Werkstoffe und Fertigung II Sommersemester 2004 Freiwilliger Übungstest 2 Wärmebehandlungen, physikalische Eigenschaften, Legierungen Donnerstag, 13. Mai 2004, 08.15 10.00 Uhr Musterlösung Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung, ETH Zentrum, CLA G 1.1
1 Glühverfahren a) Tragen Sie in der untenstehenden Liste bei jedem Wärmebehandlungsverfahren ein, welchen Einfluss es auf die Festigkeit hat (Senkung, Steigerung, kein Einfluss). Verfahren Einfluss auf die Festigkeit Normalglühen Spannungsarmglühen Weichglühen Härten Rekristallisationsglühen b) Welches Glühverfahren schlagen Sie vor, wenn Sie ein Material anschließend kaltumformen wollen? a) Normalglühen Steigerung Spannungsarmglühen kein Einfluss Weichglühen Senkung Härten (starke) Steigerung Rekristallisationsglühen Senkung b) Für Kaltumformung ist ein weichgeglühtes Ausgangsgefüge ideal: es besitzt eine tiefe Festigkeit und hohe Duktilität.
2 Martensitbildung Gegeben ist der Verlauf der Martensit-Start-Temperatur und der Martensit-Finish- Temperatur in Stählen in Abhängigkeit des Kohlenstoffgehalts (siehe Abbildung). Die beiden Stähle A (0.35 % C) und B (0.77 % C) werden aus dem Austenitgebiet schnell auf Raumtemperatur abgeschreckt (keine Bainit-, Perlit- oder Ferritbildung). Erwarten Sie, daß Restaustenit im Gefüge auftritt: a) beim Stahl A? b) beim Stahl B? c) Falls beim beschriebenen Vorgehen in einem Stahl Restaustenit auftritt, wie kann man diesen eliminieren? a) kein Restaustenit b) Restaustenit (M f liegt unter Raumtemperatur) c) Durch Abschrecken unter M f oder Anlassen.
3 Kontinuierliches ZTU-Diagramm Gegeben ist das kontinuierliche ZTU-Diagramm eines Stahls: a) Geben Sie an, mit welcher t 8/5 -Zeit (Zeitspanne für die Abkühlung von 800 auf 500 C) ein Teil abgekühlt wurde, das eine Härte von 324 HV aufweist. b) Geben Sie für das gleiche Teil die genauen Gefügebestandteile an. c) Wie schätzen Sie die Eignung dieses Stahls für die Produktion von durchgehärteten Teilen ein? a) 324 HV entspricht der mittleren der drei eingezeichneten Abkühlungskurven. Sie weist eine t 8/5 -Zeit von 82 s auf. b) Die Gefügebestandteile bei RT sind: Ferrit (69%), Bainit (13%) und Martensit (18%) c) Durchgehärtete, d.h. voll martensitische Teile erfordern, daß die obere kritische Abkühlgeschwindigkeit möglichst tief ist (Nasen im Diagramm möglichst weit rechts). Dieser Stahl weist jedoch eine hohe kritische Abkühlgeschwindigkeit auf (Bainit entsteht bereits nach 2 s), so daß er für durchgehärtete Teile nicht geeignet ist.
4 Kritische Abkühlgeschwindigkeiten a) Beschreiben Sie, was die obere beziehungsweise die untere kritische Abkühlgeschwindigkeit bedeutet. b) Welche Kurven im untenstehenden kontinuierlichen ZTU-Diagramm entsprechen diesen beiden Geschwindigkeiten? c) Geben Sie für beide Fälle die prozentualen Anteile aller Gefügebestandteile an. a) Obere kritische Abkühlgeschwindigkeit: kleinste Abkühlgeschwindigkeit, bei der noch voll martensitisches Gefüge entsteht (Kurve geht links vom Bainit-Feld durch). Untere kritische Abkühlgeschwindigkeit: kleinste Abkühlgeschwindigkeit, bei der noch Martensit im Gefüge entsteht (Kurve schneidet die M s -Linie möglichst weit rechts). b) Obere kritische Abkühlgeschwindigkeit: Kurve Nr. 2 Untere kritische Abkühlgeschwindigkeit: Kurve Nr. 6 c) O. k. A.: 100 % Martensit (per definitionem!) U. k. A.: 26% Ferrit, 50% Perlit, 20% Bainit, 4% Martensit
5 Ausscheidungshärtung Eine Aluminiumlegierung wird durch Ausscheidungshärtung gehärtet. Dabei können zwei verschiedene Verfahren eingesetzt werden, nämlich Kalt- oder Warmauslagerung. Bei Kaltauslagerung entstehen relativ kleine, kohärente Teilchen, nach einer Warmauslagerung sind die Teilchen größer und nicht kohärent. a) Ordnen Sie den beiden Fällen den entsprechenden typischen Versetzungsmechanismus (Schneide- oder Umgehungsmechanismus) zu. b) In welchem der beiden Fälle ist die höhere Festigkeit des Materials zu erwarten? c) Beschreiben Sie bei vorgegebenem Legierungsgehalt der teilchenbildenden Komponente ein Gefüge mit optimaler Härtung. d) Wann lohnt sich die Zugabe weiterer teilchenbildender Komponenten? a) kohärente Teilchen: Schneidemechanismus inkohärente Teilchen: Umgehungsmechanismus b) Bei inkohärenten, größeren Teilchen ist die Festigkeit i.a. höher. c) Optimale Härtung ist dann erreicht, wenn möglichst viele Teilchen ausgeschieden sind, ohne daß sich diese bereits vergröbert haben (Übergang von normaler Ausscheidung zu Ostwaldreifung). Die Matrix ist dann nicht mehr übersättigt, die Teilchen mit möglichst kleinem Abstand verteilt. d) Befindet sich die Legierung noch ein Stück unterhalb der maximalen Löslichkeit der teilchenbildenden Komponente im Mischkristall (Abbildung, Legierung A), kann durch weiteres Zulegieren der maximal mögliche Teilchenanteil gesteigert werden. Bei Legierungen, die schon nahe der maximalen Löslichkeit sind (Legierung B) ist eine Steigerung durch Zulegieren nicht mehr möglich, da dann kein Lösungsglühen mehr möglich ist (kein Einphasenfeld beim Aufheizen).
6 Elektrische und thermische Leitfähigkeit Kupfer mit 0.5 % Tellur weist bei 25 C eine Wärmeleitfähigkeit von 320 Wm -1 K -1 auf. a) Berechnen Sie die elektrische Leitfähigkeit bei der gleichen Temperatur (Lorentz-Zahl L = 2.3 10-8 V 2 K -2 ) b) Wie müssen Sie die Legierungszusammensetzung verändern, um eine möglichst hohe elektrische Leitfähigkeit zu erreichen? c) Ein sich stark erhitzendes Computerbauteil (T = 80 C) ist mit dem Computergehäuse (T = 25 C) durch eine Schraube (Länge = 22 mm, Durchmesser = 4 mm) verbunden. Berechnen Sie die Wärmestromdichte in der Schraube (l = 54 Wm -1 K -1 ). a) l c = LT fi c = l LT = 320 W K 2 2.3 10-8 298 V 2 m K = 4.67 2 107 W -1 m -1 b) Die höchste Leitfähigkeit haben reine Metalle. Es ist daher ein möglichst Geringer Gehalt an Te (wie auch an anderen Fremdatomen) erforderlich. c) Wärmestromdichte: = -l dt. dt/dx wird als konstant über die Schraubenlänge dx angenommen: DT/Dx = 55K/0.022m fi = 135'000 Wm -2
7 Elektro-magnetische Eigenschaften Induktiv (d.h. durch schnell wechselnde Magnetfelder) erzeugte Wärme hat gegenüber anderen Erwärmungsverfahren eine besondere Eigenschaft: Sie entsteht direkt im elektrisch leitenden Material. Der Erwärmungsprozess kann so deutlich beschleunigt werden. Weiter zeichnet sich die induktiv erzeugte Wärme dadurch aus, daß die Eindringtiefe d in die zu erwärmende Oberflächenschicht über die Frequenz ƒ des Heizgenerators frei einstellbar ist: d = r el p m r m r el : elektrischer Widerstand; µ r : relative Permeabilität a) Wie ändert sich bei konstanter Heizfrequenz die Eindringtiefe im Werkstück eines ferromagnetischen Stahls, wenn er von 20 C (r el = 1.6 10-7 Wm, µ r = 300) auf 1000 C (r el = 1.2 10-6 Wm, µ r = 1) erwärmt wird? b) Was bedeutet die Curietemperatur und bei welcher Temperatur liegt sie? c) Erklären Sie, wie der Ferromagnetismus zustande kommt. d) Erklären Sie, was die Ursache der Hysterese beim Magnetisierungsprozess ist. a) m r (T=1000 C) = 1 d r 1000 el,1000 m r = d r m 20 el,20,20 r,1000 fi d 1000 = 47 d 20 b) Der Ferromagnetismus geht in den Paramagnetismus über. T C (Stahl) = 768 C c) Die einzelnen magnetischen Momente der Atome richten sich innerhalb bestimmter Gebiete (Domänen) in die gleiche Richtung aus. d) Die Ausrichtung einzelner Domänen wird bei starker Magnetisierung irreversibel um 180 gedreht. Ebenfalls finden irreversible Blochwandverschiebungen statt. Diese Prozesse können erst rückgängig gemacht werden, wenn ein genügend großes Gegenfeld angelegt wird.
8 Elastische und thermische Eigenschaften a) Berechnen Sie mit Hilfe des Hookschen Gesetzes die Längenänderung DL einer 1m langen Aluminiumstange (Ø 1mm), an der ein 10l Eimer voll Wasser hängt (der Eimer wird als masselos angenommen). b) Metalle dehnen sich thermisch aus. Bei welcher Temperaturerhöhung DT weist eine identische, unbelastete Aluminiumstange die gleiche Längenänderung wie im Fall a) auf? Angaben: Elastizitätsmodul E Al = 70 GPa, Linearer Wärmeausdehnungskoeffizient a Al = 24 10-6 K -1 Bemerkung: Falls Sie für Aufgabenteil a) keine Lösung haben, nehmen Sie eine Längenänderung von DL = 2.5 mm an. a) V = m g fi m = V g 3 10dm = 1 g / cm = 10 kg F m g 10 9.81 s = = = = 124.9 MPa 2 A p ( D / 2) 1 2 p ( ) 2 s 124.9 s = E e fi e = = = 0.18% E 70000 DL = e L = 1.8mm 3 b) e th fi = a DT = 0.18% e th DT = a -3 1.8 10 = -6 24 10 K -1 74.3 C b1) DL e th,2 = 0.25% L e th,2 DT = = 104 C a Al
9 C-Löslichkeit Die Aufnahmefähigkeit (Löslichkeit) für Kohlenstoff in Eisen ist je nach Temperatur und Kristallgitter sehr unterschiedlich. Fe 3 C bindet eine bestimmte Menge C. Nennen Sie den maximalen Gehalt von C für: a) a-mk bei 723 C b) g-mk bei 1147 C c) Fe 3 C d) Schmelze e) Wieviel Prozent C-Gehalt markiert eine eindeutige Grenze zwischen Stahl und Gusseisen? a) 0.02% (fast reines Eisen) b) 2.06% (ca. 100-fach) c) 6.67% (mehr als 300-fach) d) unbegrenzt e) 2.06%
10 Bezeichnung Stahlwerkstoffe Erklären Sie ausführlich die folgenden Stahlbezeichnungen. Ordnen Sie die Begriffe Edel-, Qualitäts- und Grundstahl zu. Beschreiben Sie den Verwendungszweck der Stähle. a) HS 10-4-3-10 b) X 20 Cr 13 c) S 355 KRG 2 C+N d) 56 NiCrMoV 7 4 a) Schnellarbeitsstahl (hochlegierter Stahl für Werkzeuge, Qualitätsstahl) 10% W 4% Mo 3% V 10% Co b) X = hochlegierter, korrosionsbeständiger Stahl, vergütbar (Edelstahl) 0.20% C 13% Cr c) S = Stahl für den allgemeinen Stahlbau (Grundstahl) Streckgrenze 355 MPa KR: Kerbschlagarbeit 40 J bei +20 C G2: beruhigt vergossener Stahl C: gut kaltumformbar +N: Behandlungszustand normalgeglüht d) Warmarbeitsstahl (Qualitätsstahl) 0.56% C 1.75% Ni 1% Cr Mo (weniger als Cr) V (weniger als Mo)
11 Stahleinteilung Unlegierte Stähle werden nach dem Kohlenstoffgehalt eingeteilt. Tragen Sie die Bereiche der einzelnen Stahlsorten ein: a) Baustähle b) Werkzeugstähle c) Vergütungsstähle d) Einsatzstähle Kohlenstoffgehalt in Masse-% e) Welches ist das Legierungselement, das für die Eigenschaften korrosionsbeständiger Stähle maßgeblich beiträgt? Zu welchem Masseanteil muss das Element im Stahl vorliegen? a) Baustähle 0 < C-wt% < 0.6 b) unlegierte Werkzeugstähle 0.5 < C-wt% < 1.5% c) Vergütungsstähle 0.25 < C-wt% < 0.55% d) Einsatzstähle 0.10 < C-wt% < 0.25% e) Chrom, Cr > 12 wt-%
12 Gusslegierung a) Nennen Sie 2 typische Formen der Graphiteinlagerungen in Gussteilen. Welchen Einfluss hat deren Gestalt, Größe und Verteilung im Gefüge auf die Festigkeit des Gussteils? b) Sie müssen einen Werkstoff für ein auf Druck beanspruchtes Gussteil bestimmen. Sie können dabei zwischen EN-GJL-250 und EN-GJS-250 auswählen. Für welchen Werkstoff entscheiden Sie sich? Welcher Werkstoff hat eine höhere Zugfestigkeit? c) Aus EN-GJL-250 wird ein Teil mit einer Wandstärke von 30 mm hergestellt. Welche Zugfestigkeit ist hier zu erwarten? d) Weshalb strebt man bei Grauguss häufig ein perlitisches Grundgefüge an? a) lamellar, kugelig (globular) Einfluss durch Oberfläche (kugelig ideal): kleine Kristalle und gleichmässige Verteilung des Graphits verbessern daher die Festigkeit b) Druckfestigkeit von EN-GJL-250 > EN-GJS-250 fi GJL verwenden. Zugfestigkeit von EN-GJL-250 = EN-GJS-250 c) Zu erwarten ist eine Festigkeit von etwas über 200 MPa (210 220). Herauszulesen aus dem Collaud-Diagramm. d) Perlit besitzt hohe Festigkeit und ist ein gutes Ausgangsgefüge für eine nachfolgende Wärmebehandlung