Natur- und Man-made-Katastrophen 2011:

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sigma Nr. 2/2012 Natur- und Man-made-Katastrophen 2011: Rekordschäden durch Erdbeben und Überschwemmungen von historischem Ausmass 1 Zusammenfassung 2 Katastrophen 2011 im Überblick 12 Überschwemmungs-Hotspots 17 Tabellen zum Berichtsjahr 2011 36 Tabellen zu den Grossschäden 1970 2011 38 Begriffe und Selektionskriterien

Herausgeberin: Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft AG Economic Research & Consulting Postfach 8022 Zürich Schweiz Telefon +41 43 285 2551 Fax +41 43 282 0075 E-Mail: sigma@swissre.com Büro New York: 55 East 52nd Street 40th Floor New York, NY 10055 Telefon +1 212 317 5400 Fax +1 212 317 5455 Büro Hongkong: 18 Harbour Road, Wanchai Central Plaza, 61st Floor Hong Kong, SAR Telefon + 852 25 82 5703 Fax + 852 25 11 6603 Autoren: Lucia Bevere Telefon +41 43 285 9279 Rudolf Enz Telefon +41 43 285 2239 Jens Mehlhorn (Kapitel «Überschwemmungs-Hotspots») Telefon +41 43 285 4304 Toru Tamura (Kasten «Integration von Tsunamirisiken in Katastrophenmodelle») Telefon +81 3 3272 4689 Editor: Jessica Villat Córdova Telefon +41 43 285 5189 Chefredaktor: Verantwortlich für die sigma-reihe ist Kurt Karl, Leiter Economic Research & Consulting. Diese Ausgabe wurde am 16. Februar 2012 abgeschlossen. sigma ist in englischer (Originalsprache), deutscher, französischer, spanischer, chinesischer und japanischer Sprache erhältlich. sigma ist auf dem Server von Swiss Re verfügbar: www.swissre.com/sigma Die Internetversion kann geringfügig aktualisierte Informationen enthalten. Übersetzungen: CLS Communication Gestaltung und Produktion: Swiss Re Logistics/Media Production 2012 Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft AG Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser sigma-ausgabe ist urheberrechtlich geschützt. Die Informationen können für private oder interne Zwecke verwendet werden unter der Voraussetzung, dass keine urheberrechtlichen oder eigentumsrechtlichen Verweise entfernt werden. Elektronische Weiterverbreitung der in sigma publizierten Daten ist nicht gestattet. Auszugsweise Reproduktion oder Gebrauch für öffentliche Zwecke ist nur mit der Quellenangabe «sigma Nr. 2/2012» sowie vorgängiger schriftlicher Genehmigung durch Swiss Re Economic Research & Consulting gestattet. Belegexemplare erwünscht. Obwohl die verwendeten Informationen aus zuverlässigen Quellen stammen, kann die Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben übernehmen. Die in dieser Publikation enthaltenen Angaben dienen lediglich zu Informationszwecken und stellen keinerlei Parteinahme von Swiss Re dar. Aus den aufgeführten Informationen können keinerlei Rechtsansprüche gegenüber Swiss Re abgeleitet werden. Ordner-Nr: 270_0212_de

Zusammenfassung Katastrophen forderten 2011 etwa 35 000 Menschenleben und kosteten die Versicherer etwa 116 Mrd. USD Katastrophen forderten 2011 etwa 35 000 Menschenleben. Die Versicherungsschäden stiegen mit 116 Mrd. USD auf mehr als das Doppelte. 2011 wurden mehr als 300 Katastrophenereignisse verzeichnet. Das Erdbeben in Japan kostete mehr Menschenleben als jedes andere im Jahr 2011. Die Katastrophen kosteten die Gesellschaft im Jahr 2011 über 370 Mrd. USD. Die versicherten Schäden beliefen sich auf insgesamt 116 Mrd. USD; davon entfielen fast 110 Mrd. USD auf Natur katastrophen und 6 Mrd. USD auf Man-made-Katastrophen. Zwischen versicherten und unversicherten wirtschaftlichen Schäden klafft eine Lücke von 254 Mrd. USD, was auf ein verbreitetes Fehlen von Versicherungsschutz hindeutet. Die Überschwemmung in Thailand verursachte überraschend hohe Versicherungsschäden von 12 Mrd. USD. In anderen Teilen der Welt könnten ähnliche Schäden drohen. In Zukunft werden umfangreichere Massnahmen zur Risikominderung sowie eine bessere Analyse der Lieferketten in der Fertigungsindustrie erforderlich sein. Natur- und Man-made-Katastrophen forderten 2011 etwa 35 000 Menschenleben und verursachten ökonomische Schäden von über 370 Mrd. USD. Die Kosten für die Versicherer beliefen sich auf etwa 116 Mrd. USD. Das Jahr 2011 nimmt in Bezug auf die Höhe der Versicherungsschäden den zweiten Platz ein, seit sigma 1970 mit der Erfassung der Naturkatastrophendaten begann. Im Jahr 2011 waren von den 325 Katastrophenereignissen 175 Naturkatastrophen und 150 Man-made-Katastrophen. Von den etwa 35 000 Menschen, die 2011 bei Katastrophen umkamen, starben über 19 000 bei dem schweren Erdbeben, das im März den Nordosten Japans heimsuchte. Der Tropensturm Washi auf den Philippinen sowie die Überschwemmungen in Brasilien und Thailand forderten ebenfalls mehr als 3000 Menschenleben. Die wirtschaftlichen Schäden infolge von Natur- und Man-made-Katastrophen kosteten die Gesellschaft 2011 die Rekordsumme von über 370 Mrd. USD gegenüber 226 Mrd. USD im Jahr 2010. Allein das historische Erdbeben in Japan verursachte Schäden von mindestens 210 Mrd. USD. Asien war daher auch die Region, die mit insgesamt über 260 Mrd. USD den höchsten ökonomischen Schaden aufwies. Naturkatastrophen kosteten die Versicherungswirtschaft im Jahr 2011 weltweit rund 110 Mrd. USD, weitere 6 Mrd. USD kamen durch Man-made-Katastrophen hinzu. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 betrug die Summe aller Versicherungsschäden 48 Mrd. USD. Die meisten Schäden entstanden durch die Erdbeben in Japan und Neuseeland, gefolgt von der Überschwemmung in Thailand sowie der beispiellosen Tornadosaison in den USA. Die Hurrikanschäden in den USA waren moderat, sodass die Gesamtsumme der Versicherungsschäden geringer war als 2005. Am höchsten waren die versicherten Schäden mit über 49 Mrd. USD in Asien. Die Differenz von über 254 Mrd. USD zwischen dem wirtschaftlichen und den versicherten Schäden im Jahr 2011 zeigt, dass viele Menschen und Regierungen durch katastrophale se in Finanznot geraten könnten, weil ein Versicherungsschutz fehlt. Die ansteigende Tendenz bei den wirtschaftlichen Gesamtschäden durch Natur- und Man-made-Katastrophen während der letzten zwei Jahrzehnte und der neue Rekord bei den katastrophenbedingten wirtschaftlichen Gesamtschäden im Jahr 2011 deuten darauf hin, dass eine ausreichende Deckung immer wichtiger wird. Ein spezielles Kapitel zu Überschwemmungen in dieser sigma-ausgabe zeigt, dass Überschwemmungen ein ebenso hohes Schadenpotenzial haben wie Erdbeben und Stürme. Aufgrund der gestiegenen Bedeutung Thailands in der globalen Lieferkette der Fertigungsindustrie führte die Überschwemmung dort zu Versicherungsschäden in einer geschätzten Höhe von 12 Mrd. USD. Dabei handelte es sich um den höchsten je verzeichneten Verlust durch Überschwemmung, der vor allem durch Betriebsunterbrechungen und Beschädigungen an Gewerbeimmobilien verursacht wurde.¹ Durch eine Kombination verschiedener Faktoren die Grösse der betroffenen Flächen, die starke Konzentration von Sachwerten, die hohe Versicherungsdurchdringung und die unzureichende Risikovorsorge im Vorfeld der Katastrophe vervielfachte sich der Schaden. Das in Thailand hat auf schmerzliche Weise daran erinnert, dass angesichts des hohen Überschwemmungsrisikos, dem viele Länder ausgesetzt sind, auch anderen Teilen der Welt ähnlich hohe Schäden drohen könnten. Einerseits sollten Unternehmen, Regierungen und die Bevölkerung zunehmend über strengere Präventions- und Risikominderungsmassnahmen für Natur- und Man-made-Katastrophen nachdenken. Dies gilt vor allem für die Schwellenländer, deren Bedeutung für die verflochtene Weltwirtschaft wächst. Andererseits täte die Versicherungswirtschaft gut daran, die Auswirkungen globaler Lieferketten im Hinblick auf eine ganzheitlichere Risikoabschätzung genauer zu untersuchen. ¹ Für dieses sigma-ranking werden nur Verluste durch se berücksichtigt, bei denen Überschwemmung die Primärgefahr ist. Verluste durch Sekundärgefahren wie Tsunamis nach Erdbeben oder Überschwemmungen infolge von Stürmen werden der entsprechenden Primärgefahr zugerechnet. 1

Katastrophen 2011 im Überblick 2011 gab es über 300 Katastrophenereignisse Auswahlkriterien für se, 2011 Schwellenwert in Mio. USD Versicherungsschäden: Maritime Katastrophen 18,0 Luftfahrt 35,9 Übrige Schäden 44,6 oder Gesamtschäden: 89,2 oder Personenschäden: Todesopfer bzw. Vermisste 20 Verletzte 50 Obdachlose 2000 Die Zahl der Katastrophenereignisse stieg im Jahr 2011 leicht an. Von den 325 sen des Jahres 2011 wurden 175 als Naturkatastrophen eingestuft, die übrigen 150 waren Man-made-Katastrophen (siehe Abbildung 1). Die Zahl der Man-made-Katastrophen lag 2011 zum zweiten Mal in Folge unter jener der Naturkatastrophen. Seit 2005 entwickelt sich die Zahl der Man-made-Katastrophen rückläufig. Ein wird in den Statistiken von sigma berücksichtigt, wenn Versicherungsschäden, Gesamtschäden oder die Zahl der Personenschäden eine bestimmte Schwelle übersteigen (siehe nebenstehende Auswahlkriterien für 2011). Die Schwellenwerte werden jedes Jahr an die Inflation angepasst. Das zusätzliche Kriterium der Personenschäden die Zahl der Todesopfer, Vermissten, Schwerverletzten und Obdachlosen ermöglicht zudem, se auch in Regionen mit geringer Versicherungsdurchdringung zu erfassen. Abbildung 1 Zahl der se 1970 2011 300 250 200 150 100 50 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Man-made-Katastrophen Naturkatastrophen Quelle: Swiss Re Economic Research & Consulting Etwa 35 000 Katastrophenopfer weltweit Die meisten der weltweit fast 35 000 Menschen, die 2011 bei Natur- und Man-made- Katastrophen ums Leben kamen, fielen dem Erdbeben und dem Tsunami in Japan zum Opfer. Naturkatastrophen forderten die meisten Todesopfer, und die neuesten Meldungen über die Opfer der Hungersnot in Afrika lassen die Zahl weiter steigen. 2011 rangiert im Hinblick auf die Zahl der Opfer auf dem 16. Platz, seit sigma 1970 mit der Erfassung von Katastrophendaten begann. Fast 35 000 Menschen kamen 2011 durch Natur- und Man-made-Katastrophen ums Leben. Dies sind insgesamt mehr als doppelt so viele wie 2009, aber erheblich weniger als 2010 mit dem Erdbeben in Haiti, dem 220 000 Menschen zum Opfer fielen. Die meisten Toten forderte auch 2011 ein Erdbeben: Im März starben durch das Erdbeben und den Tsunami in Japan mehr als 19 000 Menschen. Dank Japans ausserordentlichen Leistungen bei der strikten Einhaltung von Bauvorschriften und der Risikovorsorge fielen dem japanischen Beben weniger Personen zum Opfer als dem haitianischen, obwohl letzteres weniger stark war und nicht von einem Tsunami gefolgt wurde. Weltweit waren im Jahr 2011 bei Naturkatastrophen rund 29 000, bei Man-made- Katastrophen etwa 6000 Opfer zu beklagen (siehe Abbildung 2). Nach Japan kosteten der Tropensturm Washi auf den Philippinen sowie die Überschwemmungen in Thailand und Brasilien weitere 3164 Menschenleben. Das Erdbeben in der Türkei im Oktober forderte ebenfalls 644 Opfer. Die Konsequenzen der Hungersnot durch die schwere Dürre am Horn von Afrika sind in den weltweiten Opferzahlen noch nicht vollständig enthalten. Die menschlichen und wirtschaftlichen Folgen sind noch nicht umfassend geklärt. Dennoch gilt diese Hungersnot als die grösste humanitäre Katastrophe des Jahres. 2

Etwa 6000 Menschen starben 2011 bei Man-made-Katastrophen. Der Arabische Frühling forderte viele Menschenleben. Maritime Katastrophen und Luft-/Raumfahrtkatastrophen führten zu mehr als 2000 bzw. 500 Todesfällen. Rund 6000 Menschen fielen Man-made-Katastrophen zum Opfer, etwas weniger als 2010. Die opferreichsten Man-made-Katastrophen des Jahres 2011 waren die se am Jahresanfang in Ägypten. Die Demonstrationen gegen die Regierung in Ägypten, bei denen etwa 846 Menschen starben, sind in den Zahlen dieser sigma-ausgabe enthalten. Da viele der übrigen als «Arabischer Frühling» bekannten se des Jahres 2011 als Bürgerkrieg oder kriegsähnliche se einzustufen sind, ist die Gesamtzahl ihrer Opfer hier nicht berücksichtigt, obwohl diese noch weitaus höher war als in Ägypten.² Weitere Man-made-Katastrophen, denen 2011 viele Menschen zum Opfer fielen, waren der Untergang einer überfüllten Fähre vor der Küste Tansanias (220 Opfer) und von Booten mit illegalen Immigranten oder Flüchtlingen. Maritime Katastrophen sowie Luft- und Raumfahrtskatastrophen führten zu ungefähr 2000 respektive 500 Todesfällen. Terrorakte, einschliesslich des Doppelanschlags in Norwegen im Juli, kosteten etwa 500 Menschenleben. Abbildung 2 Zahl der Opfer 1970 2011 1 000 000 100 000 1 2 3 4 5 6 10 000 1 000 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 1 1970: Sturm in Bangladesch, Erdbeben in Peru 2 1976: Erdbeben in Tangshan, China 3 1991: Zyklon Gorki, Bangladesch 4 2004: Erdbeben und Tsunami im Indischen Ozean 5 2008: Zyklon Nargis, Myanmar 6 2010: Erdbeben in Haiti Man-made-Katastrophen Naturkatastrophen Hinweis: Die Skala ist logarithmisch von einem Band zum nächsten verzehnfacht sich die Opferzahl. Quelle: Swiss Re Economic Research & Consulting ² Siehe Begriffe und Selektionskriterien auf Seite 38. 3

Katastrophen 2011 im Überblick Wirtschaftliche Gesamtschäden von schätzungsweise 370 Mrd. USD Mit 370 Mrd. USD verzeichnete das Jahr 2011, vor allem aufgrund von Erdbeben, die höchsten wirtschaftlichen Schäden der Geschichte. Die wirtschaftlichen Schäden durch Man-made-Katastrophen beliefen sich 2011 auf fast 8 Mrd. USD. Durch Natur- und Man-made-Katastrophen entstanden der Gesellschaft 2011 Kosten von über 370 Mrd. USD. Dies sind die höchsten katastrophenbedingten wirtschaftlichen Schäden, die jemals verzeichnet wurden. Die meisten Schäden entstanden durch das verheerende Erdbeben mit anschliessendem Tsunami, das den Nordosten Japans im März heimsuchte. Das Erdbeben in Japan war in Bezug auf die Magnitude das stärkste je dort gemessene und das viertstärkste weltweit. Die dadurch unmittelbar entstandenen wirtschaftlichen Schäden werden auf insgesamt 210 Mrd. USD geschätzt. Das Beben in Neuseeland im Februar verursachte weitere Schäden in einer geschätzten Höhe von 15 Mrd. USD. Insgesamt stiegen die weltweiten wirtschaftlichen Schäden durch Erdbeben auf einen neuen Rekordwert von mehr als 230 Mrd. USD. Das Jahr 2011 war aber nicht nur vom schadenintensivsten Erdbeben aller Zeiten geprägt, sondern mit dem Hochwasser in Thailand auch von einer der schwersten Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Die Überflutung führten zu massiven Schäden an den Produktionsanlagen des Landes und zu schweren Störungen in den internationalen Lieferketten. Man-made-Katastrophen haben Schätzungen zufolge weitere Schäden in Höhe von fast 8 Mrd. USD verursacht. Zu den schadenintensivsten Man-made-Katastrophen des Jahres 2011 zählen Unfälle auf Bohrinseln, in anderen Öl- und Gasanlagen sowie in einem Kraftwerk auf Zypern. Tabelle 1 Wirtschaftlicher Schaden 2011 nach Region in % des BIP Region in Mio. USD in % des BIP Nordamerika 63 460 0,38% Lateinamerika/Karibik 5 558 0,10% Europa 8 712 0,04% Afrika 1 560 0,08% Asien 260 149 2,09% Ozeanien 27 814 1,80% Meer/Weltraum 3 633 Welt Total 370 887 0,31% Quelle: Swiss Re Economic Research & Consulting Mit Versicherungsschäden von 116 Mrd. USD ist 2011 das zweitteuerste Jahr aller Zeiten Die katastrophenbedingten Versicherungsschäden beliefen sich auf etwa 116 Mrd. USD und machten 2011 damit zum zweitteuersten Jahr aller Zeiten für die Versicherungsindustrie. Die Schäden durch Naturkatastrophen beliefen sich auf 110 Mrd. USD. Der drastische Anstieg im Jahr 2011 war vor allem auf Erdbeben aber auch wetterbedingte Schäden zurückzuführen. Von den Gesamtschäden in Höhe von 370 Mrd. USD, die 2011 von Katastrophen verursacht wurden, war mit 116 Mrd. USD fast ein Drittel durch Versicherungen gedeckt (siehe Abbildung 3). Für die Versicherungswirtschaft ist 2011 damit den Daten von sigma zufolge das zweitteuerste Jahr der Geschichte. Noch teurer war nur das Jahr 2005, als die Hurrikans Katrina, Wilma und Rita allein schon Kosten von über 100 Mrd. USD verursachten. Dennoch verbleibt angesichts der extrem hohen wirtschaftlichen Schäden und der geringen Versicherungsdurchdringung in erdbebengefährdeten Ländern wie Japan ein grosser Teil der wirtschaftlichen Schäden von 2011 auf den Schultern von Privatpersonen, Unternehmen oder staatlichen Institutionen. Der grösste Teil der Versicherungsschäden entfiel mit etwa 110 Mrd. USD auf Naturkatastrophen. Mit versicherten Erdbebenschäden in Höhe von 49 Mrd. USD ist 2011 das bisher teuerste Kalenderjahr überhaupt in der Kategorie Erdbeben. Infolge der massiven Überschwemmung in Thailand in der zweiten Jahreshälfte der teuersten je in sigma erfassten Überschwemmung¹ und der beispiellosen Tornado saison in den USA waren aber auch die wetterbedingten Schäden hoch. Dank der moderaten Hurrikanschäden blieben die wetterbedingten Schäden und damit auch die katastrophenbedingten Gesamtschäden unter der Rekordmarke von 2005. Die Versicherungsschäden durch Man-made-Katastrophen beliefen sich auf etwa 6 Mrd. USD. 4

Abbildung 3 Versicherte Katastrophenschäden 1970 2011 120 in Mrd. USD, zu Preisen von 2011 6 80 60 40 20 0 1 2 3 4 5 7 8 9 1 1992: Hurrikan Andrew 2 1994: Northridge-Erdbeben 3 1999: Wintersturm Lothar 4 2001: 9/11-Terroranschlag 5 2004: Hurrikans Ivan, Charley, Frances 6 2005: Hurrikans Katrina, Rita, Wilma 7 2008: Hurrikans Ike, Gustav 8 2010: Erdbeben in Chile, Neuseeland 9 2011: Erdbeben in Japan, Neuseeland, Überschwemmung in Thailand 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Erdbeben/Tsunamis Man-made-Katastrophen Wetterbedingte Naturkatastrophen Quelle: Swiss Re Economic Research & Consulting Mindestens 15 se verursachten Schäden von jeweils über 1 Mrd. USD. An der Spitze liegt das Erdbeben in Japan mit 35 Mrd. USD. Die versicherten Schäden infolge von Man-made-Katastrophen beliefen sich auf etwa 6 Mrd. USD. Mindestens 15 Katastrophen verursachten im Jahr 2011 Versicherungsschäden von je 1 Mrd. USD oder mehr (siehe Tabelle 5). Wie schon 2010 wurden die vorderen Plätze von Erdbeben belegt. Das teuerste war mit Versicherungsschäden von 35 Mrd. USD das Erdbeben in Japan, gefolgt von dem Erdbeben in Neuseeland, das Versicherungsschäden von über 12 Mrd. USD verursachte. Allein wegen dieser beiden se war 2011 das Jahr mit den höchsten jemals verzeichneten Erdbebenschäden. Die Überschwemmung in Thailand teilt sich mit dem Erdbeben in Neuseeland den Platz als zweithöchsten Schaden des Jahres. Zugleich war die Überschwemmung in Thailand der höchste Hochwasserschaden, den die Versicherungswirtschaft jemals verzeichnet hat. Durch Man-made-Katastrophen kam es im Jahr 2011 zu weiteren Versicherungsschäden in Höhe von etwa 6 Mrd. USD. Die grössten dieser Katastrophen waren der Brand in einer Ölsandanlage im Januar in Alberta, Kanada, wo sich die grössten Ölsandvorkommen der Welt befinden, die Beschädigung eines Produktions- und Lagerschiffs im Februar in der Nordsee und die Explosion des Kraftwerks Vasilikos im Juli auf Zypern, die zu einer schweren Stromunterversorgung führte. Die Schäden durch Luft- und Raumfahrtkatastrophen waren erheblich geringer als 2010, doch eine Reihe von Schäden an Satelliten und Fehlstarts kostete die Versicherer weitere 0,5 Mrd. USD. Der durch Raumfahrtkatastrophen war zwar höher, doch in vielen Fällen waren staatliche Projekte betroffen, für die kein Versicherungsschutz bestand. 5

Katastrophen 2011 im Überblick Regionaler Überblick Die versicherten und ökonomischen Schäden waren in Asien und Nordamerika am höchsten. Aufgrund des historischen Erdbebens in Japan und der beispiellosen Überschwemmung in Thailand waren sowohl die versicherten als auch die wirtschaftlichen Schäden in Asien mit geschätzten 47 Mrd. USD bzw. 260 Mrd. USD von allen Regionen am höchsten. Tabelle 2 Katastrophen 2011, nach Regionen Versicherungs- Gesamt schäden schäden Region Anzahl Opfer in % in Mio. USD in % in Mio. USD Nordamerika 50 768 2,2% 39 756 34,3% 63 460 Lateinamerika/Karibik 36 1 880 5,4% 631 0,5% 5 558 Europa 34 1 158 3,3% 4 340 3,7% 8 712 Afrika 51 2 894 8,3% 323 0,3% 1 560 Asien 104 26 189 75,4% 49 249 42,5% 260 149 Ozeanien 10 233 0,7% 19 106 16,5% 27 814 Meer/Weltraum 40 1 607 4,6% 2 409 2,1% 3 633 Welt Total 325 34 729 100,0% 115 814 100,0% 370 887 Quelle: Swiss Re Economic Research & Consulting Asien (Schäden in Mio. USD) Opfer 26 189 Gesamtschäden 260 149 Versicherungsschäden 49 249 Von allen Regionen hatte Asien die meisten Todesopfer zu beklagen. Die in Art und Ausmass beispiellose Überschwemmung in Thailand war das zweitteuerste Asiens im Jahr 2011 und das teuerste Überschwemmungsereignis in den Daten von sigma. Auch Pakistan und China verzeichneten Überschwemmungen mit vielen Todesopfern und hohen Schäden. Der Tropensturm Washi war in der Region das mit den zweitmeisten Toten nach dem Erdbeben in Japan. Asia In Bezug auf die Zahl der Todesopfer und die wirtschaftlichen sowie die versicherten Schäden war Asien 2011 die von Katastrophen am stärksten heimgesuchte Region. Das Erdbeben in Japan war in Asien das, das die meisten Opfer forderte und die höchsten finanziellen Schäden verursachte. Seine Gesamtkosten werden zurzeit auf 210 Mrd. USD geschätzt, aber diese Summe dürfte noch steigen, wenn die Schäden an Kernanlagen und die Kosten für Betriebsunterbrechungen sowie die Umsiedlung der Bevölkerung voll berücksichtigt sind. Allein aufgrund der Schwere des ses verzeichnete Japan auch die höchsten Versicherungsschäden, obwohl die Versicherungsdurchdringung dort besonders bei Gewerbeimmobilien gering ist.³ Daher beliefen sich die Versicherungsschäden, trotz ihrer Höhe, nur auf einen Bruchteil der Gesamtkosten des ses. Asien verzeichnete auch hohe wetterbedingte Schäden. In Thailand führten starke Regenfälle zur schwersten Überschwemmung seit 50 Jahren, die 813 Todesopfer forderte. Mehr als vier Millionen Wohnungen, Unternehmen und Industrieanlagen wurden überflutet, was massive Beschädigungen und Störungen in Alltagsabläufen und Produktionsprozessen zur Folge hatte. Thailand ist ein wichtiges Bindeglied in den globalen Lieferketten der Fertigungsindustrie und einer der grössten Hersteller von Festplatten. Daher waren von der Überschwemmung zahlreiche internationale Unternehmen betroffen, die entweder Betriebe in Thailand hatten oder stark von Zulieferern in Thailand abhängig waren. Dies führte zu einer beispiellosen Welle von Schäden in der Betriebsunterbrechungsversicherung. Nach aktuellen Schätzungen belaufen sich die Versicherungsschäden durch die Überschwemmung in Thailand auf 12 Mrd. USD. Damit handelt es sich um das teuerste Überschwemmungsereignis in den Daten von sigma. Angesichts des Prämienvolumens für Sachversicherungsprämien (das für 2011 auf 0,6 Mrd. USD geschätzt wurde) wird der Schaden zum grössten Teil von den internationalen Erst- und Rückversicherungsmärkten getragen werden. Weitere schwere Überschwemmungen in Pakistan und China forderten im Sommer und Herbst etwa 900 Todesopfer und führten zu wirtschaftlichen Schäden von über 9 Mrd. USD. Im September 2011 wurde Japan erneut getroffen, diesmal vom Taifun Roke, der 13 Menschenleben kostete und Schäden in Höhe von 1,2 Mrd. USD verursachte. Der Taifun Muifa, der auch die Philippinen und China traf, hatte zuvor bereits weitere wirtschaftliche Schäden in Höhe von 850 Mio. USD angerichtet, vor allem in China. Gegen Ende des Jahres folgte das, das nach dem Beben in Japan die meisten Todesopfer forderte. Der schwere Tropensturm Washi hinterliess auf den Philippinen 1449 Tote oder Vermisste, und durch schwere Regenfälle und massive Überschwemmungen wurden 400 000 Menschen obdachlos. Das ganze Ausmass der Sturmschäden steht noch nicht fest. ³ Siehe «Lessons from recent major earthquakes», Swiss Re Economic Research & Consulting, Januar 2012 6

Die neue Welle: Integration von Tsunamirisiken in Katastrophenmodelle Am 11. März 2011 erschütterte ein Erdbeben mit einer Stärke von 9,0 den Nordosten Japans, gefolgt von einem verheerenden Tsunami. Der grösste Teil der wirtschaftlichen Schäden entstand dabei durch die Auswirkungen des Tsunamis und nicht durch die Bodenerschütterungen. Der Tsunami betraf einen 2000 Kilometer langen Abschnitt der Pazifikküste und reichte mehr als fünf Kilometer ins Inland hinein. Die stellenweise über 40 Meter hohe Flutwelle überspülte Schätzungen zufolge fast 535 Quadratkilometer Land. Das Beispiel Japan erinnert daran, dass sekundäre se wie Tsunamis bei einem Erdbeben einen beträchtlichen Teil des Schadens ausmachen können. Obwohl die Erinnerung an den horrenden Tsunamischaden infolge des Sumatra-Bebens von 2004 noch präsent war, wurde das Tsunamirisiko in der Versicherungswirtschaft bisher weithin unterschätzt. Zur Messung von Naturgefahren verwenden die Versicherer meist Modelle, die eine grosse Zahl wahrscheinlicher Katastrophenereignisse, zum Beispiel Erdbeben, simulieren. Obwohl Tsunamimodelle in Wissenschaft und Technik weit verbreitet sind, wurden sie von der Versicherungswirtschaft bisher nie explizit in ihre Erdbebenmodelle integriert. Als Reaktion auf dieses Defizit der bestehenden Katastrophenmodelle begann Swiss Re mit der Verbesserung ihres Modells zur Messung der Tsunamiwahrscheinlichkeit. Ein Expertenteam von Swiss Re konnte 2011 die Ausbreitung von Tsunamiwellen im offenen Ozean simulieren und die Überflutung messen, die durch das Auftreffen der Tsunamiwellen auf die Küste entsteht. Tsunamis auf offener See wurden mit verschiedenen Kombinationen vorab durchgerechneter Modelldurchläufe kalkuliert. Für die Überflutung durch Tsunamis an der Küste wurde die Energie berücksichtigt, die zwischen einem Tsunami auf offener See und der bei der Überflutung verloren gehenden Reibungsenergie erhalten bleibt. Mit dieser Methode konnte die Wirkung des ses vom 11. März sehr genau nachgebildet werden. Ein Ergebnis des Tsunamimodells von Swiss Re ist eine Gefahrenkarte, in der die Tsunami-Höhe auf offener See dargestellt ist, die einmal in 1000 Jahren zu erwarten ist. Anhand des ursprünglichen Erdbebenmodells von Swiss Re wird der tsunamibedingte Schaden mit den Schäden durch Bodenerschütterungen und Brände nach einem Erdbeben kombiniert. Das Resultat bestätigt erneut, dass die japanische Nordostküste, an der sich die jüngste Katastrophe ereignete, ein hohes Tsunamirisiko aufweist. Ein ähnliches Tsunamirisiko besteht demnach aber auch entlang der japanischen Südwestküste im Zusammenhang mit gigantischen Erdbeben im Tokai-, Tonankai- und Nankai-Trog. Swiss Re s Tsunami Modell leistet damit einen erheblichen Beitrag zum Verständnis und zur Beurteilung von Erdbebenrisiken in der Branche. Naturkatastrophenexperten und Underwriter von Swiss Re arbeiten zurzeit an einer Erweiterung des Swiss Re Modells, um auch das Tsunamirisiko in Chile, Peru, Neuseeland, Indonesien und anderen tsunamigefährdeten Gebieten vorhersagen zu können. Abbildung 4: Tsunami-Gefahrenkarte Japan über einen Zeitraum von 1000 Jahren Tsunami-Höhe auf offener See (m) 3,5 3,5 6,5 6,5 10 10 20 20 Quelle: Swiss Re Cat Perils 7

Katastrophen 2011 im Überblick Nordamerika (Schäden in Mio. USD) Opfer 768 Gesamtschäden 63 460 Versicherungsschäden 39 756 Die USA verzeichneten eine opferreiche und teure Tornadosaison. Der seit 2008 erste Hurrikan, der in den USA auf Land traf, verursachte Versicherungsschäden von 5,3 Mrd. USD. Durch ausgeklügeltes Risikomanagement konnten überschwemmungsbedingte Sachschäden eingedämmt werden. Die Brände in Slave Lake verursachten die zweithöchsten Versicherungsschäden der kanadischen Geschichte. Nordamerika Nordamerika war 2011 die am zweitschwersten betroffene Region, sowohl nach Versicherungsschäden (etwa 40 Mrd. USD) als auch nach wirtschaftlichen Schäden (über 63 Mrd. USD). Harte Wetterbedingungen im Frühjahr und der Hurrikan Irene verursachten die meisten Schäden. Wie schon im Vorjahr erlitten die USA hohe Schäden, die nicht durch Hurrikans ausgelöst wurden. Mehrere Bundesstaaten im Süden und Mittleren Westen wurden im April und Mai von zwei schweren Tornados heimgesucht, die Versicherungsschäden in Höhe von mehr als 14 Mrd. USD auslösten und mehr als 500 Menschenleben kosteten. Unter den teuersten US-Naturkatastrophen belegen die beiden Tornados in den Daten von sigma die Plätze 10 und 11. Zum Vergleich: Bei den beiden teuersten US-Wetterereignissen des Jahres 2010 entstanden nur Versicherungsschäden von etwa 5 Mrd. USD. Im Jahr 2011 haben in den USA neun Naturkatastrophen Versicherungsschäden von je 1 Mrd. USD oder mehr verursacht. 2010 gab es nur drei Katastrophen, die diese Schadenssumme erreichten. Auch hinsichtlich der Zahl der Todesopfer zählten die Tornados vom Frühjahr zu den schwersten, die jemals erfasst wurden. Erstmals seit dem Hurrikan Ike im Jahr 2008 traf in den USA wieder ein Hurrikan auf Land. Der Hurrikan Irene, der unter den teuersten US-Naturkatastrophen in den Daten von sigma Platz 13 belegt, richtete in der Karibik Schäden an und schwächte sich dann auf dem Weg entlang der Ostküste ab. Dabei verursachte er Versicherungsschäden in der geschätzten Höhe von 5,3 Mrd. USD, vor allem in den USA. Geringfügige Schäden gab es aber auch in Kanada. Die Hurrikansaison umfasste 19 mit Namen benannte Stürme, von denen sich sieben zu Hurrikans entwickelten. Von diesen wurden wiederum drei als schwer eingestuft. Die Hurrikanschäden waren höher als im Jahr 2010, im Vergleich zum letzten Jahrzehnt aber moderat. Im Frühjahr und Sommer 2011 kam es zu einem starken Anstieg der Wasserstände von Mississippi und Missouri. Dank einem ausgeklügelten Wasserstands-Managementsystem gelang es, das Wasser auf Agrarflächen zu leiten und so die Überschwemmung grösserer Städte zu verhindern. Allerdings führte die Umleitung zu hohen Schäden in der Landwirtschaft. Am 23. August erschütterte ein seltenes Erdbeben der Stärke M W 5,8 den Bundesstaat Virginia. Es war das stärkste Beben, das dort jemals verzeichnet wurde. Glücklicherweise verursachte es nur geringfügige Schäden. Im Mai wurde die kanadische Stadt Slave Lake durch Brände teilweise zerstört. Die Versicherungsschäden beliefen sich auf 0,7 Mrd. USD. Dies sind die zweitteuersten versicherten Katastrophenschäden der kanadischen Geschichte. Teurer war nur der Eissturm von 1998 in Quebec und Ontario.⁴ Ein Hochwasser des Assiniboine River durch Schneeschmelze und starke Regenfälle führte zu Schäden an Agrarflächen in den kanadischen Prärien. ⁴ Der Eissturm von 1998 kostete die Branche 1,7 Mrd. USD (zu Preisen von 2011). 8

Ozeanien (Schäden in Mio. USD) Opfer 233 Gesamtschäden 27 814 Versicherungsschäden 19 106 Das Erdbeben im Februar 2011 in Neuseeland war die teuerste Katastrophe, die das Land jemals heimgesucht hat. Dank der hohen Versicherungsdurchdringung in Neuseeland waren jedoch fast alle Schäden versichert. In Australien führten Überschwemmungen zum höchsten Versicherungsschaden in der Geschichte des Landes. Auch ein Zyklon und ein Hagelsturm hinterliessen ihre Spuren. Ozeanien In Ozeanien verursachten Natur- und Man-made-Katastrophen im Jahr 2011 wirtschaftliche Schäden von insgesamt etwa 28 Mrd. USD. Die Kosten für die Versicherer beliefen sich auf über 19 Mrd. USD. Das Erdbeben, das im Februar Christchurch, Neuseeland, erschütterte und 181 Menschenleben kostete, war mit Schäden von über 12 Mrd. USD für den grössten Teil aller Schäden verantwortlich, die 2011 in Ozeanien entstanden. Das Erdbeben war bereits das zweite im Raum Christchurch innerhalb von sechs Monaten. Es war die teuerste Katastrophe, die sich jemals in Neuseeland ereignet hat. Obwohl es sich technisch gesehen um ein Nachbeben des ses vom September 2010 handelte, war seine Wirkung aufgrund der Nähe zur Stadt und der Bodenbeschaffenheit weitaus verheerender als das ursprüngliche Beben. Durch die sogenannte Bodenverflüssigung⁵ vervielfachte sich der Sachschaden, sodass das Beben von 2011 zusammen mit der Überschwemmung in Thailand das zweitteuerste des Jahres weltweit und das drittteuerste Erdbeben in den Daten von sigma war. Dank dem hohen Risikobewusstsein und der weiten Verbreitung von Erdbebenversicherungen in Neuseeland war der grösste Teil des s von 15 Mrd. USD durch die Versicherungswirtschaft gedeckt. Eine Reihe von Nachbeben, die zusätzliche Verwüstungen anrichtete, verursachte jedoch weitere Sachschäden von 3 Mrd. USD und Versicherungsschäden von 2 Mrd. USD. Ende 2010 und im Januar 2011 wurde der Nordosten Australiens von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht, die schwere Schäden verursachten. Die Überschwemmungen im Januar waren die schwerste Naturkatastrophe in Australien, die in den Daten von sigma verzeichnet ist, sowohl nach dem stark betroffen war der Kohlebergbau in Queensland als auch nach den Versicherungsschäden in Höhe von über 2 Mrd. USD. Weitere Schäden in Höhe von 1,3 Mrd. USD verursachte im Februar der tropische Zyklon Yasi. Zudem führte am Weihnachtstag ein Hagelsturm in Melbourne zu Versicherungsschäden in der geschätzten Höhe von 0,6 Mrd. USD. Europa (Schäden in Mio. USD ) Opfer 1 158 Gesamtschäden 8 712 Versicherungsschäden 4 340 Die Türkei verzeichnete ihr schwerstes Erdbeben seit 1999. Europa In Europa richteten Natur- und Man-made-Katastrophen im Jahr 2011 wirtschaftliche Schäden von insgesamt etwa 9 Mrd. USD an. Die Kosten für die Versicherer beliefen sich auf über 4 Mrd. USD. Am 23. Oktober forderte ein Erdbeben der Stärke 7,2 im türkischen Van 644 Todesopfer und verursachte Schäden in Höhe von 1,5 Mrd. USD. Das Erdbeben war das stärkste in der Türkei seit dem Beben von İzmit im Jahr 1999. Im Mai forderte zudem ein Erdbeben in Spanien neun Todesopfer und verursachte Versicherungsschäden in Höhe von 100 Mio. USD. ⁵ Bodenverflüssigung ist der Übergang des Bodens von einem festen in einen flüssigen Zustand infolge von Druckänderungen, wenn der Boden sich nach Erschütterungen auf einem anderen Niveau absetzt. 9

Katastrophen 2011 im Überblick Das teuerste in Europa war ein Wolkenbruch im Juli, der Kopenhagen unter Wasser setzte. Grossbritannien war von Winden in Orkanstärke betroffen, Winterstürme verursachten Schäden in Nordeuropa, und das Tiefdrucksystem Rolf im Mittelmeerraum führte zu Tropensturmbedingungen. Ausschreitungen und Terroranschläge in Grossbritannien und Norwegen weisen auf neue Risiken hin. Die für die Versicherungswirtschaft teuerste Naturkatastrophe in Europa war jedoch ein Wolkenbruch im Juli, der Kopenhagen unter Wasser setzte. Die Versicherungsschäden durch die plötzliche Überflutung mehrerer gewerblicher Einrichtungen im Grossraum Kopenhagen und in der Stadt selbst werden auf 0,8 Mrd. USD geschätzt. Der Wolkenbruch war die teuerste Katastrophe in Dänemark seit dem Wintersturm Anatol im Jahr 1999 und überraschte die Branche mit den Schäden, die er innerhalb von nur wenigen Stunden verursachte. Winterstürme lösten in verschiedenen Ländern Nordeuropas weitere Schäden aus. Die Winterstürme Joachim und Dagmar verursachten in Deutschland, Skandinavien, Frankreich und der Schweiz Versicherungsschäden von fast 0,7 Mrd. USD. Das Unwetter Friedhelm ereilte Grossbritannien mit Wind in Orkanstärke, der Fahrzeuge zerstörte, Offshore-Anlagen beschädigte, Strassen unpassierbar machte und Schäden in einer geschätzten Höhe von 0,4 Mrd. USD anrichtete. Der Hurrikan Katia entstand über den Kapverdischen Inseln und traf in Schottland auf Land, wo Schäden in Höhe von 0,2 Mrd. USD verzeichnet wurden. Das langsam ziehende aussertropische Tiefdruckgebiet Rolf verursachte in Südfrankreich und Norditalien Starkregen und grossflächige Überschwemmungen, bei denen elf Menschen starben und Versicherungsschäden von 0,6 Mrd. USD entstanden. Rolf war das erste Tiefdrucksystem über dem Mittelmeer, das als Tropensturm eingestuft wurde. Die Ausschreitungen im Sommer in London und der doppelte Terroranschlag im Zentrum von Oslo und in einem Jugendferienlager forderten 82 zumeist jugendliche Todesopfer. Die se weisen auf steigende gesellschaftliche Risiken hin, und der Fall in Norwegen verdeutlicht zudem die Verwundbarkeit von Ländern, in denen das Terrorismusrisiko traditionell als gering gilt. Lateinamerika und Karibik (Schäden in Mio. USD ) Opfer 1 880 Gesamtschäden 5 558 Versicherungsschäden 631 Die grössten Naturkatstrophen in Lateinamerika waren im Jahr 2011 Überschwemmungen und Hurrikans. Eine Kältewelle in Mexiko löste hohe Versicherungsschäden in der Landwirtschaft aus. Ein Brandanschlag forderte die meisten Todesopfer. Lateinamerika und Karibik Zu Beginn des Jahres führten starke Regenfälle in Brasilien zu Erdrutschen und Überschwemmungen. Diese Überschwemmungen waren für etwa die Hälfte der 1880 Todesfälle verantwortlich, die sich 2011 durch Naturkatastrophen in Lateinamerika und der Karibik ereigneten. Die wirtschaftlichen Schäden werden auf 1,0 Mrd. USD geschätzt. Weitere Überschwemmungen in Kolumbien kosteten über 300 Menschenleben und verursachten Schäden in Höhe von über 2 Mrd. USD. Lateinamerika war nicht nur von Überschwemmungen betroffen, sondern auch von schweren Stürmen. Der Hurrikan Irene, das Tropentief 12-E, der Tropensturm Arlene und der Hurrikan Jova richteten Schäden in der Karibik, Mexiko und Zentralamerika an. Rund 150 Menschen kamen ums Leben, und die wirtschaftlichen Schäden beliefen sich auf 0,6 Mrd. USD. Die Versicherungsschäden waren mit 0,1 Mrd. USD insgesamt tief. Ausserdem wurde der Norden Mexikos zu Beginn des Jahres von einer Kältewelle erfasst, durch die über 600 000 Hektar Mais verloren gingen und Versicherungsschäden von mindestens 0,3 Mrd. USD entstanden, wobei davon auszugehen ist, dass die finanziellen Schäden insgesamt weitaus höher sind. Die betroffene Region Sinaloa zählt zu den wichtigsten Anbaugebieten Mexikos für Zuckermais, dessen Mehl zur Herstellung von Tortillas benötigt wird, dem mexikanischen Grundnahrungsmittel. Die Man-made-Katastrophe mit der höchsten Opferzahl (52) war ein Brandanschlag in einem Casino in Mexiko. 10

Afrika (Schäden in Mio. USD) Opfer 2 894 Gesamtschäden 1 560 Versicherungsschäden 323 Überschwemmungen in Algerien, Südafrika und Mosambik waren die Katastrophen mit den höchsten wirtschaftlichen Schäden. Als grösste humanitäre Katastrophe des Jahres 2011 gilt die Hungersnot am Horn von Afrika. Afrika Die Natur- und Man-made-Katastrophen, die sich 2011 in Afrika ereigneten, kosteten etwa 2900 Menschenleben.⁶ Die meisten Toten gab es zu Beginn des Jahres bei den Demonstrationen gegen die Regierung in Ägypten. Bombenexplosionen in Nigeria, Somalia und Ägypten forderten über 220 weitere Todesopfer. Die höchsten finanziellen Verluste in Afrika entstanden durch die Überschwemmungen im Oktober in Algerien, bei denen sich die wirtschaftlichen Schäden auf 0,8 Mrd. USD beliefen. Weitere Schäden in Höhe von 0,4 Mrd. USD wurden durch Überschwemmungen in Südafrika und Mosambik verursacht. Die höchsten Versicherungsschäden entstanden bei einer Kraftwerksexplosion und einem Flugzeugunglück in Kairo. Noch nicht abschliessend in der Opferzahl für die Region berücksichtigt sind die vollen Konsequenzen der schwersten Dürre seit 60 Jahren am Horn von Afrika. Durch die Dürre nach mehreren regenarmen Jahren kam das Vieh um, und riesige Ackerflächen wurden unbrauchbar. Dadurch kam es zu einem schweren Nahrungsmittelmangel, und Millionen Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Die Vereinten Nationen erklärten sechs Provinzen Somalias zu Hungergebieten und veranlassten massive internationale Hilfsaktionen. In der zweiten Jahreshälfte 2011 führten grössere Regenmengen zu besseren Weidebedingungen und einer ergiebigeren Ernte, sodass die Abhängigkeit der betroffenen Bevölkerung von humanitärer Hilfe abnahm. Am 3. Februar 2012 konnten die Vereinten Nationen endlich das Ende der Hungersnot ausrufen. Eine umfassende Abschätzung der verloren gegangenen Ackerflächen und vor allem der Zahl der Toten steht jedoch noch aus. ⁶ Die Gesamtzahl der Opfer der se im Rahmen des Arabischen Frühlings von 2011 sind in der sigma-studie nicht vollständig berücksichtigt. 11

Überschwemmungs-Hotspots Lehren aus der Überschwemmung in Thailand Thailand ist ein hochwassergefährdetes Land, doch in der Regel beschränken sich die Überschwemmungen auf den Norden. Die Monsunzeit 2011 brachte Thailand die höchsten Regenmengen in über 50 Jahren und führte zu einer schweren Überschwemmung in den Zentralebenen, in denen sich Bangkok und grosse Teile der thailändischen Industrie befinden. Thailand ist ein hochwassergefährdetes Land. Die Regenfälle in Nord- und Mittelthailand werden vom Monsunklima bestimmt, das sich durch eine hohe Gesamtregenmenge sowie trockene Winter und nasse Sommermonate auszeichnet. Der jährliche Niederschlag beläuft sich auf etwa 1200 Millimeter und fällt überwiegend von Mai bis Oktober. Die regenreichsten Monate sind August und September. In der Spitzenzeit sind die Wasserstände der Flüsse meist hoch, und wenn es zu Überschwemmungen kommt, beschränken sie sich meist auf den Norden des Landes. Bei extremen Regenmengen kann sich die Überschwemmung jedoch entlang dem Fluss Chao Phraya, der zentralen Wasserarterie Thailands, bis in die Zentralebenen ausbreiten, in denen auch die Hauptstadt Bangkok liegt. Mehr als 40% der thailändischen Bevölkerung leben im Einzugsgebiet des Chao Phraya, wo sich auch der grösste Teil der thailändischen Fertigungsindustrie befindet. Ursachen der Überschwemmung Im Jahr 2011 fing die Monsunzeit in Asien früh an. Schon im März und April wurden rekordhohe Regenmengen verzeichnet. Bis Mai hatten die Böden ihre maximale Sättigung erreicht, und die Reservoirs waren bis zum Rand gefüllt. Die Flüsse im Chao-Phraya-Becken begannen Hochwasser zu führen. Die starken Niederschläge hielten dann während der gesamten Regenzeit an. Bis Ende Oktober hatte Mittelthailand 300 Millimeter mehr Regen verzeichnet als in normalen Jahren, Nordthailand sogar 500 Millimeter mehr. Der Chao Phraya und seine Nebenflüsse schwollen an, bis schliesslich die Dämme brachen, und überschwemmten eine Fläche von etwa 30 000 Quadratkilometern. 61 der 77 Provinzen Thailands waren betroffen. Wie Abbildung 5 zeigt, erreichte die überschwemmte Fläche etwa die Grösse der Schweiz. Die Niederschlagsmengen von 2011 sind die höchsten, die seit über 50 Jahren verzeichnet wurden. Abbildung 5: Ausmass der Überschwemmung in Thailand (blau). Thailand Bangkok Schweiz 250 Kilometer Quelle: Swiss Re Cat Perils, GfK GeoMarketing Map Edition World 12

Zum frühen Beginn der Monsunzeit und zu den hohen Regenmengen hat vermutlich eine starke La Niña erheblich beigetragen. Bei der Entstehung der Überschwemmungen in Thailand hat vermutlich La Niña eine entscheidende Rolle gespielt. El Niño und La Niña sind ozeanisch-atmosphärische Phänomene im pazifischen Raum. El Niño führt in Südostasien in der Regel zu Dürren, La Niña dagegen zu starken Niederschlägen. In der Zeit um den Dezember 2010 und den Januar 2011 stellte sich eine starke La Niña ein, die bis Mai 2011 anhielt und den frühen Beginn des Monsunregens in Südostasien auslöste. Ausserdem beeinflusste La Niña die Bahn tropischer Zyklone, sodass tropische Tiefdruckgebiete die thailändische Halbinsel erreichten und weiteren Regen brachten. Im Durchschnitt wird in Thailand jährlich nur ein tropisches Tief beobachtet, doch zwischen April und September 2011 wurde das Land nicht weniger als fünfmal von Resten tropischer Zyklone heimgesucht. Die Überschwemmung führte dazu, dass Menschen starben oder ihre Heimat verlassen mussten und Schäden an Kulturstätten und für die Wirtschaft entstanden. Die Versicherungsdurchdringung für Wohn- und kleine Gewerbeimmobilien ist in Thailand sehr gering. Dämme dienen in Thailand normalerweise dazu, Wasser zu Bewässerungszwecken zurückzuhalten. Daher wurde das Wasser nicht sofort abgelassen, als der starke Monsunregen das Land überraschte. Humanitäre Folgen und Massnahmen zur Risikominderung Die historischen Regenfälle und die dadurch bedingte Überschwemmung in Thailand führten zu Hunderten Todesfällen, machten Tausende obdachlos und zerstörten die Lebensgrundlagen vieler weiterer Menschen. Das Wasser überflutete und vernichtete riesige Agrarflächen, beschädigte historische Kulturstätten und zwang Fabriken zu einer längeren Schliessung. Da das Hochwasser nur langsam anstieg, hatten die Menschen Zeit Schutzmassnahmen zu treffen. Teilweise konnten Schäden verhindert werden, indem Ware und Mobiliar in höhere Stockwerke verbracht wurden. Die Hochwasserversicherungsdurchdringung für Wohn- und kleine Gewerbeimmobilien ist in Thailand mit etwa 1% jedoch sehr gering. So war der grösste Teil des s von schätzungsweise 30 Mrd. USD unversichert. In den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren wurden in Thailand viele grosse Dämme als Reaktion auf die chronischen Dürren gebaut, die das Land heimsuchten. Der Monsunregen sollte in Reservoirs gespeichert und bis zur nächsten Monsunzeit im Folgejahr genutzt werden. Die oberste Priorität der Wasserwirtschaft lag also in der effizienten Planung und Nutzung der Reservoirs, um die beabsichtigte Bewässerung sicherzustellen. Der Hauptzweck der Dämme bestand folglich darin, Wasser für die Trockenzeit zu speichern. Zudem war die Niederschlagsmenge in der Monsunzeit zuletzt rückläufig gewesen. Daher wurden die bereits gespeicherten Wassermengen nicht abgelassen, als der Monsun 2011 einsetzte, sondern zu Bewässerungszwecken zurückgehalten, womit sich später die unerwartete Überschwemmung verschärfte. Als die Speicherkapazität der Reservoire erschöpft war, mussten grosse Mengen Wasser abgelassen werden, um die Sicherheit der Dämme und der Bevölkerung zu gewährleisten. Viele internationale Unternehmen haben Tochtergesellschaften oder Produktionsbetriebe im thailändischen Chao-Phraya- Becken. Diese Industriegebiete wurden nicht dafür gebaut, einer Überschwemmung wie der von 2011 standzuhalten. Hochwasserschäden an grossen Gewerbeimmobilien In den letzten zehn Jahren haben viele internationale Unternehmen stark in Thailand investiert und Niederlassungen gegründet oder Montage- und Produktionsbetriebe errichtet. Nach dem Erdbeben in Japan im März verlagerten mehrere japanische Unternehmen ihre Produktion nach Thailand, was ihre Gefährdung durch die Überschwemmungen dort verstärkte. Die meisten Betriebe ausländischer Unternehmen in Thailand befinden sich im Chao-Phraya-Becken in flussnahen Industriegebieten. Diese internationalen Industriegebiete waren zwar baulich gegen Hochwasser gesichert, doch dieser Schutz war nur auf durchschnittliche Überschwemmungen ausgelegt. Für die Wasserstände von 2011 reichte der Schutz nicht aus. In den Industriegebieten befinden sich Automobilhersteller, Hightechbetriebe und Elektronikfirmen, die alle besonders anfällig für Wasserschäden sind. 13

Überschwemmungs-Hotspots Die Überschwemmung in Thailand von 2011 verursachte mit 12 Mrd. USD den höchsten Versicherungsschaden, der jemals durch eine Überschwemmung entstand. Schadenerwartungen weggespült Die internationale Versicherungsbranche war von der Höhe des Versicherungsschadens überrascht, die die starke Überschwemmung in Thailand verursachte. Mit 12 Mrd. USD handelt es sich um den höchsten Versicherungsschaden, der weltweit jemals durch eine Süsswasserüberschwemmung ausgelöst wurde (siehe Tabelle 3).¹ Tabelle 3 Die zehn höchsten Versicherungsschäden durch Überschwemmungen Versicherungs- Versicherungs- schäden in % schäden in % der Nichtleben- Versicherungs- der Sachversiche- Versicherungs- Versicherungs- Gesamtschäden in Mio. USD, rungsprämien prämien des Landes schäden schäden Datum Land zu Preisen von 2011 des Landes im Vorjahr in % des BIP in % des BIP Jul Nov 2011 Thailand 12 000 1846% 203,50% 3,40% 8,60% Aug 2002 Deutschland und Tschechien 2 886 20% 3,00% 0,10% 0,50% Jun 2007 Grossbritannien 2 697 12% 2,20% 0,10% 0,10% Aug 2005 Schweiz 2 444 76% 11,70% 0,60% 0,90% Jan 2011 Australien 2 255 24% 5,90% 0,20% 0,40% Jul Aug 1997 Polen und Tschechien 2 241 213% 42,30% 0,70% 2,30% Jul 2007 Grossbritannien 2 158 9% 1,70% 0,10% 0,10% Dez 10 Australien 2 114 27% 5,90% 0,20% 0,40% Apr 1993 USA 1 873 5% 0,60% 0,03% 0,10% Jun Aug 1993 USA 1 600 3% 0,30% 0,02% 0,20% Hinweis: Prämien für 2011 geschätzt. Prämien für Australien betreffen die zwölf Monate bis Juni. Sachversicherungsprämien für Thailand unter Einschluss des Prämienvolumens gewerblicher Allgefahrenpolicen. Ein Grund für die aussergewöhnlich hohen Schäden ist, dass das Hochwasserrisiko in den Allgefahrenpolicen eingeschlossen war. Die Überschwemmung in Thailand ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine Naturkatastrophe zu katastrophalen Versicherungsschäden führen kann. Ein Grund für die aussergewöhnlich hohen Schäden ist, dass Thailand bei der Überschwemmungsversicherung für grosse Gewerbeimmobilien eine sehr hohe Durchdringung aufweist. Das Hochwasserrisiko wurde durch gewerbliche Allgefahrenpolicen gedeckt. Allerdings lag das Prämienvolumen der Allgefahrenversicherung in Thailand 2011 nur bei 370 Mio. USD, sodass sich ein exorbitanter Schadensatz von über 3200%⁷ ergibt. Die Überschwemmung in Thailand ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine Naturkatastrophe zu einer extremen Häufung von Sachschäden führen kann. Alle Faktoren, die es braucht, um ein Naturereignis in ein mit katastrophalen Versicherungsschäden zu verwandeln, waren gegeben. Zu diesen Faktoren gehören ein grosses betroffenes Gebiet, hohe Intensitäten, lange Dauer, starke Sachwertekonzentration, hohe Versicherungsdurchdringung, grosse Anfälligkeit versicherter Waren sowie unzureichende Schutzmassnahmen und Vorsorge. Das hatte eine starke Ausbreitung und überschwemmte riesige Flächen auch abseits der grössten Flüsse. Es dauerte von Juli bis November, und viele Orte waren mehr als zwei Monate lang ununterbrochen überflutet. Zudem betrug die Wassertiefe an vielen Orten mehr als drei Meter, sodass der Schaden bis ins zweite Stockwerk reichte. Der durchschnittliche Schadengrad bei den betroffenen Immobilien betrug mindestens 50% des Versicherungswerts, verglichen mit durchschnittlich 15% bei anderen von Überschwemmungen betroffenen Gebieten. ⁷ Unter Einbezug von Feuerversicherungsprämien fiele der Schadensatz auf die in Tabelle 3 gezeigten 1846% zurück. 14

Der Versicherungsschaden, den das Hochwasser in Thailand verursacht hat, ist mit fast 3% des thailändischen BIP aussergewöhnlich hoch. Die Überschwemmung in Thailand ist in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlich. So ist der Versicherungsschaden mehr als dreimal so gross wie jeder andere dieser Art in der Geschichte. Auch in Relation zu den Sachprämien, den Nichtlebenprämien und dem BIP Thailands ist der Versicherungsschaden grösser als bei allen bisher verzeichneten Überschwemmungen. Das Hochwasserereignis in Thailand kostete mehr als das Fünfzehnfache der Sachprämien und mehr als das Doppelte der gesamten Nichtlebenprämien des Landes. Nie zuvor erreichte ein hochwasserbedingter Versicherungsschaden auch nur einen annähernd so hohen Anteil am BIP des betreffenden Landes. Swiss Re ermittelt Überschwemmungs- Hotspots, weil das Beispiel Thailand zeigt, dass die Versicherungsschäden bei einer Überschwemmung ebenso hoch sein können wie bei einem Erdbeben oder einem tropischen Zyklon. Die Versicherungsbranche sollte der wachsenden Bedeutung von Informationen über globale Lieferketten Rechnung tragen, um ihre Risikobeurteilungen zu verbessern. Was kann die Versicherungsbranche aus der Überschwemmung in Thailand lernen? Das in Thailand hat auf schmerzliche Weise gezeigt, dass Überschwemmungen ebenso hohe Versicherungsschäden verursachen können wie Erdbeben oder tropische Zyklone. Da Überschwemmungen in fast jedem Land möglich sind, ist das versteckte Hochwasserschadenpotenzial möglicherweise grösser, als der Branche bewusst ist. Durch den Einsatz detaillierter Risikoinformationen⁸ und globaler Wirtschaftsdaten lassen sich Hotspots mit grossem verstecktem Hochwasserschadenpotenzial jedoch proaktiv erkennen (siehe Kasten zu Überschwemmungs-Hotspots in Schwellenländern). Darüber hinaus haben se der letzten Zeit verdeutlicht, wie wichtig Lieferketten bei der Berechnung der Risikoexponierung der Branche sind. Die Direktinvestitionen von Unternehmen im Ausland nehmen zu und damit steigt auch die Exponierung gegenüber Katastrophenrisiken an den betreffenden Orten. Die Bedeutung von kleinen und mittelgrossen Ländern wie Thailand in der globalen Lieferkette wächst. Die Überschwemmungen haben verdeutlicht, dass die Versicherer genauer verstehen müssen, welchen Risiken sie durch internationale Lieferketten ausgesetzt sind. Dazu benötigen sie detaillierte Informationen von ihren Kunden und ein Kumulrisikomanagement mit entsprechenden Limiten und Prämien. ⁸ Anhand ihrer patentierten Methode zur Beurteilung von Hochwasserrisiken begann Swiss Re 2011, weltweite Hochwasser-Risikozonen an Flüssen zu erarbeiten. Diese detaillierten Risikozonen erfassen Flüsse weltweit nach einheitlichen Kriterien und werden im Frühjahr 2012 im Informationssystem CatNet von Swiss Re veröffentlicht. Mit diesem Tool können Underwriter und Risikomanager Hochwasserrisiken weltweit genauer beurteilen. 15