Entwicklungseffekte in Galaxienhaufen Leuchtkraftfunktion von Haufen Morphologie-Dichte Relation Butcher-Oemler Effekt Rote Sequenz in Haufen Rote Sequenz und Kosmologie Galaxienhaufen bei großer Rotverschiebung Einführung in die extragalaktische Astronomie Prof. Peter Schneider & Dr. Patrick Simon
Leuchtkraftfunktion von Haufen Inzwischen sind Galaxienhaufen bis z ~ 1 sichtbar; Weltalter betrug bei dieser Rotverschiebung etwa die Hälfte des heutigen Weltalters. Es stellt sich deshalb die Frage, ob Haufen damals die gleichen Eigenschaften wie heute besaßen; ist also zeitliche Entwicklung der Eigenschaften beobachtbar? Mit Röntgenteleskopen wie ROSAT kann die Röntgenleuchtkraftfunktion von Haufen relativ unkompliziert gemessen werden. ROSAT/ESO REFLEX Survey Rechtes Bild zeigt die räumliche Verteilung der 447 hellsten Röntgenhaufen am Südhimmel. Wir
Leuchtkraftfunktion von Haufen Beobachtete (mitbewegte) Anzahldichte von Röntgenhaufen als Funktion der Röntgenleuchtkraft für zwei verschiedene z-intervalle. Kleine Entwicklungseffekte sind nur bei großen Leuchtkräften identifizierbar. lokal Bei höheren Rotverschiebungen sind leuchtkräftige Haufen seltener als heute. z=0.7 (Modell) Quelle: Mullis, C.R. et al (2004), ApJ, 607, 175 LKF bei z = 0.7 ist mit Entwicklungsmodell verträglich.
Morphologie-Dichte Relation Frühe Galaxientypen befinden sich vornehmlich in Haufen und Gruppen, also da, wo Galaxiendichten groß sind. S0 E Spiralen sind im Wesentlichen Feldgalaxien, E/S0 Haufengalaxien. Z.B. enthält Coma nur 10% Spiralen. S+Irr Galaxiendichte Quelle: Dressler (1980), ApJ, 236, 351 Alan Dressler
Butcher-Oemler Effekt Ähnliches beobachtet man bei Galaxienfarben, die sich beobachtungstechnisch einfacher bestimmen lassen: Rote Galaxien sind häufiger in Haufen/Gruppen (hohe Galaxiendichte), blaue Galaxien sind vorzugsweise in Regionen kleiner Anzahldichte zu finden. Nicht allzu überraschend, da frühe Typen alte Sternpopulationen besitzen (rot) und späte Typen zunehmend jüngere Populationen (blau; Sternentstehung). Anteil an blauen Galaxien in nahen Haufen ist sehr klein. A. Oemler und H. Butcher (1978) stellten allerdings fest, dass sich der Anteil an blauen Haufengalaxien ändert, wenn man zu höheren Rotverschiebungen geht. Also: Anteil an blauen Galaxien steigt zu höheren Rotverschiebungen.
Butcher-Oemler Effekt Anteil der blauen Galaxien in Haufen bei verschiedenen Rotverschiebungen. Zufällige Beiträge zu fb durch Projektionseffekte sind im Mittel subtrahiert worden. Hierdurch kann fb negativ werden. Quelle: Margoniner, V.E. et al. (2000), ApJ, 548, 143 Feldgalaxien Anteil blauer Galaxien in Haufen nimmt mit z deutlich zu. Augustus Oemler Jr. Harvey R. Butcher
Butcher-Oemler Effekt die Galaxienmischung in Haufen muss sich mit der Zeit geändert haben. Z.B. könnten Spiralen häufiger gewesen sein oder zumindest deren Sternentstehung in Haufen abrupt unterbrochen worden sein. Plausible Möglichkeit ist, dass Spiralen auf Galaxienhaufen einfallen und durch Wechselwirkung mit dem Intracluster-Gas (ICM) ihr interstellares Gas (ISM) verlieren ( RAM pressure stripping ). Das ISM -- metallangereichert durch vergangene Sternentstehung in der Galaxie -- vermischt sich dann mit dem ICM. Würde auch die beobachtete hohe Metallizität im ICM von Haufen erklären. Es gibt auch Hinweise morphologischer Transformation einfallender Spiralen (nach S0?).
Butcher-Oemler Effekt Hinweise auf RAM pressure stripping in Galaxienhaufen. RAM pressure stripping (Simulation) NGC4522 Quelle: Universität Zürich IC 3418 NGC4402 Quelle: HST/NASA/ESA Virgo-Haufen Quelle: GALEX/ HST/NASA/ESA
roter Entwicklungseffekte in Galaxienhaufen Rote Sequenz Trägt man Farbe von Haufengalaxien gegen heller Helligkeit auf, so findet man eine sehr gut definierte Sequenz: die Rote Sequenz. Sie wird bevölkert von den Frühtyp-Galaxien des Haufens. A2390, z = 0.23 Quelle: Gladders, M.D & Yee, H.K.C (2000), AJ, 120, 2148 Quelle: HST/NASA/ESA
Rote Sequenz Die Streuung um die Rote Sequenz ist sehr klein, d.h. alle Frühtyp-Galaxien haben etwa die gleiche Farbe. Es gibt eine leichte Abhängigkeit der Farbe von der Galaxienhelligkeit: hellere Galaxien sind etwas roter. Vielleicht noch überraschender: Die FHDs verschiedener Haufen gleicher Rotverschiebung definieren sehr ähnliche Rote Sequenz. D.h. Haufengalaxien gleicher Rotverschiebung und gleicher Leuchtkraft besitzen praktisch die gleiche Farbe.
Rote Sequenz roter Modelle singulärer Sternentstehung Vergleicht man die Rote Sequenz bei Haufen verschiedener Rotverschiebung, so findet man: Je größer die Rotverschiebung, umso blauer ist die Rote Sequenz. Zusammenhang ist so genau, dass man allein aus FHD eines Haufens seine Rotverschiebung auf Δz ~ 0.1 genau abschätzen kann. Quelle: Bell, E.F. et al. (2004), ApJ, 608, 752
Rote Sequenz Magnitudenselektion mit Rote-Sequenz- Selektion bei bestimmtem z Die Rote Sequenz kann für eine effektive Haufensuche eingesetzt werden, wenn keine Rotverschiebungen verfügbar sind. Quelle: David Gilbank, University of Waterloo Quelle: David Gilbank
Rote Sequenz Die Bedeutung dieser so gut definierten Sequenz ist wie folgt: Zusammensetzung einer Sternpopulation hängt vom Massenspektrum der Sterne bei ihrer Geburt (IMF) und dem Alter der Population ab; je älter die Population, umso roter wird sie. Universale Rote Sequenz bei gleichem z, deutet darauf hin, dass Sternpopulationen aller Haufengalaxien etwa gleich alt sind. Einziges ausgezeichnetes Alter aller Haufengalaxien ist Weltalter selbst; in der Tat ist Farbe von Haufengalaxien damit verträglich, dass die Sternpopulationen in ihnen etwa so alt sind wie das Weltalter bei jeweiliger Rotverschiebung. Das erklärt auch, warum die Rote Sequenz für größeres z blauer wird: Dort war das Weltalter kleiner und die Sternpopulationen jünger.
Rote Sequenz und Kosmologie Alter der Sternpopulationen setzt unter Grenze für das Weltalter. Farbe der Haufengalaxien kann also als Zeitmesser für das Mindest- Weltalter als Funktion der Rotverschiebung benutzt werden. Da Weltalter von der Expansionsgeschichte des Kosmos abhängt, macht Farbentwicklung der Roten Sequenz mit z Aussage über kosmologische Parameter. Dies bietet einen weiteren Test für kosmologische Modelle und Parameter aus anderen Beobachtungen.
Entwicklungseffekte in Galaxienhaufen Rote Sequenz und Kosmologie Lyα Systematische Suche nach jungen Haufen. AGN Leuchtkräftige Radiogalaxien können als Ankerpunkt für Haufen bei großem z benutzt werden. Andere Haufengalaxien werden durch Schmalfilter zentriert auf Lyα gefunden.
Rote Sequenz und Kosmologie Vergleich des Spektrums mit FV-Sternen. Radiogalaxie LBDS 53W091 hat ein z = 1.552 und sehr rote Lichtverteilung (R-K ~ 5.8). fast perfekt! UV-Licht der Sternpopulation wird fast vollständig von Sternen der Hauptreihe erzeugt. UV-Emissionen der Galaxie sind ins Optische rotverschoben. optisch Quelle: Spinrad, H. et al. (1997), ApJ, 484, 581 Quelle: Spinrad, H. et al.
Rote Sequenz und Kosmologie Quelle: Spinrad, H. et al. (1997), ApJ, 484, 581 Eine genauere Analyse basierend auf Rechnungen der Populationssynthese ergeben ein Alter der Population von etwa 4 Gyr bei z = 1.552; vergleichbar mit F6V-Sternen. Konservativ geschätzt, muss Kosmos bei z = 1.552 also etwa 3.5 Gyr alt gewesen sein.
Rote Sequenz und Kosmologie Ω Λ =0 Ω 0 +Ω Λ =1 Quelle: Spinrad, H. et al. (1997), ApJ, 484, 581 zu jung! zu jung! Alter des Universums bei z = 1.55 als Funktion von Parameterpaaren. Zusammen mit H0 aus anderen Beobachtungen ergibt sich für ein flaches Universum, dass Ω0 <~ 0.4 und ΩΛ >~ 0.6, z.b. in Übereinstimmung mit dem CMB.
Galaxienhaufen bei großer Rotverschiebung Suchen nach Haufen bei hohen z ist von großem kosmologischen Interesse. So hängt z.b. auch die Anzahldichte von Haufen (Massenfunktion) als Funktion der Masse und z stark von den kosmologischen Parametern ab. Suche nach Haufen im Optischen (via Galaxiendichte) wird sehr viel schwieriger bei hohen z (Projektionseffekte); dennoch hat man Haufen bei z ~ 0.8 finden können. Projektionseffekte sind geringer bei Röntgensuche; mit ROSAT wurden Haufen mit z ~ 1.2 gefunden.
Entwicklungseffekte in Galaxienhaufen Galaxienhaufen bei großer Rotverschiebung Am weitesten entferntester Haufen im EMSS Röntgensurvey, z = 0.83. Haufen ist nicht sphärisch, d.h. nicht relaxiert. Es gibt deutliche Anzeichen starker Galaxienwechselwirkung im Haufen (rechts). Alter der Sternpopulationen ist nicht notwendigerweise mit Alter der Galaxien selbst identisch. Diese können durch Verschmelzungsprozesse transformiert werden.
Entwicklungseffekte in Galaxienhaufen Galaxienhaufen bei großer Rotverschiebung Aktueller Entfernungsrekordhalter bei z = 5.3. Gefunden wurde dieser Protohaufen durch gemeinsame Suche mit verschiedenen Instrumenten: Spitzer (IR), Chandra (Röntgen), Subaru/Keck/HST (optisch).