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Transkript:

Juden in Leipzig und Sachsen Modulare Unterrichtsangebote Modul Leipziger Juden in der DDR (Modul für Klassenstufen 9/10) EPHRAIM CARLE BAC H STIFTU NG LEIPZIG

JUDEN IN LEIPZIG UND SACHSEN MODULARE UNTERRICHTSANGEBOTE Modul LEIPZIGER JUDEN IN DER DDR Inhalt Teil 1 Die jüdische Gemeinde in Leipzig Darstellungstext und Quellen 3 Aufgaben 6 Arbeitsblatt 7 Vorschlag zur Stundengestaltung 9 Lösungen zu den Aufgaben 10 Lösungen zum Arbeitsblatt 11 Teil 2 Kontakte zur nichtjüdischen Umwelt und nach Israel Darstellungstext und Quellen 12 Aufgaben 15 Vorschlag zur Stundengestaltung 16 Lösungen zu den Aufgaben 17 Lehrplanbezug Mittelschule: sächsischer Lehrplan, Fach Geschichte, Klassenstufe 9 Gymnasium: sächsischer Lehrplan, Fach Geschichte, Klassenstufe 10 Kontakt: Ephraim Carlebach Stiftung Leipzig Löhrstraße 10, 04105 Leipzig www.carlebach-stiftung-leipzig.de Förderer des Gesamtprojekts: Leo Baeck Programm der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft Landesprogramm Weltoffnes Sachsen für Demokratie und Toleranz LeipzigStiftung GESELLSCHAFT DER FREUNDE der Ephraim Carlebach Stiftung e.v. Ephraim Carlebach Stiftung, Leipzig 2015 Projektleitung: Dr. Kerstin Plowinski Redaktion: Lina Bosbach, Dirk Haupt, Dr. Kerstin Plowinski Autor: Lina Bosbach Photographien: Silvia Hauptmann, Archiv Satz und Gestaltung: grafikdesign JBWolff Alle Rechte vorbehalten! EPHRAIM CARLE BAC H STIFTU NG LEIPZIG

LEIPZIGER JUDEN IN DER DDR 1933 hatte die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig über 11 500 Mitglieder, von denen mindestens 6 000 während des Holocaust ermordet wurden. Ein Gemeindeleben gab es bei der Befreiung 1945 längst nicht mehr, die 20 Synagogen und Bethäuser waren zerstört. Würde sich in Leipzig wieder eine jüdische Gemeinde zusammenfinden? M1 Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, um 1949. Abgebildet sind (von links): Leo Teichtner, Heinrich Rosenthal, Dr. Fritz Grunsfeld, Richard Frank (Vorsitzender), Ernst Goldfreund, Helmut Looser. Das Gemälde zeigt Felix Goldmann ISRAE LITISCH E RELIGIONS G E M E INDE ZU LEIPZIG, F OTOS AMMLUNG israelitisch Der biblische Name für das Volk Israel ist Israeliten. Das sind die Juden, die im Land Israel lebten und eine gemeinsame Kultur und Religion hatten. Im 19. Jahrhundert war israelitisch ein verbreitetes Synonym für jüdisch. Neubeginn jüdischen Lebens Als der Zweite Weltkrieg im Mai 1945 endete, lebten nur noch einige Tausend Juden in Deutschland. In Die meisten von ihnen hatten im Untergrund überlebt. In Leipzig lebten 24 Menschen jüdischer Herkunft, als amerikanische Truppen die Stadt befreiten. Bereits am 15. Mai 1945 gründete sich die jüdische Gemeinde in Leipzig neu. Wie in der Vorkriegszeit nannte sie sich Israelitische Religionsgemeinde. Auch in anderen Städten des späteren Landes Sachsen gründeten sich wieder Gemeinden, z.b. in Dresden und Chemnitz. In den folgenden Wochen wuchs die Leipziger Gemeinde an. Zum einen gab es Rückkehrer: Leipziger jüdische Überlebende aus den Konzentrationslagern sowie aus der Emigration. Zum anderen waren Tausende jüdische Frauen und Männer aus Polen und Ungarn in Sachsen als Zwangsarbeiter inhaftiert gewesen. Die meisten von ihnen gingen in den folgenden Wochen wieder in ihre Heimatländer oder emigrierten in die USA oder nach Palästina. 3

Leipziger Juden in der DDR zionistisch Zionismus ist der Name der politischen Bewegung, die im 19. Jahrhundert das Ziel hatte, einen selbstständigen Nationalstaat für Juden in Palästina zu schaffen. In der DDR waren Zionismus und zionistisch diffamierende Begriffe. Die DDR lehnte den Staat Israel ab und unterstellte Juden oft, dass sie dem Staat Israel gegenüber loyal waren und die DDR unterwandern wollten. Aufgaben der Gemeinde Die Israelitische Gemeinde übernahm in den ersten Monaten viele Fürsorgeaufgaben für die zurückgekehrten und neuen Mitglieder: Sie half bei der Wohnungssuche und besorgte die Verteilung von Kleidern, Medikamenten, Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern. Zugleich mussten neue Gemeindestrukturen geschaffen werden. Das bedeutete auch, von den Nationalsozialisten geraubtes Eigentum wieder in den Besitz der Gemeinde zu übertragen. Noch 1945 erhielt die Leipziger Gemeinde das Gemeindehaus an der Löhrstraße und die beiden jüdischen Friedhöfe zurück. Privates arisiertes Eigentum von Juden wurde von den sowjetischen Besatzern vielfach in Volkseigentum umgewandelt und nicht an die früheren Besitzer oder deren Erben zurückgegeben. 1950er-Jahre Als im Oktober 1949 die DDR gegründet wurde, gab es in acht ostdeutschen Städten jüdische Gemeinden. In der Sowjetunion begann um 1950 eine antisemitische Kampagne: Viele Juden in leitenden Positionen wurden verhaftet, aufgrund falscher Vorwürfe angeklagt und in Arbeitslager deportiert oder zum Tod verurteilt. Um den Jahreswechsel 1952/53 begrüßte die SED einen solchen großen Schauprozess in der Sowjetunion ausdrücklich und kündigte an, dass daraus Lehren für die DDR zu ziehen seien. Jüdische Gemeinden unterhielten oftmals Kontakte zu jüdischen Hilfsorganisationen in den USA, und einige Mitglieder hatten die Kriegsjahre im westlichen Ausland überlebt. Das galt in der DDR als verdächtig. Der Dresdner Gemeindevorsitzende wurde aufgrund falscher Beschuldigungen drei Monate inhaftiert. Das war ein Warnsignal für viele Juden. Im Februar 1953 flohen Helmut Looser und Fritz Grunsfeld, zwei Vorstandsmitglieder der Leipziger Gemeinde. Insgesamt verließen in diesen Monaten mehrere Hundert Juden die DDR. 1960er- bis 1980er-Jahre Die Leipziger Gemeinde fand nach 1953 neue Vorstandsmitglieder, die das Gemeindeleben viele Jahrzehnte prägten. Aron Adlerstein und Eugen Gollomb stammten aus Polen, hatten beide das KZ Auschwitz überlebt und waren nach dem Krieg nach Leipzig gekommen. Die Leipziger Gemeinde war nach Ost-Berlin die zweitgrößte jüdische Gemeinde der DDR. In die Messestadt Leipzig reisten regelmäßig jüdische Aussteller und Besucher, von denen viele dann auch die Synagoge besuchten. Aus diesem Grund herrschte in der Leipziger Gemeinde eine etwas weltoffenere Atmosphäre. Die Staatsführung der DDR erwartete von jüdischen Funktionären, dass sie sich völlig loyal dem Staat und der Politik gegenüber zeigten. Allmählich wurden alle Gemeinden von den sinkenden Mitgliederzahlen bedroht. Zum einen war das offizielle Leben in der DDR nicht religiös geprägt, sodass einige Juden keiner Gemeinde mehr angehörten. Zum anderen war eine Einwanderung, wie es sie in anderen europäischen Ländern gab, in der DDR aufgrund der geschlossenen Grenzen nicht möglich. Die Freiräume für aktive Gemeindemitglieder wurden in den 1980er-Jahren größer: Einige Gemeindemitglieder durften nach Israel oder zu Zusammenkünften jüdischer Gemeinschaften in Europa reisen. 4

Leipziger Juden in der DDR M2 In einer DDR-Zeitschrift erschien am 7. Februar 1953 eine Pressemitteilung über die Flucht des Leipziger Gemeindevorstands Helmut Looser. VVN Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, 1947 gegründeter Verband der Opfer des Nationalsozialismus. In der DDR wurde er 1953 zwangsweise aufgelöst. Jüdische Gemeinde Leipzig verstößt zionistische Agenten Der Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig hat dem Generalsekretariat der VVN zur Kenntnis gebracht, daß er in Übereinstimmung mit allen Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde von den aus der VVN ausgestoßenen zionistischen Agenten energisch abrückt. Im Zusammenhang damit hat der Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde den zu diesen Agenten gehörigen Helmut Looser aus der Mitgliederliste der Jüdischen Gemeinde gestrichen und damit aus der Gemeinde verstoßen. M3 Mitglieder der Israelitischen Religionsgemeinschaft zu Leipzig Zeitpunkt Mitgliederzahl Mai 1945 24 November 1945 250 April 1947 301 Januar 1949 368 April 1950 314 August 1952 237 August 1953 173 August 1956 177 Mai 1959 143 März 1961 137 Dezember 1963 117 Dezember 1965 112 Dezember 1968 100 Dezember 1970 97 Dezember 1972 88 Dezember 1976 70 Dezember 1980 57 Dezember 1984 43 August 1988 35 Quelle: Steffen Held, Juden in der DDR. Das Beispiel Leipzig. Lehr- und Lernmaterialien, hg. von der Ephraim Carlebach Stiftung, Leipzig 2011, S. 23. 5

Leipziger Juden in der DDR Aufgaben 1 Beschreibe die Situation der jüdischen Gemeinde im Jahr im Mai 1945 und im Oktober 1949. Tipp: Du kannst die Aspekte in einer Tabelle sammeln. 2 Finde heraus, wer in den folgenden Zeiträumen die politische Macht in Leipzig innehatte: April bis Juni 1945, Juli 1945 bis September 1949, Oktober 1949 bis November 1989. 3 Die jüdische Gemeinde in Leipzig nannte sich nach 1945 wieder Israelitische Religionsgemeinde. Die Gemeinde in Chemnitz hieß vor dem Krieg ebenfalls Israelitische Religionsgemeinde und wählte 1945 als neuen Namen Jüdische Gemeinde. Erörtere, welche Gründe es für die Wahl des alten Namens und welche Gründe es für einen Namenswechsel gegeben haben konnte. 4 Fasse die Quelle M2 in eigenen Worten zusammen. 5 Bewerte, wie Helmut Looser in M2 dargestellt wird. Tipp: Finde heraus, was Looser in dem Artikel vorgeworfen wird. 6 Werte die Tabelle M3 aus. Falls ihr mehr wissen wollt, könnt ihr das Modul Erinnerung in der DDR an die nationalsozialistische Judenverfolgung (Ephraim Carlebach Stiftung) bearbeiten. 6

Leipziger Juden in der DDR Arbeitsblatt: Die jüdische Gemeinde nach 1945 1 Teile die Geschichte der jüdischen Gemeinde Leipzigs von 1945 bis 1989 in fünf Phasen ein. Gib zu jeder Phase den Zeitraum an. Verwende folgende Überschriften in der richtigen Reihenfolge: Krise und staatlicher Druck, Öffnung, Neubeginn, Wachstum und Konsolidierung, Stabilisierung Notiere zu jeder Phase einige Stichworte. 1. Phase: 2. Phase: 3. Phase: 4. Phase: 5. Phase: 7

Leipziger Juden in der DDR Arbeitsblatt: Die jüdische Gemeinde nach 1945 2 Im Sommer 1947 kehrten neun Leipziger Juden, die während des Krieges in Schanghai Zuflucht gefunden hatten, nach Leipzig zurück. Schreibe einen Brief an einen von ihnen, in dem du die Situation in der Gemeinde und ihre Aufgaben beschreibst. 8

Leipziger Juden in der DDR Vorschlag zur Stundengestaltung SCHWERPUNKT Die nach dem Zweiten Weltkrieg rasch neu konstituierte jüdische Gemeinde in Leipzig war in den kommenden Jahrzehnten der politischen Geschichte der DDR beispielhaft ausgesetzt. Einstieg Die Schülerinnen und Schüler lesen den Vorspann-Text und betrachten das Foto M1. Sie tauschen sich darüber aus, ob es sie überrascht oder nicht überrascht, dass es 1949 wieder eine jüdische Gemeinde in Leipzig gab. Erarbeitung 1 Die Schülerinnen und Schüler lesen in Einzelarbeit Abschnitte 1 und 2 des Autorentexts. Sie klären unbekannte Begriffe und Zusammenhänge im Plenum. In Partnerarbeit bearbeiten sie Aufgabe 1. Erarbeitung 2 Die Schülerinnen und Schüler bilden Kleingruppen mit circa vier Mitgliedern. Sie lesen M2 und den Textabschnitt 3. Sie bearbeiten Aufgabe 4 und 5. Anschließend werden die Ergebnisse im Plenum zusammengetragen. Sicherung Die Lernenden setzen M3 als Säulendiagramm um und formulieren anschließend Begründungen für die Veränderungen a) im Jahr 1945, b) bis 1947, c) 1950 bis 1953, d) 1961 bis 1988. Differenzierung Aufgabe 3 eignet sich besonders für stärkere Schülerinnen und Schüler. Zudem können die Lernenden Aufgabe 6 in einem Text bearbeiten. Sie beziehen dabei ihre Ergebnisse aus den Aufgaben 1 und 5 ein. Einige Schülerinnen und Schüler benötigen eventuell Hilfe bei der zeitlichen Einordnung der politischen Ereignisse in Leipzig: Befreiung durch Amerikaner sowjetische Besatzung Gründung der DDR stalinistische Säuberungen. Hierzu bietet es sich an, Aufgabe 2 gemeinsam an der Tafel zu erledigen und eventuell in Form eines Zeitstrahls zu visualisieren. Lehrplanbezug 1) Mittelschule: sächsischer Lehrplan, Fach Geschichte, Klassenstufe 9, Lernbereich 1: Die Mauer ein Symbol für die Teilung Deutschlands, Europas und der Welt Wahlpflichtbereich: Regional- bzw. Heimatgeschichte 2) Gymnasium: sächsischer Lehrplan, Fach Geschichte, Klassenstufe 10, Wahlpflichtbereich 1: Alltagserfahrungen und Mentalitäten in beiden deutschen Staaten in den 50er-Jahren Wahlpflichtbereich 2: Alltagserfahrungen und Mentalitäten in beiden deutschen Staaten in den 70er Jahren 9

Leipziger Juden in der DDR Lösungen zu den Aufgaben 1 Mai 1945 Oktober 1949 Befreiung der Stadt: amerikanische Besatzung Neugründung der Gemeinde Gemeinde nun in DDR Gemeinde besteht und ist gewachsen 24 Juden über 350 Gemeindemitglieder Gebäude der Gemeinde sind zerstört, waren von Nationalsozialisten enteignet worden Gemeinde hat Eigentum zurück 2 April bis Juni 1945: amerikanische Besatzer, Juli 1945 bis September 1949: Sowjetunion (Sowjetische Besatzungszone), Oktober 1949 bis November 1989: SED (DDR). Hintergrundinformation: Die Jüdische Gemeinde Chemnitz begründete die Namenswahl 1948 so: Gerade weil unter dem Hitlerregime das Wort Jude ein Schimpfwort und eine Diskriminierung bedeutet, haben wir in Chemnitz als bewusste Juden den Namen,Jüdische Gemeinde gewählt. Quelle: Archiv JGC, Schreiben der Jüdischen Gemeinde vom 03.08.1948 an die Landesregierung Sachsen. 3 Gründe für alten Namen: Anknüpfen an Geschichte und Tradition der Vorkriegsgemeinde; Anspruch auf Bedeutung der früheren großen Gemeinde; rechtlicher Nachfolger der Gemeinde in Besitzfragen Gründe für Namenswechsel: Symbol für Neuanfang; bewusster positiver Bezug zum Jüdischsein 4 In dem Artikel wird bekannt gegeben, dass die Jüdische Gemeinde Leipzig sich von einigen jüdischen Personen distanziert. Sie hat ein namentlich genanntes Mitglied, Helmut Looser, ausgeschlossen. 5 Helmut Looser wird als einer von mehreren Agenten dargestellt. Da die Religionsgemeinde energisch von ihm abgerückt ist und ihn sogar ausgestoßen hat, klingt es, als sei er ein Verbrecher. Die Bezeichnung zionistischer Agent klingt gefährlich, als sei Looser Teil einer Verschwörung. Es wird aber nicht gesagt, was Looser genau vorgeworfen wird. Tatsächlich ist er vor einer drohenden willkürlichen Verhaftung durch die DDR-Behörden geflohen. Das erfährt man aber nicht aus dem Text. 6 Im Jahr 1945 stieg die Zahl der Gemeindemitglieder deutlich an: Von 24 Menschen zum Ende des Krieges auf 250 sechs Monate später. In den folgenden beiden Jahren stieg die Zahl weiter, bis im Januar 1949 der Höchststand mit 368 erreicht wurde. In der DDR erreichte die Gemeinde diese Zahl nicht mehr. 1950 war die Zahl bereits um etwa 50 Menschen auf 314 Mitglieder gesunken. Anfang der 1950er-Jahre kam es zu einem deutlichen Rückgang um etwa die Hälfte auf 173 Mitglieder im Sommer 1953. In den 1960erbis 1980er-Jahren sank die Zahl der Mitglieder stetig ohne größere Sprünge, Ende 1970 lag sie zum erstmals wieder unter 100. Bis 1988 ging die Zahl auf 35 Mitglieder zurück. 10

Leipziger Juden in der DDR Lösungen zum Arbeitsblatt: Die jüdische Gemeinde nach 1945 1 (Beispiellösung) 1. Phase: Neubeginn, 1945 Rückkehr von Leipziger Juden Neugründung der Gemeinde Fürsorge 2. Phase: Wachstum und Konsolidierung, 1945 1947 Schaffung von Gemeindestrukturen Aufbau von Gemeindegebäuden Anwachsen der Mitgliederzahlen 3. Phase: Krise und staatlicher Druck, 1952/1953 Verhaftungen und Verdächtigungen öffentliche Diffamierung als Agenten Flucht mehrerer Gemeindemitglieder und -vorstände 4. Phase: Stabilisierung, 1954 1980 neue Gemeindevorstände Besuche von jüdischen Messegästen aus dem Ausland weiterer Mitgliederschwund 5. Phase: Öffnung, 1980 1988 Erlaubnis zu Reisen bedrohlicher Mitgliederschwund 2 individuelle Lösungen 11

M O D U L T E I L 2 KONTAKTE ZUR NICHTJÜDISCHEN UMWELT UND NACH ISRAEL Die jüdische Gemeinde Leipzigs war den politischen Spannungen der DDR ausgesetzt. Die kleine, schrumpfende Gemeinde setzte dem ein reiches Kulturleben entgegen, das sich auch an nichtjüdische Leipziger richtete. M1 Gottesdienst in der Synagoge in der Keilstraße, geleitet vom Gemeindevorsitzenden Eugen Gollomb (um 1985) QUELLE: ISRAELITISCHE RELIGIONSGEMEINDE, FOTOSAMMLUNG Religiöses und kulturelles Leben In der DDR gab es nur in zwei Gemeinden ein beständiges religiöses Gemeindeleben: in Leipzig und Ost-Berlin. Nur hier war die Anzahl der religiös gebildeten Mitglieder groß genug, die als Vorbeter Gottesdienste durchführen und religiöse Bräuche vermitteln konnten. Die Leipziger Vorsitzenden Eugen Gollomb (Vorsitzender 1967 1988) und Aron Adlerstein (Vorsitzender 1988 2000) sorgten in der zweiten Hälfte der DDR dafür, dass in der schrumpfenden Gemeinde die Feiertage begangen wurden. Wirken im nichtjüdischen Umfeld In den 1970er-Jahren trat die Gemeinde stärker in die Öffentlichkeit. 1962 war der Leipziger Synagogalchor gegründet worden, der die Gottesdienste in der Synagoge begleitete, aber auch Konzerte vor breiterem Publikum gab. Von Anfang an bestand der Synagogalchor vor allem aus nichtjüdischen Sängern, die die religiöse sowie die volkstümliche jüdische Musik pflegen wollten. Seit 1971 veranstaltete die Gemeinde einmal im Jahr eine literarisch-musikalische Matinee in der Alten Börse, bei der aus den 12

Kontakte zur nichtjüdischen Umwelt und nach Israel M O D U L T E I L 2 M2 Der Leipziger Synagogalchor bei einem Konzert in der Leipziger Gemeindesynagoge SILVIA HAUPTMANN, LEIPZIG Werken jüdischer Schriftsteller vorgelesen wurde und der Leipziger Synagogalchor auftrat. In Leipzig entwickelte sich ein intensiver christlich-jüdischer Austausch. Vertreter der evangelischen Kirche und der jüdischen Gemeinde bemühten sich um den Abbau von Vorurteilen. 1978 entstand aus einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom eine jährliche Veranstaltungsreihe Beiträge zum Verstehen des Judentums. Die Initiatoren der beiden Gemeinden wollten mit der Vermittlung von Kenntnissen über das Judentum dem verbreiteten Antisemitismus in der DDR und der antiisraelischen Politik entgegen-wirken. Seit 1980 gibt es sogar einen jährlichen ökumenischen Gottesdienst von einer evangelischen und der jüdischen Gemeinde in der Thomaskirche. Kontakte in den Westen und nach Israel Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde hatten private Kontakte zu ehemaligen Leipziger Juden, die sie von früher kannten, oder zu Verwandten, die in anderen Ländern lebten. Wie alle DDR-Bürger durften sie nach dem Bau der Mauer 1961 in der Regel erst in die Bundesrepublik reisen, wenn sie das Rentenalter erreicht hatten. Seit den 1960er-Jahren kamen wieder jüdische Pelzhändler aus New York und London geschäftlich nach Leipzig, wie sie es vor dem Krieg getan hatten. Bei der Gemeinde konnten sich Besucher über die Gemeinde und ihre Gottesdienste informieren und sie erhielten dort Hilfe, wenn sie die Gräber von Verwandten aufsuchen wollten. 1953 hatten vertriebene Leipziger Juden, die inzwischen in Tel Aviv lebten, dort einen Verein ehemaliger Leipziger gegründet. Die Exil-Leipziger hatten ein eher negatives Bild von der Nachkriegsgemeinde in Leipzig: Viele bezweifelten, dass sich auf deutschem Boden überhaupt wieder ein lebendiges jüdisches Leben entwickeln konnte; auch die Kontrolle des DDR-Staates bereitete ihnen Sorge. Einige wenige ehemalige Leipziger 13

Kontakte zur nichtjüdischen Umwelt und nach Israel M O D U L T E I L 2 aus Tel Aviv reisten bereits um 1960 nach Leipzig. Sie freuten sich über das Wiedersehen mit bekannten Stätten und Menschen und waren ergriffen von der Konfrontation mit der Vergangenheit. Zugleich misstrauten jedoch viele der ostdeutschen Bevölkerung und dem kommunistischen Regime. Die Kontakte zwischen Tel Aviv und Leipzig dauerten die ganze DDR-Zeit über an und werden bis heute fortgeführt. Haltung zu Israel Die Haltung der DDR zum Staat Israel war ablehnend. Antisemitische Äußerungen waren offiziell unter Strafe gestellt, im Zusammenhang mit Israel äußerten sich Vetreter der Partei- und Staatsführung aber häufig israelfeindlich und verbreiteten antisemitische Stereoptype. In offiziellen Äußerungen und den staatlich kontrollierten Medien wurde Israel einseitig als Aggressor im Nahen Osten dargestellt. Mehrfach wurden israelische Soldaten als nationalsozialistische Wehrmachtssoldaten charakterisiert. 1967 und 1973, als Israel von den arabischen Ländern angegriffen wurde, übte die SED Druck auf die jüdischen Gemeinden aus. Sie sollten Israel öffentlich verurteilen. Alle Gemeindevorsitzenden lehnten das ab, machten aber das Zugeständnis, gar keine Erklärung abzugeben also auch keine Unterstützung für Israel zu verkünden. Eugen Gollomb in Leipzig kritisierte die israelfeindliche Politik sowie antisemitische Darstellungen in Karikaturen und Zeitungsberichten. M3 Der ehemalige Leipziger Alexander Landau war vor der Zeit des Nationalsozialismus ein erfolgreicher Kaufmann und Förderer jüdischer Bildungseinrichtungen und der Gemeinde gewesen. Nach der Vertreibung lebte er in Israel. 1961 berichtete er im Heft des Verbandes ehemaliger Leipziger über eine Reise nach Leipzig: Und es berührte mich eigenartig, dass noch ein Fünkchen, ein kleines aber glühendes Fünkchen übrig geblieben ist. Der Raum [des Gemeindehauses in der Löhrstraße 10] [ ] sieht so aus, als wenn nichts geschehen wäre. Man sitzt drinnen, so wie man einst vor 30 Jahren dort gesessen haben mag. Nur, dass es ruhiger ist. Kein Betrieb mehr. [ ] Der spärliche Rest jüdischen Lebens war schon deshalb verwunderlich, weil Menschen an einer Tradition anknüpften, die fast alle gar keine Beziehungen zu dieser Tradition hatten. Ihre Schicksale und sie selbst mögen Strandgut eines grausamen Sturmes gewesen sein. Nun leben sie ein geruhsames und würdiges Leben. Quelle: Alexander Landau, Reisebericht, in: Mitteilungsblatt des Verbandes ehemaliger Leipziger in Israel, Heft April 1961, S. 2. 14

Kontakte zur nichtjüdischen Umwelt und nach Israel M O D U L T E I L 2 Aufgaben 1 Betrachte das Foto M1 und beschreibe die abgebildeten Personen. Tipp: Bedenke, dass Männer in einer Synagoge ihren Kopf bedecken müssen und beachte die Kopfbedeckungen der Gottesdienstteilnehmer. 2 Fasse zusammen, mit welchen Aktivitäten die Gemeinde sich in der DDR nach außen wandte. 3 Bewerte folgende Aussage: Das Konzept einer religiösen Gemeinschaft stand im Widerspruch zur nicht religiösen, kommunistischen Regierungspolitik der DDR. Beziehe dich dabei auf die Haltung zu Israel. 4 Erläutere die Haltung ehemaliger Leipziger gegenüber der Nachkriegsgemeinde in Leipzig. Nutze Abschnitt 3 des Autorentextes und M3. 5 Die Jüdisch-Christliche Arbeitsgemeinschaft gibt es heute noch. Recherchiere auf der Homepage www.jcha.de, welche Veranstaltungen und Informationsmöglichkeiten sie bietet. 15

Kontakte zur nichtjüdischen Umwelt und nach Israel M O D U L T E I L 2 Vorschlag zur Stundengestaltung SCHWERPUNKT Das Verhältnis der jüdischen Gemeinde zur SED war mitunter gespannt. Die jüdische Gemeinde öffnete sich ab den 1970er-Jahren immer mehr nach außen und suchte den kulturellen und religiösen Austausch mit ehemaligen Leipzigern, Leipziger Christen und einer interessierten Öffentlichkeit. Einstieg Alternative 1: Die Schülerinnen und Schüler rekapitulieren ihre Ergebnisse aus der vorangegangenen Unterrichtsstunde (Teil 1 dieses Moduls). Alternative 2: Die Lehrkraft weist auf die Abbildung M1 hin. Gemeinsam bearbeitet die Klasse mündlich Aufgabe 1. Erarbeitung 1 Die Schülerinnen und Schüler lesen die Abschnitte 2 und 3 des Autorentextes. In Partnerarbeit bearbeiten sie Aufgabe 2. Sicherung 1 Die Ergebnisse zu Aufgabe 2 werden im Plenum gesammelt und von der Lehrkraft in Stichpunkten an der Tafel festgehalten. Erarbeitung 2 Die Schülerinnen und Schüler lesen selbstständig Abschnitt 4 des Autorentexts und klären eventuelle Verständnisfragen im Plenum. In Einzelarbeit bearbeiten sie Aufgabe 3 schriftlich. Sicherung 2 religiöses Leben Gottesdienste, Feiertage kulturelles Leben Musik, Literatur Traditionspflege Bewahrung der Geschichte der Gemeinde Jüdische Gemeinde in der DDR politische Spannungen Kontrolle durch Staat, Forderung nach Loyalität zum Regime, offene Kritik der Gemeinde an antisemitischen Darstellungen Öffnung nach außen Veranstaltungen, christlich-jüdische Kooperation internationale Kontakte ehemalige Leipziger, jüdische Geschäftsreisende Differenzierung Aufgabe 4 eignet sich als zusätzliche Aufgabe für lernstärkere Schülerinnen und Schüler. Aufgabe 5 bietet sich als freiwillige Hausaufgabe an. Interessierte Schülerinnen und Schüler können ihre Ergebnisse in der nächsten Stunde der Klasse präsentieren. Eventuell kann die Klasse eine aktuelle Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft besuchen. Einige Schülerinnen und Schüler könnten Schwierigkeiten bei der Bearbeitung von Aufgabe 3 in Einzelarbeit haben. Dann könnte es helfen, den Schülerinnen und Schülern folgende Informationen als Hilfe zu geben: Die DDR war Israel gegenüber feindlich. Außerdem forderte sie bedingungslose Loyalität von allen DDR-Bürgern. 16

Kontakte zur nichtjüdischen Umwelt und nach Israel M O D U L T E I L 2 Lösungen zu den Aufgaben 1 (Beispiellösung) Auf dem Foto M1 ist ein Gottesdienst in der Leipziger Gemeindesynagoge zu sehen, laut Bildunterschrift um 1985. Es ist ein Mann erhöht zu sehen, der den Gottesdienst leitet. Im Vordergrund sieht man die Köpfe von elf Teilnehmern in den vorderen Reihen, offenbar alles Männer. Die Kopfbedeckungen sind sehr verschieden: Kippas, die übliche Kopfbedeckung gläubiger Juden; Arbeitermützen und eine Mütze, die an eine Soldatenmütze erinnert. 2 (Beispiellösung) Die Gemeinde trat zunächst mit kulturellen Veranstaltungen in die Leipziger Öffentlichkeit: mit regelmäßigen Konzerten des Synagogalchors und Lesungen. Ab den späten 1970er- Jahren gab es außerdem einen intensiven jüdisch-christlichen Austausch, der von einer evangelischen Gemeinde und der jüdischen Gemeinde gestaltet wurde. Daraus entstand sogar ein ökumenischer Gottesdienst. Die Leipziger Gemeinde pflegte auch Kontakte ins Ausland: Zum einen informierte sie jüdische Messebesucher, zum anderen hielt sie Kontakt mit dem Verband ehemaliger Leipziger in Israel. 3 (Beispiellösung) Die Aussage beschreibt die tiefere Ursache für die Spannungen, denen die jüdischen Gemeinden in der DDR ausgesetzt waren. Dazu kommt, dass die DDR Israel gegenüber feindlich eingestellt war. Außerdem forderte sie bedingungslose Loyalität von allen DDR-Bürgern. Die Spannungen zeigten sich deutlich im Zusammenhang mit den Verteidigungskriegen, die Israel 1967und 1973 führte: Die SED wollte, dass die Gemeinden Israel öffentlich verurteilten. Die Gemeindevorsitzenden, auch in Leipzig, lehnten ab. Allerdings verpflichteten sie sich, auch keine Unterstützung für Israel zu verkünden. Ich stimme der Aussage zum Teil zu, weil die jüdische Gemeinde sich offiziell immer der sozialistischen Politik der DDR unterordnen musste. Allerdings gab es in Leipzig trotz dieser Spannungen ein beständiges Gemeindeleben, und der Leipziger Gemeindevorsitzende Eugen Gollomb kritisierte antisemitische Äußerungen öffentlich. 4 (Beispiellösung) Die Haltung ehemaliger Leipziger zur Nachkriegsgemeinde war ambivalent. Vielen ehemaligen Leipzigern war das kommunistische Regime suspekt, außerdem bezweifelten sie, dass sich auf deutschem Boden überhaupt wieder ein lebendiges jüdisches Leben entwickeln konnte. In M3 nennt ein ehemaliger Leipziger die Gemeindemitglieder spärlicher Rest. Aus dem Bericht spricht aber auch Freude, dass es überhaupt eine Gemeinde in Leipzig gibt, auch wenn sie ruhig und klein ist, ein glühendes Fünkchen. Die gemischten Gefühle werden am Ende des Ausschnitts deutlich: Landau meint, dass die aktuellen Gemeindemitglieder alle gar keine Beziehungen zu dieser Tradition hatten. Er bezweifelt offenbar, dass die Tradition der großen Vorkriegsgemeinde weiterlebt. Er sieht aber die positive Seite für die Überlebenden der Verfolgung: Ihre Schicksale und sie selbst mögen Strandgut eines grausamen Sturmes gewesen sein. Nun leben sie ein geruhsames und würdiges Leben. 5 individuelle Lösungen 17