Anselm von Canterbury Glaube, der nach Gründen sucht Prof. DDr. Thomas Marschler - Universität Augsburg
1. Anselms Leben - geboren 1033/34 in Aosta (Piemont) - ab 1060 Benediktinermönch der Abtei Bec (Normandie) - Leiter der Klosterschule in Bec - 1078 Abt ebendort - 1093 Erzbischof von Canterbury - 1097-1100/ 1100/ 1103-1106: 1106: Exilierung Anselms im Kampf um die Freiheit der Kirche gg. den Staat - gestorben am 21.04.1109 1109 in Canterbury
2. Anselms Werk Kritische Werkausgabe, hg. von Franciscus SlesisS Salesius Schmitt OSB, 6 Bde., 1938-19611961
2.1 Anselms Werke im Überblick - Philosophische Schriften * u.a.: Über die Grammatik; über die Wahrheit; über die Willensfreiheit - Theologische Traktate * zentral: Monologion; Proslogion; Cur Deus homo (Warum Gott Mensch geworden ist) * weitere kleinere Traktate, u.a. über die jungfräuliche Geburt Mariens, über den Hervorgang des Heiligen Geistes -Briefe - Gebete und Meditationen
Beginn von Anselms Opusculum De processione Spiritus Sancti in einer Münchener Handschrift (vormals Stadtbibliothek Ulm), frühes 12. Jh.
Das Leitwort der anselmischen Denkform: fides querens intellectum - Glaube, der Verstehen sucht Die Suche nach notwendigen Gründen ( rationes necessariae ) ) für die Glaubenswahrheiten Versuch, die theologischen Autoritäten auch durch die Vernunft verstehbar und für Nicht- Glaubende akzeptabel zu machen
2.2 2 Ein genauerer Blick auf die drei wichtigsten theologischen Schriften Anselms (1) Das Monologion Monologion (entstanden 1076) zentrales Thema: Der Sinn der Schöpfung in ihrer Beziehung zum dreifaltigen Gott (2) Das Proslogion Proslogion (entstanden 1077/78) zentrales Thema: Beweis des Daseins Gottes aus dessen Begriffsbestimmung i Dasjenige, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, kann nicht nicht existieren!
(3) Cur Deus homo? (entstanden 1094-98) 98) zentrales Thema: Warum ist der allmächtige Gott Mensch geworden, um uns zu erlösen? Wer diese schuldige Ehre Gott nicht erweist, nimmt Gott, was ihm gebührt, und entehrt Gott; und das heißt sündigen. Solange er aber nicht einlöst, was er geraubt, bleibt er in Schuld. Und es genügt nicht, nur das zurückzugeben, was geraubt wurde, sondern wegen der zugefügten Entehrung muß er mehr erstatten, als er genommen hat. Denn wie es für einen, der die Gesundheit eines anderen schädigt, nicht genügt, wenn er die Gesundheit des anderen zurückgibt, es sei denn, er vergüte etwas für den ungerecht verursachten Schmerz; ebensowenig genügt es für einen, der die Ehre eines anderen verletzt, seine Ehre wiederherzustellen, wenn er nicht entsprechend der angetanen Schmach der Entehrung etwas, was dem Entehrten zusagt, erstattet. (Anselm, Cur Deus Homo I, 11)
Diese Schuld Shld war so groß, dß daß sie, obwohl sie nur der Mensch einlösen mußte, es nur Gott konnte, so daß dßd derselbe [gemeint ist Christus] Mensch wie Gott war. Daher war es notwendig, daß Gott den Menschen in die Einheit i der Person aufnahm, damit der, der der Natur nach einlösen mußte und nicht konnte, der Person nach [i [ein solcher] lh wäre, der es konnte. (Anselm, Cur Deus Homo II,18)
Charakteristika des anselmischen Ansatzes Betonung der Größe und Heiligkeit Gottes ebenso wie der sittlichen stt Verantwortung tu und dwürde des Menschen e Nähe zu juridischen Kategorien (Forderung der Gerechtigkeit; Schuld und Sühne) Anklänge des germanisch-feudalen Lehensrechtes (Pflicht- und Treueverhältnis des Lehensmannes dem Lehensherrn gegenüber)
Neuzeitliche Kritik am anselmischen Satisfaktionsdenken im Namen der menschlichen Emanzipation (Ablehnung einer Stellvertretung t etu / Sühne eigener ege e Schuld durch einen e anderen) e im Namen des biblischen Gottesbildes (Anselms Gott als erzürnter, grausamer Despot?) im Namen einer Vorbild-Christologie (Anselms Erlösergestalt zu sehr vom gewöhnlichen Menschen verschieden)
3. Schlußbemerkungen Die bleibende Bedeutung Anselms zeigt sich in seiner Verbindung von hoher Wissenschaft und tiefer Frömmigkeit in seinem Bemühen, Inhalte des Glaubens auf konsequente und innovative Weise zu durch-denkendenken in seiner Bereitschaft, sich von der Kirche auch praktisch in den Dienst nehmen zu lassen und dabei ein mutiges Bekenntnis abzulegen
Einige Literaturhinweise (1) Als knappe neuere Gesamteinführung ist zu empfehlen: Rolf Schönberger, Anselm von Canterbury (München 2004) 14,90
(2) Zum ontologischen Gottesbeweis kann man konsultieren: Kann Gottes Nicht-Sein gedacht werden? Die Kontroverse zwischen Anselm von Canterbury und Gaunilo von Marmoutiers. Lat./Dt., übers. und hg. von B. Mojsisch und K. Flasch (Mainz 2 2004). 10 Vgl. auch im Internet: -Hansjürgen Verweyen, Nach Gott fragen. Anselms Gottesbegriff als Anleitung (1978). http://www.ub.uni- uni freiburg.de/referate/04/verweyen/anselm1.htm
(3) Zu Anselms Begründung der Menschwerdung Gottes: -Cur Deus homo / Warum Gott Mensch geworden, lateinisch und deutsch. Besorgt und übers. von Franciscus Salesius Schmitt (Darmstadt 5 1993 / Sonderausgabe 2006). Er39 Eur 39,90 90 [Book on Demand bei der Wiss. Buchgesellschaft] - Die lateinische und deutsche Versionen von Cur Deus homo nach der Ausgabe von F. S. Schmitt finden sich im Internet unter: http://12koerbe.de/pan/monolog.htm - eine neuere Auslegung: Georg Plasger, Die Not-Wendigkeit der Gerechtigkeit. Eine Interpretation zu "Cur Deus homo" von Anselm von Canterbury = BGPhMA 38 (Münster 1993).