In der Erde, auf der Erde Neue Archäologie an der neuen Autobahn

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Transkript:

Archäologische Ausgrabungen auf dem ersten Bauabschnitt der BAB 17 Dresden Prag.

Einleitung Naturräumliche Einordnung Die Trasse der BAB 17 verläuft mit wenigen Ausnahmen am äußersten südlichen Rand der Dresdner Elbtalweitung auf über 200 m Höhe. Die Landschaft ist hier durch tief eingeschnittene Täler der aus dem Erzgebirgsvorland von Südwesten her in die Elbe entwässernden Flüsse und Bäche geprägt: Im ersten Abschnitt sind es der Zschonerbach, der Gorbitzbach, die Weißeritz, der Kaitzbach und der Nöthnitzbach. Die nicht sehr durchlässigen kreidezeitlichen Gesteine im Untergrund sind hier nur geringfügig mit Lösslehm bedeckt. Zusammen mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von rund 8 C und einem durchschnittlichen Niederschlag von über 650 mm/a führte das häufig zur Bildung staunasser Böden. Die Landschaft unterscheidet sich somit insgesamt stark von dem sehr viel günstigeren Siedelgebiet der nördlich anschließenden Elbtalweitung. Das ist in den Kartierungen der bislang bekannten archäologischen Fundstellen sämtlicher vor- und frühgeschichtlicher Epochen deutlich zu erkennen. Vorbereitende Untersuchungen Aufgrund einer bereits 1996 durchgeführten detaillierten Verdachtsflächenanalyse unterschiedlichster siedlungsrelevanter Faktoren in einem zwei Kilometer breiten Korridor entlang des Trassenverlaufs bis Heidenau (erster und zweiter Planungsabschnitt), konnte die archäologische Relevanz des durch den Autobahnbau betroffenen Gebietes besser qualifiziert werden. In die Berechnungen sind dabei nicht nur die älter bekannten archäologischen Denkmale und die Ergebnisse der neueren Grabungen eingegangen, sondern auch die Resultate einer eigens dazu durchgeführten Begehung sowie eine Vielzahl geografischer, topografischer, bodenkundlicher und archäologischer Informationen. Verlauf der zukünftigen BAB 17 (in gelb) von der BAB 4 bis Heidenau. Im zwei Kilometer breiten Korridor wurden die aus der Verdachtsflächenana- lyse mit hoher archäologischer Relevanz eingestuften Flächen rosarot markiert. Bekannte Fundstellen sind rot gekennzeichnet. Das Profil einer Vorratsgrube in Dresden-Kaitz zeigt Verfüllungsschichten mit Holzkohle und verbranntem Lehm. 1

Erwartungsgemäß war das Aufkommen vor- und frühgeschichtlicher Siedlungsspuren an den Talrändern am größten. Trotzdem wurden Fundstellen auch in den Bereichen festgestellt, wo das Auftreten archäologischer Befunde weniger wahrscheinlich war. In Roßthal (mit einer Grabungsfläche von etwa 6 ha) und am Kaitzbachtal (annähernd 12 ha), wo die Tunneleingänge geplant waren, sind die größten Flächen gegraben worden. Hier mussten die anfallenden Erdmassen aus den Tunneln zwischengelagert und aufbereitet werden. Obwohl die Strecken der geplanten Tunneln von insgesamt 3,5 km nicht gegraben werden brauchten, war der Flächenverbrauch mit insgesamt über 50 ha dennoch besonders hoch. Die Notwendigkeit der archäologische Dokumentation Der Neubau einer Autobahn hat immer einen großen Flächenbedarf zufolge. Neben der bis zu 40 m breiten Trasse werden Flächen für die mehrere Meter hohen und breiten Lärm- und Sichtschutzwälle benötigt. Hinzu kommen große Bereiche für Regenrückhaltebecken und zum Lagern von sogenannten Überschussmassen. Da vor- und frühgeschichtliche Siedlungsreste in der Regel schon unmittelbar unter dem Pflughorizont zu erkennen sind, werden sie auch in jenen Bereichen, wo nur der Mutterboden abgeschoben werden muss, entweder vollständig zerstört oder stark in Mitleidenschaft gezogen. Eine Erhaltung ist folglich nur durch eine detaillierte Dokumentation gewährleistet, das bedeutet mittels wissenschaftlicher Grabungen. Auf 23 Hektar Fläche wurden in einem Jahr insgesamt vierzehn Fundstellen ausgegraben, die in der Zeichnung rot gekennzeichnet sind. Auf den Grabungen GOM-04, ALF-02, NOH-01 und RHA-01 (die Grabungskürzel richten sich nach der Gemarkung/Gemeinde in der sich die Fläche befindet) wurden wenige archäologische Befunde dokumentiert. Auf den anderen Fundstellen wurden zwischen 100 und 2400 archäologische Befunde fachgerecht gegraben und dokumentiert. Sie werden vom Tunneleingang in Kaitz bis Altfranken hier vorgestellt. Im Trassenverlauf der BAB 17 von der A 4 bis zur Anschlußstelle B170 sind alle durchgeführten Grabungen rot markiert und mit den entsprechenden Grabungskürzeln versehen. Die Tunnelbereiche sind schwarz dargestellt. Die Westseite der Felsen im Weißeritztal, kurz bevor die Arbeiten an den hier austretenden ersten Autobahntunnel anfingen. Mittlerweile ist der Bau der beiden Tunnel und der Brücke weit vorangeschritten. 2

Dresden-Kaitz Im Kaitzbachtal wurden zwischen Zschauke und Stuttgarter Strasse sowie nördlich davon insgesamt über 4000 archäologische Spuren dokumentiert (Grabungen DD-103 und DD-104, KAT-01). Die Befunde (vorwiegend Gruben und Pfostengruben) enthielten sehr viel vorund frühgeschichtliches Siedlungsmaterial. Die Funde datieren die Siedlungen. Zum Teil können Hausgrundrisse von verschiedenen Kulturen rekonstruiert werden. Viele Keramikscherben und auch einige Steinbeile sind mittelneolithischen Kulturen zuzuweisen. Sie werden der Trichterbecherkultur (ca. 4500 bis 3000 v. Chr.) zugeordnet, die vor allem in Nordeuropa verbreitet ist. Im Dresdner Elbtal ist diese Epoche bislang lediglich durch wenige Einzelbefunde belegt. Die besten Vergleiche lassen sich jenseits der Mittelgebirge bei der böhmischen Jordansmühler Kultur finden. Steinbeile, aus Diabas oder Diabastuff hergestellt, wurden erst entsorgt, als sie wirklich nicht mehr zu benutzen waren. Hier sind einige bis zu 5 cm große Beispiele von Bruchstücken aus Kaitz abgebildet. Einige Funde der endneolithischen Kultur der Schnurkeramik weisen auf eine Besiedlung des Gebietes auch im 3. Jahrtausend v.chr. Aus dieser Zeit sind bislang in der gesamten Dresdner Elbtalweitung nur einige Grabfunde bekannt gewesen. Weitere Siedlungsbefunde sind der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur zuzuweisen, die zwischen 2200 und 1800 v.chr. datiert. Dabei konnten erste eindeutige Pfostenspuren eines Großbaus gegraben werden, die in der Region vorher noch nicht dokumentiert wurden. Solche Spuren von großen Häusern sind allerdings im böhmischen und vor allem in Nordwestsachsen, aus dem Braunkohlentagebau Zwenkau, gut bekannt. Aus dem zahlreichen Fund- und Befundmaterial heben sich aus dieser Zeit besonders drei Steinkistengräber hervor. Die Grabgruben wurden mit Steinplatten ausgekleidet und nach der Bestattung des Toten mit Steinen abgedeckt. Die beiden bis zu 6 cm großen Fragmente gehören zur Trichterbecherkultur wie das Gefäß auf dem großen Foto rechts. Der Arcadenrand und die Form des 32 cm hohen Gefäßes datieren es im Mittel- bis Jungneolithikum (Trichterbecherkultur). Die anderen drei Objekte sind Webgewichte. Da sich die Knochen der Verstorbenen im kalkarmen Lehmboden nicht Auf dem Ausschnitt aus dem Gesamtgrabungsplan sind die Umrisse der verschiedenen Befunden wie Pfostengruben und Gruben erkennbar. Sie wurden maßstabsgerecht eingemessen. Drei Hausgrundrisse von frühbronzezeitlichen Häusern sind besonders hervorgehoben. Eine der wenigen Scherben, die auf Grund der Verzierung in die schnurkeramische Kultur datiert werden kann. 3

erhalten haben, sind uns lediglich die Grabbeigaben überliefert worden. Zwei Füßchenschalen, zwei Miniaturgefäße und einige Metallstückchen lagen nur in einem der Gräber. Da die drei Steinkistengräber isoliert inmitten des großen Siedelareals lagen, zeigen sie, dass während der Aunjetitzer Kultur kleine Grabgruppen üblich waren. Damit bestätigen sie den älteren Befund von Dresden-Gostritz, der unweit von Dresden- Kaitz eine weitere isolierte Grabgruppe der Aunjetitzer Kultur dokumentiert. Auch aus der Spätbronzezeit um 1.000 v.chr. und der frühen Eisenzeit (ca. 1000 bis 500 v.chr.) wurden Siedlungsspuren gegraben. Hinzu kommen noch zahlreiche Befunde mit Fundmaterial, das typologisch der slawischen Zeit (um 600 n.chr.) zugeordnet wird. Spuren aus dieser Zeit wurden vor allem auf der Grabung DD-104, östlich vom Kaitzbach, festgestellt. Hier wurden auch einige Hausgrundrisse dokumentiert. Ein einzigartiger Fund befand sich auf der Sohle einer Vorratsgrube: ein unscheinbarer Metallstab, der stark korrodiert war, entpuppte sich in der Restaurierung des Landesamtes als Eisenzange, die wahrscheinlich zur Metallverarbeitung diente. Aus Sachsen kennen wir bislang lediglich wenige und wesentlich kleinere Exemplare: Die Zange von DD-104 ist 58 cm lang. Die beiden Füßchenschalen (knapp 20 cm im Durchmesser) stammen aus einem der frühbronzezeitlichen Steinkistengräber und sind fast vollständig erhalten. Aufgrund der großen Fläche und der hohen Befunddichte wird es erst nach Auswertung des Grabungsmaterials möglich sein, die Pläne der drei Grabungen nach den verschiedenen Besiedlungsphasen zu ordnen und genauere Aussagen zur Siedlungsgeschichte des oberen Kaitzbaches zu machen. Die eiserne Zange von der Grabung DD-104 mißt 58cm und wurde bei der Metallverarbei- tung in der späten Eisenzeit benutzt. Während das Grabungsteam die Befunde bearbeitet, wird vom Bagger eine neue Fläche freigelegt. Die gebogene, 15 cm lange Nadel wurde in der Jungbronzezeit als Gewandverschluß getragen. Die beiden kleinen tordierten Fragmente gehörten zu einer Nadel, die in einem der Steinkistengräber als Beigabe gefunden wurde. 4

Dresden-Roßthal Unmittelbar südlich vom Roßthaler Bach wurden die Fundstellen DD-101, DD-102 und RHA-01 gegraben. Sie erbrachten auf insgesamt etwa 6 ha Grabungsfläche über 1.500 Befunde. Neben vielen Siedlungsgruben ist die häufigste Befundart jene der Pfostengruben, wobei nur wenige davon eindeutige Spuren von Hausgrundrissen bilden. Über das übliche, aber zahlreiche Fundmaterial aus den Gruben (Keramikscherben, Steingeräte) hinaus wurden besondere Fundstücke entdeckt. Eine große Anzahl von Spinnwirteln und Webgewichten weisen auf intensive Textilverarbeitung hin. In einer Grube wurden 16 tönerne, bis zu 1 kg schwere Webgewichte gefunden, die in einer Reihe lagen. Wahrscheinlich stand hier ein großer Webstuhl. Für Vorräte wurden große Gefäße angefertigt, aber auch sehr kleine Schälchen wurden hergestellt. Das Foto zeigt eine Auswahl, das größte Exemplar ist ca. 3 cm hoch. Mehrere Gegenstände deuten auch auf eine lokale Metallverarbeitung vor Ort hin. Sachsenweit im Siedlungskontext einmalig ist der Fund einer gebrochenen, aber vollständigen Gussform aus Sandstein. Sie diente zur Herstellung einer bronzenen Sichel, eines Meißels und eines Barrens. Die Form lag unterhalb eines ursprünglich über 1m hohen Vorratsgefäßes, das in mehrere Fragmente gebrochen war. Bis jetzt wurden im Siedlungskontext lediglich Gussformfragmente und keine komplette Formen gefunden. Sie stammen zumeist aus eher besonderen Fundstellen, so zum Beispiel von der Heidenschanze, eine befestigte Höhensiedlung am Weißeritztal bei Dresden-Coschütz. Die meisten Siedlungsspuren können der Bronze- und der Eisenzeit zugeordnet werden. Daneben sind, wie auch bei den Siedlungen in Kaitzbach, viele Befunde der slawischen Kultur gegraben worden. Auf dem Ausschnitt aus dem Gesamtgrabungsplan sind die Umrisse der verschiedenen Befunde wie Pfostengruben und Gruben erkennbar. Sie wurden maßstabsgerecht eingemessen. Drei Grundrisse von kleinen Häusern sind farblich kenntlich gemacht. Diese bis zu 3 cm großen Wirtel wurden als Gewicht beim Spinnen benutzt, indem man sie auf einen Stäbchen schob und dies freihängend am zu spinnenden Wollknäuel drehen ließ, wobei man den Faden eindrehen konnte. Die vollständig erhaltene Gußform ist 20x17 cm groß. Auf der Oberfläche sind Rußspuren zu sehen 5

Pesterwitz Bei Pesterwitz wurden auf mehreren Grabungsarealen (PSW-04, PSW- 05 und PSW-06) mit insgesamt über 2 ha Fläche Ausschnitte von gut erhaltenen Siedlungen der Spätbronze- bis Früheisenzeit gegraben. Die Fundstellen befinden sich etwa 200 m weiter südlich vom tief eingeschnittenen Tal des Gorbitzbaches, in dessen Einzugsbereich sie sich befinden. Noch konnten hier keine eindeutigen Hausrekonstruktionen erfolgen, doch weist der Zusammenhang der Pfostenkonzentrationen mit der Verteilung der unterschiedlichen Gruben auf unterschiedliche Nutzungszonen innerhalb der Siedlung. Das 8 cm große Rad ist durchlocht. Die beidseitigen Ausstülpungen umfassten die wahrscheinlich hölzerne Achse. Die meisten Befunde waren Vorratsgruben; kreisrunde Gruben mit senkrechten oder schräg nach innen verlaufenden Wänden. Als die Gruben nicht mehr als Speicher verwendet wurden, wurden sie mit Abfällen zugefüllt. Die ursprünglich über 1m tiefen Vorratsgruben waren heute noch bis zu 50 cm tief erhalten; die ehemalige Oberfläche ist zusammen mit dem oberen Befundbereich erodiert. Auch die meisten Pfostengruben, die nicht so tief eingegraben waren, sind nicht mehr als Bodenverfärbung erhalten gewesen. Manchmal braucht man eine Pause... In einer großen, flachen Grube wurde ein kleines tönernes Rad gefunden, das zu einem Wagenmodell gehört hat. Reste von solchen Wagen sind zwar deutschlandweit bekannt, aber selten. Ungewiss ist, ob diese Wagen als Spielzeug zu interpretieren sind. Einige Beispiele der in Pesterwitz gefundene Keramik, die zum Teil auch mit Linien und Rillen verziert sind. Einer der Vorratsgruben mit gerader Sohle, auf dem große verbrannte orangefarbene Lehmbrocken liegen. 6

Dresden-Altfranken Ebenfalls im Einzugsgebiet des Gorbitzbaches, der hier von West nach Ost entwässert, wurden in noch größerer Entfernung davon drei Fundstellen auf insgesamt etwa 5 ha Grabungsfläche gegraben, die überraschende Resultate boten. Die großen Flächen bei Altfranken fielen deshalb an, weil am Luckner Park ein Tunnel in offener Bauweise gebaut wurde. Soweit bislang ersichtlich, datieren die hier gegrabenen etwa 1.000 Befunde in die Spätbronze- bzw. Früheisenzeit und in die römische Kaiserzeit (um 200 n.chr.). Aus archäologischer Sicht war dieser Bereich jedoch wegen seiner Lage sehr wichtig. Hier wurde deutlich, dass die vielen bislang im Dresdner Elbtal etwas unterrepräsentierten Kulturen Bereiche besiedelt haben, die deutlich über 250 m ü. NN, das heißt etwa 130 m oberhalb des Elbverlaufs lagen. Auf diesen hoch gelegenen Flächen wurden durch fehlende Bautätigkeit bislang kaum archäologischen Grabungen durchgeführt. Im Fundmaterial, das vorwiegend aus unverzierten Scherben von Gebrauchskeramik besteht, wurde das Fragment einer Gußform aus Sandstein gefunden. Die ursprüngliche Form konnte beidseitig genutzt werden. Auf der einen Seite ist ein Teil einer Sichelform, auf der anderen lediglich der Einguß für eine unbestimmte Form zu sehen. Nach dem Bruch wurde das Gußformfragment sekundär benutzt. Auf den Grabungen in Altfranken wurden nur wenige Pfostengruben festgestellt. Es ist daher schwer, Häuser oder auch die ehemalige Siedlung zu rekonstruieren. Anhand der Verteilung von Gruben kann die Dorfstruktur jedoch ansatzweise sichtbar gemacht werden. Im Bereich des Tunnels am Luckner Park wurden zwei große und eine kleine Fundstelle gegraben. Solche Henkeltassen sind typisch für die römische Kaiserzeit. Das Schälchen hat einen Omphalos- Boden. Die 3 cm große, durchlochte Scheibe ist aus Stein gefertigt. Auf diesem Gussformfragment ist eine Sichelform erkennbar. Der verwendete Sandstein ist viel feinkörniger und härter als der der Gußform aus Roßthal. 7

Erst am Ende fängt es an Nicht nur die Autobahn ist neu, viele der in diesem Bericht kurz vorgestellten Grabungen werden neue archäologische Erkenntnisse liefern. Neu ist zum Beispiel die zeitliche Tiefe und die funktionale Spannbreite dieser offenen Siedlungen. Sie konnten fast alle in ihrer größten Ausdehnung, wenn auch nicht in ihrer vollständigen Breite erfasst werden. Zudem erbringen die großflächigen Grabungen Einsichten in die innere Siedlungsstruktur während der unterschiedlichen Belegungsphasen, da das Fundmaterial und die Befundstreuung bestimmte Nutzungsareale innerhalb der Siedlungen spiegeln. Somit wird die Auswertung der zahlreichen großflächigen Grabungen auf dem ersten Abschnitt der BAB17 unseren Kenntnisstand insgesamt beträchtlich erweitern und das Bild, dass wir bislang von der Siedlungsgeschichte in der Dresdner Elbtalweitung hatten, vervollständigen. Die Auswertungen können jetzt anfangen. Um die gesetzlich festgeschriebene Sicherung der archäologischen Funden und Befunde zu erfüllen ohne den Fortschritt dieser großen Baumaßnahme zu behindern, wurden schon frühzeitig detaillierte Absprachen mit dem Autobahnamt Sachsen geführt. Die Grabungen begannen im November 1999, lange bevor die eigentlichen Baumaßnahmen im Bereich der Brückenbauwerke und Tunnelportale begannen. Dem Autobahnamt Sachsen ist für die gute Zusammenarbeit herzlich gedankt. Weitere Unterstützung erfolgte durch das Arbeitsamt Dresden, das eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit 20 Mitarbeitern genehmigt hat. Das Foto, im Sommer 2000 aufgenommen, zeigt das Tunnelportal in Dresden-Kaitz, wo die größte Fundstelle ausgegraben und dokumentiert wurde. 8

Landesamt für Archäologie mit Landesmuseum für Vorgeschichte Zur Wetterwarte 7 01109 Dresden Telefon: 0351 / 89 26 603 email: Presse@archsax.smwk.sachsen.de Fax 0351 / 89 26 666 Internet:www.archsax.sachsen.de Vervielfältigung nur nach vorheriger Absprache mit dem LfA