für die Banken mit deutlich höheren Kosten verbunden. Wir sind zudem überzeugt: Langfristig profitieren auch die Grossbanken von erhöhten regulatorischen Anforderungen. Die jüngste Krise hat gezeigt, dass ein stabiles Finanzsystem eine Grundvoraussetzung für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unseres Finanzplatzes ist. Dies gilt insbesondere für den für die Schweizer Banken wichtigen Geschäftsbereich der Vermögensverwaltung. Eine sinnvolle Lösung der Too big to fail -Problematik in der Schweiz kann daher unser Bankensystem langfristig stärken und es strategisch gut platzieren.