Erfahrungsbericht Erasmus-Aufenthalt an der Eesti Muusika ja Teatriakadeemia (SS 16) Vorbereitung In Estland müssen zunächst die von den Universitäten in Deutschland abweichenden Vorlesungszeiten berücksichtigt werden das Sommersemester beginnt in Estland bereits Anfang Februar, das Wintersemester im September. Falls also ein einsemestriger Auslandsaufenthalt im Sommersemester angestrebt wird, kann dies zu einigen zeitlichen Kollisionen führen. Informationen zur Planung eines Erasmus Aufenthalts in Tallinn sind auf der Homepage der Eesti Muusika ja Teatriakadeemia (http://wwww.ema.edu.ee/index.php?lang=eng) zu finden. Alle erforderlichen Unterlagen und Anforderungen sind dort aufgelistet nach dem Ausfüllen dieser (Learning Agreement etc.) kann man sich bei weiteren Fragen zudem jederzeit an die sehr nette zuständige Erasmus-Beauftragte Pilleriin Meidla im International Office der Musikakademie wenden. Die zweite wichtige zuständige Person in Tallinn ist Margit Vösa, sie steht während der Studienzeit beratend bei Fragen zur Fächerwahl zur Seite. (mail: margit@ema.edu.ee). Wohnungssuche Vor der Ankunft in Tallinn kann man sich auf einen Platz im Wohnheim Muusa Majutus bewerben, darin leben fast ausschließlich Studierende der Kunst- und Musikakademie (http://www.yhikas.ee). Im Wohnheim gibt es hauptsächlich 4er WGs, ein Zimmer teilt man sich meist mit einem anderen Mitbewohner. Trotz der folglich sehr niedrigen Monatsmiete (ca. 90 ) kann ich es aufgrund der etwas kleinen Zimmer sehr empfehlen, sich bei der zuständigen Heimleiterin um einen Platz im Einzelzimmer zu erkundigen so teilte ich mir letztlich eine 4er Wohnung mit nur einem anderen Mitbewohner. Neben der Möglichkeit im Wohnheim zu leben kann ich zudem empfehlen, in bestimmten Gruppen auf Facebook (z.b. Erasmus in Tallinn/accommodation ) nach Wohnungsangeboten zu suchen. Leider gibt es in Estland kein übergreifendes Netzwerk für die WG- Suche (wie etwa in Deutschland WG-gesucht). Über das ESN (http://www.esn.ee/tallinn/) sowie dem Student Council der Akademie ist es allerdings möglich, weitere hilfreiche Tipps zur Wohnungssuche in Tallinn einzuholen. Wohnsitz/öffentliche Verkehrsmittel Jede Person, die länger als 3 Monate in Tallinn lebt, ist verpflichtet sich bei der Polizei mit dauerhaftem Wohnsitz anzumelden. Als Bürger Tallinns ist es dann auch möglich alle
öffentlichen Verkehrsmittel kostenfrei zu nutzen. Bei der Ankunft an der Hochschule in Tallinn gibt Pilleriin Meidla Auskunft über das Prozedere der Anmeldung in Tallinn. Nach der Ankunft lohnt es sich außerdem eine neue Mobilfunknummer zu besorgen (z.b. beim Mobilfunkunternehmen Elisa, mtl. ca 7 ). Wer darauf lieber verzichtet, kann sich allerdings sicher sein, an fast jedem Ort in der Stadt, sowie an der Hochschule ein offenes WiFi zu finden. Sprache Die Musikakademie in Tallinn ist sehr international, die meisten Vorlesungen und Kurse werden auf Englisch angeboten. Um trotzdem ein bißchen in diese nette Sprache einzutauchen und zumindest die Fähigkeit zu erlangen, das Lunchmenü in der (übrigens sehr ordentlichen) Cafeteria auf Estnisch zu bestellen, kann ich sehr einen Sprachkurs empfehlen. Dieser wird entweder direkt an der Musikhochschule oder an der Universität in Tallinn angeboten. Freizeit Tallinn hat freizeittechnisch viel zu bieten: Bei Touristen ist besonders der historische Stadtkern beliebt, doch auch abseits der Stadtmauern lassen sich viele schöne Orte, wie das Kalamaja Viertel oder der Kadriorg Park mit seinen verschiedenen Museen entdecken. Tallinn liegt zudem geographisch sehr günstig mit der Fähre sollte man so z.b. auf jeden Fall einen Tagesausflug nach Helsinki einplanen. Zudem sind auch andere Städte wie Riga, Vilnius oder Tartu, Universitätsstadt und zweitgrößte Stadt Estlands, sicherlich einen Besuch wert und immer gut von Tallinn aus per Bus erreichbar. Für Naturliebhaber und Ornithologen ist auch ein Ausflug aufs Land, beispielsweise ein Wochenende auf der Insel Saaremaa oder ein paar Tage in einem der Nationalparks empfehlenswert. Klima Der Winter in Estland kann sehr hart sein, man sollte sich auf graue Tage und Temperaturen unter null Grad einstellen. Im Frühling allerdings erwachen Land und Leute und man kann v.a. im Sommer die sehr langen Tage und kurzen Nächte mit einem Besuch an einem der Tallinner Strände genießen. Studium Das Kursangebot an der Musikhochschule ist äußerst vielfältig, als Studierender im Erasmus+ Programm hat man zudem die tolle Möglichkeit, Kurse aus fast allen Bereichen wählen zu dürfen. Für mich war es äußerst interessant, Veranstaltungen zu neuer und elektroakustischer Musik, sowie zeitgenössischer Improvisation zu belegen. Beispielhaft liste ich einige meiner gewählten Kurse auf:
- Practical Work (hierbei handelt es sich weniger um einen Kurs im eigentlichen Sinne die Prüfungsleistung ist ein öffentliches Konzert an der Hochschule, der zuständige Dozent ist üblicherweise der Hauptfachdozent) - Introduction to 20th Century Chamber Music - Modern and Experimental Music Studio (dieses Seminar besteht aus 5 Gruppensitzungen und wöchentlichen Einzeltreffen mit dem zuständigen Dozenten Taavi Kerikmäe. Ziel des Seminars ist eine öffentliche Performance eines eigenen Stücks, einer Improvisation oder eines zeitgenössischen Stücks) - Seminar on Music Education - Sound Synthesis (zweiteilig, Theorieteil beginnt im WS) - Seminar on Electroacoustic Music - History of Audiovisual Art Generell kann ich empfehlen, in der ersten Woche des Semesters möglichst viele Kurse zu besuchen, um dann später entscheiden zu können, welche Kurse auf Dauer mehr oder weniger ansprechend wirken. Das Studiensystem in Tallinn ist, im speziellen für Studierende innerhalb des Erasmus+ Programms, sehr flexibel und es ist jederzeit möglich unerwünschte Kurse abwählen. Fazit Die Organisation sowie die generelle Qualität der Musikhochschule habe ich als sehr gut wahrgenommen. Die Akademie ist eng mit dem kulturellen Leben der Hauptstadt verbunden, was zu sehr vielen Konzerten und Musikfestivals innerhalb als auch außerhalb der Hochschule führt. So war es mir beispielsweise gleich zu Beginn meines Auslandssemesters möglich, in die Probenarbeit der Komponisten Kaija Saariaho, Arvo Pärt und Jüri Reinvere Einblicke zu gewinnen und eine damit verbundene Konzertreihe zu besuchen. Dieses aktive Umfeld ermutigt so mein Eindruck auch Studierende innerhalb verschiedener Seminare und Veranstaltungen kreativ zu werden und Konzerte zu geben bzw. am Konzertleben aktiv teilzunehmen. Obwohl nicht alle belegten Kurse meinen fachlichen Erwartungen entsprochen haben, war es schön für mich an der Musikhochschule viele interessierte, engagierte und nette Menschen kennenzulernen. Ich habe diese Hochschule als einen sehr freien Ort der musikalischen Entfaltung erlebt, an dem interdisziplinär gearbeitet, Internationalität der Studierenden als Bereicherung gesehen wird und die Grenzen zwischen den verschiedenen Studienfächern möglichst offen für gegenseitigen Austausch gehalten
werden. In verschiedenen Workshops und Meisterklassen werden den Studierenden zudem eine Vielzahl von Möglichkeiten bereitgestellt, sich weiterzuentwickeln und Persönlichkeiten aus dem künstlerischen Leben kennenzulernen und sich untereinander zu vernetzen. Rückblickend war es für mich sehr spannend, Estland genauer kennenzulernen und in diesem Land 5 Monate zu leben; das starke Geschichtsbewusstsein der Menschen, sowie deren Interesse am eigenen Land, Kultur und Musik hat sich mir in vielen Dimensionen eröffnet. Valentin Penninger Ankunft in Tallinn Februar 2016 Mittelalterlicher Stadtkern
Ausblick auf die Altstadt Historische Stadtmauer Jaanipäev ein Feiertag zur Sonnenwende