Schiffbau. Neue Schiffsformen. Autor: Jobst Lessenich. Einleitung

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Schiffbau Neue Schiffsformen Autor: Jobst Lessenich Einleitung Die Gestaltung der Schiffsform dient vor allem dem Zweck, bei einem Schiff mit vorgegebener Verdrängung die Antriebsleistung für die gewünschte Geschwindigkeit möglichst niedrig zu halten, ein gutes Verhalten im Seegang zu erreichen und erheblich zur ausreichenden Querstabilität beizutragen. Die diesbezügliche Formgebung betrifft hauptsächlich den Schiffskörper unterhalb der Konstruktionswasserlinie, wie er nur auf der Helling, im Dock oder an Hand der Konstruktionszeichnungen sichtbar ist. Einige Formeigenschaften zeigen sich allerdings im Bug- und Heckbereich auch über Wasser. Abb. 1: Traditioneller Dampferbug. Zeichnung des Autors nach einer Vorlage aus: Johow-Förster: Hilfsbuch für den Schiffbau, Band 2., 5. Auflage, Berlin 1928, Tafel 12 Die traditionelle Dampferform, entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zeigte einen senkrechte Vorsteven - bestehend aus einem Flacheisen, an das die Platten seitlich angenietet wurden -, beim Übergang zum Kiel eine große Rundung im Vorfuß ( Abb. 1) und ein elliptisches Heck, auch Segelschiffsheck genannt (Abb. 2), mit stark ausfallenden Spanten, die in Höhe des Hauptdecks mit einem Knick in einen steileren Verlauf übergingen. Hintersteven, Stevensohle und Ruderpfosten (-steven), an dem ein Plattenruder aufgehängt war, bildeten den Schraubenbrunnen. Die Länge der Konstruktionswasserlinie war ungefähr gleich der Länge zwischen den Loten. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind Ideen und zum Teil auch Lösungen entstanden, um durch veränderte Schiffsformen den Widerstand und damit die Antriebsleistung zu verringern und das Seegangsverhalten zu verbessern. Im Schiffbau haben sich Neuerungen allerdings meist nur langsam durchsetzen können, so dass erst nach dem Ersten Weltkrieg neue Formen, wie das Kreuzerheck, der nach vorn geneigte Vorsteven oder der Taylorwulstbug, zunehmend das Erscheinungsbild der Handelsschiffe veränderten.

Abb. 2: Elliptisches Heck oder Segelschiffheck. Zeichnung des Autors nach einer Vorlage aus: Van Lammeren, W. P. A.:Resistance, Propulsion and Steering of Ships, Band 2, Haarlem 1948, Seite 105, Fig. 59 Zugleich ermöglichten Fortschritte im schiffbaulichen Versuchswesen die Vorteile der neuen Formen an Modellen mit großer Genauigkeit zu ermitteln. Darüber hinaus richtete die Hamburgische Schiffbauversuchsanstalt 1926 eine Probefahrtsabteilung ein, die die Daten der Werftprobefahrt eines Schiffes erfasste, um diese mit denen der Modellversuche zu vergleichen. 1935 wurde daraus die Sammelstelle für Fahrtergebnisse, bei der auch Daten aus dem späteren Betrieb des Schiffes gesammelt und ausgewertet wurden 1. So erreichte man in kurzer Zeit einen Wissensstand, mit dem zuverlässige Prognosen zu Leistung und Geschwindigkeit eines geplanten Neubaus abgegeben werden konnten. Abb. 3: Kreuzerheck. Zeichnung des Autors nach einer Vorlage aus: Van Lammeren, W. P. A.:Resistance, Propulsion and Steering of Ships, Band 2, Haarlem 1948, Seite 105, Fig. 59 Das Kreuzerheck Das Kreuzerheck 2 stammte aus dem Kriegsschiffbau und hatte den Zweck, Raum für die Rudermaschine unter dem Panzerdeck zu schaffen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde diese Heckform auch im Handelsschiffbau üblich (Abb. 3). Gegenüber dem elliptischen Heck ergab die längere Wasserlinie einen niedrigeren Widerstand sowie mehr Reserveauftrieb bei achterlichem Seegang. Der Schraubenbrunnen wurde reduziert auf die Ruderhacke und die Ruderachse, um die sich statt des Plattenruders ein

Ruderkörper mit symmetrischem Profil drehte (Simplex- bzw. Oertzruder). Die weitere Entwicklung dieser Ruderform führte dann zum Halb- und Vollschweberuder. Die Seitenbugwulst Abb. 4 (links): Taylorwulst des Schnelldampfers BREMEN. Foto:Archiv Deutsches Schiffahrtsmuseum Abb. 5(rechts): Taylorwulst des Rhein-See-Schiffes IRIS. Zeichnung des Autors nach einem Foto in: Höver, Otto: Deutsche Seegeschichte, Potsdam 1942, Abb. 59 Den Bugwulst1,3,5 hat David W. Taylor bereits vor 1910 auf der Basis systematischer Schleppversuche aus dem bei Kriegsschiffen damals noch häufig vorkommenden Rammsporn entwickelt. Die zusätzliche Verdrängung durch den Seitenwulst im Bereich des Vorstevens vergrößerte die wellenbildende Länge, wodurch sich der Widerstand um 5 bis 6 Prozent verringerte1. Die großen Schiffe der US-Navy, später auch Schlachtschiffe und schwere Kreuzer europäischer Flotten, erhielten daher einen Taylor-Wulst. Diese Wulstform kam in Deutschland zum ersten Mal 1928 beim Bau der schnellen PassagierSchnelldampfer BREMEN (Abb. 4) und EUROPA des Norddeutschen Lloyd zur Anwendung. Die in Modellversuchen festgestellte Widerstandsverminderung durch den Bugwulst wurde bei den Probefahrten und späteren Reisen bestätigt4. Auch kleine Schiffe erhielten nun einem Taylor-Wulstbug, wie das RheinSee-Schiff IRIS (Abb. 5) und vermutlich auch deren Schwesterschiffe JASON und CERES der Neptun-Linie, die alle um 1935 bei der Unterweserwerft Wesermünde gebaut wurden6 (Abbildungen des Unterwasserschiffes von JASON und CERES fehlen in den Veröffentlichungen). In Deutschland wurde die Bugform mit Taylor-Wulst auch mit dem Begriff Y-Spantform bezeichnet, da die Spantkontur unterhalb der Konstruktionswasserlinie (CWL) U-förmig, oberhalb dagegen V-förmig ausfallend verlief.

Abb. 6 (links): Yourkevitch-Bugform. Zeichung des Autors nach einer Vorlage aus: Van Lammeren, W. P. A.: Resistance, Propulsion and Steering of Ships,Band 2, Haarlem, 1948, Seite 98, Fig. 52 Abb. 7(rechts): Wulstbug des Ostasien-Schnelldampfers POTSDAM. Zeichnung des Autors nach einem Fotos aus: Süchting, W.: Einige neuere Probleme im Schiffbau. In: Werft, Reederei, Hafen, 20. Jg., Heft 15, 1. August 1939, S. 241, Abb. 2 Eine Weiterentwicklung des Taylor-Wulstbugs ließ der Ingenieur Vladimir Yourkevitch 1928 patentieren 5. Wesentliches Merkmal seines Entwurfs war außer dem Seitenwulst eine konkave CWL, bei der der Ort des Übergangs in einen konvexen Verlauf empirisch aus der Länge der CWL und der Schiffsgeschwindigkeit bestimmt wurde (Abb. 6). Die 1931 bis 1935 gebaute NORMANDIE der Compagnie Générale Transatlantique erhielt einen Bug in der Yourkevitch-Form. Bei der Konstruktion dieser weiter entwickelten Wulstformen wurde der Vorsteven nicht mehr als geschmiedetes, senkrecht stehendes Stevenstück, sondern aus gerundeten Platten gebaut oder aus Stahlguss in mehreren Teilen, wie zum Beispiel bei der BREMEN, gefertigt. Der Steven erhielt außerdem einen Fall nach vorn. Bei mittelschnellen Fracht- und Fahrgastschiffen (Dienstgeschwindigkeit ca. 20 Knoten) wandte die Werft Blohm & Voss den Taylor-Wulst zur Verbesserung des Widerstandsverhaltens in Verbindung mit hohlen Wasserlinien an 4, obwohl allgemein die Ansicht herrschte, dass hohle Wasserlinien im Vorschiff bei mittelschnellen Schiffen keine Verbesserung des Widerstandsverhaltens brächten. 1933 ließ die Hamburg-Amerika Linie ihre vier Passagierschiffe der Albert-Ballin-Klasse bei Blohm & Voss umbauen 7. ALBERT BALLIN, DEUTSCHLAND, HAMBURG UND NEW YORK, alle gebaut zwischen 1923 und 1927, wurden im Vorschiffsbereich um 12 Meter verlängert und erhielten einen Taylor-Wulstbug mit hohlen Wasserlinien. Das führte zu einer Minderung der erforderlichen Antriebsleistung um 28 Prozent bei einer gleich bleibenden Dienstgeschwindigkeit von 19 Knoten. Einen Taylor-Wulstbug mit hohlen Wasserlinien haben ebenfalls die Neubauten POTSDAM (Abb.7) 8 des Norddeutschen Lloyd, PRETORIA und WINDHUK der Deutschen Afrika-Linien sowie OSORNO und HUASCARAN der Hamburg-Amerika Linie erhalten (erbaut 1935 bis 1938 bei Blohm & Voss). Eine merkbare Verminderung des Wellenwiderstandes soll bei diesen Schiffen erst oberhalb der Dienstgeschwindigkeit aufgetreten sein, das Seegangsverhalten wurde von den Kapitänen jedoch sehr positiv beurteilt 4. Die Maier-Schiffsform Der Wiener Schiffbau-Ingenieur Fritz Franz Maier entwickelte in den Jahren 1902 / 05 eine neue Schiffsform (Abb. 8, 8a u. 8b) und erprobte sie in Schleppversuchen 9. 1906 erhielt er ein Patent auf diese Form. Ziel der von Maier erdachten Formgebung war es, durch die ausgeprägte V-Form der Spanten eine sehr gleichmäßige Umströmung von Vor- und Hinterschiff längs kürzester Stromlinien zu erreichen und so den Reibungswiderstand zu vermindern. Zudem sollte der Wellenwiderstand durch das starke Wegschneiden von Vor- und Hintersteven günstig beeinflusst werden 1,3. Allerdings traten bei der

Abb. 8: Linienriss in der originalen Maier-Form. Zeichung des Autors nach einer Vorlage aus:van Lammeren, W. P. A.:Resistance, Propulsion and Steering of Ships, Band 2, Haarlem 1948, Seite 96, Fig. 50 Abb. 8a: Vorschiff in der originalen Maier-Form. Zeichung des Autors nach Vorlage aus: Van Lammeren, W. P. A.:Resistance, Propulsion and Steering of Ships, Band 2, Haarlem 1948, Seite 96, Fig. 50 Abb. 8b: Hinterschiff in der originalen Maier-Form. Zeichung des Autors nach Vorlage aus: Van Lammeren, W. P. A.:Resistance, Propulsion and Steering of Ships, Band 2, Haarlem 1948, Seite 96, Fig. 50 Umsetzung der Theorie in die Praxis Probleme auf, weshalb Hans Karl Kloeß von 1924 bis 1927 weitere Versuche durchführte, deren Ergebnisse dann die praktische Verwertung der Maier-Schiffsform ermöglichten. Wegen der für Einschrauber ungünstigen Hinterschiffsform nach Maier gestaltete man das Achterschiff in konventioneller Form als Kreuzerheck mit V-Spanten, der Kimmbereich erhielt mittschiffs die übliche Kreisbogenkontur 3,1.

Die Verringerung des Reibungs- und Wellenwiderstandes erreichte man nun für den jeweiligen Entwurf hauptsächlich durch eine entsprechende Formgebung des Vorschiffs mit mehr oder weniger stark ausgeprägten V-Spanten und unterschiedlicher Stevenkontur (Abb. 9 u. Abb. 10). Wesentlich unterstützt wurde diese Maßnahme durch eine geeignete Wahl der Abmessungen und der Anordnung der Verdrängungsverteilung. Damit erreichte man bei gleicher Geschwindigkeit im glatten Wasser eine Verminderung der erforderlichen Antriebsleistung von 8 bis zu 10 Prozent gegenüber der normalen Schiffsform gleicher Größe. Der ausfallende Steven und die V-Spanten im Vorschiff verbesserten außerdem das Seegangsverhalten, indem der nach oben zunehmende Reserveauftrieb die Stampfbewegungen stark reduzierte, zudem das Austauchen des Propellers vermieden wurde und somit bei schlechtem Wetter weniger Leistungsverlust auftrat. Bei den Fischdampfern war das verbesserte Seegangsverhalten sogar vorrangiges Entwurfsziel, denn nun konnte bei schlechtem Wetter länger gefischt werden, was bessere Erträge pro Fangreise einbrachte 10. Abb. 9: Variante des Bugs der Maier-Form. Zeichnung des Autors nach einer Vorlage aus: Förster, Ernst: Power, Speed, Economy and Seaworthiness of Medium-Sized Fast Liners. In: Transactions of the Society of Naval Architects and Marine Engineers, Vol. 44, 1936, Seite 231, Fig. 1 Abb.10: Weitere Variante des Bugs der Maier-Form. Zeichnung des Autors nach einer Vorlage aus: Timmermann, Gerhard: Die Suche nach der günstigsten Schiffsform. Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Band 11, Oldenburg-Hamburg 1979, Seite 104 r.

1927 wurde die Maier-Schiffsform Verwertungsgesellschaft m.b.h. in Bremen gegründet, die für Schiffsneubauten Entwürfe lieferte bzw. Lizenzen erteilte 9. 1928 wurden als erste Schiffe drei Fischdampfer nach der Maier-Form gebaut, 1931 waren es 26 Schiffe, wovon sich 24 in Fahrt befanden, und 1938 waren 481 Schiffe im Bau oder in Fahrt, davon 255 unter deutscher und 226 unter ausländischer Flagge, darunter 57 für die skandinavischen Länder, 55 für Großbritannien und 43 für die Niederlande. Die häufigsten Schiffstypen, die nach der Maier-Form gebaut wurden, waren Fischdampfer (139) und große Frachtschiffe (121) 10. Die folgenden Beispiele zeigen, wie die Maier-Form auch bei sehr unterschiedlichen Schiffen erfolgreich angewandt wurde: Abb.11: Ostasienschnelldampfer SCHARNHORST, 1935 gebaut. Foto: Hans Engelmeyer / Archiv Deutsches Schiffahrtsmuseum Abb. 12: Frachter DONAU, 1929 gebaut. Foto: Hans Engelmeyer / Archiv Deutsches Schiffahrtsmuseum

Abb. 13: Hochsee-Fischdampfer CARSTEN JANSSEN, 1938 gebaut. Foto: Archiv Deutsches Schiffahrtsmuseum Der Maier-Form sehr ähnlich war die sogenannte Hyperbelform von Oedekoven, bei der die Vorschiffsspanten eine konvexe, nach oben steiler werdende Hyperbelkontur haben 11. Die Arc-Form Diese spezielle Art der Formgebung kam nur in Großbritannien zur Ausführung, fand aber in Deutschland wegen der mit ihr verbundenen Widerstandsverminderung Beachtung in Fachzeitschriften und büchern. Sir J.W. Isherwood entwarf die Arc-Form 1932 und ließ sie patentieren 1,11. Ihr besonderes Merkmal waren die nach außen kreisförmig gewölbten Seiten der Hauptspantkontur, die strakend in den flachen Boden übergingen. Diese Kontur wurde im mittleren Schiffsbereich solange wie möglich beibehalten und ging zu den Enden hin in normale Bug- und Heckformen über. Dadurch wurde die benetzte Oberfläche und folglich der Reibungswiderstand verringert. Nach dieser Form wurden 1933 die Frachtschiffe ARCWEAR und ARCTEES, 1935 der Motortanker G. S WALDEN und weitere Schiffe gebaut. Freie Formgebung In den Jahren 1919 bis etwa 1928 veränderten sich die Schiffsformen nur wenig. Viele Schiffe wurden noch nach der alten Dampferform gebaut. Der Übergang zum Kreuzerheck und leichte Veränderungen des Vorschiffs - gemäßigte U-Spanten, oberhalb der CWL ein wenig ausfallend, und ein etwas nach vorn geneigter Vorsteven - waren die wesentlichen neuen Formcharakteristika. Der Entwurf eines neuen Schiffes orientierte sich an ähnlichen, bereits existierenden Schiffen, deren Verhältniswerte und Formen man übernehmen konnte. Der Erfolg der Maier-Form veränderte diese Entwurfspraxis. Um mit neuen Formen den gleichen Erfolg zu erreichen wie die patentgeschützte Maier-Form, richtete man das Entwurfsziel vorrangig auf ein günstiges Widerstands- und Leistungsverhalten aus 1,2,10. Unterstützt wurde dieses Vorgehen durch die Veröffentlichung der Leistungsbestimmung nach Ayre (1927/32) und durch die zu empirischen Beziehungen aufbereiteten Modellversuchswerte und Betriebsdaten gebauter Schiffe. Damit konnte man die für den Entwurf günstigen Hauptabmessungen und Formparameter bestimmen sowie weitere Werte wie Völligkeitsgrade, Verlauf der CWL, Verteilung der Verdrängung der Länge nach und andere Werte festlegen. Die Wahl der Spantform war teilweise durch den Verlauf der CWL und die Verdrängungsverteilung eingeschränkt. Empfohlen wurden gemäßigte V-Spanten im Hinterschiff wegen des geringeren Widerstandes. U-Spanten im Hinterschiff erhöhten zwar den Widerstand, ergaben aber eine bessere Anströmung des Propellers. Für das Vorschiff sollte bei langsameren Schiffen die Spantform zwischen U- und V-Form liegen mit der Tendenz zur U-Form für höhere Geschwindigkeiten. Für ein gutes Seegangsverhalten sollten die Spanten oberhalb der CWL V-förmig nach außen fallen und

der Vorsteven nach vorne geneigt sein. Die Ergebnisse von Modellversuchen zeigten dann, wie weit mit der neuen Form die Entwurfsziele erreicht wurden. Anmerkungen 1 TIMMERMANN, Gerhard: Die Suche nach der günstigsten Schiffsform. Oldenburg und Hamburg: 1979 (=Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Band 11) 2 Schiffbaukalender. Hilfsbuch der Schiffbau-Industrie. Berlin: Strauß, Bände 1921 1941 3 VAN LAMMEREN, W.P.A.: Resistance, Propulsion and Steering of Ships. Haarlem: 1948 4 SÜCHTING, W.: Einige neuere Probleme im Schiffbau. In: Werft, Reederei, Hafen. Hamburg: 20. Jg., Heft 15, 1. August 1939, S. 239-242 5 FÖRSTER, Ernst : Power, Speed, Economy and Seaworthiness of Medium Sized Fast Liners. In: Transactions of the Society of Naval Architects and Marine Engineers, Vol 44, 1936, S. 228-247 6 Die Rhein-See-Schiffe IRIS, CERES und JASON hatten eine Länge zw. d. Loten von 70 m, eine Breite von 10,5 m, einen Tiefgang von 4,57 m, eine Tragfähigkeit von 1600 t und eine Geschwindigkeit von 12 kn. Schiffbau, Schiffahrt und Hafenbau. Berlin: 36. Jg., Nr. 23, 1. Dezember 1935, S. 417 7 Umbau Albert Ballin Klasse. In: Werft, Reederei, Hafen. Hamburg: 14. Jg., Heft 21, 1. November 1933, S. 295-296 8 Neubau POTSDAM : Länge ü. A. = 193 m, Breite = 22,5 m, Seitenhöhe = 13,75 m, Tiefgang = 8,7 m, Geschwindigkeit = 20 kn, Stapellauf 1935, Werft Blohm & Voss. In: Werft, Reederei, Hafen. Hamburg: 16. Jg., Heft 1, 19. Januar 1935, S. 33-34 9 BI Taschenlexikon Schiffbau/Schiffahrt, Leipzig 1980 10 KLOESS, Hans Karl: Entwicklung und Ergebnisse der Maierform. In: Werft, Reederei, Hafen. Hamburg: 19. Jg., Heft 11, 1. Juni 1938, S. 164-170 11 HERNER, Heinrich; RUSCH, Karl: Die Theorie des Schiffes. Herausgegeben von KRAUSE, A. Leipzig: 1952