Exposé zur Anmeldung des Promotionsvorhabens Minimum Wages and Their Effects Theoretical Approaches and Empirical Analyses for Germany (Arbeitstitel) vorgelegt bei Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Möller Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre (Empirische Makroökonomie und Regionalökonomie) Universität Regensburg und Prof. Bernd Fitzenberger, Ph.D. Lehrstuhl für Empirische Wirtschaftsforschung und Ökonometrie Albert-Ludwigs-Universität Freiburg von Dipl. Vw. Marion König 1
1. Arbeitstitel: Der Arbeitstitel lautet: Minimum Wages and Their Effects Theoretical Approaches and Empirical Analyses for Germany. Die Arbeit wird in englischer Sprache verfasst. 2. Problemstellung 2.1 Wissenschaftliche Schwerpunkte der Arbeit Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit Mindestlöhnen und dessen Effekten, vorwiegend auf Löhne und Beschäftigung. In den meisten OECD-Ländern sind gesetzliche Mindestlohnregelungen seit langem vorhanden, während in Deutschland eine intensive Debatte um Mindestlöhne erst seit relativ kurzer Zeit geführt wird. Kontrovers diskutiert werden dabei besonders mögliche Beschäftigungswirkungen. Keine eindeutigen Aussagen diesbezüglich liefert die ökonomische Theorie. Auf der einen Seite steht die neoklassische Sichtweise des Arbeitsmarkts mit vollkommenem Wettbewerb, demzufolge jeder Arbeitnehmer gemäß seiner Grenzproduktivität entlohnt wird. Ein eingeführter Mindestlohn, höher als der gleichgewichtige Marktlohn, reduziert die Beschäftigungsnachfrage der Unternehmen (vgl. Franz, 2006). In der Monopsontheorie hingegen wird von Unternehmen mit einer gewissen Marktmacht auf dem Arbeitsmarkt ausgegangen, die im Verhältnis zur Wettbewerbssituation weniger Beschäftigung bei geringerer Bezahlung nachfragen. Ein Mindestlohn kann in einer solchen Situation einen Impuls zu mehr Beschäftigung geben, sofern er unterhalb des Marktgleichgewichtslohns bleibt. Die moderne Monopsontheorie (z.b. Manning, 2003) begründet die Höhe der unternehmerischen Marktmacht mit geringerem für den einzelnen Arbeitnehmer relevanten Arbeitsplatzangebot. Dies ist umso bedeutsamer, je segmentierter, differenzierter und intransparenter der Teilarbeitsmarkt ist. Ebenfalls bei der Analyse von Mindestlohnwirkungen zu erwähnen sind effizienzlohn- bzw. suchtheoretische Modelle. Beispielsweise wird dort die auf Motivation und Produktivitätsveränderungen eines Arbeitnehmers bzw. auf veränderte Kosten der Suchzeit durch den Mindestlohn abgestellt. Auch die Empirie liefert keine eindeutige Aussage zu den Wirkungsrichtungen eines Mindestlohns. Eine Vielzahl von empirischen Studien widmet sich der Analyse dieser Lohnuntergrenze für die verschiedenen Länder. Untersuchungen, die v. a. auf Makrodaten basierten und dabei vorwiegend negative Beschäftigungseffekte für Jugendliche zum Ergebnis 2
hatten, 1 wurden zu Beginn der neunziger Jahre nach einer vielbeachteten Studie von Card und Krueger (1994) 2 durch Mikrodatenauswertungen und Anwendung von mikroökonometrischen Methoden abgelöst. Wenn diese Studie auch nicht unumstritten blieb 3, so wurde doch durch das aus neoklassischer Sicht überraschende Resultat eine neue Diskussion bezüglich der Beschäftigungswirkung von Mindestlöhnen ausgelöst. Die seither entstandene internationale empirische Literatur liefert keine klare Antwort im Hinblick auf die ökonomischen Effekte von Mindestlöhnen. 4 Obwohl in Deutschland kein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn existiert, wird eine Branche, der Bausektor, bereits seit zehn Jahren von einer allgemeinverbindlichen Lohnuntergrenze reguliert. Differenziert nach Ost- und Westdeutschland wurde zum 01. Januar 1997 im Zusammenhang mit dem Entsendegesetz im Bauhauptgewerbe eine solche eingeführt. Bis auf die Studie von König und Möller (2008) existiert dazu noch keine Untersuchung zu den Auswirkungen von Mindestlöhnen auf Löhne und Beschäftigung von Betroffenen auf Basis von Mikrodaten für diesen Sektor. Ziel dieses Promotionsprojekt ist es, diese Lücke zu schließen. 2.2 Forschungsfragen Stewart (2004) analysiert mit Hilfe von Mikrodaten und mikroökonometrischen Methoden für das Vereinigte Königreich die Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf das Lohnwachstum und die Weiterbeschäftigungswahrscheinlichkeit von Personen, die der Entgeltuntergrenze unterliegen. Im Rahmen des Promotionsprojekts sollen ähnliche Studien für die Mindestlohneffekte für Deutschland durchgeführt werden, bzw. an die bereits bestehende Analyse angeknüpft werden. Der Schwerpunkt soll dabei auf der deutschen Bauwirtschaft liegen. Die wichtigste Frage, die dabei beantwortet werden soll, ist: Zu welchen Effekten führt eine gesetzliche Lohnuntergrenze? Reduziert ein Mindestlohn Beschäftigung? In den internationalen Erfahrungen zeigt sich, dass besonders die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen sowie die jeweiligen institutionellen und ökonomischen Rahmenbedingungen im Land relevant für die Richtung und die Intensität von Mindestlohneffekten sind. Unter welchen Umständen reduziert also in Deutschland diese 1 Eine gute Übersicht bietet Brown et al. (1982). 2 Die beiden Autoren kamen zu dem vielbeachteten Ergebnis, dass ein 20%iger Mindestlohnanstieg in der Fast- Food Industrie in New Jersey zu einem Zuwachs an Beschäftigung im Vergleich zu Pennsylvania geführt hatte, wo die Lohnuntergrenze unverändert blieb. 3 U. a. Neumark/Wascher (2000), Card/Krueger (2000). 4 Eine Übersicht neuerer Studien geben Brown (1999), Ragacs (2003), Neumark/Wascher (2007), Metcalf (2007). 3
Lohnuntergrenze Arbeitsplätze? Welche Wirkungskanäle und Determinanten (beispielsweise Firmengröße, Regionstyp) sind besonders relevant? Gibt es eine Mindestlohnhöhe und wenn ja, wo liegt sie in dieser Branche, gemessen an verschiedenen Kennzahlen wie z.b. Betroffenheitsgrad, die beschäftigungsneutral bzw. vielleicht sogar beschäftigungssteigernd wirkt? Von besonderem Interesse ist dann, ob und ab welcher Höhe des Betroffenheitsgrades der Beschäftigungseffekt von einem positiven zu einem negativen Vorzeichen wechselt. Aufgrund von regionalen Unterschieden, nicht nur zwischen Ost- und Westdeutschland, sondern auch zwischen verschiedenen Regionstypen stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob sich die Mindestlohneffekte im Bausektor auf regionaler Ebene in Deutschland unterscheiden. Eine weitere Forschungsfrage betrifft die Auswirkungen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze aufgrund der unterschiedlichen Festlegung des Mindestlohns in Ost- und Westdeutschland. In Hinblick auf mögliche Handlungsoptionen in Bezug auf die aktuelle Mindestlohndiskussion ist eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Branchen bzw. gesamtwirtschaftlich zu überprüfen. 3. Methoden Das Promotionsprojekt gliedert sich in drei Teile. In einem ersten Abschnitt werden einschlägige und teilweise konkurrierende, theoretische Modelle zu Mindestlohnwirkungen ausführlich dargestellt und diskutiert. Dabei wird v.a. auf die Auswirkungen von Mindestlöhnen auf Löhne, Beschäftigung und anderen Determinanten (wie Preise, Investitions- und Weiterbildungsverhalten) und die verschiedenen Wirkungskanäle eingegangen. Nach einem ausführlichen Literaturüberblick über bereits bestehende empirische Studien und die angewandte Methodik werden im dritten Teil der Arbeit die gestellten Forschungsfragen anhand von Mikrodaten für Deutschland analysiert. Als Datenquelle dient dabei v.a. die Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Für die empirischen Auswertungen stehen dem Promotionsprojekt sowohl die 2%-Stichproben (IABS: 1975-2001 und 1975-2004) aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland sowie die Grundgesamtheit aller im Baugewerbe Beschäftigten ebenso wie der Linked-Employer- Employee Datensatz (LIAB: 1998-2006), der Individual- mit Betriebscharakteristika verbindet, zu Verfügung. Im Rahmen des Dissertationsprojekts wurde bereits ein probabilistischer Ansatz entwickeln, um die Mindestlohneffekte auch trotz fehlender Stundenangaben in der Datenbasis 4
identifizieren zu können. Dieser wird mit Hilfe eines anderen Datensatzes und einer Simulation auf seine Robustheit überprüft. In Anlehnung an Stewart (2004) wird für die Wirkungsuntersuchung der Lohnuntergrenze im Baugewerbe als Quasi-Experiment ein Differenzen-von-Differenzen Ansatz 5 in erweiterter Form herangezogen. Der Lohneffekt wird mittels verschiedener OLS-Schätzstrategien bestimmt, wohingegen die Weiterbeschäftigungswahrscheinlichkeit von Personen, die vom Mindestlohn betroffen sind, mit Hilfe von Logit-Modellen und anschließender Berechnungen des marginalen Interaktionseffekts 6 ermittelt wird. Auf Basis der Grundgesamtheit der Daten der Beschäftigtenstatistik wird zusätzlich eine Auswertung der Mindestlohneffekte mit den oben beschriebenen Methoden auf regionaler Ebene durchgeführt. Die räumliche Variation der durchschnittlichen Löhne und ihrer Verteilung und damit die unterschiedliche Betroffenheitsquoten erlauben einerseits die Überprüfung von Mindestlohnwirkungen für verschiedene Regionstypen. Andererseits ermöglichen es die detaillierte Regionsinformation und der Umfang des Datensatzes, die Auswirkungen auf verschiedene Regionen oder Regionstypen, gemessen in Größe und Wirkungsrichtung, nach dem Mindestlohn-Medianlohnverhältnis zu ordnen. Ziel ist es, die rote Linie zu identifizieren, bei deren Überschreitung der Mindestlohn im Baugewerbe zu Beschäftigungsverlusten führt. Bezüglich der Mindestlohnwirkungen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze soll eine Untersuchung für deutsche Zwillingskreise in Anlehnung an einen neuen Ansatz von Dube, Lester, Reich (2007) durchgeführt werden. 4. Erwarteter Beitrag für die Wissenschaft und die Praxis Dieses Promotionsprojekt leistet einen Beitrag zur aktuellen Forschung und Diskussion zu Mindestlohnwirkungen in Deutschland. Es wird ein umfassender Überblick zu den Wirkungskanälen eines Mindestlohns gegeben. Weiterhin wird erstmals für Deutschland eine Untersuchung der Lohn- und Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen im Baugewerbe auf Basis von Mikrodaten durchgeführt. Die Ergebnisse dieses Dissertationsprojektes sollen tiefere Einblicke in die Wirkungsweisen eines Mindestlohns in Deutschland geben und der intensiven Diskussion über das Für und Wider der allgemeinen gesetzlichen Lohnuntergrenze als wissenschaftliche Basis dienen, aus der mögliche Handlungsoptionen abgeleitet werden können. 5 Siehe hierzu Angrist/Krueger (1999) und Heckman et al. (1999). 6 Die Methode von Ai/Norton (2004) wird entsprechend angepasst. 5
5. Literatur Ai, C.,Norton, E. (2003) Interaction Terms in Logit and Probit Models, Economic Letters 80, 123 129. Angrist, J., Krueger, A. (1999) Empirical Strategies in Labor Economics, in O. Ashenfelter und D. Card (eds), Handbook of Labor Economics, Vol. 3A, North Holland, Amsterdam, 1277 1366. Brown, C., Gilroy, C., Kohen, A. (1982) The Effect of the Minimum Wage on Employment and Unemployment, Journal of Economic Literature 20, 487-528. Brown, C. (1999) Minimum Wages, Employment and the Distribution of Income, in O. Ashenfelter und D. Card (eds), Handbook of Labor Economics, Vol. 3B, North Holland, Amsterdam, 2101 2163. Card, D., Krueger, A. B. (1994) Minimum Wages and Employment: A Case Study of the Fast-Food Industry in New Jersey and Pennsylvania, American Economic Review 84(4), 772 793. Card, D., Krueger, A. B. (2000) Minimum Wages and Employment: A Case Study of the Fast-Food Industry in New Jersey and Pennsylvania: Reply, American Economic Review 90(5), 1397 1420. Dube, A., Lester, T. W., Reich, M. (2007) Minimum Wage Effects Across State Borders: Estimates Using Contiguous Counties, Working Paper, Institute for Research on Labor and Employment, University of California, Berkeley, akzeptiert für Review of Economics and Statistics. Franz, W. (2006) Arbeitsmarktökonomik, 6. Auflage, Springer Verlag, Heidelberg. Heckman, J. J., Lalonde, R. J., Smith, J. A. (1999) The Economics and Econometrics of Active Labor Market Programs, in O. Ashenfelter and D. Card (eds), Handbook of Labor Economics, Vol. 3A, North Holland, Amsterdam, pp. 1865 2097. König, M., Möller, J. (2008) Mindestlohneffekte des Entsendegesetzes? Eine Mikrodatenanalyse für die deutsche Bauwirtschaft, Zeitschrift für ArbeitsmarktForschung 41 (2/3), 327-346. Manning, A. (2003) Monopsony in Motion: Imperfect Competition in Labour Markets, Princeton University Press, Princeton and Oxford. Metcalf, D. (2007) Why Has the British National Minimum Wage Had Little or No Impact on Employment? CEP Discussion Paper 781, London School of Economics. Neumark, D., Wascher, W. (2000) Minimum Wages and Employment: A Case Study of the Fast-Food Industry in New Jersey and Pennsylvania: Comment, American Economic Review 90(5), 1362 1396. Neumark, D., Wascher, W. (2007) Minimum Wages and Employment, Foundations and Trends in Microeconomics 3 (1-2), 1-87. Ragacs, Christian (2003), Mindestlöhne und Beschäftigung: Die empirische Evidenz. Ein Literaturüberblick, Wirtschaft und Gesellschaft, Vol. 2/03, 215-246. Stewart, M. B. (2004) The Impact of the Introduction of the U.K. Minimum Wage on the Employment Probabilities of Low-Wage Workers, Journal of European Economic Association 2(1), 67 97. 6. Betreuer Erstgutachter: Prof. Dr. Joachim Möller, Lehrstuhl für Empirische Makroökonomie und Regionalökonomie, Universität Regensburg Zweitgutachter: Prof. Bernd Fitzenberger, Ph.D., Lehrstuhl für Empirische Wirtschaftsforschung und Ökonometrie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 6